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Wahlprogramm 2021

https://www.bundestagswahl-bw.de/wahlprogramm-freie-waehler-1

W A H L P R O G R A M M B T W 2 0 2 1
STABILITÄT, SICHERHEIT, FREIHEIT:
DIE KRAFT
DER MITTE.
INHALTSVERZEICHNIS
Präambel: Stabilität, Sicherheit, Freiheit – die Kraft der Mitte! 6
Gemeinschaft und Respekt 12
Kontrolliertes Asylrecht 12
Der Mensch im Mittelpunkt 14
Sicheres und zukunftsfähiges Gesundheits- und Pflegesystem 18
Suchtprävention und -behandlung 23
Politik für eine solidarische Gesellschaft 24
Freiheitliche Gesellschaft 27
Anstand und Ordnung 32
Zurück zu einer soliden Finanzpolitik 32
Steuern senken, Schlupflöcher schließen 34
Ethisches Handeln in Politik und Wirtschaft 35
Umweltschutz und Nachhaltigkeit 42
Umwelt- und Ressourcenschutz 43
Energiewende umsetzen 48
Mobilität verbessern 53
Schöpfung bewahren – Tierschutz 57
Sicherheit und Stabilität 62
Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherstellen 62
Grenzschutz und Verteidigung sicherstellen 68
Außenpolitik mit Verantwortung 72
Entwicklungspolitik für eine friedlichere und sichere Welt 76
Verbrauchersicherheit auf höchstem Niveau 78
Ehrlichkeit und Fleiß 84
Arbeit muss sich wieder lohnen 84
Unternehmertum und Verantwortung 86
Unsere Landwirtschaft fördern 91
Familie und Partnerschaft 100
Familien fördern, Ehe sowie Lebensgemeinschaft schützen 100
Spitzenniveau am Bildungsstandort Deutschland 101
Demokratie und Bürgertum 108
Mehr Demokratie 108
Europa reformieren 111
Wir sind eine solidarische Gesellschaft – alle kommen mit! 113
Region und Heimat 118
Starke, selbstbestimmte Regionen und Kommunen 118
Digitalisierung – Deutschland wird smart 122
Kultur und Medienvielfalt fördern 125

DIE KRAFT
DER MITTE!
6
PRÄAMBEL: STABILITÄT,
SICHERHEIT, FREIHEIT – DIE
KRAFT DER MITTE!
Wir FREIE WÄHLER stehen für eine Politik, die sich für die Bürger*innen einsetzt, die Interessen unseres Lan-
des vertritt und damit die Zukunft unserer Kinder sichert. Wir treten für einen leistungs- und handlungsfähigen
Staat ein, der auch in den unruhigen Zeiten die Stabilität, die Sicherheit und die Bewahrung unserer Lebens-
weise garantiert. Durch die Umwälzungen in der Arbeits- und Berufswelt dürfen heimische Arbeitsplätze und
der Mittelstand nicht unter die Räder kommen. Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Wasserstoff müs-
sen genutzt werden, um den Wirtschaftsstandort Deutschland modern und zukunftsfähig zu halten und die
Arbeitsplätze von morgen zu schaffen und die jetzigen Arbeitsplätze zu sichern.
Die unterschiedlichen Krisen der vergangenen Jahre haben unser Land verändert. Eurokrise, Flüchtlingskrise,
Klimakrise, Corona-Pandemie – die Menschen haben den Eindruck, in einer Dauerkrise zu stecken, die Ge-
sellschaft ist in Unruhe, viele Bürger*innen haben Zukunftsangst. Wir FREIE WÄHLER sind nahe dran an den
Sorgen der Menschen und treten für pragmatische Lösungen mit gesundem Menschenverstand ein, statt zu
verunsichern und zu polarisieren. Wir müssen unsere Gesellschaft zusammenhalten, statt zu spalten. Kons-
truktive Kritik ist erwünscht, Radikalisierung und Angriffe auf unsere Demokratie müssen bekämpft werden.
Wir müssen unser Land wieder zur Ruhe bringen, das Schüren von Zukunftsängsten, egal von welcher Seite, ist
schädlich. Wir müssen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands als Grundlage unseres Wohlstands
sichern, gerade auch in Zeiten wiederholter Corona-Lockdowns. Dazu sind intelligente und zielführende Maß-
nahmen gefragt, welche das Wirtschaftsleben möglichst wenig beeinträchtigen und trotzdem Infektionsschutz
bieten, beispielsweise der gezielte Einsatz von FFP2-Masken statt Schließungen von Läden und Kultureinrich-
tungen.
Im Bund braucht es deshalb eine solide Partei der Bürger*innen, die sich die Zukunftsfähigkeit unseres Lan-
des auf die Fahnen geschrieben hat. Das Vertrauen in die Menschen in unserem Land, in ihre Kenntnisse
und Fähigkeiten erfüllt uns auch mit großer Zuversicht. Durch Innovation und Fortschritt werden die großen
Herausforderungen der heutigen Zeit lösbar sein. Politik muss die Meinung und die Sorgen der Menschen
ernst nehmen und Entscheidungen transparent und nachvollziehbar gestalten. Die Bundestagswahl mit der
anschließenden Kanzlerwahl hat auch besondere Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung im Europäi-
schen Rat und in der Europäischen Union, da sich dieser aus den Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten
zusammensetzt.
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Wir FREIE WÄHLER entstammen einer kommunalpolitischen Bewegung, die nach dem Krieg beim Wieder-
aufbau vor Ort entscheidend mitgewirkt hat. Funktionierende Wasserversorgung, Schulen, Krankenhäuser,
die Wiederbelebung des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens wurde von freien und unabhängigen Kom-
munalpolitiker*innen ideologiefrei und damit erfolgreich in die Hand genommen, die in der FREIE WÄHLER
Bewegung mündete. Dieser Geist ist heute nötiger denn je, um unser Land wieder zu einen, Probleme gezielt
zu lösen, statt sich immer mehr gegenseitig zu bekämpfen und ideologisch zu spalten.
Wir sind eine moderne, liberal-konservative Bürgerbewegung der Vernunft und des gesunden Menschen-
verstands. Wir sind der Garant für Sicherheit, Stabilität und Ordnung. Für uns FREIE WÄHLER sind Ehrlichkeit,
Anstand und Aufrichtigkeit im öffentlichen Leben und in der Wirtschaft unverzichtbar. Ein Leben in Sicherheit
sowie das Streben nach Wohlstand und Glück sind Grundbedürfnisse des Menschen und damit der Auftrag
unserer Politik. Wir FREIE WÄHLER sind deutschlandweit eine wichtige kommunale Kraft, wir sind mittlerweile
im Europaparlament vertreten und in den Landtagen Bayern (mit Regierungsbeteiligung), Brandenburg und
Rheinland-Pfalz.
Wir verfolgen die folgenden Werte:
Gemeinschaft und Respekt
Eine Gesellschaft ist mehr als eine lose Ansammlung von rücksichtslosen Individualist*innen. Unser Ziel ist
eine solidarische Gesellschaft, in der Respekt vor der Freiheit eines jeden einzelnen Menschen herrscht, aber
auch Respekt vor den Werten der Mehrheitsgesellschaft. Wir müssen der Vertiefung von Parallelgesellschaf-
ten vorbeugen. Die Generationengerechtigkeit ist für uns ein zentrales Anliegen. Jede Generation muss dafür
sorgen, dass auch die vorherige und nächste Generation in Würde, Freiheit und mit Verantwortung leben kann.
Menschen müssen im Alter ihre Würde behalten, dazu braucht es auskömmliche Renten und ein hochwertiges
Pflegeangebot. Gerade die Corona-Pandemie hat schonungslos vor Augen geführt, dass ein kaputtgespartes
Gesundheits- und Pflegesystem in Krisensituationen zu schnell an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit stößt
und dann mit massiven Eingriffen ins gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben reagiert werden muss, um
das System nicht zu überlasten. Die Schere zwischen Armen und Reichen darf nicht weiter auseinandergehen,
sondern muss kleiner werden.
Anstand und Ordnung
Eine Gesellschaft, eine Volkswirtschaft und ein politisches System können ohne Werte und Ordnung nicht
funktionieren. Wir brauchen anständige und aufrichtige Menschen in den Spitzenpositionen in unserem Land.
Exzessen muss entgegengewirkt werden. Es braucht eine wirksame Finanzmarktregulierung und Unverein-
barkeitsregelungen für den direkten Wechsel von politischen Amtsträger*innen in die Wirtschaft. Außerdem
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muss das Prinzip „Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten“ in Wirtschaft und Politik wieder gelten,
insbesondere auch auf europäischer Ebene.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit
Die Menschheit kann nur in einer intakten Umwelt auf Dauer überleben. Deshalb fordern wir höchste Priorität
für Umwelt- und Artenschutz, Nachhaltigkeit und vor allem für den Klimaschutz durch den massiven Ausbau
der erneuerbaren Energien. Wir sind überzeugt, dass auf lange Sicht Ökonomie und Ökologie keine Gegen-
sätze sind, sondern untrennbar zusammengehören.
Sicherheit und Stabilität
Internationaler Terrorismus, Pandemie, Finanzkrise, Flüchtlingskrise – der Ausnahmezustand ist offenbar
der Dauerzustand, Normalität und Ruhe gehen verloren. Die Bevölkerung braucht Sicherheit und Stabilität
im Inneren und nach außen. Es braucht endlich wieder bedarfsgerecht ausgerüstete Einsatzkräfte und eine
funktionierende Justiz. Unsere Außenpolitik muss stärker auf eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Über-
windung von Gräben und zur Sicherung von Frieden setzen. Gezielte und faire wirtschaftliche Zusammenarbeit
zum Wohle beider Seiten schafft auch Perspektiven in Krisenregionen und beugt unkontrollierter Armutsflucht
vor. Die Sicherheitslage auf der Welt macht es aber auch notwendig, wieder eine funktionierende Verteidi-
gungsarmee zu haben. Wir wollen ein attraktives Gesellschaftsjahr für alle einführen. Dies ist durch eine echte
Wahlfreiheit zwischen Blaulichtorganisationen, Zivil- und Wehrdienst zu erreichen. Damit es einen Mehrwert
für jeden einzelnen Menschen und die Gesellschaft gibt, braucht es Rentenansprüche und eine ordentliche
Bezahlung für den künftigen Lebensweg.
Ehrlichkeit und Fleiß
Unsere Wirtschaft funktioniert, weil die aufrichtigen Unternehmer*innen, die stolzen Arbeiter*innen und
Angestellten und viele mehr sich mit Ehrlichkeit und Fleiß einbringen und unseren Wohlstand mühsam er-
arbeiten. Wir wollen die Anerkennung für solide Wertschöpfung in der Gesellschaft steigern und die nötige
Infrastruktur für eine erfolgreiche Volkswirtschaft schaffen. Wir stehen zum Lohnabstandsgebot, zu guten Löh-
nen und der Tarifautonomie. Wer arbeitet, darf in Deutschland nicht der/die Dumme sein. Eine leistungs- und
eigentumsfreundliche Steuerpolitik muss Fleiß und gute Arbeit belohnen und Eigentum stärken. Jedes Kind
muss die gleiche Chance haben – unabhängig vom sozialen und finanziellen Status der Eltern.
Familie und Partnerschaft
Die Familie ist ein Ort der Sicherheit und Geborgenheit und gibt im Alltag Halt. Wir wollen jungen Menschen
ermöglichen, sich auch in der heutigen Zeit bewusst für Kinder, Familie, Lebensgemeinschaft und Ehe zu ent-
scheiden. Deswegen stehen wir für eine kostenfreie Kinderbetreuung und die Privilegierung von Ehe, Lebens-
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gemeinschaft und Familie. Wir lehnen eine unangemessene staatliche Einflussnahme auf Erziehungsentschei-
dungen der Eltern und Sorgeberechtigten ab. Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein. Außerdem sollen künftig
Homeoffice- und Telearbeitsmodelle eine weitere Möglichkeit sein, um die Vereinbarkeit von Familie und Be-
ruf zu fördern. Unter Familie verstehen wir jede Einheit von zwei (hetero- oder homosexuellen) Partner*innen
oder von Alleinerziehenden mit Kindern.
Demokratie und Bürgertum
Wir wollen die Kluft zwischen einer Zuschauerdemokratie und dem Streben nach unmittelbarer persönlich-
politischer Beteiligung und Verantwortungsübernahme schließen. Daher fordern wir Bürgerräte, Volksinitia-
tiven, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene. Diese direktdemokratischen Elemente beleben
unsere repräsentative Demokratie, ohne sie dabei zu ersetzen. Verbindliche Mitbestimmungsmöglichkeiten
halten Parlamentarier*innen dazu an, bereits in ihrer Gesetzgebung ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung und
Transparenz zu gewährleisten. Die Politik wird dadurch eine neue Qualität gewinnen. Wir verfolgen das Ideal
der aufgeklärten, mündigen und humanistischen Bürger*innen und haben daher vor ihren direktdemokrati-
schen Entscheidungen großen Respekt.
Region und Heimat
Lokal verwurzelte Menschen haben einen festen Bezugspunkt, Orientierung in einer globalen Welt und sind
glücklichere und zufriedene Menschen. Wir stehen daher für starke Regionen, ehrenamtliches Engagement
und eine intakte Heimat. Deswegen treten wir für die Förderung der lokalen Wirtschaft, solide Kommunal-
finanzen, eine intakte Natur und eine flächendeckende, bäuerliche und familiengeführte Landwirtschaft mit
gesunden Lebensmitteln ein. Wir lehnen die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge (Wasser, Kran-
kenhäuser, Entsorgung, öffentlicher Personennahverkehr u.v.a.m.) konsequent ab. Stabile Gemeinden, Städte
und Kreise sind Garanten und Sicherstellung für eine lebenswerte Heimat. Wir werden, wie in Bayern, das
Konnexitätsprinzip einführen.

GEMEINSCHAFT
UND RESPEKT
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GEMEINSCHAFT UND RESPEKT
Unsere Gesellschaft steht vor der großen Herausforderung des demografischen Wandels. Der bisherigen Poli-
tik der jetzigen Bundestagsparteien ist es nicht gelungen, darauf die notwendigen Antworten zu geben. Zielge-
richtete Reformen unserer sozialen Sicherungssysteme wurden nicht angegangen oder aus parteipolitischem
Geplänkel vertagt. Wir aber stellen uns dieser Aufgabe. Unser Rentensystem und unser Gesundheitssystem
erfordern grundlegende und zukunftsfeste Reformen. Eine dauerhafte Beitragsstabilität, ein langfristig attrak-
tives Rentenniveau und eine hochwertige Gesundheitsversorgung in der Stadt und auf dem Land lassen sich
nur durch umfassende Reformen erreichen. Wir FREIE WÄHLER wollen diese gesellschaftspolitische Aufgabe
angehen und einer Lösung zuführen.
Wir wollen eine solidarische Gesellschaft, an der alle Bürger*innen teilhaben und sich für das Gemeinwesen
einbringen können. Damit Zuwanderung in diesem Zusammenhang keine Belastung, sondern eine Chance für
unsere Gesellschaft wird, brauchen wir aber klare Regeln.
KONTROLLIERTES ASYLRECHT
Durch Verfolgung und wirtschaftliche Not in vielen Teilen der Welt verlassen Millionen Menschen ihre Heimat.
Die Länder Europas und insbesondere Deutschland üben eine hohe Anziehungskraft auf Flüchtlinge aus Afrika
und dem Nahen Osten aus. Bei aller Hilfsbereitschaft können wir diese Krise nicht durch dauerhafte Zuwan-
derung unter Berufung auf das Asylrecht bewältigen. Die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition war ein Fehler.
Mit der unkontrollierten Zuwanderung hatte die Bundesregierung 2015 hunderttausende Flüchtlinge in das
Land gelassen, ohne den damit verbundenen Aufgaben Herr zu werden. Wir brauchen klare Regeln für die
Einwanderung und eine europäische Lösung für die Flüchtlingsproblematik. Dabei müssen wir dafür Sorge
tragen, dass eine unkontrollierte Einwanderung verhindert wird.
Humanitäre Flüchtlingspolitik
Wir stehen zu unserem Asylrecht und wollen unserer humanitären Verantwortung in Deutschland gerecht
werden. Verfolgte und Bürgerkriegsflüchtlinge genießen Schutz, bis die Lage in ihren Heimatländern eine
Rückkehr zulässt.
Rückführungsabkommen flächendeckend abschließen
Neben einem schnellen Abschluss der Asylverfahren ist ebenso die rasche Rückführung abgelehnter Asylbe-
werber*innen erforderlich. Deshalb muss auch die Aufnahmebereitschaft sicherer Herkunftsländer gewähr-
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leistet werden. Rückführungsabkommen mit weiteren Ländern Afrikas und Asiens wollen wir auf den Weg
bringen, um die Rückkehr in sichere Landstriche schnell voranzutreiben. Gezielte wirtschaftliche Zusammen-
arbeit muss dieses Ziel unterstützen.
Einrichtung von UN-Schutzzonen in Krisengebieten
Wir wollen uns auf internationaler Ebene für die Einrichtung von UN-Schutzzonen starkmachen, um die Fehler
der Vergangenheit und die humanitären Katastrophen nicht zu wiederholen. Unter Führung der Vereinten
Nationen (UNO) muss die internationale Staatengemeinschaft in Krisengebieten künftig rasch geeignete Land-
striche sichern, um den fliehenden Menschen vor Ort Sicherheit und eine Grundversorgung zu geben. Damit
bleibt ihnen die lebensgefährliche Weiterflucht in Richtung Europa erspart.
Volle Kostenübernahme der Integrationspolitik durch den Bund
Wir wollen, dass die Bundesebene vollumfänglich für die Kosten der Integration der Flüchtlinge aufkommt.
Dies wäre bei dem von uns geforderten Konnexitätsprinzip der Fall. Zahlreiche Kommunen in Deutschland sind
ohnehin in finanzieller Not und dürfen nicht weiter durch den Bund belastet werden. Die Kommunen müssen
ihre Aufgaben für ihre Bürger*innen weiterhin wahrnehmen können.
Verpflichtende Haftpflichtversicherung für Asylbewerber*innen
Bei Unfällen mit nicht versicherten Asylsuchenden haben Gerichte immer wieder entschieden, dass die
Geschädigten nicht auf Entschädigung hoffen können, da ein Unfall mit Nichtversicherten als „allgemeines
Lebensrisiko“ eingestuft wird. Einige Städte und Gemeinden haben bereits reagiert und versichern Asylsu-
chende. Es braucht jedoch eine bundeseinheitliche Regelung für eine verpflichtende Haftpflichtversicherung
von Asylbewerber*innen.
Integration durch Fordern und Fördern
Diejenigen Zugewanderten, die bei uns bleiben werden, müssen wir so gut wie möglich in unsere offene
Gesellschaft eingliedern. Doch Integration ist keine Einbahnstraße. Damit sie gelingt, müssen wir die Zuge-
wanderten fördern, aber auch ihre Bereitwilligkeit einfordern. Der Erwerb der Sprache, die Bereitschaft, sich
für unseren Arbeitsmarkt nachzuqualifizieren, aber auch unsere liberale Gesellschaftsordnung anzuerkennen,
gehören unweigerlich dazu.
Europäische Rückführungsabkommen mit Fluchtherkunftsländern abschließen
Es ist nicht sinnvoll, dass jedes EU-Mitglied einzeln Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern der
Geflüchteten schließt. Wir wollen, dass die EU den Abschluss sogenannter EU-Rückübernahmeabkommen
voranbringt. Die Fluchtherkunftsländer sollen im Gegenzug eine privilegierte Rolle in der europäischen Ent-
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wicklungszusammenarbeit einnehmen. Dabei ist darauf zu achten, dass EU-Gelder nicht versickern, sondern
an zuverlässige Hilfsorganisationen vor Ort fließen.
Bekämpfung der Schlepperei durch europäische Asylzentren in Afrika
Wir wollen legale Wege der Einreise für schutzbedürftige Menschen schaffen. Asylanträge müssen schon vor
einer Überfahrt nach Europa gestellt und geprüft werden können. Dadurch entziehen wir dem menschenver-
achtenden Geschäftsmodell der Schlepperbanden den Boden.
EU soll Seenotrettung an sich ziehen
Europa darf es nicht länger geschehen lassen, dass jedes Jahr tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken.
Wir sprechen uns daher gegen eine Kriminalisierung der aktuell tätigen zivilen Helfer*innen aus. Die Seenot-
rettung auf dem Mittelmeer muss jedoch künftig grundsätzlich wieder von den EU-Mitgliedsländern wahr-
genommen werden, wie es der Palermo-Appell verlangt.
Keine Einwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme
Wir machen uns dafür stark, dass künftig nicht das Wohnsitzland, sondern das Heimatland für die soziale Si-
cherung seiner Bürger*innen zuständig ist. Damit müssten sich Arbeitnehmer*innen aus anderen EU-Ländern
beim Beziehen von Sozialleistungen an die Höhe der Sozialleistungen in ihrem Herkunftsland anpassen. Da
alle EU-Mitgliedstaaten dem Sozialstaatsgebot verpflichtet sind, ist eine entsprechende Absicherung gewähr-
leistet und gleichzeitig werden falsche Anreize unserer sozialen Sicherungssysteme beseitigt.
DER MENSCH IM MITTELPUNKT
Die sozialen Sicherungssysteme in unserem Land genießen weltweit ein hohes Ansehen. Damit das so bleibt,
müssen die Sicherungssysteme langfristig leistungsfähig und bezahlbar bleiben sowie für alle Bürger*innen
zugänglich sein. Das Gefühl sozialer Sicherheit schwindet, die Furcht vor sozialem Abstieg steigt. Wir wollen,
dass das Vertrauen in das deutsche Rentensystem wieder wächst. Daher plädieren wir für grundlegende Re-
formen der sozialen Sicherungssysteme, insbesondere der gesetzlichen Sozialversicherungen. Das Rentensys-
tem muss für heutige und künftige Generationen zukunftssicher aufgestellt werden.
Unser Ziel ist es, dass die Menschen wieder enger zusammenrücken. Gesellschaftlicher Zusammenhalt be-
deutet auch, dass wir allen Bürger*innen eine gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft einräumen.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist unser erklärtes politisches Ziel.
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Deutschland lebt vom Ehrenamt und einer gemeinsamen kulturellen Identität. Zum Gelingen der Gesellschaft
leistet das bürgerliche Ehrenamt einen unverzichtbaren Beitrag und trägt damit wesentlich zum sozialen Zu-
sammenhalt bei.
Rentenversicherung mit Vier-Säulen-Modell
Wir wollen die gesetzliche, betriebliche und freiwillige Vorsorge so aufstellen, dass wieder ein möglichst hoher
Rentenanspruch sichergestellt wird und ein weiteres Absinken des Rentenniveaus der Vergangenheit angehört.
Die gesetzliche Rentenversicherung soll maßgeblich den Erhalt des Lebensstandards gewährleisten. Bei der
Verwendung von Beiträgen und Steuermitteln ist eine größtmögliche Transparenz herzustellen. Es muss si-
chergestellt werden, dass die betriebliche und private Vorsorge vom Staat honoriert wird. Die Politik muss die
Rahmenbedingungen schaffen, dass sich Arbeit lohnt und am Ende zu einer Rente führt, die zum Leben aus-
reicht. Rentenbesteuerung und Doppelverbeitragung von Betriebsrenten müssen im Sinne der Rentenbezie-
her*innen korrigiert werden. Als vierte Säule soll der Staat den Erwerb und den Bau von Immobilien fördern.
Das Kaufen und Abbezahlen einer eigengenutzten Immobilie ist eine Investition in den eigenen Ruhestand.
Garantie der betrieblichen und privaten Vorsorge
Wir wollen sicherstellen, dass die freiwillige betriebliche oder private Vorsorge vom Staat honoriert wird. Das
bedeutet, dass die Auszahlungen aus diesen Versicherungen nicht etwa zu einer Senkung der Grundsicherung
im Alter führen, sondern von den Begünstigten – zumindest teilweise – zusätzlich zu staatlichen Transfer-
leistungen bezogen werden dürfen. Das Schonvermögen eines/einer Antragsteller*in von Hartz IV soll zur Ver-
meidung von Altersarmut erweitert werden. Dazu soll der Bemessungsbetrag auf 2.000 Euro pro Lebensjahr
ohne Obergrenze angehoben werden.
Rentenniveau stabilisieren durch Automatisierungs-Gutschrift
Wir wollen sicherstellen, dass es zu keiner weiteren Absenkung des Rentenniveaus und zu einer wachsenden
Altersarmut kommt. Immer mehr Menschen haben zwar ein Leben lang in Vollzeit gearbeitet, aber dabei nur
ein geringes Einkommen erzielen können. Gut bezahlte Arbeitsplätze in der Industrie sind durch die zuneh-
mende Automatisierung weggefallen. Im wachsenden Dienstleistungssektor werden aber weit geringere Stun-
denlöhne gezahlt als im produzierenden Gewerbe. Da sich die Rentenanwartschaften nach dem individuellen
Einkommen richten, ist es also erforderlich, die individuellen Rentenkonten zu erhöhen. Deswegen wollen wir
das Instrument der Automatisierungs-Gutschrift einführen, damit weder eine Absenkung des Rentenniveaus
noch eine zunehmende Steuerfinanzierung der Rente nötig wird. Für die Automatisierungs-Gutschrift wird
bei börsennotierten Aktiengesellschaften auf die ausgeschütteten Dividenden berechnet – vergleichbar der
Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge – von den Banken automatisch ein Anteil an die Deutsche Rentenver-
sicherung überwiesen. Dieses Geld wird als Rentenpunkte allen Rentenversicherten gleichmäßig auf ihren
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individuellen Rentenkonten gutgeschrieben. Die Höhe wird zwischen der Deutschen Rentenversicherung und
der Deutschen Börse ausgehandelt. So steigt die individuelle Rentenanwartschaft und das Rentensystem be-
kommt zusätzliche Einnahmen zur Finanzierung der fälligen Rentenzahlungen. Die Automatisierungs-Gutschrift
stabilisiert somit das Rentenniveau, verhindert Unternehmens- und Einkommenssteuererhöhungen zur Ren-
tenfinanzierung und reduziert den Abfluss von deutschem Kapital an die zunehmende Zahl von Aktionären
aus dem Ausland und nimmt diese für den Erhalt des Sozialstandards im Entstehungsland ihrer Dividenden
in die Pflicht.
Volle Anrechnung der Elternzeit auf die Rente
Nachwuchs sorgt für die Nachhaltigkeit unseres Rentensystems. Deswegen müssen wir Eltern bei der Rente
die Kindererziehungszeiten mit dem letzten Bruttogehalt voll anrechnen.
Deutsche Minderheiten im Ausland stärker fördern
Wir wollen die deutschen Minderheiten in Ländern wie Belgien, Polen, der Slowakei, Tschechien, Ungarn,
Russland und Rumänien bei der Kulturarbeit unterstützen und ihnen partnerschaftlich zur Seite stehen. Somit
gibt man den deutschen Minderheiten den nötigen Rückhalt und stärkt ihre Position.
Kinderarmut beenden
Wir wollen, dass Kinderarmut in Deutschland wirksam bekämpft wird. Kinder sind auf unsere Hilfe ange-
wiesen. Kinderarmut darf sich in Deutschland keinesfalls verfestigen. Die Grundsicherung muss deshalb so
gestaltet werden, dass den Bedürfnissen der Kinder Rechnung getragen wird und dass ihnen volle Teilhabe-
möglichkeiten in der Gesellschaft und gleiche Bildungschancen gegeben werden.
Steuerliche Begünstigung von Familien, familienfreundliche Arbeitsbedingungen
Familien gilt es, besonders in der Besteuerung zu berücksichtigen. Wir treten für eine steuerliche Entlastung
von Familien ein. Familien mit Kindern müssen begünstigt werden. Dies kann durch eine Aufstockung der steu-
erlichen Freibeträge erreicht werden. Uns ist wichtig, dass Eltern Zeit für ihre Kinder haben. Wir wollen deshalb
gemeinsam mit der Wirtschaft dafür sorgen, dass attraktive Arbeitszeitmodelle, Telearbeit und Möglichkeiten
für Homeoffice geschaffen werden und zusätzliche Betriebskindergärten flächendeckend eingerichtet werden.
Kein überhastetes Grundeinkommen
Eine deutsche Langzeitstudie zum Grundeinkommen ist u.a. vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
vorgenommen worden. Die Erkenntnisse, die dabei gewonnen werden, müssen genauso wie die Ergebnisse
von anderen Testläufen (z.B. in Finnland) einer kritischen Prüfung unterzogen werden, bevor eine grundsätz-
liche Neuausrichtung unserer sozialen Sicherungssysteme angedacht werden kann. Wir werden das Thema
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weiter im Blick behalten und auf Basis von Erfahrungen und Fakten handeln. Eine tiefgreifende Veränderung
der sozialen Sicherungssysteme setzt immer auch einen gesellschaftlichen Konsens voraus. Daher halten wir
an dem aktuellen Prinzip der Grundsicherung fest.
Mindestlohn darf nicht in Altersarmut führen
Der Mindestlohn soll so bemessen sein, dass Vollzeitbeschäftigte nach 45 Jahren Tätigkeit einen auskömmli-
chen Rentenanspruch erwerben können und keine Grundsicherung erhalten müssen. Arbeit muss sich lohnen.
Der Mindestlohn muss regelmäßig angepasst werden und soll durch Qualifizierung der Arbeitnehmer*innen
immer mehr an Bedeutung verlieren.
Gerechte Bildungschancen, heimatnahe Ausbildungs- und Arbeitsplätze
Alle Kinder und Jugendliche benötigen eine Garantie für gleiche Bildungschancen. Unsere Schulsysteme müs-
sen ihnen den Raum geben, um ihre persönlichen Fertigkeiten, ihre Interessen und Stärken auszubilden und
sich optimal auf das Berufsleben vorzubereiten. Wir wollen, dass Jugendliche in ihrer Heimat ihr Lebensglück
finden können und nicht unbedingt gezwungen sind, diese für Ausbildung und Arbeitsplatz zu verlassen. Des-
halb setzen wir uns für gleichwertige Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem Land ein.
Verpflichtendes kostenfreies Kindergartenjahr
Wir wollen, dass Kinder vor ihrer Einschulung bundesweit ein Jahr lang verpflichtend in den Kindergarten
oder eine vergleichbare Einrichtung gehen, wobei auf eine zunehmende bundesfinanzierte Kostenfreiheit der
Kinderbetreuung hinzuarbeiten ist. Dies schafft Chancengleichheit, ermöglicht einen fließenden Übergang in
die Schule und ist wichtig für eine bessere Integration dank einer Sprach- und Lernförderung im letzten Kin-
dergartenjahr.
Kinder- und Jugendschutz stärken
Gefahren für unsere Kinder und Jugendlichen wie sexualisierte Gewalt an Kindern, Manipulation durch soziale
Medien, Drogen, Alkohol und Extremismus verlangen politische Antworten, um sie besser davor zu schützen.
Wir wollen deshalb die Prävention durch Aufklärung vor allem an den Schulen stärken. Hier sind mit den
Ländern geeignete Konzepte und Kampagnen zu entwickeln. Zivilcourage ist das wichtigste Instrument zum
Schutz von Kindern. Niedrigschwellige Meldesysteme und Anlaufstellen müssen vor Ort zur Verfügung stehen.
Geschultes Personal muss sich den Meldungen widmen. Schlüsselpersonen, wie Lehrer*innen, das Personal
in Betreuungseinrichtungen sowie an Schnittstellen im Gesundheitswesen, brauchen ein intaktes Netzwerk.
Der Bund darf Kommunen mit dieser Aufgabe nicht allein lassen. Hilfsangebote für Eltern und Kinder müssen
von der Schwangerschaftsberatung bis zum Teenageralter bereitstehen. Die Ausübung der Religionsfreiheit ist
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kein Freifahrtschein zur Kindesmisshandlung. Für uns steht der Schutz der körperlichen und seelischen Unver-
sehrtheit des Kindes über der Religionsfreiheit der Eltern.
Vollständige Teilhabe von Menschen mit Behinderung
Wir stehen hinter der UN-Behindertenrechtskonvention und machen uns für die Eingliederung der Menschen
mit Behinderung in alle Lebensbereiche stark. Werkstätten für Menschen mit Behinderung leisten dazu einen
zentralen Beitrag. Wir setzen uns dafür ein, dass die Aufgaben der Inklusion von der Politik und der Gesell-
schaft gemeinsam geleistet werden. Dabei muss klar sein, dass Gemeinden und Städte dies selbst nicht finan-
zieren können. Bund und Länder müssen hier ebenfalls eine große finanzielle Verantwortung tragen.
SICHERES UND ZUKUNFTSFÄHIGES GESUNDHEITS-
UND PFLEGESYSTEM
Die beiden Herausforderungen „Gesundheit“ und „Pflege“ brauchen ambitionierte Antworten. Wir erleben
seit längerem einen zunehmenden Rückbau in der Qualität und der Quantität vieler Leistungen. Nicht nur der
ländliche Raum droht der große Verlierer dieser Entwicklung zu werden. Wir müssen dies durch umfassende
Maßnahmen und Reformen verändern, hin zu einem sozialen Gesundheitskonzept, in dem das deutsche und
europäische Vorsorgeprinzip eingehalten wird. Die medizinische Versorgung der Menschen darf nicht durch
das Streben nach einer reinen Gewinnmaximierung gefährdet werden.
Wohnortnahe und flächendeckende medizinische Versorgung
Wir kämpfen für eine wohnortnahe und flächendeckende medizinische Versorgung in Deutschland. Gera-
de die Corona-Pandemie zeigt die Notwendigkeit, ländliche Regionen gezielt zu stärken. Ungleichgewichte
zwischen Stadt und Land müssen behoben werden. Dies ist besonders für ältere Menschen und Familien
unerlässlich und unsere gesellschaftliche Aufgabe.
Freie Berufe bei der Gesundheitsversorgung stärken
Versorgungslücken werden wir nur in Zusammenarbeit mit freiberuflichen sowie niedergelassenen Haus- und
Fachärzt*innen, Hebammen, Apotheker*innen und Therapeut*innen verhindern können. Diesen Berufsstän-
den kommt eine Schlüsselfunktion in unserer Gesundheitsversorgung zu. Insbesondere müssen wir die in-
habergeführte Präsenzapotheke erhalten, um die Apotheker*innen als Ansprechpersonen und Berater*innen
vor Ort zu bewahren. Eine Stärkung und mehr Schutz der Leistungserbringer*innen im Gesundheitswesen
können durch eine bessere Qualitätssicherung, den Abbau von Bürokratie und durch die Sicherung eines
hohen Qualitätsstandards in der Ausbildung erzielt werden.
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Selbstbestimmtes Leben – auch im hohen Alter
Ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben muss bis ins hohe Alter möglich bleiben. Jeder Mensch
muss selbst entscheiden dürfen, wo er alt werden möchte. Genügend bezahlbarer Wohnraum und Schutz
des Wohneigentums sind zentrale Aufgaben der Politik. Den Lebensabend in den eigenen vier Wänden zu
verbringen, ist der Wunsch vieler Menschen und der muss von der Politik respektiert und unterstützt wer-
den. Hierfür werden wir den Ausbau alternativer Wohnformen, wie generationsübergreifendes Wohnen oder
Wohngruppen für Menschen mit Demenz, fördern. Zur Unterstützung junger Familien, die fürs Alter, aber auch
mit für ihre Eltern vorsorgen, wollen wir uns für eine Bezuschussung bzw. für eine finanzielle Förderung von
barrierefreiem Bauen einsetzen. Des Weiteren machen wir uns stark für den Ausbau von Pflegeangeboten im
ländlichen Raum und für mehr Kurzzeit- und Verhinderungspflegeangebote. Ein weiterer Schwerpunkt unserer
Pflegepolitik ist die Unterstützung pflegender Angehöriger. Eine deutliche Angleichung ambulanter Pflegeleis-
tungen an die stationären Pflegeleistungen ist hier dringend erforderlich.
Aufwertung der Pflegeberufe
Wir fordern eine Bundesoffensive für Pflegekräfte. Sie muss einen ausreichenden, deutlich höheren Personal-
schlüssel festlegen, besonders in der Altenpflege. Qualifizierte Aus- und Weiterbildungen, berufsbegleitende
Ausbildungsmöglichkeiten, eine leistungsgerechte Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen, etwa weni-
ger Bürokratie, um mehr Zeit für die Pflege zu haben, sind unsere Forderungen für eine schnelle Aufwertung
der Pflegeberufe. Zusätzliche Anreize für eine Ausbildung in den systemrelevanten Pflegeberufen können steu-
erliche Freibeträge schaffen. Um die Pflegeberufe bei Berufseinsteiger*innen attraktiver zu machen, sprechen
wir uns seit langem für die Einführung eines Gesellschaftsjahres für alle aus. Eine Grundausbildung für den
Pflegedienst im Gesellschaftsjahr für alle bietet hierbei Qualitätssicherheit und stärkt die Motivation junger
Menschen, sich in Pflegeberufen aus- und weiterzubilden.
Häusliche ambulante Pflege durch Angehörige stärken
Die Leistung pflegender Angehöriger ist außerordentlich und bedarf deutlich mehr gesamtgesellschaftlicher
Unterstützung. Für Familienangehörige muss mehr unbürokratische und individuelle Hilfe abrufbar werden
ebenso sind eine finanzielle Entschädigung und die Anerkennung der Pflegezeit bei der Altersrente erforder-
lich. Wir setzen uns deshalb für einen flächendeckenden Ausbau des niederländischen Projekts „Buurtzorg
= Nachbarschaftshilfe“ ein. Dieses Modell beinhaltet die Beratung und Begleitung der Pflegenden und An-
gehörigen mit einer umfangreichen und qualifizierten Pflegeplanung unter Einbeziehung aller an der Pflege
Beteiligten, wie Ärzteschaft, Sozialarbeiter*innen, Nachbarschaftshilfe. Das Modell umfasst den Aufbau eines
lokalen, informellen Netzwerks, mit einer Verknüpfung von Haus- und Fachärzt*innen, Therapeut*innen,
Apotheken oder anderen medizinischen Diensten, ebenso wie pflegefachliche Tätigkeiten eines zuständigen
Teams. Somit kann die häusliche Pflege durch adäquate Prozesse und Arbeitsteilung wirtschaftlicher und
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kostengünstiger organisiert werden. Die Kommunen müssen für die Einrichtung dieses Modells eine vollstän-
dige Kostenerstattung vom Staat erhalten.
Neue Versorgungsmodelle weiter ausbauen
Oft liegt die nächste Facharztpraxis viele Kilometer entfernt, Hausarztpraxen schließen oder wandern in die
Großstädte ab. Die Lösung sind hausarztorientierte, innovative Versorgungskonzepte (medizinische Versor-
gungszentren, ärztliche Leitung), der Ausbau der Telemedizin sowie interdisziplinäre Netzwerke, die wir voran-
bringen wollen. Wir befürworten die weitere Digitalisierung der Medizin, aber Datenschutz und Transparenz
müssen gewährleistet werden. Der Bund muss die Programme für die Hausarztversorgung in allen Regionen
und für die Pflegeversorgung im ländlichen Raum unterstützen, z.B. mit einer besseren Vernetzung/Verzah-
nung der Hausarztmodelle mit der Pflege.
Erhalt und Ausbau kommunaler Krankenhäuser
Wir müssen eine solide und verlässliche Finanzierung unserer Krankenhäuser sicherstellen. Dies wurde durch
die Corona-Pandemie eindrucksvoll sichtbar. Jedes einzelne Krankenhaus ist in dieser Zeit wichtig. Wir wollen
erreichbare und wohnortnahe Krankenhäuser und hierbei soll das Wohl der Patient*innen bei einer medizi-
nischen Versorgung auf qualitativ höchstem Niveau, mit besten medizinischen Ergebnissen im Mittelpunkt
stehen. Die vielfältige Trägerschaft der Krankenhäuser hat sich bewährt und soll erhalten bleiben. Dabei wol-
len wir jedoch keine Gewinnmaximierung auf Kosten der Patient*innen und des Gesundheitssystems. Eine
stationäre Krankenhaus- und Notfallversorgung aller Bürger*innen in allen Teilen unseres Landes muss ge-
währleistet bleiben.
Wohnortnahe Geburtshilfe und Hebammenberuf fördern
Geburtshilfe ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die flächendeckende Versorgung ist nach wie vor nicht
gesichert. Wir fordern deshalb eine finanzielle Unterstützung von Krankenhäusern zum Erhalt kleinerer Ge-
burtshilfeabteilungen und eine Förderung von Hebammen geleiteten geburtshilfeähnlichen Abteilungen wie
Hebammenkreißsälen und Geburtshäusern. Immer weniger Hebammen – das erste Gesicht in unserem Le-
ben – lassen sich in einer eigenen Praxis nieder. Grund dafür sind die schlechten finanziellen Perspektiven
und die hohen Haftungsrisiken dieses Berufes. Wir werden deshalb gerade im ländlichen Raum die Praxis-
gründungen mit neuen finanziellen Anreizen stärken und einen Haftungsfreistellungsfonds einführen, um die
hohen Versicherungsprämien abzufedern.
Impfbereitschaft nicht durch Zwang gefährden
Schutzimpfungen gehören zu den wichtigen präventiven Maßnahmen, die im Gesundheitswesen zur Verfü-
gung stehen. Mit ihrer Hilfe konnten viele Krankheiten in Europa zurückgedrängt werden. Damit die Erfolgs-
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geschichte anhält, muss eine effektive Impfberatung durch die Hausärzt*innen weiter gestärkt werden. Ein
Impfzwang würde dem Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitssystem schweren Schaden zufügen. Wir
lehnen solche Überlegungen ab.
Sichere Schwangerschaftsabbrüche beibehalten
Wir stehen bei Schwangerschaftsabbrüchen zum gesellschaftlichen Konsens in Deutschland und wollen die
bestehenden gesetzlichen Regelungen beibehalten. Es muss aber mehr dafür unternommen werden, dass sich
werdende Mütter und Paare für Kinder und nicht gegen sie entscheiden. Bessere soziale Rahmenbedingungen,
sichere Arbeitsplätze, ausreichend Wohnraum und weniger Zukunftsängste sind hierbei ein zentraler Arbeits-
auftrag an den Staat. Die verpflichtende Schwangerschaftskonfliktberatung ist von herausragender Bedeutung
und muss zwingend erhalten bleiben. Wir stehen für einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Zu-
gang zu einer sicheren medizinischen Versorgung bei dem Wunsch nach Schwangerschaftsabbruch und setzen
uns für die Rechtssicherheit von Ärzt*innen ein, die über ihr Leistungsangebot in diesem Bereich informieren.
Eine kommerzielle Bewerbung von Schwangerschaftsabbrüchen muss aber weiterhin illegal bleiben.
Gesundheitsfonds gerecht gestalten
Wir wollen, dass die gesetzlichen Krankenkassen einerseits ihre Beitragsautonomie behalten und andererseits
die Finanzierung der Gesundheitskosten gerecht gestaltet wird. Dies erhöht den Wettbewerb unter den Kas-
sen und die Versicherten profitieren von besseren Angeboten und niedrigeren Beitragssätzen. Eine „soziale
Gesundheitsversicherung“ bleibt dabei unser Ziel. Diese wird von einer Versicherungspflicht für alle Bewoh-
ner*innen Deutschlands geprägt. Dies garantiert allen eine notwendige medizinische Versorgung, stellt die
Finanzierung perspektivisch auf eine breitere Basis und entlastet den Gesundheitsfonds.
Arzneimittelversorgung
Die Versorgung der Bürger*innen mit notwendigen Arzneimitteln müssen wir gewährleisten. Hier ist auch das
Vorsorgeprinzip die Grundlage. Die Auswirkungen der Globalisierung und der Corona-Pandemie erfordern
ein schnelles Umdenken. Wir fordern daher, die Produktionsautonomisierung für alle notwendigen Medika-
mente nach Deutschland und Europa zurückzuholen, um auch in Krisenfällen die Versorgung der Bevölkerung
mit diesen Medikamenten, beispielsweise Antibiotika, zu gewährleisten. Deutschland muss wieder autonom
in seiner Versorgung werden. Abhängigkeiten von außereuropäischen Produzenten müssen rückgängig ge-
macht werden.
Versandapotheke nach deutschem Rechtsstandard
Wir wollen die Versorgung mit Apotheken vor Ort flächendeckend sicherstellen. Der Europäische Gerichtshof
hat in seiner Arzneimittelrichtlinie die Option für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen
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Arzneien verankert. Wir setzen uns dafür ein, dass der Versandhandel auf nicht verschreibungspflichtige Me-
dikamente beschränkt wird.
Keine Einbindung der Apotheken in medizinische Versorgung
Wir fördern und fordern die Zusammenarbeit aller Beteiligten im Gesundheitswesen. Eine ärztliche Leistung
soll eine ärztliche Leistung bleiben. Eine pharmazeutische Leistung soll von Pharmazeut*innen in inhaber-
geführten Apotheken erfüllt werden. Bereits 1231 wurde von Kaiser Friedrich II. ein Edikt erlassen, in dem
die Trennung der Berufe des Arztes und des Apothekers festgeschrieben wurde, um Gewinnabsichten zum
Schaden der Patient*innen zu verhindern. Wir wünschen aber auch eine bessere Einbindung der Apotheken
in präventive Maßnahmen und wir fordern eine stärkere Beteiligung der Apotheker*innen im gemeinsamen
Bundessausschuss.
Gesundheitsvorsorge stärken
Gesundheitsleistungen müssen auch in Zukunft bezahlbar bleiben. Wir werden deshalb die Prävention stär-
ken. Denn diese schützt vor langwierigen und teuren Behandlungen. Hierfür sind Aufklärungskampagnen,
eine betriebliche Gesundheitsvorsorge, eine Stärkung der Eigenverantwortung, Suchtbekämpfung, Drogen-
therapie, die Förderung von Kur- und Heilbädern sowie auch eine Gesundheitsbildung im Sinne der Vorsorge
und Fürsorge im gesamten Elementarbereich, wie Kindergärten und Schulen, ein wichtiger Beitrag und daher
zu fördern. Gesunde Ernährung und Bewegung müssen wieder ein zentraler Bestandteil der Prävention sein.
Verpflichtender Schwimmunterricht an den Schulen ist im wahrsten Sinne lebenswichtig. Deswegen müssen
kommunale Schwimmbäder vorgehalten werden.
Das Recht auf Sterben in Würde
Der Umgang mit dem Tod in unserer Gesellschaft darf nicht länger ein Tabu sein. Deshalb stehen wir für eine
menschenwürdige Begleitung Schwerstkranker und Sterbender. Das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben
mit der Freiheit, dabei auch Angebote Dritter in Anspruch zu nehmen, muss laut dem Urteil des Bundesver-
fassungsgerichtes vom Gesetzgeber eingeräumt werden. Wir werden die Palliativmedizin durch die Förderung
mobiler Reha- und Kinderpalliativteams sowie stationärer Einrichtungen stärken. Neben Weiterbildungsmög-
lichkeiten für Pflegekräfte braucht es auch eine bessere finanzielle Unterstützung ehrenamtlicher Hospizhel-
fer*innen.
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SUCHTPRÄVENTION UND -BEHANDLUNG
Wir sehen Sucht nicht als Laster, sondern als Krankheit an. Dies bedingt, dass wir einerseits die Suchtprä-
vention intensivieren wollen, andererseits Süchtige als Kranke betrachten, die Hilfe brauchen, und nicht als
Leute, die sich nicht im Griff haben, oder als Kriminelle. Dies gilt sowohl für stoffliche als auch für nicht stoff -
liche Süchte. In unserem Menschenbild ist ein offener, verantwortungsvoller Umgang mit Drogen möglich und
besser als ein heimlicher, verantwortungsloser Umgang mit möglicherweise gepanschten Drogen.
Suchtprävention
Die Möglichkeiten der Suchtprävention müssen stärker genutzt werden. Dazu gehört eine wertneutrale Auf-
klärung ohne „erhobenen Zeigefinger“ sowohl in Schulen als auch in der Erwachsenenbildung. Dies verzahnt
sich mit den Hilfsangeboten, die bekannt sein müssen. Bei legalen Stoffen, die erwiesenermaßen abhängig
machen können, wie Alkohol, Tabak und Medikamenten, sind entsprechende Warnhinweise auf der Packung
anzubringen. Die Werbung für solche Produkte ist zu unterlassen. Zudem soll es künftig eine Sperrdatei bei
diesen Stoffen ähnlich wie bei Glücksspielen geben. Der Kauf von Alkohol und Tabak wäre dann nur in Ver-
bindung mit einem Ausweisdokument möglich. Allein das würde schon lenkend auf problematischen Konsum
wirken, ohne Freiheiten einzuschränken. Ein weiterer Schritt ist, ebenfalls ähnlich wie bei Glücksspielen, die
Lizenzierung von Geschäften, die solche Stoffe verkaufen dürfen. Jeder Supermarkt und jede Tankstelle sollten
in der Lage sein, eine Lizenz zu erwerben. Es geht nicht um eine Einschränkung der Geschäfte, sondern dar-
um, sicherzustellen, dass die vorhandenen Regeln wie Jugendschutz und die angesprochene Überprüfung der
Ausweisdokumente konsequent eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, kann die Lizenz wieder entzogen
werden.
Entkriminalisierung von Drogenkonsum
Bei einer Drogensucht handelt es sich per Definition um ein nicht kontrollierbares Verhalten, daher bringen
auch Strafen zur Abschreckung wenig. Eine Mischung aus Aufklärung, Suchtprävention und Hilfsangeboten ist
nicht nur wirkungsvoller, sondern entlastet auch die Staatskasse von Verfahrens- und Vollzugskosten. Auch
werden Menschen nur dann bereit sein, von sich aus über ihr Problem zu sprechen und Hilfe anzunehmen,
wenn sie nicht fürchten müssen, dafür bestraft zu werden. Der Konsum von Drogen muss entkriminalisiert
werden. Auf die Herstellung und den Handel von Drogen trifft dies natürlich nicht zu. Diese sollen weiterhin
hart verfolgt werden.
Hilfsangebote
Hilfsangebote müssen erweitert werden. Neben niederschwelligen Angeboten wie der anonymen Telefonbe-
ratung oder der anonymen persönlichen Beratung hat Portugal gute Erfahrungen mit der Möglichkeit gemacht,
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Drogen anonym analysieren zu lassen. Auf diese Weise erhält man einen Überblick über die im Umlauf befind-
lichen Substanzen und kann so sogar gezielte Warnungen abgeben. Mit entsprechender Ernsthaftigkeit durch-
geführt kann dies Drogentote verhindern. Ausgabestellen für Schwerstabhängige müssen flächendeckend als
Kassenleistung verfügbar sein. Wo möglich, soll mit Ersatzstoffen gearbeitet werden. Wo diese nicht helfen,
muss der Originalstoff zum Einsatz kommen. Dies verhindert Beschaffungskriminalität und entzieht Drogen-
dealer*innen ihre Finanzierungsgrundlage. Dies erleichtert wiederum die Entkriminalisierung von Drogen und
die Arbeit der Polizei.
Legalisierung von Drogen
Die Einteilung in weiche und harte Drogen ist veraltet. Daher stehen wir der Legalisierung weiterer Drogen, wie
z.B. Cannabis, offen gegenüber, sofern es aus wissenschaftlicher Sicht vertretbar ist und die obigen Verbes-
serungen bei der Suchtprävention und -behandlung sowie weitere Zusatzmaßnahmen erfolgt sind. Solche Zu-
satzmaßnahmen umfassen die Abgabe in speziell zugelassenen Geschäften, wie oben beschrieben, nur gegen
Identitäts- und ggf. Sachkundenachweis, gewissermaßen einen Drogenführerschein, den man bei Missbrauch
wieder verlieren kann, z.B. wenn man Drogen an Minderjährige abgibt.
POLITIK FÜR EINE SOLIDARISCHE GESELLSCHAFT
Ehrenamtliches Engagement in Vereinen und Initiativen hat in der Bundesrepublik eine lange Tradition. Ehren-
amt und freiwilliges Engagement sind der Kit, der die Gesellschaft zusammenhält. Ohne das unentgeltliche
Wirken von Millionen Jugendlichen, Frauen und Männern könnte unser Gemeinwesen nicht funktionieren.
Ob bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen, der Erledigung von Einkäufen für weniger mobile Se-
nior*innen, dem Engagement bei der Integration von Flüchtlingen, der Pflege von Kultur und Brauchtum, dem
Sporttreiben oder der Förderung des Naturschutzes – in vielen Bereichen nimmt die Zivilgesellschaft dem
Staat grundlegende Aufgaben im Hinblick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt ab und entlastet damit die
öffentlichen Haushalte in Milliardenhöhe. Wir setzen uns für den Erhalt und die Stärkung der Ehrenamtskultur
vehement ein.
Bekenntnis zum und Unterstützung für das Ehrenamt
Ehrenamts-, Übungsleiterpauschale und Haftungsfragen für Vorstände werden von Vereins- und Verbands-
mitarbeiter*innen immer wieder diskutiert. Ehrenamtliche sind vor überzogener Bürokratie zu schützen. Wir
erkennen die Leistungen ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen an und sehen die Notwendigkeit einer regelmä-
ßigen Anpassung der steuerlichen Entlastungsbeträge, insbesondere der Ehrenamtspauschale. Wir fordern
darüber hinaus, dass ein langjähriges freiwilliges Engagement durch zusätzliche Rentenpunkte honoriert wird.
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Das Ehrenamt muss auch steuerlich besser gewürdigt werden. Neben finanziellen Aspekten gilt es, die Ver-
eine bei ihrer täglichen operativen Arbeit direkt zu unterstützen. Dabei dürfen nicht nur zivilgesellschaftliche
Initiativen im sozialen Bereich im Vordergrund stehen, sondern ebenso der klassische Verein im Sport, in der
Kultur, der Musik oder der Brauchtumspflege. Gerade die Verantwortlichen in kleinen örtlichen Vereinen, die
ausschließlich auf das ehrenamtliche Engagement ihrer Vereinsmitglieder angewiesen sind, brauchen drin-
gend praktische Hilfe. Ob der örtliche Chor, die Naturschutzgruppe, das Laientheater, der Angelverein, um
nur einige zu nennen, viele leiden unter der abnehmenden Bereitschaft, langfristig ehrenamtliche Aufgaben
zu übernehmen. Staatliche Unterstützung in Form von hauptamtlich besetzten Anlaufstellen für Ehrenamt-
liche (Ehrenamtsagenturen) kann die Mitarbeiter*innen von administrativen Arbeiten entlasten und ihnen
kompetente Beratung bieten. Darunter fällt z.B. die Beantragung von Fördermitteln und die Beratung in recht-
lichen Fragen ebenso wie bei Herausforderungen der Digitalisierung. Gute Ansätze dafür bietet das Programm
„Hauptamt stärkt Ehrenamt“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums und die neu gegründete „Deutsche Stif-
tung Engagement und Ehrenamt“. Die beiden zuletzt genannten Institutionen sollten sich auch intensiv um die
Einbindung von Frauen in ehrenamtlichen Führungspositionen einsetzen.
Potenziale des Alters für das Ehrenamt der Schöff*innen nutzen – Altersgrenze
aufheben
Wir fordern die kurzfristige Aussetzung der willkürlichen Altersbegrenzung bei der Berufung von Schöff*innen
in Strafsachen. Die 1974 eingeführte Altersbegrenzung in Paragraf 33 (2) des Gerichtsverfassungsgesetzes,
wonach Personen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben oder es bis zum Beginn der Amtsperiode vollenden
würden, nicht zum Schöffenamt berufen werden können, ist mit europäischem und deutschem Recht unver-
einbar. Sie steht zudem im Widerspruch zu Paragraf 36 (2) des Gerichtsverfassungsgesetzes, wonach alle
Gruppen der Gesellschaft nach Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen zu berücksichtigen sind. Das
führt in Deutschland dazu, dass derzeit rund 16 Prozent der Bevölkerung an der verfassungsgemäßen Wahr-
nehmung ihrer Bürgerrechte gehindert werden. Ein ständiger medizinischer Fortschritt und Verbesserungen
der Lebensverhältnisse führen generell zur Erhöhung des Lebensalters und des Anteils älterer Menschen in
unserer Gesellschaft. Erkenntnisse der Altersforschung, insbesondere der Neurowissenschaften, sind Grund-
lage für unsere Überzeugung: Das Lebensalter ist als Abgrenzungskriterium für körperliche und geistige Leis-
tungsfähigkeit in der aktuellen und zukünftigen Lebenssituation grundsätzlich nicht mehr geeignet. Von der
bestehenden generalisierenden Betrachtung müssen wir auf die individualisierende Betrachtung umstellen.
Wir setzen uns dafür ein, bestehende Altersobergrenzen abzuschaffen, damit sich ältere Menschen mit ihren
Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen können.
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Sportstättenförderung: Land und Bund müssen zusammenwirken
Der Deutsche Olympische Sportbund beziffert den Investitionsstau im Sportstättenbau bundesweit auf mehr
als 30 Milliarden Euro. Neue Anforderungen der EU bei der Nachhaltigkeit von Sportanlagen werden weitere
Milliardeninvestitionen notwendig machen. Das Grundgesetz überantwortet den Bundesländern die Kompe-
tenz beim Sportstättenbau. Doch ohne eine finanzielle Unterstützung des Bundes können die Länder diese
Aufgabe nicht bewältigen. Ein Kompetenzgerangel gilt es zu überwinden. Die Bundesländer und der Bund
sollten sich schnellstmöglich auf eine Neuauflage des „Goldenen Plans“ einigen. Ein „Wir sind nicht zuständig“
ist nicht länger vertretbar.
Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur
Die Corona-Krise belastet die Kommunen durch wegbrechende Steuereinnahmen im Besonderen. Wichtige
Maßnahmen der freiwilligen Daseinsvorsorge drohen auf der Strecke zu bleiben. Das Bundesprogramm „Sa-
nierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ hilft, Lücken zu schließen. Da-
her sollte das Programm langfristig verlängert und finanziell aufgestockt werden. Was fehlt, sind weitgehend
objektive Kriterien bei der Vergabe der Zuschüsse.
Bürger*innen vor Ort in die Planung von Kultur- und Sportstätten einbeziehen
Während im ländlichen Raum vielfach Sport- und Kultureinrichtungen verwaisen, ist ein extremer Mangel
und Modernisierung-/Sanierungsstau in urbanen Zentren zu beobachten. Um ein optimales Angebot an Frei-
zeiteinrichtungen bereitstellen zu können, sind die Kommunen zu verpflichten, Sportstätten und Kulturein-
richtungen zusammen mit den Verantwortlichen aus Vereinen und Initiativen zu planen. Eine Stärkung der
kommunalen Infrastruktur darf nicht ohne einen Sportstättenentwicklungsplan erfolgen.
Aufgaben des Breiten- und Spitzensports
Der Breitensport ist eine Klammer der Gesellschaft. Er vermittelt Freude am Spiel, steigert den sozialen Zu-
sammenhalt, besitzt Integrationskraft und fördert die Gesundheit. Deshalb sind alle staatlichen Institutionen
aufgerufen, den Breitensport vielfältig zu fördern. Eine Aufgabe mit höchster Priorität ist, dass alle Kinder
spätestens in der Grundschule Schwimmen lernen. Wir befürworten einen weiteren Ausbau der Kooperation
der Krankenkassen mit gesundheitsfördernden Vereinen und Verbänden. Wir sehen die integrative Kraft und
den Imagegewinn dank des Spitzensports. Daher begrüßen wir auch die Ausrichtung internationaler Sportver-
anstaltungen, im Einklang mit der Bevölkerung vor Ort, in Deutschland.
E-Sport als Sport anerkennen
Wir sind überzeugt, dass Politik auf allen Ebenen und insbesondere auf der europäischen Ebene gesellschaftli-
chen, wissenschaftlichen, kulturellen und soziologischen Entwicklungen Rechnung tragen und entsprechende
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Rahmenbedingungen schaffen muss. Wir wollen deshalb die insbesondere bei Kindern und Jugendlichen
beliebten E-Sport-Aktivitäten als Sport anerkennen und entsprechend fördern. Außerdem unterstützen wir
die Initiative der FREIE WÄHLER Bayern, den Erwerb von Lootboxen durch Minderjährige wie in den Nieder-
landen zu verbieten.
FREIHEITLICHE GESELLSCHAFT
Wir sind stolz auf unsere freiheitliche Gesellschaft und unsere Grundwerte, die in der aufgeklärten, abendlän-
dischen Tradition stehen. Sie sind Garant für unser Lebensglück und geben uns Raum zur Selbstverwirklichung
in Deutschland und Europa. Deshalb stellen wir uns dagegen, wenn Vorstöße in der Gesellschaft und Politik
dazu führen, dass sich unser Zusammenleben davon wegbewegt.
Für ein Verbot der Vollverschleierung
Wir sprechen uns gegen die Verschleierung von Menschen aus. Wer am gesellschaftlichen Leben teilnimmt,
muss den Mitbürger*innen im täglichen Leben offen und ohne Verschleierung entgegentreten. Die Sichtbar-
keit der Mimik ist wichtig für die Kommunikation und entscheidend für die Identifizierung einer Person. Als
bürgerlich-liberale Kraft der politischen Mitte sehen wir deshalb keinen Platz für die Verschleierung. Sie ist
Symbol der Unterdrückung und widerspricht unserer freiheitlich-demokratischen Kultur. Das Tragen von Mas-
ken aus Gründen des Infektionsschutzes, seit Jahrzehnten im medizinischen Bereich, ist im öffentlichen und
privaten Bereich eine hoffentlich nur vorübergehende medizinische Notwendigkeit.
Klares Verbot von Kinderehen
Wir verurteilen die Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen im In- und Ausland. Daher ist es absolut in-
akzeptabel, dass Praktiken wie die Kinderehe in Deutschland eine Aushebelung der Kinderschutzgesetze er-
möglichen. Die bestehenden Gesetze zur Ehe wollen wir durchsetzen und keine Ausnahmen für im Ausland
geschlossene Kinderehen durch deren Anerkennung zulassen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss
in jedem Einzelfall Vorrang haben und darf nicht durch Kompromisse aufgeweicht werden. Darüber hinaus
sehen wir den Schutz von Kindern und Jugendlichen als so wichtig an, dass es Ziel Deutschlands sein muss,
auch im Ausland für den Schutz von Kindern und Jugendlichen einzutreten und darauf hinzuwirken, auch hier
ein Verständnis für dessen Wichtigkeit zu schaffen.
Grundgesetz ist die einzige rechtliche Basis
Deutschland ist ein säkularer Staat. Wir erteilen jeglichen politischen Vorstößen eine Absage, welche die
Grundwerte unserer Verfassung unterwandern wollen. Insbesondere religiöse Gebote, die unserem Grund-
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gesetz widersprechen, dürfen weder unsere Rechtsprechung noch unser gesellschaftliches Zusammenleben
beeinträchtigen.
Opfer häuslicher Gewalt schützen
Wir wollen Bürger*innen besser schützen, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind. Frauen mit Kindern
müssen in dieser Situation häufig Schreckliches durchleben, weshalb wir eine verlässliche Finanzierung von
Frauenhäusern sicherstellen wollen. Aber wir wollen uns auch dem wachsenden Anteil von Männern anneh-
men, die gleichfalls Opfer häuslicher Gewalt wurden.
Konsequent gegen Menschenhandel
Deutschland darf nicht länger wegschauen, wenn Menschen entführt und sexuell oder auf andere Weise aus-
gebeutet werden. Deshalb fordern wir härtere Strafen und gezielte Kontrollen gegen den illegalen Menschen-
handel. Opfer derartiger Straftaten sollten staatlich finanzierte Ausstiegs- und Hilfsprogramme in Deutschland
erhalten.
Christliche Feiertage erhalten
Die abendländische Kultur ist prägend für unsere aufgeklärte, offene und vielfältige Gesellschaft heute. Um
unsere Traditionen zu pflegen und den Interessen der Mehrheitsgesellschaft gerecht zu werden, lehnen wir
jegliche Versuche entschieden ab, unsere christlichen Feiertage infrage zu stellen. Sie sind Teil unseres Werte-
fundaments und ihr Begehen gibt den Menschen eine wichtige Orientierung.
Islamischer Religionsunterricht unter staatlicher Aufsicht
Mit Sorge sehen wir die Radikalisierungen vor allem in arabischsprachigen Moscheen und Koranschulen in
Deutschland. Dem müssen wir Einhalt gebieten und den Kindern und Jugendlichen auch eine Interpretation
des Islams anbieten, die den Werten unserer offenen Gesellschaft entspricht. Wir sprechen uns deshalb, wo
dies geboten ist, für die Einführung eines deutschsprachigen Islamunterrichts unter staatlicher Aufsicht aus.
Dabei müssen die Lehrer*innen an deutschen Hochschulen ausgebildet werden. Ebenso müssen Imame einer
islamischen Religionsgemeinschaft an deutschen Hochschulen ausbildet werden, nur mit einer solchen Aus-
bildung darf eine Zulassung erfolgen.
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ANSTAND
UND ORDNUNG
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ANSTAND UND ORDNUNG
Das Vertrauen der Bürger*innen in die Politik der bisherigen Bundestagsparteien schwindet. Der scheinbar
einzige Ausweg ist für viele der Protest durch die Wahl links- oder rechtspopulistischer Parteien. Wir FREIE
WÄHLER als neue politische Kraft auf überregionaler Ebene mit jahrzehntelanger Erfahrung in den kommu-
nalen Parlamenten sehen diese Entwicklung mit Schrecken. Der populistische Irrweg, der nur verrohte Worte,
aber keine Lösungen liefert, wird unser Land zum Schlechten verändern. Wir verstehen uns als sachpolitische
Kümmer*innen und glaubwürdige Vertreter*innen der Interessen und Sorgen aller Bürger*innen. Wir sind
mit unserem ideologiefreien Handeln und der jahrzehntelangen Erfahrung in bürgernaher Politik in den deut-
schen Städten und Gemeinden das Gegenmodell der alten Parteiapparate Berlins. Wir wollen zurück zu einer
vernünftigen Gestaltung und zu einer verlässlichen Ordnung unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die
Bürger*innen müssen der politischen Mitte wieder ihr Vertrauen schenken.
ZURÜCK ZU EINER SOLIDEN FINANZPOLITIK
Eine solide Haushaltspolitik ist die Basis für eine nachhaltige Zukunftssicherung. Wir setzen uns für die an-
haltende Generationengerechtigkeit ein. Der Staat muss handlungsfähig bleiben, damit er auch in Krisenzeiten
noch reagieren kann. Wir wollen das mit einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik für Deutschland und die
EU erreichen. Aus dem Ruder laufende deutsche Haftungsrisiken für die EU sind abzulehnen.
Zuverlässiges Bankensystem
Ein zuverlässiges Bankensystem ist von zentraler Bedeutung für das Funktionieren unserer sozialen Marktwirt-
schaft und unseres Staats. Wir setzen uns deshalb für eine Regulierung des Finanzmarktes für systemrelevante
Banken ein, die Risiken minimiert und stabile Banken garantiert. Die Bankenregulierung darf jedoch regionale
Banken wie Genossenschaftsbanken und Sparkassen nicht zu stark belasten. Sie sind die Stützen des deut-
schen Mittelstands.
Verantwortungsvoller Umgang mit unserem Steuergeld
Wir wollen wieder zurück zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Steuergeld der Bürger*innen.
Denn das ist eine Hauptaufgabe von Politik und Verwaltung, der Deutschland überhaupt nicht mehr gerecht
wird: Hunderte Millionen Euro wurden für eine verfehlte Rüstungspolitik, das Mautdebakel, den Berliner
Flughafen und viele weitere politische Managementfehler vergeudet. Auch öffentlich- private Partnerschaften
beim Ausbau von Autobahnen verursachen bei den Steuerzahler*innen unnötigerweise höhere Kosten, wie
der Bundesrechnungshof feststellt.
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Keine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa
Es darf nicht sein, dass unsere Politik bestehende Vereinbarungen und Versprechen gegenüber den Bürger*in-
nen einfach ignoriert. Der Grundsatz „Jedes Land haftet für seine Schulden selbst“ hat weiterhin Gültigkeit.
Wir haben bereits vor Jahren als Erste gegen den „Rettungsschirm“ ESM geklagt und werden uns weiterhin
stark machen, dass dieser Grundsatz einer soliden europäischen Finanzpolitik wieder mit Leben gefüllt wird.
Auch schwierige Zeiten dürfen nicht zum Anlass genommen werden, Transfermechanismen zu Lasten der deut-
schen Steuerzahler*innen zu installieren.
Sparer*innen vor Negativzinsen schützen
Die Fehlanreize innerhalb der EU, die durch das Brechen der Nichtbeistandsklausel entstehen, führen zu einer
höheren Verschuldung. Der Europäischen Zentralbank bleiben in der Praxis nur die Nullzinspolitik und eine
Geldmengenausweitung übrig. Diese führen zur Entwertung von Sparguthaben und zu Negativzinsen. Wir
setzen uns dafür ein, dass Negativzinsen für Geldanlagen, Geldaufbewahrungsgebühren sowie eine Geld-
entwertung durch Inflation als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen mit positiven Einkünften aus deren
Einkunftsarten verrechnet werden können.
Stabile Währung für unsere Bürger*innen garantieren
Wir wollen die Stabilität unserer Gemeinschaftswährung wiederherstellen und den Ankauf von Staatsan-
leihen kriselnder Euroländer beenden. Momentan verlieren die Sparer*innen in ganz Europa aufgrund der
Niedrigzinsphase ihre Erträge. Rentenfonds und Vorsorgerücklagen für das Alter geraten unter enormen Druck.
Wir stehen außerdem zum Erhalt des Bargelds als Ausdruck individueller Freiheit und Mündigkeit.
Verhandlung eines Zusatzprotokolls für den Euro-Ausstieg
Wir wollen schnellstmöglich ein Zusatzprotokoll zu den europäischen Verträgen verhandeln, um einen ge-
ordneten Ausstieg von Euro-Krisenländern zu ermöglichen und die Einführung von Zweitwährungen zu er-
leichtern. Krisenländer müssen mit einer eigenen Währung abwerten können, um wieder wettbewerbsfähiger
zu werden.
Kein Eingriff der EU in das nationale Haushaltsrecht
Sofern Mitgliedstaaten Nettozahler der EU und nicht in größerem Umfang Schuldner der EU sind, wollen wir
nicht, dass die Empfehlungen der EU für die nationale Haushaltspolitik verbindlich werden. Wir müssen wei-
terhin frei entscheiden können, wie wir unsere finanzpolitischen Schwerpunkte setzen.
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STEUERN SENKEN, SCHLUPFLÖCHER SCHLIESSEN
Trotz sprudelnder Steuereinnahmen ist die Steuerlast in Deutschland weiterhin hoch. Das trifft vor allem die
hart arbeitende Mittelschicht und den Mittelstand. Damit muss endlich Schluss sein. Wir brauchen ernsthafte
Steuersenkungen für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort Deutschland und keine Fortsetzung der
Ankündigungspolitik. Dabei müssen wir dafür Sorge tragen, dass wir Steuerflucht und Steuervermeidung wirk-
sam bekämpfen.
Steuerlast senken
Die Steuern und Sozialabgaben für Arbeitnehmer*innen sind in Deutschland neben Belgien die höchsten
der Welt. Diese Belastungen der Bürger*innen müssen reduziert werden. Deutschland muss für produktive
Arbeitnehmer*innen interessant sein. Leistung und Arbeit müssen sich lohnen.
Solidaritätszuschlag vollständig abschaffen
Der Solidaritätszuschlag verkompliziert das Steuersystem unnötig und belastet den arbeitenden Teil der Bevöl-
kerung. Zum 1. Januar 2021 wurde er zu 90 Prozent abgeschafft. Wir fordern seine sofortige und vollständige
Abschaffung.
Abschaffung der kalten Progression
Die kalte Progression ist eine Steuerungerechtigkeit, die gerade den Mittelstand hart trifft. Wir wollen diese
Fehlkonstruktion unseres Steuerrechts schnellstmöglich korrigieren, indem wir diese regelmäßig den wirt-
schaftlichen Gegebenheiten anpassen. Gleiches gilt auch für die Freibeträge und Freigrenzen.
Steuerflucht verhindern
Jährlich entgehen unserem Staat nach Schätzungen 100 Milliarden Euro durch Steuerflucht ins Ausland. Des-
halb werden wir diese engagiert bekämpfen. Unser Gemeinwesen finanziert sich nur durch unsere Steuern.
Jene, die versuchen, ihren Beitrag hierzu gegen geltendes Recht zu verringern, handeln anstandslos. Ihre Ein-
sparungen bedeuten eine höhere Steuerlast für die redlichen Bürger*innen. Durch eine leistungsgerechte und
einfachere Besteuerung muss der Anreiz für Steuerflucht vermindert werden. Die Versteuerung muss am Ort
der Wertschöpfung erfolgen, bevor ein Verschieben der Gewinne durch Lizenzverträge möglich wird. Zudem
muss überprüft werden, wie die Steuerfahndungsbehörden effizienter arbeiten können.
Steueroasen austrocknen
Wettbewerbsvorteile durch internationales Steuer-Dumping zu sichern, ist unanständig und schadet unserem
Wirtschaftsstandort. Der Onlinehandel ist für nationale Steuerbehörden nur noch begrenzt zu kontrollieren
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– zum Schaden des heimischen Einzelhandels. Wir unterstützen die Versuche, auf OECD-Ebene Steueroasen
auszutrocknen.
Mehrwertsteuer-Irrsinn beenden
Wir wollen die unsinnigen Regelungen für den vergünstigten Mehrwertsteuersatz reformieren. Es ist nicht
nachvollziehbar, weshalb Medikamente, Kinderspeisungen, -kleidung und -spielzeug mit 19 Prozent, aber
Hundefutter mit sieben Prozent besteuert wird. Wir brauchen einen dauerhaft gesenkten Mehrwertsteuersatz.
Abschaffung der Kaffeesteuer und anderer Bagatellsteuern
Bundessteuern, die nach den Kosten der Erhebung drei Jahre in Folge unter einer Milliarde Euro Einnahmen
generiert haben, sollen zur Vereinfachung des Steuersystems abgeschafft werden, wenn es keine triftigen
Gründe gibt, warum sie aus Lenkungszwecken erhalten werden sollen. Ein Beispiel dafür ist die Kaffeesteuer.
ETHISCHES HANDELN IN POLITIK UND WIRTSCHAFT
Wir wollen verloren gegangenes Vertrauen der Bürger*innen in den Staat zurückgewinnen. Auch mit Blick auf
die Wirtschaft müssen wir festhalten, dass hier viele Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre den sozialen
Frieden zunehmend gefährden.
Entschädigungsgesetz für Lockdown-Betroffene
Als Bekenntnis zur Marktwirtschaft setzen wir auf den Wettbewerb, auf die Tarifautonomie und das Leistungs-
prinzip. Der Schutz des Eigentums und die unternehmerische Entscheidungsfreiheit genießen für uns einen ho-
hen Stellenwert. Gerade deswegen fordern wir ein Entschädigungsgesetz für die vom Lockdown betroffenen
Selbstständigen, die durch die Corona-Bekämpfungsverordnungen an der Ausübung ihres Berufes und der
Führung ihres Geschäfts gehindert wurden. Diese haben ein besonderes Opfer für die Gesellschaft erbracht
und dürfen mit dem dadurch für sie entstandenen finanziellen Verlust nicht allein gelassen werden.
Verstärkte Managerhaftung
Entscheidung, Verdienst und Haftung gehen Hand in Hand. Managergehälter und Bonuszahlungen in Millio-
nenhöhe sind unverhältnismäßig, wenn sie nicht mit entsprechend Haftung für Managemententscheidungen
einhergehen. Erst wenn Manager*innen haften, ist die Situation mit Mittelständler*innen und Selbstständi-
gen vergleichbar und ist auch die hohe Verdienstmöglichkeit gerechtfertigt.
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Karenzzeit von Politiker*innen
Wir wollen, dass Spitzenpolitiker*innen ab der Staatssekretärsebene nach ihrem Ausscheiden erst nach einer
Wartezeit von drei Jahren eine Beschäftigung in Unternehmen aufnehmen und den Unternehmen erst dann
ihre Kontakte und Netzwerke zur Verfügung stellen können. Es sind in der Regel finanzstarke Unternehmen,
die Spitzenpolitiker*innen lukrative Positionen anbieten, um exklusive Zugänge in die Politik zu erhalten.
Unabhängigkeit des Mandates
Zur Wahrung der Unabhängigkeit und Stärkung des freien Mandates wollen wir Mitgliedern des Bundestages
sowie der Landesparlamente die nebenberuflichen Einkünfte und Tätigkeiten in Aufsichtsräten oder ähnlichen
Funktionen untersagen.
Anmietung von Spitzenpolitiker*innen verbieten
Geschäftsmodelle, in deren Rahmen Parteien ihre Vertreter*innen in politischen Spitzenämtern gegen Geld-
zahlungen für Veranstaltungen von Unternehmen anbieten, sind unredlich. Wir wollen diese Praxis verbieten.
Großspenden für Parteien verbieten
Die Bundestagsparteien haben sich von einer Reihe von Großspender*innen abhängig gemacht. Industrie-
verbände, einzelne Unternehmen oder Firmeninhaber*innen als Privatpersonen überweisen regelmäßig
gewaltige Summen. Dies wird nicht erst dann zum Problem, wenn die Zahlungen für Parteien unverzichtbar
werden. An solch hohe Zuwendungen sind Erwartungshaltungen geknüpft und sie beeinflussen die politische
Entscheidungsfindung. Deswegen fordern wir eine Reduzierung der Spendensumme auf maximal 100.000
Euro je juristische und natürliche Person pro Jahr.
Bürokratiebremse und Bürokratieabbau
Wir wollen in der nächsten Wahlperiode keine neuen Verwaltungsvorschriften machen, ohne dass eine alte
Vorschrift gestrichen wird. Im Interesse der Bürger*innen und des Mittelstands wollen wir überflüssige Büro-
kratie verhindern und setzen uns für stärkere Kontrollrechte des Bundestags und Bundesrats gegenüber der
EU sowie des Europäischen Parlaments gegenüber der EU-Kommission ein, um auch in Europa die Bürokratie
einzugrenzen.
Unsere Daseinsvorsorge vor Privatisierung schützen
Die grundlegenden Dienstleistungen, die wir für unser Leben brauchen, müssen unter der Kontrolle des
Staats bleiben. Wir sorgen dafür, dass etwa Trinkwasser, Bildung und die Gesundheitsversorgung weiterhin
in öffentlicher Hand bleiben und nicht dem freien Wettbewerb und dem Profitstreben ausgesetzt werden.
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Den Versuchen, diese sensiblen Bereiche über Handelsabkommen oder das Europarecht anzutasten, stellen
wir uns weiterhin massiv entgegen.
Gläserner Staat statt gläserne Bürger*innen
Die Menschen haben ein berechtigtes Interesse, dass Politik und Verwaltung ein Höchstmaß an Transparenz
ihres Handelns gewährleisten. Politische Entscheidungen hinter verschlossenen Türen sind in der heutigen
Informationsgesellschaft nur noch schwer vermittelbar. Die Ausschüsse des Bundestags wollen wir grundsätz-
lich öffentlich und online verfolgbar tagen lassen. Wir stehen für ein modernes Staatsverständnis, bei dem der
Staat die Pflicht hat, sein Handeln und seine Gründe dafür offenzulegen, und die Bürger*innen einen hohen
Schutz ihrer Privatsphäre genießen.
Kampf gegen Ausspähung unbescholtener Bürger*innen
Wir wollen nicht, dass die Bürger*innen unter einen Generalverdacht gestellt werden. Die globale Über-
wachung unserer Kommunikation ist unverhältnismäßig und ein Angriff auf unsere bürgerlichen Rechte. Wir
machen uns dafür stark, dass unsere Bürgerrechte auch international geschützt werden, und werden ent-
sprechende Abkommen einfordern.
Datenschutz auf höchstem Niveau
Wir wollen das höchste Niveau beim Datenschutz sicherstellen. Deshalb setzen wir uns für grundlegende
Nachbesserungen bei der Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung ein, wo diese noch Spielräume lässt.
Der Datenschutz darf aber nicht zu einem Bürokratiemonster für Ehrenamtliche und Vereine werden. Eigene
europäische Server sind zur Stärkung der digitalen Souveränität nötig und müssen weiter aufgebaut werden.
Nutzer*innen die Datenhoheit zurückgeben
Bisher profitieren vor allem amerikanische Großkonzerne von den riesigen Datenmengen ihrer Nutzer*innen
im Internet. Mit einer gesetzlichen Datendividende wollen wir erreichen, dass die Nutzer*innen künftig selbst
über die Verwendung ihrer Informationen entscheiden und dafür transparent von den Plattformbetreibern
anteilig entlohnt werden. Diese Datendividende soll es den Nutzer*innen ermöglichen, plattform- und landes-
unabhängig ihre eigenen Daten als Währung zu verwenden.
Urheberrechtliche Haftung für verlinkte Seiten beenden
Die Rechtsprechung, wonach auch jene für Urheberrechtsverletzungen im Internet haften müssen, die nur ei-
nen Link auf eine Website mit rechtswidrigen Inhalten setzen, ist verheerend. Sie schafft für Millionen von deut-
schen Website-Betreiber*innen eine enorme Unsicherheit und schränkt die Freiheit des Internets massiv ein.
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Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Rechtslage schnellstmöglich im Sinne eines freien Internets an-
gepasst wird.
Keine Uploadfilter
Umgesetzt werden soll die EU-Urheberrechtsreform aus dem Jahr 2019 ohne Uploadfilter (nach den letzten
Änderungen beschlossen als Artikel 17). Die zurzeit bestehende Richtlinie hat das Potenzial, durch Uploadfilter
und die damit verbundene Zensur die Meinungs- und künstlerische Freiheit einzuschränken und das Internet
zum Nachteil aller nachhaltig zu verändern. Die Entscheidung des Europäischen Parlaments kann zwar nicht
rückgängig gemacht werden, aber eine EU-Richtlinie selbst hat keine bindende Wirkung, sondern muss in
nationales Recht umgesetzt werden. Da der Artikel selbst keine Uploadfilter vorschreibt, bleibt es der Bundes-
regierung überlassen, diese einzuführen oder eine kreativere Lösung zu finden. Aus diesem Grund muss ein
Gesetz verabschiedet werden, das die Uploadfilter explizit verbietet. Darüber hinaus soll das Gesetz für eine
gerechtere Verteilung der Einnahmen sorgen und insbesondere kleine Künstler*innen unterstützen sowie die
Macht der großen Konzerne begrenzen im Hinblick darauf, was veröffentlicht wird und was nicht.
Leistungsstarke öffentliche Verwaltung
Die Funktionsfähigkeit eines Staats hängt von der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung ab. Eine effi-
ziente, unbestechliche Verwaltung bringt Standortvorteile im weltweiten Wettbewerb. Voraussetzung dafür ist
aber eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Sachmitteln sowie ein gut ausgebildetes und motiviertes Personal.
Grundrechte auch in internationalen Organisationen sicherstellen
Wir werden uns dafür einsetzen, dass auch internationale Organisationen mit Sitz in Deutschland die bei
uns geltenden Grundrechte und unser Arbeitnehmerschutzniveau einhalten. Ähnliche Missstände wie die, die
etwa beim Umgang mit der Mitarbeiterschaft im Europäischen Patentamt bekannt geworden sind, wollen wir
beseitigen.
Waffenexporte durch Bundestagsvotum
Wir halten es für unverantwortlich, dass im Bundessicherheitsrat hinter verschlossenen Türen über Rüstungs-
deals entschieden wird. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Entscheidung über Rüstungsexporte in
Länder außerhalb des NATO-Gebiets öffentlich im Bundestag getroffen wird. Wir lehnen Exporte in nicht frei-
heitliche oder instabile Staaten ab.
39

UMWELTSCHUTZ U.
NACHHALTIGKEIT
42
UMWELTSCHUTZ UND
NACHHALTIGKEIT
Eine gesunde Umwelt ist kein Selbstzweck. Klima- und Umweltschutz sichern und verbessern nachhaltig die
Koexistenz von Natur-, Lebens- und Wirtschaftsräumen. Wir FREIE WÄHLER wollen die Umwelt sowie die Ar-
tenvielfalt bewahren und die natürlichen Lebensgrundlagen unserer Heimat schützen. Dies machen wir nicht
nur zu unserem eigenen Schutz, sondern auch aus Verantwortung für nachfolgende Generationen.
Wir stehen zu den Verpflichtungen, die sich aus dem Pariser Klimaabkommen ergeben. Deswegen gilt es, die
Klimaneutralität spätestens bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Wir blicken dieser Aufgabe mutig entgegen. Durch
technische Innovation lassen sich im Bereich der Energie, der Mobilität und der Landwirtschaft große Verän-
derungen erreichen, die nicht nur der Emissionsreduktion dienen, sondern auch wirtschaftliche Wachstums-
potenziale für Deutschland bereithalten.
Wir setzen auf die Innovationskraft und den technischen Fortschritt und wollen auf Abgaben und Verbote ver-
zichten, soweit es möglich ist. Wir werden nicht zulassen, dass die hohe Zustimmung zum Klimaschutz durch
eine Verquickung mit einer ideologischen Systemfrage zerstört wird. Deshalb stehen wir für eine transparente
und sachliche Kommunikationspolitik ein, die allen Bürger*innen ihre Eigenverantwortung verdeutlicht und
gleichzeitig Möglichkeiten eines klimaschonenden Verhaltens aufzeigt. Jedoch darf diese Verantwortung jedes
einzelnen Menschen keinesfalls als Signal verstanden werden, die Wirtschaft und Politik aus ihrer Verantwor-
tung zu entlassen. Wir werden uns den Herausforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, gemeinsam
mit der Bevölkerung stellen. Deshalb erteilen wir ideologischen Ansätzen eine klare Absage: Wir stehen für
eine sachliche, technologieoffene Diskussion mit dem Ziel, unser aller Verantwortung gerecht zu werden. Die
negativen Folgen des Klimawandels sind bereits ersichtlich und spürbar. Neben Maßnahmen zum Klimaschutz
benötigen wir Lösungen zur Bekämpfung der Klimafolgen. Die Bürger*innen sowie die Kommunen dürfen
nicht mit den Problemen wie Überschwemmungen, Verwüstung, Dürre, Wassermangel, Stürmen, Starkregen
und einer sich verändernden Flora und Fauna allein gelassen werden.
Klimaschutz ist die globale Herausforderung unserer Zeit. Klimaschutz bedeutet gleichzeitig, eine wirkungs-
volle Entwicklungs- und Sicherheitspolitik zu verfolgen. Die Suche nach Lösungen bietet auch Chancen für
Entwicklungsländer. Eine neue wirtschaftliche Zusammenarbeit muss fair und nachhaltig gestaltet werden.
Vor allem die Wasserstoffproduktion und der Export von Wasserstoff können eine wirtschaftliche Chance für
afrikanische Staaten sein.
43
UMWELT- UND RESSOURCENSCHUTZ
Schutz des Wassers
Wir stehen für den Erhalt von sauberem und sicherem Trinkwasser als öffentlichem Gut durch einen wirk-
samen Grundwasserschutz und eine umweltgerechte Nährstoffbewirtschaftung in der Landwirtschaft. Eine
Privatisierung der Wasserversorgung lehnen wir ab. Wir messen dem Schutz des Trinkwassers einen beson-
ders hohen Stellenwert bei. Grundwassergefährdungen müssen konsequent vermieden werden. Ein verant-
wortungsvoller Umgang mit Trink- und Regenwasser muss als Klimafolgenanpassung bundesweit gefördert
werden.
Mikroplastik verhindern
Mikroplastik wird nicht nur durch Kunststoffabrieb erzeugt. Als bewusst eingesetzter Zusatz in Wasch- und
Hygieneerzeugnissen gerät er zuhauf in das Abwasser. Neben den Umweltbelastungen führt der Zusatz von
Mikroplastik zu höheren Abwasserkosten für alle Verbraucher*innen. Denn der dadurch erforderliche zusätz-
liche Reinigungsaufwand wird über die Abwassergebühren auf alle Verbraucher*innen umgelegt.
Wald ganzheitlich denken
Auf die ihn umgebende Landschaft, den Menschen, den Boden, die Luft, das Wasser sowie die Diversität von
Tieren und Pflanzen hat der Wald eine bedeutende Wirkung. Wälder erfüllen gleich mehrere Funktionen, für
deren Erhalt und notwendiges Gleichgewicht wir uns einsetzen. Der Wald muss als Lebensraum für unzählige
Tier- und Pflanzenarten erhalten bleiben. Seine Nutzfunktion durch die Bereitstellung des Rohstoffes Holz
gewinnt an Bedeutung. Durch die Verwendung im Bau wird in ihm CO2 gespeichert. Ein anderer Ertrag ist
Wildfleisch. Den Wert dieser Erträge gilt es, ins Bewusstsein zu rücken, damit sich wieder ein wertschätzender
Umgang damit etabliert. Zudem erfüllt der Wald mehrere Schutzfunktionen. Der Schutz des Waldes geht ein-
her mit Boden-, Lawinen-, Wasser-, Klima- und Immissionsschutz. Er ist zudem wichtig für die Sauerstoffpro -
duktion. Auch die Erholungsfunktion des Waldes ist für Bürger*innen wichtig. Deswegen muss der Zugang zu
Wäldern zur Entspannung sowie zur sportlichen Betätigung weitestgehend ermöglicht werden. Wir setzen uns
daher für Investitionen in die Vereinbarkeit der verschiedenen Funktionen des Waldes ein. Beispielhaft ist hier
die Förderung von Fitness-, Reit- und Mountainbike-Strecken zu nennen, die dazu beitragen, dass Sport auf
Geländen ausgeübt werden kann, die den sportlichen Ansprüchen genügen und den Tier- und Bodenschutz
gewährleisten. Unsere Wälder haben bereits unter trockenen Sommern gelitten und schweren Schaden ge-
nommen. Bei der nun kommenden Wiederaufforstung wollen wir eine neue Wertschätzung für unsere Wälder
erreichen. Der Gewinn unserer Wälder für den Klimaschutz und das Stadtklima muss stärker bedacht und be-
lohnt werden. Ein Ausgleich für Waldbesitzer*innen für klimaschutz- und artenschutzorientierte Forstwirtschaft
44
sollte staatlich organisiert werden. Die bereits bestehenden Zertifizierungen der Wälder können hierfür als
Grundlage genutzt werden.
Meeres- und Küstenschutz
Die maritimen Ökosysteme stellen die größte CO2 -Senke dar, aber auch den umfassendsten Schatz an Arten-
vielfallt und Biodiversität. Doch sind sie durch Übersäuerung, Überfischung, steigende Temperaturen, Schad-
stoff- und Mikroplastikeinträge und vieles mehr zunehmend bedroht. Sollten diese Entwicklungen weiter
fortschreiten, dann drohen katastrophale Folgen wie etwa die Umkehrung der CO2-Aufnahme und damit
eine unaufhaltsame Beschleunigung des Klimawandels. Aber auch der Verlust der Existenzgrundlage vieler
Menschen in Küstenregionen sowie ein unumkehrbarer Einschnitt in die globale Artenvielfallt sind schon heut-
zutage vielerorts zu erkennen. Deshalb setzen wir uns auf nationaler wie auch internationaler Ebene für den
Schutz der Meere und Ozeane ein. Deutschland als große und einflussreiche Wirtschaftsnation muss seiner
Verantwortung für unseren Planeten gerecht werden und sein politisches Gewicht zur Bewahrung der mariti-
men Ökosysteme in die Waagschale werfen.
Düngereinträge in deutsche Küstengewässer eindämmen
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich in der Nord-, vor allem aber in der Ostsee sogenannte Todeszonen,
also Zonen mit sehr geringem Sauerstoffgehalt, immer weiter ausgebreitet. Die Ursache hierfür sind Einträge
von Nitraten und Phosphaten, die zum größten Teil aus der landwirtschaftlichen Düngung stammen. Diese
werden vom Feld in die Flüsse gespült und gelangen schließlich ins Meer. Dort führen sie zu einem erhöhten
Algenwachstum. Sterben die Algen ab, so werden sie von Bakterien zersetzt. Jedoch verbrauchen diese Bak-
terien dabei erhebliche Mengen an Sauerstoff, sodass die Sauerstoffsättigung abnimmt und Zonen entstehen,
in denen Fische und andere Meereslebewesen nicht mehr überleben können und einfach ersticken. Deshalb
setzen wir uns dafür ein, dem Eintrag von Phosphaten und Nitraten entgegenzuwirken und somit das Leben
in Nord- und Ostsee zu schützen.
Abwasserreinigung effizient und effektiv umsetzen
Eine Unterstützung der Kommunen bei der Bewältigung der neuen Herausforderungen der Abwasserreini-
gung soll durch ein breites Förderprogramm für erhöhte Reinigungspotenziale, wie die vierte Klärstufe, er-
folgen. Klärwerke sind neben der Straßenbeleuchtung meist der größte Energieverbraucher einer Kommune.
Das muss nicht sein. Energieautarke Klärwerke sind bereits entwickelt. Ihre Einführung gilt es zu fördern. Diese
Förderung sorgt nicht nur für schnelle Energieeinsparungen, sondern wird langfristig wieder den Bürger*in-
nen zugutekommen, da ihre Abwassergebühren nicht mehr durch hohe Energiekosten belastet werden.
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Fracking verbieten
Die Gefahren und Risiken bei der Förderung fossiler Energien im tiefen Untergrund sind nicht verlässlich ab-
zuschätzen. Um an die Erdgasvorkommen zu gelangen, muss zunächst durch die Grundwasserschicht gebohrt
werden. Seismische Aktivitäten könnten ausgelöst werden und ein Raubbau an unserer heimatlichen Natur
erfolgen, den wir nicht wollen. Umweltschutz endet nicht an nationalen Grenzen. Deswegen lehnen wir den
Import von Frackinggas ab.
Regenbecken bauen
Neben der Wasserknappheit werden zunehmend Überschwemmungen zum Problem vieler Kommunen. Nicht
große Flüsse, sondern kleine Bäche werden häufig zum Schadensbringer. Grund hierfür ist u.a. die geringere
Aufnahmefähigkeit der Böden (durch Flächenversiegelung und -verdichtung) bei starkem Regen nach längerer
Trockenheit. Um Überschwemmungen zu verhindern und gleichzeitig Trinkwasser einzusparen, fordern wir ein
bundesweites Förderprogramm für den Bau von Regenrückhalte- und Regenüberlaufbecken. Regenwasser
kann dabei von den Oberflächen in Becken geleitet und zur Weiterverwendung zur Verfügung gestellt werden.
Vor allem die Bereitstellung von Löschwasser bedarf einer Anpassung an die zunehmende Trockenheit. Wir
wollen für die Kommunen eine bestmögliche Unterstützung bei der Erarbeitung nachhaltiger Wasser- und
Abwasserkonzepte erreichen.
Flächenverbrauch reduzieren
Unsere Flächen sind begrenzt. Wir müssen verantwortungsbewusst mit dem weiteren Verbrauch und der
Inanspruchnahme von Flächen für die Verkehrs- und Siedlungspolitik umgehen, um unseren nachfolgenden
Generationen Natur- und Lebensqualität weitergeben zu können und ihnen selbst noch Planungsspielräume
zu überlassen.
Land- und forstwirtschaftliche Flächen schützen
Land- und forstwirtschaftliche Flächen sind ein kostbares Gut. Aus diesem Grund lehnen wir politische Vor-
gaben zur großflächigen Stilllegung von land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen ab. Für die staatlich be-
triebene Forstwirtschaft muss eine neue Zielgewichtung stattfinden. Ökologische und vor allem klimatische
Aspekte müssen hier der Maßstab für eine zukunftsorientierte Waldnutzung sein. Nach unserer Ansicht schlie-
ßen sich Wirtschaftlichkeit und ökologischer Wert der Wälder nicht gegenseitig aus. Vielmehr wird durch eine
wirtschaftliche Nutzung der Wälder der ökologische Wert erhöht, wie auch der wirtschaftliche Wert eines
Bestandes durch dessen ökologische Aufwertung gesteigert wird. Die klimarelevante Pflege der Wälder soll
über die Einnahmen des nationalen Emissionshandels vergütet werden. Um den Waldumbau zu klimaresis-
tenten Mischbeständen voranzutreiben und so unsere Wälder bestmöglich auf die leider schon heute spür-
baren Folgen des Klimawandels vorzubereiten, setzen wir uns auch weiterhin für eine Aufstockung der hierfür
46
benötigten finanziellen Mittel ein. Wir wollen einen Naturwaldanteil von derzeit ca. zehn Prozent beibehalten
und eine Steigerung des Waldanteils durch Aufforstungsprogramme im Sinne des Klimaschutzes. Allerdings
darf eine Aufforstung nicht zulasten der Biodiversität erfolgen. Offene Grünflächen und Streuobstwiesen so-
wie ihre Verbindungen müssen weiterhin erhalten bleiben. Die Grundbesitzer*innen benötigen finanzielle
Unterstützung bei der Bewältigung dieser Pflegeaufgaben. Der Erhalt der Biodiversität und der Klimaschutz
müssen als Pflichtaufgaben eingestuft werden. Nur so werden diese Maßnahmen langfristig auf kommunaler
Ebene umgesetzt werden können, ohne dass die klammen kommunalen Kassen dagegensprechen. Denn der
größte Feind des kommunalen Klimaschutzes ist nicht der Unwille der Kommunen, sondern die Haushalts-
genehmigung.
Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit in den Fokus rücken
Nachhaltigkeit und die damit zusammenhängende Kreislaufwirtschaft müssen zu einer tragenden Säule des
Wirtschaftssystems werden. Nachhaltig erzeugte Produkte dürfen keinen Wettbewerbsnachteil erfahren. Wir
treten deswegen u.a. für eine CO2-Kennzeichnung von Lebensmitteln ein. Regionale Produkte und nachhaltige
Erzeugung mit kurzen Wegen sollen damit unterstützt werden.
Recyclingquote und -fähigkeit aufzeigen
Immer weniger Gegenstände werden so gebaut, dass sie leicht recycelt werden können. Oftmals wäre dies mit
nur kleinen Änderungen in der Herstellung machbar. Wir kritisieren dies als nicht nachhaltig und wollen den
Trend stoppen. Angaben in Form einer Skala sollten den Verbraucher*innen beim Kauf transparent aufzeigen,
wie gut das Produkt recycelt werden kann. Zudem sollte angegeben werden, wie viel Prozent des verwendeten
Materials bereits durch Recycling gewonnen wurde.
Plastikflut stoppen
Oftmals werden Kunststoffe wie Plastik verwendet, obwohl ein umweltfreundlicher Ersatz existiert. Genau
an dieser Stelle muss Plastikmüll konsequent vermieden werden. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung
stellt die EU-Richtlinie dar, die auf eine eingeschränkte Regulierung setzt. Deutschland sollte diese Regulierung
ambitioniert umsetzen. Weiterhin ist die Ausweitung des Verbots der Herstellung und des Verkaufs von Gegen-
ständen aus Kunststoff, die auch aus anderen, umweltfreundlicheren Stoffen gefertigt werden können, umzu-
setzen. Dies sollte ebenfalls auf europäischer Ebene passieren. Zudem entspricht dies der Zielvorstellung der
gemeinsamen, europäischen Handelspolitik. Die Förderung der Forschung und Entwicklung von abbaubaren
oder zumindest gut wiederverwendbaren Rohstoffen wollen wir ausbauen. Dies ermöglicht es heimischen
Unternehmen, aus logistischen und hygienischen Gründen weiterhin Einwegprodukte zu nutzen. Es gilt, ge-
eignete Alternativen zu finden und zum Einsatz zu bringen. Nicht ausschließlich der Verzicht, sondern der Ersatz
von Kunststoffen durch nachhaltigere Lösungen muss uns gelingen. Vor allem im medizinischen Bereich sowie
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in besonderen Situationen wird der Gebrauch von Kunststoffen weiterhin notwendig und sinnvoll sein. Auch
das hat uns die Pandemie im Jahr 2020 aufgezeigt. Materialien und Techniken für ein nachhaltiges Recycling
und Bio-Kunststoffe ermöglichen heimischen Unternehmen weiterhin eine effiziente Logistik und sind interes-
sant für den europäischen und globalen Markt.
Exportverbot von Plastikmüll, Elektroschrott sowie von Schrottfahrzeugen
Wir haben eine Luft, eine Umwelt, ein Wasser. Die Verschmutzung macht nicht an den Landesgrenzen Halt. Es
nützt nichts, wenn unser Müll ins Ausland verschoben wird und dort unter menschenunwürdigen Bedingungen
und zulasten der dortigen Menschen und der Umwelt entsorgt wird. Nach dem Motto: „Aus den Augen, aus
dem Sinn“. Die Vermeidung von Müll und der sinnvolle Umgang mit den Ressourcen haben oberste Priorität.
Das Recycling von Plastikmüll, Elektroschrott und Altautos muss im eigenen Land unter Einhaltung aller umwelt-
technischen Erkenntnisse vorangetrieben werden. Die Rückgewinnung von wertvollen Rohstoffen ist zu erhöhen.
Reparaturfähigkeit einfordern
Immer weniger Gegenstände werden so gebaut, dass sie repariert werden können. Oftmals wäre dies mit nur
kleinen Änderungen in der Herstellung machbar. Wir kritisieren dies als nicht nachhaltig und wollen den Trend
stoppen. Angaben in Form einer Skala sollten den Verbraucher*innen beim Kauf transparent aufzeigen, wie
langlebig das Produkt ist und wie gut es repariert werden kann. Die Unternehmen werden damit angeregt,
wieder Ersatzteile zur Verfügung zu stellen und einen Kundenservice anzubieten.
Lebensmittelverschwendung stoppen
Mit jedem Lebensmittel, das im Müll landet, werden kostbare Ressourcen verschwendet. Das Vermeiden die-
ser Verschwendung muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Acker bis zum Teller stärker in den
Fokus der Politik rücken. Wir stehen hinter dem Ziel der UNO, die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr
2030 zu halbieren. In der kommenden Legislaturperiode muss dem Thema mehr Aufmerksamkeit gewidmet
werden, damit das Ziel erreicht wird. Es ist unsere ethisch und ökologisch begründete Überzeugung, den ver-
antwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln zu fördern. Obwohl sich in den vergangenen Jahren zahlreiche
ehrenamtliche und unternehmerische Initiativen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung gegründet
haben, werden immer noch viel zu viele Lebensmittel weggeworfen. Mehr als die Hälfte der Lebensmittelver-
schwendung findet in Haushalten statt. Der größte Hebel ist also, ein Umdenken bei den Verbraucher*innen
zu bewirken, weswegen Aufklärungsarbeit zur Erzeugung und Verwendung von Lebensmitteln sinnvoll ist. Der
Begriff des „Mindesthaltbarkeitsdatums“ sollte durch einen Begriff ersetzt werden, der deutlich macht, dass
das Produkt mit dem Ablauf des Datums nicht automatisch verdorben ist. Zur Orientierung kann das englische
„best before“ dienen. Ein weiterer Ansatz ist das Fördern von Umsonstregalen, in die abgelaufene Lebensmittel
gestellt oder mitgenommen werden können, und von Gruppen, die sich für Lebensmittelrettung einsetzen.
48
CO2 -Kennzeichnung auf Nahrungsmitteln
Durch die Nahrungsmittelerzeugung freigesetzte CO2-Äquivalente sind ein ernst zu nehmendes Problem. In
der Klimaschutzdebatte wurde das Thema Ernährung zu lange vernachlässigt. Da die Verbraucher*innen wei-
terhin selbst darüber entscheiden sollten, was auf ihrem Teller liegt, ist es Aufgabe der Politik, dem Thema
sachgerecht und nicht ideologisch zu begegnen. Transparenz und Aufklärung sind dabei die obersten Ziele. An-
gaben zur CO2-Bilanz von Lebensmitteln halten wir für einen guten Ansatz. Auflagen für regionale Erzeuger*in-
nen müssen immer auch der Maßstab für die Erzeugungs- und Qualitätsstandards importierter Lebensmittel
sein. Nur damit kann regionale Ware vor dem Preisdruck durch Importe geschützt werden. Die Veränderung
von Produktions- und Haltungsweisen in der Landwirtschaft stellt gerade familiengeführte Betriebe vor große
Herausforderungen. Es muss gewährleistet werden, dass diese Entwicklung nicht zulasten familienbetriebener,
bäuerlicher Höfe geht. Eine weitere Industrialisierung der Landwirtschaft werden wir nicht zulassen.
ENERGIEWENDE UMSETZEN
Die Strompreise in Deutschland sind u.a. durch verschiedene Steuern die höchsten innerhalb der EU. Diese
Mehrbelastung der privaten Verbraucher*innen ist deutlich zu verringern. Wir setzen uns für eine nachhalti-
ge, sichere und bezahlbare Stromversorgung ein. Außerdem müssen die Versorgungssicherheit und stabile
Strompreise zu jedem Zeitpunkt sichergestellt werden. Deswegen wollen wir die Energiewende nicht den
Stromkonzernen überlassen, sondern wollen die Bürger*innen, Unternehmen, regionalen Energiedienst-
leister und Energieversorgungsunternehmen sowie die Landwirt*innen zu Akteuren bei dieser Entwicklung
machen. Wir stehen für eine dezentrale Energieerzeugung ohne überdimensionierten Leitungsbau, an deren
Wertschöpfung die Gemeinden und die Bürger*innen vor Ort teilhaben. Umweltpolitik beginnt im Bewusst-
sein der Bürger*innen vor Ort und muss bis in die internationale Politik hinein umgesetzt werden.
Steigerung der Energieeffizienz
Energieeinsparung ist ein unerlässlicher Baustein zur Erreichung der Energiewende und der Klimaziele. Die
Steigerung der Effizienz ist gerade vor dem Hintergrund der gleichzeitigen Elektrifizierung der Mobilität und
der Wärmeerzeugung sowie der Steigerung des prozentualen Anteils erneuerbarer Energien unerlässlich. Die
Steigerung der Energieeffizienz ist zudem nicht nur ein Innovationsmotor, der Arbeitsplätze sichert, sondern sie
kann auch den Bürger*innen Geld sparen. Wir treten dafür ein, dass Entscheidungen über Mindesteffizienzan-
forderungen aber nicht hinter verschlossenen Türen, sondern offen und transparent getroffen werden müssen.
Über- und Doppelregulierungen wollen wir vermeiden.
49
Gebäudeenergiebilanz zur Gebäudeeffizienzbilanz erweitern
Mit dem neuen Gebäudeenergiegesetz wurden Bestimmungen zur Gebäudeenergie in einem Gesetz zusam-
mengefasst. Wer neu baut oder saniert, muss sich an diesem Regelwerk orientieren. Der Primärenergiefaktor
beschreibt die Bilanz aus Energieverbrauch und Eigenproduktion des Gebäudes. Der Grundidee, im Neubau
und Bestand Mindeststandards festzulegen, widersprechen wir mit Blick auf die bis 2050 zu erreichende Kli-
maneutralität nicht. Doch die aktuelle Ausgestaltung ist zu einseitig auf den Energieverbrauch und die Ener-
gieproduktion ausgerichtet. Der notwendige Energie- und Ressourcenverbrauch für die Baumaterialien, die
Entsorgung und den Bau selbst werden nicht in die Bilanzierung einbezogen. Dies führt unserer Ansicht nach
zu einem Trend der Ressourcenvernichtung und der Auswahl klimaschädlicher Baumaterialien. Die Energieein-
sparung durch die Weiternutzung des Bestandes muss zusammen mit dem höheren Energieverbrauch in die
Berechnung einfließen. Ebenso sollte die Verwendung von Holz und anderen alternativen Baustoffen positiver
gewertet werden, da darin sogar CO2 gespeichert wird, während für Beton viel Energie und wertvolle Res-
sourcen, wie Sand, benötigt werden und CO2 bei der Verarbeitung freigesetzt wird. Auch die Gipsgewinnung
muss in die Betrachtung stärker einbezogen werden. Die Beeinträchtigung der Flächen durch die Gewinnung
von Gips und Sand muss insbesondere vor dem Hintergrund des Endes des Kohleabbaus eine stärkere Beach-
tung finden. Denn der Abbau dieser Rohstoffe auf den ohnehin schon bearbeiteten Flächen wird nicht länger
stattfinden. Auch das Lebensalter von Eigentümer*innen in selbstgenutzten Immobilien muss bei Sanierungs-
regeln einbezogen werden. Eine Verdrängung älterer Personen in Seniorenheime oder eine Mietwohnung
wegen wirtschaftlich unverhältnismäßiger Sanierungsauflagen muss verhindert werden.
Zuverlässige Energieversorgung
Die Wirtschaft und die Digitalisierung verschiedener Lebensbereiche brauchen eine stabile, kostengünstige
und nachhaltige Energieversorgung. Wir stehen für ein verlässliches, flexibles Energieversorgungssystem.
Wir wollen die dezentrale Energiegewinnung aus regenerativen Quellen klimagerecht ausbauen. Gleichzeitig
stehen wir für eine verlässliche und effiziente Versorgung innerhalb eines europäischen Energiemarktes. Ge-
plante Leitungen im Netzentwicklungsplan Strom können keine Zustimmung finden, wenn eine Gegenüber-
stellung von Investitionskosten und Nutzen der Leitungen fehlt. Beim Übertragungsnetzausbau müssen die
Belastungen der Betroffenen und die Belastung der Umwelt berücksichtigt werden. Eine detaillierte Gegen-
überstellung von Kosten und Nutzen ist von den Übertragungsnetzbetreibern sowie von der Bundesnetzagen-
tur zu erbringen. Verfügbarkeit, Effizienz, Klimabilanz und Kosten der Erzeugung müssen im Energienetz der
Zukunft gleichermaßen bedacht werden. Die Verteilnetzebene nimmt hierbei die entscheidende Rolle ein. 90
Prozent aller dezentral einspeisenden Erzeugungsanlagen speisen in diese Netzebene ein. Deswegen muss
auch politisch dieser Ebene vermehrt Kompetenz und Beachtung beigemessen werden. Durch die kommunale
Beteiligung an den Verteilnetzbetreibern wird damit auch der Beteiligung der Kommunen und Bürger*innen
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an der Energiewende stärker nachgekommen. Wir setzen uns für die Steigerung des Autarkiegrades der Kom-
munen sowie für die Bürgerenergie ein.
Energiegewinnung ausbauen, Flächenkonflikte auflösen
Eine Balance zwischen Nahrungsmittel- und Energiegewinnung auf landwirtschaftlichen Flächen muss wei-
terhin gewährleistet sein. Die Forschung und Entwicklung im Bereich der Verwertung von Reststoffen, der
Effizienzsteigerung bestehender Anlagen und der Energiespeichermöglichkeiten wollen wir vorantreiben.
Mehr Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien
Wir wollen im Bereich der erneuerbaren Energien mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung. Insbe-
sondere das Feld der Speichertechnologien muss ambitionierter unterstützt werden. Ein neuer Schwerpunkt
muss auf die Umgehung von Flächennutzungskonflikten durch eine kombinierte Nutzung, wie z.B. die Agro-
Photovoltaik, gelegt werden. Dies sollte nicht nur durch Forschung geschehen. Wettbewerbsfähigkeit könnte
erzeugt werden, indem die Mehrkosten der Produktion durch einen Nachhaltigkeitsbonus in der wettbewerb-
lichen Ausschreibung der Zulagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ausgeglichen werden. Nur eine
solche sachbezogene Förderung ist mit dem Grundsatz der Technologieoffenheit vereinbar.
Förderung erneuerbarer Energien erhalten
Die Energiewende darf nicht auf dem Rücken der privaten Verbraucher*innen stattfinden. Eine einseitige Be-
steuerung von privatem Stromverbrauch aus erneuerbaren Energien lehnen wir ab. Die Corona-Pandemie
hat gezeigt, dass eine finanzielle Absicherung im Sinne der notwendigen Verlässlichkeit für Investitionen in
erneuerbare Energien hilfreich ist – zumindest für Zeiten, in denen über den Börsenpreis keine Einnahmen
generiert werden können. Die Einführung der wettbewerblichen Ausschreibung der Zulagen nach dem Er-
neuerbare-Energien-Gesetz ist bei der Erzeugungsart der Photovoltaik sehr positiv zu bewerten. Bei der Wind-
kraft an Land hat sich die Methode jedoch nicht bewährt. Zu wenige Projekte bewerben sich überhaupt um
die Zulage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das beweist, dass die Strategie des Windkraftausbaus
in Deutschland stark überholungsbedürftig ist. Zudem sollten die verschiedenen Erzeugungsarten flächen-
deckend genutzt werden, damit sich die unterschiedlichen volatilen Energien über die Fläche hinweg zeitlich
ergänzen und Flauten ausgleichen. Hierzu muss in das wettbewerbliche Verfahren zur Vergabe der Zulagen
nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ein Regionalisierungsfaktor eingefügt werden. Wir benötigen einen
massiven Ausbau aller regenerativen Erzeugungsarten im gesamten Bundesgebiet. Dazu gehört auch Biogas,
das leider in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurde. Gerade wegen der Steuerbarkeit der Erzeugung
sehen wir darin eine wichtige Ergänzung. Abfall- und Reststoffe sowie die Weiterentwicklung des Pflanzenan-
baus werden die Ökobilanz der Biogaserzeugung zukünftig verbessern. Die Biogaserzeugung muss so weiter-
entwickelt werden, dass sie nicht in Konflikt mit der Biodiversität steht. Monokulturen dürfen nicht entstehen.
51
Zudem darf der Anbau pflanzlicher Rohstoffe für die Energiegewinnung keine Auswirkung auf die Börsenprei-
se von Nahrungsmitteln haben. Wir setzen uns daher für die Verwendung weiterer pflanzlicher Quellen wie der
„Durchwachsenen Silphie“ ein. Diese können eine Alternative zum Mais bei der Bereitstellung von Substraten
für die Biogasproduktion sein.
Energie-Infrastruktur stärken
Für uns ist der Ausbau der dezentralen Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen im Zusammenhang mit
Speichertechnologie der zentrale Baustein für die Energieversorgung der Zukunft und das Erreichen der Klima-
ziele im Energiesektor.
Regionale Stärken mobilisieren
Unterschiedliche Flächennutzungskonflikte und topografische Gegebenheiten sorgen dafür, dass der Aus-
bau nicht in allen Regionen Deutschlands gleich gute Bedingungen hat. Um das Ausbauziel im nationalen
Energiemix zu erreichen, müssen wir regionale Stärken mobilisieren und regional unterschiedliche Strategien
verfolgen. Fördermechanismen müssen auf diese Unterschiede eingehen, wenn eine dezentrale Erzeugung
gewünscht ist.
Speicherung regenerativer Energien ausbauen
Wir wollen einen schnellen Ausbau von regenerativen Energien und Speichern mit einer effektiven Sektor-
kopplung. Das Ziel ist die integrierte Energiewende, in der die verschiedenen Komponenten aller Sektoren
intelligent aufeinander abgestimmt sind. Auch Pumpspeicherkraftwerke erachten wir dabei als sinnvolle Bau-
steine für eine verlässliche Energieversorgung. Die Umweltverträglichkeit solcher Maßnahmen muss jedoch
immer gegeben sein. Damit trotz Kohle- und Atomausstieg die Verlässlichkeit der Energieversorgung weiterhin
garantiert werden kann, muss der Verteilnetzausbau entsprechend vorangetrieben werden.
Verteilnetze fit für die regionale Energiewende machen
Im Zuge der Energiewende ist die Finanzierung der dafür notwendigen Netze unzureichend angeglichen wor-
den. Längst ist die alleinige Orientierung an der bezogenen Leistung nicht mehr sachgerecht. Aktuell tragen
jene die Finanzierung der Netze, die nicht durch Eigenerzeugung direkt an der Energiewende teilhaben kön-
nen. Doch gerade die Vielzahl der dezentralen Einspeiser erfordert Investitionen in die Netzstabilität, bei-
spielsweise durch eine intelligente Netzinfrastruktur und steuerbare Speicher. Über die Netzentgelte sollte
grundsätzlich eine möglichst kostenreflexive Zurechnung der Netzkosten zu den Netznutzer*innen stattfinden.
Die Setzung von Anreizen über die Netzentgelte sollte vermieden werden und vielmehr etwa über Steuern,
Umlagen, Quoten und Zertifikate erfolgen. Sofern Lenkungsstrukturen diskutiert werden, sollten dabei netz-
dienliche Aspekte im Vordergrund stehen.
52
Integrierte Energiewende gesamtheitlich planen
Die integrierte Energiewende ist auf eine marktwirtschaftlich orientierte Ordnungspolitik anstelle einer staat-
lichen Planung mit Technologiegeboten und -verboten angewiesen. Nur auf einem soliden regulatorischen
Fundament können optimierte Lösungen über Sektorengrenzen hinweg entwickelt werden. So wird sich ein
technologieoffenes, sektorübergreifendes System herausbilden, das auf Energieeffizienz und effiziente CO2-
Vermeidung ausgerichtet ist. Verschiedene Energieformen und Infrastrukturen müssen gemeinsam betrach-
tet und daraus das Optimum entwickelt werden. Die integrierte Energiewende wird Strom- und Erdgasnetze
durch die zunehmende Einbindung von Wasserstoff in das System verbinden. Es ist eine der wichtigsten Infra-
strukturaufgaben der kommenden Legislaturperiode, die nationalen und europäischen Rahmenbedingungen
für dieses System zu definieren. Nur wenn der Regulierungsrahmen und der Zeitplan verlässlich definiert sind,
werden Investitionen getätigt werden. Aufgabe der Politik ist es, diese verlässlichen Rahmenbedingungen
europa- und deutschlandweit zu definieren.
H2-Readiness und die Verbraucher*innen
Die Verfügbarkeit und Nutzung von Wasserstoff bzw. Methan aus methanisiertem Wasserstoff müssen durch
einen gemeinsamen Zeitplan definiert werden. Strom und Gas müssen gemeinsam in einem Netzausbauplan
gedacht werden. Dezentrale Speicherungen und Nutzungen sollen dabei für einen geringen Ausbaubedarf
sorgen. Wir sind davon überzeugt, dass auch der Bedarf an aus erneuerbaren Energieträgern gewonnenen
synthetischen Brennstoffen stetig zunehmen wird. Anwendungsbereiche, die durch Strom nicht oder nur in-
effizient versorgt werden können (z.B. Bereitstellung von gesicherter Leistung, Langzeitspeicher, Schiffs-, Flug-
und Schwerlastverkehr, industrielle Prozesse), können so klimafreundlich werden. Die Verbraucher*innen
sowie die Fahrzeug- und Gerätehersteller benötigen verlässliche Aussagen – z.B. über den Zeitplan zur Bei-
mischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz. Nur so kann bei langfristigen Modernisierungsplanungen der
Umstieg bereits mitberücksichtigt werden. Investitionsverluste werden dadurch vermieden.
Keine Steuergelder für Ressourcenverschwendung und Klimaschädigung
Gerade in Krisenzeiten ist es gut, dass Bund und Länder mit Konjunkturprogrammen dem Verlust von Arbeits-
plätzen entgegenwirken. Doch ein Staat, der das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet hat, muss bei staat-
lichen Hilfen die Klimafolgen mit in den Blick nehmen. Durch staatliche Rettungen von Fluggesellschaften
das Weiter-so der Billigflieger strukturell zu erhalten, ist entgegen jeglicher Vernunft und widerspricht einem
sachgerechten, verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern. Denn gleichzeitig sind Strafzahlungen für
das Nichteinhalten der Klimaschutzziele im Verkehrssektor absehbar. Stattdessen fordern wir, Privilegien ab-
zuschaffen, die dem Ziel des Klimaschutzes und den dafür verwendeten Steuermitteln entgegenwirken. Ein
Beispiel hierfür ist die steuerliche Befreiung von Kerosin. Auch der Kohleausstieg hätte durch eine frühere
53
Entscheidung und eine stringente, langfristige Planung kosteneffizienter und ökologischer gestaltet werden
können.
Treibhausgase ökonomisch und ökologisch sinnvoll minimieren
Wir stehen bei Infrastrukturmaßnahmen für eine effizientere Überprüfung der Planungen und Kostenrisiken,
um künftig Fehlplanungen wie bei dem Milliardengrab des Berliner Flughafens ausschließen zu können.
Saubere Umwelt und zukunftsfähige Wirtschaft für Braunkohlereviere
Die deutschen Kohleabbaureviere und ihre gesamten Regionen stehen vor einem historischen Umbruch. Die
umwelt- und klimarelevanten Auswirkungen des Kohleausstiegs müssen dringend beachtet werden. Hierzu
zählen ein neuer Flächenbedarf für den Abbau von Naturgips oder die Beeinträchtigung der Wasserquali-
tät durch eine Flutung der Braunkohletagebaugebiete. Die Folgen müssen, soweit dies möglich ist, gemin-
dert und ökologisch wie auch finanziell ausgeglichen werden. Lösungen sollen durch Innovationsförderung
und Forschung in den betroffenen Regionen erarbeitet und vorangetrieben werden. Die Empfehlungen der
Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ müssen zur Umsetzung kommen. Wir werden
nicht zulassen, dass die betroffenen Länder und Regionen abgehängt werden. Stattdessen sollen sie die Mög-
lichkeit erhalten, Klimavorreiter und Innovatoren zu werden. Ein wichtiges Anliegen ist uns der Aufbau von
Forschungskapazitäten und der Transfer der Ergebnisse in die regionale Industrie, um die Folgen des Kohle-
ausstiegs (Wegfall von REA-Gips für die Baustoffindustrie) durch die Entwicklung neuer, alternativer Baustoffe
zu kompensieren. Die Forschungs- und Entwicklungsquote liegt im Mitteldeutschen Revier deutlich unter dem
Bundesdurchschnitt. Eine gezielte Förderung stärkt das Potenzial der Region.
MOBILITÄT VERBESSERN
Wir stehen für eine Weiterentwicklung der Mobilität und sehen die Chance in der Vielfalt der Möglichkeiten.
Politischen Handlungsbedarf sehen wir im Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und des Fahrrad-
verkehrs. Treibhausgasemissionen sowie die Nachhaltigkeit von Herstellung, Transport und Nutzung der Kraft-
stoffe sollten die einzigen Maßstäbe für die politische Lenkung sein.
Antriebe der Zukunft
E-Fuels, Biokraftstoff, Gas, Wasserstoff, leitungsgebundene oder batteriebetriebene Elektromobilität können
wichtige Bausteine für den klimafreundlichen Umbau des Verkehrssektors sein, vorausgesetzt der Treibstoff
wird nachhaltig erzeugt. Aufgabe der Politik ist die Förderung der Forschung und Entwicklung in allen Tech-
nologien sowie die Schaffung eines Preisbestandteils, der technologieoffen, transparent und verlässlich den
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wahren Treibhausgaseffekt bepreist. Für die Luftfahrt bedeutet diese kein Verbot. Jedoch ist die Branche ge-
zwungen, ihre Antriebstechnologien klimafreundlich weiterzuentwickeln, damit sie bezahlbare Dienstleistun-
gen anbieten kann. Verlässliche politische Rahmenbedingungen, die eine Bepreisung der CO2 -Äquivalente
über einen Zertifikatehandel langfristig festschreiben, schaffen die Voraussetzung dafür, dass die Branche in
die Entwicklung und den Umstieg investiert. Wir sehen eine Chance im Ausbau der Elektromobilität. Diese
kann über Leitungen, etwa bei Straßenbahnen, Seilbahnen oder Oberleitungsbussen, erfolgen. Meist wird
sie wegen geringerer Infrastrukturanforderungen batteriebetrieben eintreten. Deswegen setzen wir uns für
die weitere Forschung zur Entwicklung sowie Etablierung neuer, nachhaltigerer Speicher ein. Ein Recycling der
Batterien muss aufgebaut und sichere Techniken für Rettungskräfte entwickelt werden. Eine emissionsfreie
Mobilität steigert vor allem in Städten die Lebensqualität. Elektro-, Wasserstoff- und Erdgasbusse im öffent-
lichen Nahverkehr leisten einen wichtigen Beitrag. In dem Aufbau der notwendigen Infrastruktur zum Laden
und Betanken der Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen sehen wir eine effektive Förderung der jeweiligen
Technologie.
Verlagerung des Güterverkehrs
Wir wollen Anreize schaffen, um den Güterverkehr auf klimafreundlichere Verkehrswege wie Schienen- und
Wasserstraßen zu verlegen. Die Trassen für den Güterverkehr müssen ausgebaut und dabei aus den Wohn-
bereichen herausgeholt werden. Vor allem Gefahrguttransporte sollten nicht inmitten von Wohnbebauungen
rollen. Deutschland bremst durch Nichtstun trotz vertraglicher Zusicherung den europäischen Gütertransport
zwischen Genua und Rotterdam aus und belastet die Anwohner*innen der bestehenden Strecken im Über-
maß. Wir treten für umfassende Investitionen in Güterverkehrsstraßen ein.
Europäische Hauptstädte verbinden
Wir unterstützen den Ausbau eines schnellen Schienenverkehrs zwischen den europäischen Metropolen. Gute
Taktungen und Nachtverbindungen sollen eine echte Alternative zum Flugverkehr bieten. Wir setzen uns für
die Schaffung eines europäischen Verkehrsverbundsystems ein, das den Kauf von grenzübergreifend gültigen
Tickets vereinfacht und Abos ermöglicht (Bahncard Europa). Unsere Mobilität ist im Umbruch. Viele Innova-
tionen werden gerade entwickelt und der schnelle Transport von Menschen und Gütern innerhalb Europas
wird immer wichtiger. Mit der „Hypeerloop“-Technologie können wir uns in Europa künftig mit bis zu Schall-
geschwindigkeit bewegen und die Reisezeit zwischen unseren Städten erheblich verkürzen. Europa wollen wir
zum Leitmarkt und Leitanbieter dieser Technologie entwickeln.
Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken
Seit der Bahnreform 1994 wurden in Deutschland mit über 3.600 Kilometern deutlich mehr Strecken des
Schienenpersonennahverkehrs abbestellt als reaktiviert (über 900 Kilometer). Mit der Neubelebung stillge-
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legter Eisenbahnstrecken könnten mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland wieder ans Schienen-
netz angebunden werden. Laut einer „Reaktivierungsliste“, die der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen
gemeinsam mit der Allianz pro Schiene im Juli 2020 vorstellte, lassen sich 238 Strecken mit insgesamt 4.016
Kilometern Länge wieder nutzen. Wir wollen Bahnstrecken in ländlichen Regionen leichter wieder in Betrieb
nehmen können. Aktuell gilt das Kriterium, dass an Werktagen im Schnitt mehr als 1.000 Reisende die Strecke
nutzen müssen. Wir wollen, dass bei der Reaktivierung stillgelegter Strecken künftig auch regionale und tou-
ristische Besonderheiten berücksichtigt werden.
Kein generelles Tempolimit auf Autobahnen
Wir sind gegen die Forderungen, ein generelles Tempolimit auf Autobahnen einzuführen. Geschwindigkeits-
begrenzungen sollten ausschließlich der Sicherheit oder dem Anwohnerschutz dienen. Für den Klimaschutz
halten wir andere Lenkungsmaßnahmen wie die CO2-Bepreisung für angemessener.
Luft- und Lärmbelastungen
Eine gute Infrastrukturpolitik muss auch die Akzeptanz der Bürger*innen berücksichtigen. Gesundheitsschäd-
licher und für das Wohlbefinden nicht zumutbarer Lärm und Luftverschmutzungen im Umfeld von Flughäfen,
Straßen und Schienen sind Angelegenheiten der Allgemeinheit und müssen im Sinne der betroffenen Bür-
ger*innen reduziert werden. Feinstaub- und Stickoxidbelastungen sollten durch die Hersteller der Fahrzeuge
weiterhin vermieden werden. Als eigenständiger Tatbestand neben den Treibhausgasemissionen sollte auch
dieser Aspekt Berücksichtigung finden. Fahrverbote müssen durch Innovationen vermieden werden. Dennoch
sollen Kommunen weiterhin die Möglichkeit haben, durch eigene Ge- und Verbote die Luft- und Lärmbe-
lastungen zu regulieren. Die Überprüfung der Einhaltung von aktuell schon bestehenden Regulierungen muss
immer Vorrang vor der Schaffung schärferer Gesetze haben. Unverhältnismäßige Eingriffe wie Fahrverbote
für Motorräder sollten nicht erfolgen. Nicht die kollektive Bestrafung ganzer Nutzergruppen, sondern die
Einhaltung der angemessenen Regeln muss der Maßstab staatlichen Handelns sein. Die Verfolgung von Ver-
stößen muss von staatlicher Seite zum Schutz der Anwohner*innen gewährleistet werden. Der Personen- und
Güterverkehr auf der Schiene ist zu fördern. Doch dies darf nicht zulasten der Anwohner*innen gehen. Die
Vermeidung von Lärm- und Feinstaubbelastungen durch den Schienenverkehr muss auf die politische Agenda
gesetzt werden. Eine Weiterentwicklung des Schienenverkehrs darf sich nicht auf die Steigerung der Nutzung
konzentrieren. Der Schutz der Anwohner*innen an bestehenden Strecken muss durch Investitionen in Schie-
nen und Züge stets beachtet werden. Der Güterverkehr sollte grundsätzlich nicht durch Wohngebiete geleitet
werden. Der Bau von Alternativtrassen muss mit der Steigerung des Güterverkehrs einhergehen. Deutschland
darf nicht zum Nadelöhr des europäischen Güterverkehrs werden. Bereits heute hinkt Deutschland seinen
europäischen Verpflichtungen beim Ausbau hinterher. Dies ist nicht nur unsolidarisch, sondern schadet auch
den eigenen Bürger*innen sowie der heimischen Wirtschaft.
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Mautfreier Individualverkehr in ganz Europa
Wir haben uns von Anfang an gegen die Einführung einer Maut für den Individualverkehr auf deutschen
Straßen eingesetzt. Wir werden uns weiterhin gegen eine Wiederauflage des bereits gescheiterten Einfüh-
rungsversuchs starkmachen. Es entspricht nicht unserer Vorstellung von europäischer Zusammenarbeit, wenn
Gleiches mit Gleichem vergolten wird. Deswegen wollen wir uns auch in diesem Fall auf unser Ziel konzentrie-
ren: Wir wollen, dass die Bürger*innen in ganz Europa freie Fahrt haben. Wir wollen deshalb ein mautfreies
Europa für den privaten Verkehr. Die für das europäische Verkehrsnetz relevanten Straßen müssen deshalb
eine Gemeinschaftsaufgabe werden.
Privatisierung unserer Verkehrsinfrastruktur stoppen
Die Infrastruktur muss verlässlich sein. Daher gehört die Bereitstellung von Infrastruktur zur Daseinsvorsorge
und damit zu den Staatsaufgaben. Die Verkehrsinfrastruktur sollte steuerfinanziert sein. Denn Wirtschaftlich-
keit alleine sollte nicht maßgeblich für die Entscheidung über Infrastrukturausbau und -erhalt sein. Überge-
ordnete Ziele, wie die Gleichheit der Lebensbedingungen sowie ökologische und volkswirtschaftliche Aspekte,
müssen ausschlaggebend sein. Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, muss der öffentliche Per-
sonennahverkehr günstig und verlässlich funktionieren. Die Anbindung ländlicher Regionen an den Schienen-
verkehr darf nicht an fehlenden Investitionen scheitern.
Trennen der Infrastruktur und des Betriebs des Schienenverkehrs
Ein funktionsfähiger Wettbewerb erfordert die Unabhängigkeit des Infrastrukturbetreibers. Daher sollte die
Trennung der Transportunternehmen von den Infrastrukturbetreibern der DB-Gruppe weiter vorangetrieben
werden. Aktuell werden z.B. Zuschüsse des Bundes in die Schieneninfrastruktur pauschal an die DB Netz AG
vergeben. Die Erfolgskontrolle erfolgt dabei anhand von vertraglich vereinbarten Qualitätskennzahlen. Diese
bilden den qualitativen Zustand der Schieneninfrastruktur jedoch nur unzureichend ab. Damit besteht die
Gefahr, dass Finanzierungsmittel durch die DB Netz AG nicht nach den Kriterien eines nachhaltigen und wirt-
schaftlichen Infrastrukturerhalts eingesetzt werden. Wir fordern deshalb die strikte Trennung des Schienen-
netzes vom Bahnbetrieb. Wie bei den Straßen soll der Bund auch für das Schienennetz zuständig sein. Somit
wäre auch das Vorhalten einer guten Schienenstruktur der Daseinsvorsorge zuzurechnen.
SCHÖPFUNG BEWAHREN – TIERSCHUTZ
Erhalt der heimischen Natur und Artenvielfalt
Wir wollen unsere heimische Tier- und Artenvielfalt schützen. Dem Landschaftsschutz ist deswegen eine hohe
Priorität beizumessen. Auch nicht heimische Arten können rasch zur Gefahr für unser Ökosystem werden.
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Zudem ist das natürliche Gleichgewicht wiederherzustellen, insbesondere dort, wo es durch das Handeln
des Menschen (z.B. Monokulturen) gefährdet ist. Es ist unser Auftrag, unsere heimischen Natur- und Kultur-
räume zu erhalten und nachhaltig zu entwickeln. Der Schutz von Insekten spielt eine Schlüsselrolle beim Erhalt
und bei der Förderung der Biodiversität. Gleiches gilt für unsere Seen, Flüsse und Meere mit ihrer Tier- und
Pflanzenwelt. Ein verantwortungsvoller, nachhaltiger Umgang mit unseren Gewässern ist essenziell für das
biologische Gleichgewicht.
Tierschutz umsetzen – Vollzug bei Rechtsverstößen
Wir stehen für einen respektvollen Umgang mit unseren Mitgeschöpfen. Dies gilt für den Umgang mit Haus-,
Nutz- und Wildtieren. Dabei verwahren wir uns dagegen, einzelne Berufsgruppen pauschal an den öffentli-
chen Pranger zu stellen. Wir gehen davon aus, dass die meisten Tierhalter*innen ihre Tiere anständig halten
und ihnen mit Respekt begegnen. Eine wesentliche Aufgabe beim Schutz der Lebewesen ist es, solche ge-
setzlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, die ein ethisches und wertebasiertes Handeln
fördern und unethischem Verhalten klare Grenzen setzen. Staatliche Kontrollen müssen Verstöße gegen diese
Regeln aufdecken. Wir sehen ein strukturelles Vollzugsdefizit. Wir machen uns für die Etablierung von Schwer-
punktstaatsanwaltschaften für den Tierschutz stark. Wir brauchen Fachpersonal mit juristischen und veteri-
närmedizinischen Fachkenntnissen, die tierschutzrechtliche Verstöße erkennen, einstufen und den Vollzug ein-
leiten. Tierschutz sollte nicht nur als Nebenaspekt anderer Themen behandelt werden. Damit Tierschutzziele
stringent umgesetzt werden, schlagen wir vor, auf Bundesebene eine*n Tierschutzbeauftragte*n zu benennen.
Ihre/seine Aufgabe soll es sein, dem Tierschutz eine starke Stimme zu verleihen. Ebenso soll jedes Bundesland
eine*n Landestierschutzbeauftragte*n als beratendes Organ, das mit weiteren starken Befugnissen ausgestat-
tet ist, bestellen.
Innovationen zum Wohl der Tiere
Forschung und Innovation zur Reduktion von Tierleid sollen stärker gefördert werden. Die gestiegene Auf-
merksamkeit der Konsument*innen für das Tierwohl bietet auch wirtschaftliche Chancen für Deutschland,
wenn es gelingt, junge und innovative Unternehmen aus der Biotechnologie und Ernährungswirtschaft von
unserem Standort zu überzeugen. Wir setzen uns sowohl in der konventionellen Landwirtschaft als auch im
Ökolandbau für die Etablierung der Immunokastration bei Ebern ein. Diese steht nicht im Widerspruch zur
biologischen Fleischerzeugung. Vielmehr schont sie Klima und Umwelt. Deshalb wenden wir uns gegen das
EU-Verbot der Immunokastration im Ökolandbau. Wir setzen uns für die verstärkte Forschungs- und Wirt-
schaftsförderung im Bereich der artgerechten Tierhaltung ein.
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Tierversuchsfreies Deutschland
Wir verfolgen das Ziel eines tierversuchsfreien Deutschlands. Wir setzen uns deshalb für die Weiterentwick-
lung von Zellkulturen als einen vollwertigen Ersatz für Tierversuche ein, der sogar patientenspezifische Test-
verfahren ermöglicht.
Qualzuchten verhindern
Wir wollen eine stärke Fokussierung der Nutztierzucht auf Mehrnutzungsrassen und auf Lebensleistung statt
einseitig auf Höchstleistung und fordern das Verbot von Patenten auf Tiere. Das seit 1999 bestehende Verbot
von Qualzuchten bei Wirbeltieren muss überarbeitet werden, damit es Wirkung entfaltet und tatsächlich Qual-
zuchten verhindert. Das bewusste Herbeiführen von körperlichen Schäden und Beeinträchtigungen erachten
wir als unethisch.
Faire, verlässliche und transparente Haltungsbedingungen für Tiere
Eine artgerechte Weiterentwicklung der Tierhaltungsbedingungen fordern wir ausdrücklich ein. Dies darf nicht
zu einer Benachteiligung bäuerlich geführter Betriebe gegenüber großen, gewerblich strukturierten Anlagen
führen. Eine Verbesserung der Haltungsbedingungen und der wirtschaftliche Erfolg bäuerlicher Strukturen
dürfen sich nicht gegenseitig ausschließen. Eine spezielle Begleitung durch Wissenschaft und Fördersysteme
muss auch kleineren tierhaltenden Betrieben, insbesondere in naturräumlich benachteiligten Regionen, Pers-
pektiven für die Zukunft eröffnen. Wir machen uns stark für die artgerechte Nutztierhaltung und Weidebewirt-
schaftung. Eine gezielte Entnahme von Wildtieren zur Ermöglichung der naturnahen Nutztierhaltung erachten
wir als ethisch geboten. Verpflichtende und kontrollierte Angaben zur Tierhaltung auf den Produkten sollen
den Verbraucher*innen die notwendige Information liefern. Wir wollen eine einheitliche Kennzeichnung in
Form eines Tierwohllabels, das seinen Namen wirklich verdient. Das Tierschutzlabel muss Bedingung für die
Vergabe von Fördergeldern sein. Es darf nicht sein, dass mit Steuergeldern unwürdige Tierhaltungen unter-
stützt werden.
Tiertransporte vermeiden
Der Tierschutz in der Nutztierhaltung darf nicht an der Stalltür enden. Tiertransporte gilt es, so gut wie mög-
lich zu verkürzen. Dies soll besser nachverfolgt und kontrolliert werden. Ein Wiederaufbau von regionalen
Schlachthöfen ist essenziell, um kurze Tiertransporte zu gewährleisten. Deswegen lehnen wir kontraprodukti-
ve Subventionen von Tiertransporten ab. Gute Aus- und Weiterbildungen der Branche für die Mitarbeiter*in-
nen der Schlachtbetriebe und eine breite Akzeptanz des Berufs sind die Basis dafür, dass Schlachtungen so
stress- und schmerzfrei wie möglich verlaufen. Wir setzen uns auch für die Möglichkeit einer Schlachtung bzw.
Tötung der Rinder und anderer Nutztiere auf der Weide ein (Weideschlachtung).
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Tierheime unterstützen
Wir machen uns stark für den Erhalt der ehrenamtlich geführten Tierheime durch eine existenzsichernde Bun-
des- und Landesförderung.
Zoologische Gärten – Artenschutz und Forschung anerkennen
Zoos bieten nicht nur Tiererlebnisse für ihre Besucher*innen. Sie übernehmen eine Artenschutz-, Forschungs-
und Bildungsfunktion. Für uns müssen Freiland und Zoo miteinander verzahnt sein: Erkenntnisse aus der Wild-
nis müssen zunehmend aufgegriffen werden, um Tiere in menschlicher Obhut besser pflegen zu können. Die
in Zoos erhaltenen Kenntnisse sind wertvoll für den Schutz der Lebensräume. Wir setzen uns dafür ein, dass
Zoos Unterstützung für ihre Funktion als informeller Lernort erhalten. Dies gilt insbesondere für die Bereitstel-
lung von Räumen und Personal für die pädagogische Begleitung und Aufbereitung von Themen. Zudem setzen
wir uns für eine Förderung der Zusammenarbeit von Zoos mit der Wissenschaft ein sowie für die Förderung
der Arbeit für den Artenschutz.

SICHERHEIT
UND STABILITÄT
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SICHERHEIT UND STABILITÄT
Die Gewährleistung von Sicherheit und die Schaffung eines stabilen Umfelds für die Bürger*innen sind we-
sentliche Aufgaben unseres Staats. Wir FREIE WÄHLER sehen Sicherheit als einen umfassenden Begriff an,
der nicht nur die Gefahrenabwehr innerhalb und außerhalb unseres Landes betrifft. Nicht zuletzt aufgrund
der Angst vor Terror, Organisierter Kriminalität und Clankriminalität leidet auch das persönliche Sicherheits-
gefühl der Bürger*innen. Zahlreiche Lebensmittelskandale in den vergangenen Jahren und Befürchtungen,
dass künftige Freihandelsabkommen Auswirkungen auf unseren Verbraucherschutz haben, verunsichern die
Menschen ebenso. Wir wollen uns als verlässlicher Partner der Bürger*innen diesen Sorgen annehmen und
die folgenden Maßnahmen umsetzen.
VERTRAUEN IN DEN RECHTSSTAAT
WIEDERHERSTELLEN
Den demokratischen Rechtsstaat verteidigen
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer Rechtsstaat. Dies wird durch unser Grundgesetz ge-
währleistet. Insbesondere die dort enthaltenen Grundrechte schaffen eine freie und demokratische Gesell-
schaftsordnung. Die Einhaltung der Grundrechte ist für ein Zusammenleben unabdingbar. Angriffe auf unsere
freie Gesellschaftsordnung dürfen nicht dazu führen, dass diese angetastet wird.
Das Vertrauen in den Rechtsstaat fördern
Das persönliche Sicherheitsgefühl vieler Bürger*innen schwindet. Die Zunahme der Organisierten Kriminalität,
öffentliche Gewaltexzesse, Angst vor Terroranschlägen sowie die inkonsequente Asyl- und Migrationspolitik
haben hierzu maßgeblich beigetragen. Wir befinden uns in einer kritischen Phase des Wertverlustes unse-
rer Gesellschaft. Wir wollen den Bürger*innen in den kommenden vier Jahren ihr Vertrauen in den Rechts-
staat wieder zurückgeben. Vor allem durch eine erhöhte Polizeipräsenz und mehr Personal und Sachmittel
für Ermittlungsbehörden, um eine technische moderne Strafverfolgung zu ermöglichen. In diesem Zusam-
menhang erachten wir es auch für dringend erforderlich, über alle Themen einen offenen Austausch mit den
Bürger*innen zu führen. Nur so kann man der Verbreitung falscher Ideologien durch Extremist*innen und
Verschwörungstheoretiker*innen vorbeugen. Wir wollen, dass der Rechts- und Justizstandort Deutschland
wieder gestärkt wird. Wir erachten das Vertrauen der Bürger*innen in die Unabhängigkeit der Justiz als eines
der wichtigsten Güter in unseren Rechtsstaat. Dieses gilt es unbedingt zu erhalten. Wir wollen die Unabhän-
gigkeit der Justiz stärken und politische Einflussnahme unterbinden. Unsere Justiz schafft zudem verlässliche
rechtliche Rahmenbedingungen, die wichtig für unsere Wirtschaft, aber auch für ausländische Investor*innen
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sind. Diese Standortvorteile durch „law – made in Germany“ wollen wir wiederherstellen und den Trend hin
zu einer nicht demokratisch legitimierten Paralleljustiz über Investitionsschutzabkommen beenden.
Härtere Strafen bei Gewalt gegen Amtsträger*innen
Die Zahl tätlicher Angriffe auf Einsatzkräfte, wie Polizist*innen und Rettungskräfte, nehmen kontinuierlich zu.
Die Attacken von gewaltbereiten Gruppierungen und Einzeltäter*innen werden zunehmend brutaler. Wir wol-
len daher, dass Straftaten gegen Amtsträger*innen konsequent verfolgt werden und das Strafmaß ausgereizt
wird, insbesondere bei Gewaltdelikten gegen Vollstreckungsbeamt*innen und Hilfskräfte.
Einsatzkräfte schätzen und fair behandeln
Wir stehen fest an der Seite der Polizeibeschäftigten, Rettungskräfte sowie der Mitarbeiter*innen von Hilfs-
organisationen und zollen ihnen Respekt und Anerkennung für ihre Arbeit. Wer Einsatzkräfte im Dienst an-
greift, greift uns alle an. Ein latentes Misstrauen gegenüber der Arbeit der Polizei ist nicht gerechtfertigt. Des-
halb verwahren wir uns gegen pauschale Vorverurteilungen gegenüber der gesamten Institution. Wie in allen
Bereichen gibt es Missstände und Verstöße auch innerhalb der Polizei. Diese müssen konsequent aufgeklärt
und entsprechend dienstrechtlich und strafrechtlich verfolgt werden, jedoch in einem fairen und objektiven
Verfahren. Wir unterstützen eine Vorbeugung gegen extremistische Haltungen in der Gesellschaft und damit
auch innerhalb der Polizei. Hier sind entsprechende Konzepte gemeinsam mit der Polizei zu erarbeiten.
Unabhängigkeit der Strafermittlung
Ein demokratischer Rechtsstaat muss über eine unabhängige Justiz verfügen. Gemäß Grundgesetz sind aber
nur Richter*innen „unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“, Staatsanwält*innen dagegen nicht. Wir
wollen die politische Einflussnahme auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen beenden. Das Weisungsrecht
des/der Bundesjustizminister*in muss aufgehoben werden, damit die Ermittlungen nicht durch politische
Wünsche beeinflusst werden. Wir riskieren sonst, dass etwa klärungsbedürftige Fragen am Ende durch die
Politik von der Rechtsprechung ferngehalten werden und hierdurch unsere Rechtsstaatlichkeit beschädigt
wird. Allein schon Verdachtsmomente drohen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz infrage zu stellen.
Bundeseinheitliche Fahndungs- und Vorgangsbearbeitungssysteme
Der Föderalismus in Deutschland regelt, dass die Polizeihoheit grundsätzlich bei den Ländern liegt. Aufgrund
steigender Mobilität und internationaler Vertriebswege nimmt die Häufigkeit überregionaler und internatio-
naler Kriminalität stetig zu. Unterschiedliche Vorgangsbearbeitungs- und Fahndungssysteme in den Bundes-
ländern führen zu personal- und zeitaufwendigen Datenübermittlungen zwischen den Polizeibehörden. Wir
wollen die relevanten EDV-Systeme vereinheitlichen, um einen schnellen, effizienten und unbürokratischen
Datenaustausch zu garantieren.
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Wohnortnahe Justiz
Wir wollen auch im Bereich der Justiz gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland erreichen. Dazu gehört
eine flächendeckende Präsenz der Einrichtungen der Rechtspflege, zu denen die Bürger*innen wohnortnah
Zugang haben.
Straffällige Ausländer*innen ausweisen
Wer bei uns als Gast schwer oder wiederholt straffällig wird, ist für unsere Gesellschaft ein Sicherheitsrisiko.
Er/sie muss deshalb schnellstmöglich und konsequent aus Deutschland ausgewiesen werden.
Europa im Bereich der Justiz stärken
Wir wollen Europa zu einem echten Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts machen. Das Zusammen-
wachsen unseres Kontinents führt auch zu Begleiterscheinungen wie einer wachsenden grenzüberschreiten-
den Kriminalität und auch Terrorismus. Unsere Justizbehörden in Europa müssen deshalb enger zusammen-
arbeiten und ihre Arbeit unter dem Dach der europäischen Justizbehörde koordinieren sowie Informationen
austauschen.
Deutsches Recht statt Paralleljustiz stärken
Wir wollen unser kontinentaleuropäisches Recht stärken. Es bietet das höchste Maß an Freiheit, Berechenbar-
keit und Transaktionssicherheit. Bestrebungen, geltendes nationales Recht durch Handelsabkommen auszu-
hebeln, erteilen wir eine Absage. Vergleichbare Bestrebungen zur Installation von Investitions- bzw. Schiedsge-
richten, wie die im Rahmen der EU-Handelsabkommen CETA und TTIP geplanten Systeme, lehnen wir deshalb
ebenso ab. Unsere nationalen Gerichte sind in der Lage, jegliche zu erwartenden Streitfälle zügig, kompetent,
effizient und kostengünstig zu entscheiden.
Attraktivität der Bundespolizei erhöhen
Wir wollen den Dienst in der Bundespolizei attraktiver gestalten. Deshalb halten wir es für erforderlich, dass
das von der Bundespolizeigewerkschaft entwickelte Eckpunktepapier für ein schlüssiges Personalentwick-
lungskonzept berücksichtigt wird. Wir unterstützen die Forderungen zur Aufhebung der Behördentrennung
nach Paragraf 3 des Bundespolizeibeamtengesetzes (Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Polizei beim Deut-
schen Bundestag) und damit den Zugang der Bundespolizei zu den Laufbahnen für den Kriminaldienst sowie
die geforderte Spezialisierung der Laufbahnbezeichnungen. Darüber hinaus braucht es insbesondere Maß-
nahmen, um die Berufszufriedenheit der Beschäftigten zu erhöhen.
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Privatisierung der Luftsicherheit stoppen
Wir wollen, dass der Trend zur Privatisierung der Luftsicherheitsaufgaben an Flughäfen gestoppt wird. Es
geht hier um hoheitliche Aufgaben wie die Terrorabwehr, die wieder in staatliche Hand zurückgeführt werden
müssen. Die Praxis zeigt, dass Geld nur unter Inkaufnahme von Dumpinglöhnen und teilweise unzumutbaren
Arbeitsbedingungen durch sogenannte Teildienste frühmorgens und spätabends eingespart werden konnte.
Deshalb fordern wir den sofortigen Stopp der Privatisierung und die Rückkehr zur Neueinstellung im öffent-
lichen Dienst.
Aufrüsten gegen Cyberkriminalität
Der Kampf um Cybersicherheit gewinnt immer mehr an Bedeutung. Doch fehlen unseren Sicherheitsbehörden
die Ressourcen für eine schlagkräftige Antwort auf die Bedrohung. Wir wollen deshalb schnellstmöglich eine
überzeugende Gesamtstrategie, die alle Strafverfolgungsbehörden einbindet und die Zusammenarbeit zwi-
schen Behörden und Unternehmen als Opfer von Cyberattacken intensiviert. Insbesondere braucht es hierfür
mehr Spezialist*innen und große Investitionen in die technische Ausstattung, um angemessen reagieren zu
können.
Leistungsfähige IT-Strukturen für die europaweite Ermittlungsarbeit
Wir brauchen in Europa modernste Technik, um Straftäter*innen und Gefährder*innen schnell identifizieren
zu können. Deshalb setzen wir uns für eine moderne Ausstattung der Sicherheitsbehörden ein. Dafür müssen
auch Gesetze und Regelungen zur Verbesserung der Vernetzung von Sicherheitsbehörden und deren Daten-
austauschs unter Wahrung der Datenschutzrechte Unbeteiligter angepasst werden.
Konsequente Bekämpfung von Terrorismus
Wir stehen für eine konsequente Bekämpfung des Terrorismus in unserem Land. Mehr Investitionen in schlag-
kräftige Antiterroreinheiten halten wir deshalb ebenso für notwendig wie eine hürdenfreie Zusammenarbeit
zwischen den Geheimdiensten in Europa.
Videoüberwachung mit Maß und Ziel
Für die Polizeiarbeit ist ein Video über den Hergang einer Straftat oder ein Bild der tatverdächtigen Personen
enorm hilfreich. Eine offen erkennbare und transparente Videoüberwachung erhöht nicht nur das Sicherheits-
gefühl in der Bevölkerung, sondern ist auch geeignet, potenzielle Straftäter*innen von der Tatausführung abzu-
schrecken und die Beweisführung vor Gericht zu erleichtern. Wir setzen uns für den bedarfsgerechten Einsatz
von Videoüberwachung an Brennpunkten ein, damit Straftaten effektiver aufgeklärt und Kriminalitätsschwer-
punkte entschärft werden können. Videoüberwachung bedeutet immer auch einen Eingriff in die Grundrechte,
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weshalb die regionalen Konzepte regelmäßig unter Einbindung der örtlichen Polizeiinspektionen, Datenschutz-
beauftragten und Verwaltung evaluiert sowie auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden müssen.
Konsequentes Vorgehen gegen islamistische Gefährder*innen
Eine verfehlte Zuwanderungspolitik darf nicht zum Sicherheitsrisiko für unsere freiheitliche Gesellschaft
werden. Deshalb fordern wir die sofortige Abschiebung von Gefährder*innen und wiederholt straffälligen
Flüchtlingen in unserem Land. Solche, die mangels Papiere oder Rücknahmebereitschaft des Herkunftslands
nicht abgeschoben werden können, müssen als Sicherheitsrisiko eingestuft und in Abschiebehaft genommen
werden. Auch dem Straftatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung muss konsequent mehr Be-
achtung geschenkt werden. Aus unserer Sicht darf nicht erst etwas passieren, bevor der Staat handelt.
Extremismus bekämpfen
Unabhängig von der ideologischen Ausrichtung sind Extremist*innen Feinde unserer freiheitlich-demokrati-
schen Grundordnung und müssen mit allen Mitteln unserer wehrhaften Demokratie bekämpft werden. Auf
rechtes, linkes und religiös motiviertes Handeln gegen unseren Staat müssen wir entschlossen reagieren. Wir
wollen, dass religiös-extremistische Vereine, wie beispielsweise salafistische Gruppierungen, konsequent
verboten werden. Ihr Handeln ist mit unserer freiheitlichen Ordnung nicht vereinbar. Wir halten es zudem für
erforderlich, dass die Präventions- und Deradikalisierungsarbeit gegen jedwede Form des Extremismus aus-
gebaut und ein offener gesellschaftlicher Diskurs mit sachlichen Argumenten geführt wird. Der Verfassungs-
schutz muss sowohl online als auch offline Radikalisierungen frühzeitig erkennen und diesen situationsgerecht
entgegenwirken, z.B. mittels Aussteigerprogrammen. Hierfür bedarf es einer signifikanten Personalaufsto-
ckung bei den Nachrichtendiensten.
Organisierte Kriminalität europaweit bekämpfen
Egal ob Menschenhandel, Geldwäsche oder Drogenhandel – die Organisierte Kriminalität müssen wir effek-
tiver bekämpfen. Offene Grenzen haben unsere Sicherheitssituation komplizierter gemacht. Es braucht des-
halb europäische Antworten auf dieses europaweite Problem. Wir wollen die EU-Sicherheitsagenturen OLAF,
CEPOL, Europol und Eurojust mit weitreichenden Handlungsbefugnissen ausstatten sowie international die
Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden im Rahmen von Interpol intensivieren.
Sorgsamer Umgang mit Waffen
Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Bürger*innen, die legal Waffen besitzen. Wir haben eines der
strengsten Waffenrechte der Welt und halten dies für ausreichend. Weitere Verschärfungen sind unverhältnis-
mäßig. Eine zentrale Lagerung der Waffen in Schützen- und Vereinsheimen lehnen wir ab. Es muss mehr gegen
den illegalen Waffenbesitz getan werden.
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Zivil- und Katastrophenschutz
In den letzten Jahren wurde der Zivil- und Katastrophenschutz deutlich vernachlässigt. Gerade die Covid-
19-Pandemie hat uns die erheblichen Defizite in allen maßgeblichen Bereichen vor Augen geführt. Der Be-
völkerungsschutz sowie das Katastrophenmanagement müssen deshalb gestärkt sowie die bauliche und tech-
nische Infrastruktur (z.B. Notstromaggregate) erneuert und ausgebaut werden, damit die hierzu vorgesehenen
Kräfte ihrem Auftrag zum Schutz und zur Unterstützung der Bevölkerung in Krisen- und Katastrophenfällen
nachkommen können. Hierzu bedarf es wieder regelmäßiger Katastrophenschutzübungen, vom europäischen
Katastrophenschutzzentrum bis hin in die Kommunen. Auch dezentrale Versorgungs- und Lagerstrukturen für
systemrelevante Artikel müssen wieder flächendeckend aufgebaut werden. Die Aufrechterhaltung der Hand-
lungsfähigkeit der Verwaltung sowie von Sicherheit und Ordnung auf allen Ebenen ist von elementarer Bedeu-
tung. Hierzu brauchen insbesondere die Kommunen finanzielle Unterstützung für notwendige Infrastruktur-
maßnahmen, etwa in Form von Förderprogrammen. Bei all diesen Aufgaben können auch Tätigkeitsbereiche
im Rahmen eines Gesellschaftsjahres für alle geschaffen werden.
Soziale Medien
Wir fordern die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen zur Regulierung der sozialen Medien. Außer-
dem braucht es eine herkunftsbezogene Besteuerung der Speicherung von Daten durch diese Plattformen.
Ursprünglich als sehr nützliche Werkzeuge zur sozialen Interaktion entwickelt, dienen Social-Media-Plattfor-
men heute der gezielten Manipulation der User*innen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung und verfügen
darüber hinaus über ein sehr hohes Suchtpotenzial. Diese Systeme nutzen das evolutionäre Grundbedürfnis
des Menschen nach sozialer Interaktion und leben von der ungezügelten Sammlung, Auswertung und Nut-
zung von Daten. Mithilfe hochkomplexer Algorithmen, technischer Features und gezielter Strategien werden
die Schwachstellen der menschlichen Psyche gezielt zur Verfolgung kommerzieller Interessen genutzt und die
User*innen bewusst so manipuliert, dass es sich auf ihr Verhalten und ihre Emotionen in der realen Welt
auswirkt. Jede*r User*in erhält so individuell auf sie/ihn zugeschnittene Informationsangebote. Der Mensch
akzeptiert die Realität, die ihm vorgesetzt wird. Darin liegt die eigentliche Gefahr, denn die Realität ist in dieser
Medienwelt für jede*n individuell geschaffen. In sozialen Medien bewegen wir uns auf unterschiedlichen
Wahrheitsebenen, man nimmt nur noch die Informationen auf, die dem eigenen Weltbild entsprechen. In
diesem großen Maßstab ist auf Information kein Verlass mehr. Verschwörungstheorien und radikale Weltbil-
der werden durch diese Mechanismen in sozialen Medien exponentiell verbreitet und erlangen so schnell den
Status einer vermeintlichen Wahrheit. Die ehemals mit besten Absichten geschaffenen sozialen Medien stellen
heute, auch nach Meinung ihrer Entwickler*innen, zunehmend eine Bedrohung dar.
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Trennung von Bundeswehr und Polizei
Wir stellen uns gegen jede Bestrebung, die Bundeswehreinsätze im Inneren durch eine Änderung unseres
Grundgesetzes auszuweiten. Unser Verfassungsrecht sieht aus historisch guten Gründen eine klare Trennung
der Aufgaben von Polizei und Bundeswehr vor. Zudem ist nur die Polizei für die Aufgaben der inneren Sicher-
heit ausgebildet. Die vorgesehenen Ausnahmen, wie etwa in Katastrophenfällen und im Fall des sogenannten
inneren Notstands, sind ausreichend.
Keine rechtsfreien Räume im Internet
Wir brauchen klare Regeln im Internet, damit es nicht gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung
eingesetzt wird. Die Organisation und Kommunikation von Extremist*innen müssen wir auch im Internet un-
terbinden und illegale Handlungen müssen intensiver verfolgt werden, seien es etwa Kinderpornografie oder
illegaler Drogen- und Waffenhandel. Entsprechend wollen wir die Spezialteams im Bundesinnenministerium
bedarfsgerecht ausstatten, um dem Missbrauch des Internets zu begegnen.
GRENZSCHUTZ UND VERTEIDIGUNG
SICHERSTELLEN
Unsere Verteidigungsstrukturen sind den heutigen globalen Herausforderungen nach dem radikalen Sparkurs
der letzten Jahre kaum gewachsen: Die veränderte Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus,
eine hybride Kriegsführung und den Cyberkrieg stellen die Bundeswehr vor neue Herausforderungen. Die
Berliner Politik findet bis heute keine angemessenen Antworten darauf. Grobe Fehler in der Beschaffungs-
politik kosten uns Milliarden, die anderweitig z.B. in der Infrastruktur fehlen. Problemprojekte wie die Drohne
Euro Hawk, der Marinehubschrauber NH90 und das Transportflugzeug A400M sind Beispiele für die zahlrei-
chen Handlungsbedarfe sowie das dringende Erfordernis einer Reform des gesetzlich aufwendig regulierten
Beschaffungswesens. Es ist nicht vermittelbar, wenn trotz eines hohen Investitionsbedarfs bei den Sicher-
heitskräften bereitgestellte Haushaltsmittel aufgrund vielfältiger Defizite im Beschaffungswesen nicht inves-
tiert werden. Die Herausforderungen unserer äußeren Sicherheit wollen wir im europäischen Verbund lösen.
EU-Außengrenzen gemeinsam schützen
Wir wollen keine Rückkehr zu Schlagbäumen in Europa, denn wir sind stolz auf die offenen Grenzen zu unseren
europäischen Nachbarn. Aber damit wir dies erhalten können, brauchen wir eine umso bessere Sicherung
unserer europäischen Außengrenzen. Sie sind bislang ungenügend geschützt und stellen ein Sicherheitsrisiko
für unsere Bürger*innen dar. Wir können aber auch nicht die gesamte Verantwortung auf Länder wie Grie-
chenland und Italien abwälzen. Deshalb sind wir für eine Stärkung des Grenzschutzes auf europäischer Ebene.
69
Die Grenzschutzagentur Frontex braucht daher mehr Personal und weitreichendere Kompetenzen, muss aber
auch regelmäßig öffentlich Bericht erstatten über ihr Vorgehen, die Situation vor Ort und mögliche Menschen-
rechtsverletzungen.
Verteidigung europäisch organisieren
Die europäische Sicherheitsarchitektur ist zunehmend fragil. Deutschland muss sich gemeinsam mit Europa
seiner Verantwortung in der Welt stellen. Aus unserer Sicht muss es das Ziel sein, eine europäische Armee
aufzustellen, die der Kontrolle des Europäischen Parlamentes untersteht. Das Europäische Parlament wird
dann künftige gemeinsame Einsätze der europäischen Streitkräfte bewilligen. Als unabhängige parlamentari-
sche Kontrollinstanz braucht es eine*n europäische*n Wehrbeauftragte*n mit vergleichbaren Zuständigkeiten
wie die/der Wehrbeauftragte der Bundeswehr. Auf dem Weg dorthin wollen wir die militärische Zusammen-
arbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten systematisch, wie in der Permanent Structured Cooperation (Ständige
Strukturierte Zusammenarbeit) vereinbart, ausweiten. Unser Ziel ist, dass alle EU-Länder zwei Prozent ihres
Bruttoinlandsprodukts in ihre Verteidigung investieren. Daneben wollen wir den Aufbau eines europäischen
Hauptquartiers zur Koordination ziviler und militärischer Missionen bzw. Operationen in Ergänzung zur NATO,
um den europäischen Sicherheitsinteressen verstärkt Rechnung zu tragen.
Europas Rolle in der NATO stärken
Ein möglicher Rückzug US-amerikanischer Truppen aus Europa würde ein Sicherheitsvakuum entstehen
lassen, das wir gesamteuropäisch füllen müssen. Wir streben eine enge europäische Zusammenarbeit im
Wehrbereich an, die keine Dopplungen zur NATO-Struktur schaffen, sondern eine Ergänzung darstellen soll.
Ein starkes Europa in der NATO kann den USA auf Augenhöhe begegnen. Wir wollen eine starke NATO, um
schlagkräftig auf die Herausforderungen des Cyberkriegs und des internationalen Terrorismus sowie der ge-
meinsamen Landes- und Bündnisverteidigung reagieren zu können.
Rüstungspolitik europäisch organisieren
Wir wollen unsere Rüstungspolitik stärker europäisch organisieren. Eine gemeinsame Verteidigungsindustrie
gewährleistet eine strategische Autonomie und unsere technologische Unabhängigkeit. Die hohen Kosten für
militärische Hochtechnologie sind ohnehin immer schwerer durch nationale Haushalte zu finanzieren. Eine
gemeinschaftliche Entwicklung und Beschaffung sind daher notwendig.
Einbindung der Truppenexpertise bei Rüstungsprojekten
Bei den letzten Bundeswehr-Reformen wurde die Weiterentwicklung in allen Organisationsbereichen in die
Kommandobehörden verlagert. Die Projektleitung ist dadurch nicht nahe genug an der Fachexpertise der
Truppe, wodurch der bürokratische Aufwand im Prozess der Weiterentwicklung steigt. Künftige Beschaffungs-
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prozesse werden hierdurch zusätzlich erschwert. Wir wollen die Weiterentwicklung wieder näher an die Trup-
pe verlagern, um Projekte bedarfsgerecht und schneller bei gleichzeitiger Einsparung von Haushaltsmitteln
umsetzen zu können. Hier könnte man langgedienten Fachdienst- und Unteroffizier*innen mit Einsatzerfah-
rung eine attraktive Perspektive verschaffen.
Bedarfsgerechte Finanzen
Am 18. März 2020 hat das Bundeskabinett die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2021 und den 54. Finanzplan
bis 2024 beschlossen. Demnach soll die Bundeswehr von 2021 bis 2024 jeweils nur 45,64 Milliarden Euro
zur Verfügung gestellt bekommen. Ein weiterer Anstieg ist nicht vorgesehen. Nimmt man die Finanzbedarfs-
analyse des Verteidigungsministeriums vom Dezember 2018 als Referenzrahmen, fehlen der Bundeswehr im
nächsten Jahr fast zehn Milliarden Euro. 2024 werden es sogar rund 14 Milliarden sein. Deutschland hatte
sich bereits 2002 auf dem NATO-Gipfel in Prag verpflichtet, zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in
Verteidigung zu investieren. Dieses Bekenntnis wurde 2014 auf dem NATO-Gipfel in Wales wiederholt. Bisher
wurde dieses Ziel jedoch nicht erreicht und wird mit dem beschlossenen Haushalt bis 2024 auch nicht zu errei-
chen sein. Angesichts der erheblichen Investitionslücken bei der Ausrüstung der Bundeswehr halten wir den
Haushaltsansatz mit Blick auf die Sicherheitsinteressen Deutschlands für nicht zielführend und es ist zwingend
geboten, die notwendigen Haushaltsmittel bereitzustellen.
Moderne und einsatzfähige Ausrüstung
Wir wollen, dass den Soldat*innen das Material zur Verfügung steht, das sie für ihren Dienst benötigen. Da-
bei muss man auf die Bedürfnisse der Soldat*innen eingehen. Dasselbe gilt für die Reservist*innen bei der
Ausbildung, aber auch bei der Zusammenarbeit zwischen Truppe und Reservistenkameradschaften. Eine mo-
derne und einsatzfähige Ausrüstung ist die Grundvoraussetzung für einen attraktiven Dienst ebenso wie die
Betreuung der Soldat*innen, die aus einem Auslandseinsatz zurückkehren. Die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf muss sichergestellt sein.
Gesellschaftsjahr für alle
Mit Aussetzung der Wehrpflicht wurde eines der letzten gesellschaftlichen Bindeglieder ohne Not aufgegeben.
Mit jedem Jahr zeigen sich die Folgen immer stärker: Das Eintreten für die Gemeinschaft, für das Ehrenamt und
das soziale Miteinander lässt nach. Wenn wir den Zusammenhalt verlieren, wird unser System vor große Prob-
leme gestellt. Wie die Wehrpflicht früher, so bedarf es auch heute eines identitätsstiftenden Einsatzes für die
Gesellschaft. Ansonsten droht die Gesellschaft in lose Gruppen von Individualist*innen zu zerfallen. Veränder-
te Sicherheits- und Bedrohungslagen erfordern zudem eine Anpassung der militärischen Strukturen, womit
sich der Bedarf an qualifiziertem Nachwuchs erhöht. Wir fordern deshalb ein Gesellschaftsjahr für Frauen und
Männer. Dabei soll es eine Wahlfreiheit zwischen dem Dienst in der Bundeswehr, im Katastrophenschutz, bei
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der Feuerwehr und weiteren Blaulichtorganisationen sowie im sozialen Bereich geben. Dieser Dienst für die
Gemeinschaft muss sich für jede*n lohnen. Wir wollen hierfür eine Arbeitsgruppe mit den betreffenden Inte-
ressenverbänden sowie Renten- und Finanzexpert*innen bilden, um ein Realisierungskonzept zu erstellen. At-
traktive Bezahlung, Anrechnung für Rente und Studienzugang, Möglichkeit des Führerscheinerwerbs, Einblick
in andere Lebensbereiche – ein Gesellschaftsjahr für alle kann ein echter Mehrwert für junge Menschen sein.
Streitkräfte aus der Mitte der Gesellschaft
Wir wollen, dass die Bundeswehr den erforderlichen Rückhalt und Wertschätzung aus der Gesellschaft er-
fährt. Wir stehen zu öffentlichen Gelöbnissen, Informationsveranstaltungen durch Jugendoffizier*innen an
Schulen und der Gewinnung des Nachwuchses aus der Breite der Gesellschaft.
Auslandseinsätze
Einsätze müssen mit dem Grundgesetz und dem internationalen Recht vereinbar sein und dürfen nur dazu
dienen, den Frieden zu wahren oder wiederherzustellen. Wir wollen keine risikoreichen Einsätze. Die Ziele
müssen klar definiert, von Beginn an mit Nichtregierungsorganisationen geplant und mit Zeitplänen verknüpft
und stetig überprüft und kontrolliert werden. Der mittlerweile 19 Jahre dauernde Einsatz der Bundeswehr
in Afghanistan ist ein Negativbeispiel, das sich nicht wiederholen darf. Die rechtliche und wirtschaftliche Ab-
sicherung im einsatzbedingten Schadensfall muss für die Soldat*innen eindeutig geregelt sein und darf in
der Umsetzung nicht zu jahrelangen bürokratischen Verfahren führen wie aktuell bei von posttraumatischen
Belastungsstörungen betroffenen Soldat*innen. Dies stellt eine vermeidbare zusätzliche Belastung für die be-
troffenen Soldat*innen und ihre Familien dar.
Attraktiver Dienst bei der Bundeswehr
Attraktive Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten der Bundeswehr sind untrennbar mit einer effektiven
und effizienten Aufgabenerfüllung verbunden. Neben attraktiven sozialen Rahmenbedingungen sind eine be-
darfsgerechte Ausstattung und die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen sowie der Rückhalt in Politik
und Gesellschaft von elementarer Bedeutung. Der Deutsche BundeswehrVerband e.V. hat in seiner Agenda
„Schlagkräftige Bundeswehr 2025“ umfassende Vorschläge für eine einsatzfähige Bundeswehr unterbreitet.
Wir unterstützen diese Forderungen.
Attraktivitätsprogramm auch für länger dienende Soldat*innen
Länger dienende Soldat*innen dürfen beim Attraktivitätsprogramm nicht vergessen werden. Daher sollte der
Beförderungsstau in allen Dienstgradgruppen zeitnah behoben werden. Außerdem muss die Flexibilität des
längeren Dienens über die besondere Altersgrenze hinweg für die Interessierten mit einem Maßnahmenpaket
zur Besoldung und Pension attraktiv gestaltet werden.
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Keine Erhöhung der besonderen Altersgrenze
Der Soldatenberuf erfordert ein hohes Maß an Resilienz und stellt große Anforderungen an die körperliche
und geistige Leistungsfähigkeit. Mit zunehmendem Lebensalter reduzieren sich diese Fähigkeiten. Deshalb
lehnen wir die Erhöhung der besonderen Altersgrenze ab. Darüber hinaus bedeutet eine Erhöhung einen
tiefen Einschnitt für die Lebensplanung der aktiven Berufssoldat*innen.
Reservist*innen unterstützen
Die Reservist*innen müssen in allen Bereichen gefördert werden, um sie flexibel, vor allem in Mangelver-
wendungen, einsetzen zu können. Die Bürokratie rund um Wehrübungen muss abgebaut werden und die
Rahmenbedingungen eng mit den Interessenverbänden abgestimmt werden.
AUSSENPOLITIK MIT VERANTWORTUNG
Wir wollen die außenpolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angehen. Deutschland trägt als
eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt eine große Verantwortung. Dem und der Erwartungshaltung der
Staatengemeinschaft entsprechend wollen wir, dass Deutschland sich als zuverlässiger Partner und ehrlicher
Vermittler in die Weltpolitik einbringt. Wir wollen durch eine solide, friedliche und berechenbare Rolle die
internationale Politik mitgestalten. Friedenssicherung dient auch der Bekämpfung von Terrorismus und von
Fluchtursachen.
Der Einsatz für das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die Gewährleistung von Freiheit, Demokratie, des
Rechtsstaats und der Menschenrechte müssen wieder unsere Schwerpunkte werden. Unser internationales
Ansehen müssen wir in die Diplomatie einbringen, um gemeinsame Lösungen für globale Probleme zu finden.
Hierbei geht es vor allem darum, dem Klimawandel entgegenzuwirken, den Hunger in der Welt zu bekämpfen,
die Ressourcensicherheit und insbesondere die Energieversorgung sicherzustellen. Auch müssen wir den Zu-
gang zu Rohstoffen und Wasser für alle sowie die innere und äußere Sicherheit gewährleisten. Wir wollen
aber keine außenpolitischen Alleingänge, sondern immer eine Abstimmung mit unseren Verbündeten. Unsere
zurückhaltende Kultur in der internationalen Politik war für unser Nachkriegsdeutschland prägend und hat uns
das heutige Ansehen eingebracht. Dieses zu bewahren, sehen wir als unsere Aufgabe an.
Enge Beziehungen zu Partnern pflegen
Deutschland ist als Industriestandort ohne eigene nennenswerte Rohstoffvorkommen von seinen guten inter-
nationalen Beziehungen besonders abhängig. Daher wollen wir die bestehenden Verbindungen unseres Lan-
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des pflegen und ausbauen, insbesondere die transatlantischen Beziehungen. Wir werden uns dafür einsetzen,
dass diese Beziehungen stärker von gegenseitigem Respekt getragen werden.
Enge deutsch-französische Partnerschaft
Immer wenn Deutschland und Frankreich gemeinsam handelten, konnten die Krisen in Europa überwunden
werden. Wir wollen deshalb dem deutsch-französischen Tandem in der Europapolitikwieder größere Bedeu-
tung zukommen lassen und streben eine enge Zusammenarbeit mit unserenfranzösischen Freund*innen an.
Partnerschaftliche Beziehungen zum Vereinigten Königreich
Der Austritt Großbritanniens und Nordirlands aus der EU ist dramatisch. Der daraus entstehende Schaden ist
aus unserer Sicht noch nicht absehbar. Dennoch müssen wir an einer gemeinsamen Verteidigungspolitik mit
dem Vereinigten Königreich arbeiten. Die Entscheidung der Bevölkerung respektieren wir und wir müssen des-
halb neue Wege suchen, unsere partnerschaftlichen Beziehungen neu und auf hohem Niveau auszuhandeln.
Dies muss aber fair und ohne Sonderzugeständnisse geschehen.
Verantwortung gegenüber Israel
Deutschland hat gegenüber dem jüdischen Volk und Leben eine besondere historische Verantwortung. Die
Existenz und Sicherheit Israels sehen wir als Auftrag unserer Außenpolitik an. Wir streben für den Konflikt mit
Palästina eine friedliche Zweistaaten-Lösung an.
Türkei nicht beitrittsfähig
Derzeit ist die Türkei in vier Kriege verwickelt und konfrontiert gleichzeitig Griechenland, Zypern und die EU mit
militärischen Drohgebärden, u.a. bei der Suche nach Erdgasvorkommen im Mittelmeer. Im Streit um die Ägäis
ist die Türkei laut Regierungsangaben zu einer militärischen Auseinandersetzung bereit. Mit dieser Äußerung
wurde unser NATO-Partner und das EU-Mitglied Griechenland im August 2020 von der Türkei konfrontiert.
Auch erkennt die Türkei das Staatsgebiet des EU-Mitglieds Zypern nicht an. Bereits seit dem 7. Juni 2012 unter-
hält die Türkei eine offizielle Dialogpartnerschaft mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und ist
damit das erste Land mit Dialogpartnerschaft, das gleichzeitig Mitglied der NATO ist. Der Türkei wurde 2017
durch einstimmigen Beschluss der Vorsitz des Energieclubs der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit
übertragen. Diese Berufung eines Nichtmitglieds in eine führende Rolle ist außergewöhnlich und signalisiert
einen hohen Vertrauensvorschuss. Auch eine Vollmitgliedschaft wurde der Türkei bereits in Aussicht gestellt.
Mit dem Kauf des russischen Raketenabwehrsystems S-400 konfrontiert die Türkei darüber hinaus die NATO-
Partner mit einer sicherheitspolitischen Herausforderung und nimmt den hieraus entstehenden Konflikt be-
wusst in Kauf. Unter diesen Voraussetzungen können wir nicht länger über eine EU-Mitgliedschaft verhandeln.
Die Entwicklungen in der Türkei betrachten wir mit großer Sorge. Auch die in Erwägung gezogene Einführung
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der Todesstrafe in diesem Land alarmiert uns. Betroffen von der harten Regierungsart der Türkei sind nicht nur
die Menschen vor Ort, sondern auch ihre Verwandten in Deutschland. Deshalb fordern wir von der Bundesre-
gierung, sich gegen die Weiterzahlung der Vorbeitrittshilfen der Türkei auszusprechen. Nur wenn Demokratie
und Menschenrechte gelebte Werte der türkischen Regierung sind, erst dann können wir wieder über den
Beitritt der Türkei in der EU verhandeln. Wir dürfen uns auch nicht durch eine mögliche Aufkündigung des
EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens erpressen lassen.
Dialog mit Russland fortsetzen
Deutschland muss wieder in einen vernünftigen Dialog mit Russland treten. Die bisherigen Sanktionen haben
nicht den gewünschten Erfolg erzielt und haben darüber hinaus zu einem Reputationsverlust bei den ost-
europäischen Staaten geführt. Auch wirtschaftlich hat Deutschland hierdurch erhebliche Verluste erlitten. Der
regelmäßige Austausch ist uns wichtig, weil wir nur so die Chance haben, Fortschritte zu erzielen. Dabei setzen
wir vor allem auf den NATO-Russland-Rat, um den Ukrainekonflikt friedlich zu lösen. Unsere bestehenden
Verbindungen zu Russland wollen wir pflegen und ausbauen. Insbesondere wollen wir die Kontakte unserer
Verbände, Vereine und Stiftungen zur russischen Zivilgesellschaft nutzen, um dort für unsere unverrückbaren
europäischen Werte zu werben. Russland hat Europa und dem Westen am Ende des Kalten Kriegs die Hand
gereicht und damit dessen Ende eingeläutet. Gerade deshalb sollte auch von Europa ein aktiver Dialog aus-
gehen. Die Stadt Berlin bietet sich als historisch geprägter Verhandlungsort an. Um den dauerhaften Frieden
auf europäischem Boden gewährleisten zu können, ist ein fairer Umgang unablässig. Deutschland hat ein er-
hebliches Interesse an einer stabilen Sicherheitslage auf dem europäischen Kontinent. Durch die jahrelangen
Sanktionen, den Ausschluss aus der G8 und die andauernde scharfe Kritik hat sich Russland wieder sehr weit
vom Westen distanziert und verfolgt seine Interessen nun stärker im Rahmen der Shanghaier Organisation
für Zusammenarbeit. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Beziehungen zu Russland stärker von gegen-
seitigem Respekt getragen werden.
Wachsamer Umgang mit China
China stellt eine starke und wachsende Militär- und Wirtschaftsmacht dar, die bestrebt ist, ihren wirtschaft-
lichen Einfluss weltweit auszubauen. Die chinesische Regierung hat das Ziel, die „Volksbefreiungsarmee“ bis
zum Jahre 2035 zur modernsten und bis zum 100. Geburtstag der Volksrepublik im Jahr 2049 zur schlagkräf-
tigsten Armee weltweit aufzurüsten. An der Umsetzung dieses Programms wird bereits seit Mitte der 1990er-
Jahre intensiv gearbeitet und es wurde auf dem 19. Parteitag im Oktober 2017 beschlossen. Für Deutschland
stellt China einen wichtigen Handelspartner dar. Allerdings muss sich Deutschland davor schützen, durch
massive Investitionen chinesischer (Staats-)Unternehmen wirtschaftlich und dadurch auch politisch beein-
flussbar und erpressbar zu werden. Bereits jetzt haben sich Länder wie Griechenland, Portugal und auch
Italien in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von China begeben, indem sie chinesische Kredite annahmen und
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sich dem chinesischen Jahrhundertprojekt „Neue Seidenstraße“ anschlossen. Durch die wirtschaftliche Ab-
hängigkeit einzelner Staaten wird eine stringente China-Politik seitens der EU und der NATO gefährdet. Eine
Formulierung wie „Wir erkennen, dass Chinas wachsender Einfluss und internationale Politik sowohl Chancen
als auch Herausforderungen darstellen, die wir als Bündnis gemeinsam angehen müssen“ in einem jüngeren
NATO-Positionspapier sehen wir sehr kritisch. Deutschland und Europa dürfen ihre wirtschaftliche Position
und ihre strategischen Sicherheitsinteressen nicht durch die Kapitalisierung von Hochtechnologie gefährden.
Kooperation mit regionalen Bündnissen vertiefen
Wir wollen die Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga intensivieren. Wir brau-
chen gemeinsame Strategien und ein gemeinsames Handeln gegen die Bedrohung der Freiheit durch den
internationalen Terrorismus und im Umgang mit den Folgen instabiler Länder für unsere Sicherheit.
Strategische Rohstoffpartnerschaften vorantreiben
Für die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland und die Sicherung unseres Wohlstands wollen
wir eine engagierte Rohstoffpolitik. Im Interesse aller müssen die Schutzräume erhalten sowie Arktis und Ant-
arktis unantastbar bleiben. Mithilfe von bilateralen Rohstoffabkommen gilt es, langfristig unseren Bedarf zu
sichern. Es geht um den Zugang zu seltenen Erden, Industriemineralien und fossilen Rohstoffen, den wir part-
nerschaftlich mit den entsprechenden Ländern im afrikanischen, asiatischen und südamerikanischen Raum
organisieren wollen. Der künftige weltweite Bezug von Grünem Wasserstoff stellt eine wichtige strategische
Frage für Deutschland dar. Hierbei sind auch die Interessen der bisherigen Lieferanten von fossilen Energie-
trägern zu berücksichtigen.
Krisenregionen stabilisieren
Regimewechsel stürzten viele Länder in den vergangenen Jahren ins Chaos. Deutschland muss mit einer ver-
lässlichen Außenpolitik Vermittler und Ratgeber in solchen Fällen sein und wir werden Maßnahmen unter-
stützen, die zu einer Stabilisierung der betroffenen Länder beitragen. Wir dürfen solche Staaten nicht zwingen,
unser demokratisches System zu kopieren. Sie müssen ihren eigenen Weg im Einklang mit den anerkannten
Menschenrechten finden, um eine tragfähige Staatlichkeit in Freiheit zu entwickeln.
Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen
Wir wollen unsere Welt sicherer machen. Deshalb unterstützen wir alle Maßnahmen, die dazu beitragen, die
Zahl der Massenvernichtungswaffen zu verringern. Besonders wichtig ist uns dabei, die Weitergabe solcher
Waffen an Terrorist*innen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern und die Verbreitung
von Massenvernichtungswaffen zu vermeiden. Nuklearwaffen sind für uns ein globales Sicherheitsrisiko.
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Wir wollen, dass ihre Zahl reduziert wird und vor allem die Zahl der Atommächte nicht weiter zunimmt. Die ein-
seitige Aufkündigung der Atomabkommen mit Iran und Russland durch die USA halten wir deshalb für falsch.
Völkerverständigung durch Städte- und Gemeindepartnerschaften
Wir wollen unsere Erfahrungen aus den Städten und Gemeinden in den Bundestag tragen und den Aus-
bau der Städte- und Gemeindepartnerschaften voranbringen. Völkerverständigung findet schließlich nicht
zwischen Staaten, sondern zwischen deren Bürger*innen statt. Deshalb müssen diese Begegnungen in den
Kommunen stattfinden, dort, wo die Politik den Menschen am nächsten ist. Hier wurde in den letzten Jahren
viel zu wenig getan. Die Mittel müssen aufgestockt werden.
Ausbau der EU-Nachbarschaftspolitik
Wir wollen die EU-Nachbarschaftspolitik mit den an Europa angrenzenden Regionen intensivieren. Hierdurch
wollen wir die Achtung der Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die Entwicklung der Demokratie und
Marktwirtschaft jenseits der EU-Außengrenzen nachhaltig stärken und durch Anreizprogramme unterstützen.
Wir wollen die Chancen nutzen, die Nachbarländer der EU bei ihren inneren Reformen, die zu mehr Demo-
kratie führen, zu unterstützen.
Welthandelsorganisation stärken
Wir wollen nicht länger mit einzelnen Staaten Handelsabkommen abschließen. CETA, TTIP und das Abkommen
über den Handel mit Dienstleistungen waren Beispiele für das Scheitern der Welthandelsorganisation, faire
Regeln für den globalen Handel aufzustellen. Deshalb setzen wir uns für eine Wiederbelebung der Welthan-
delsrunden ein, bei denen die Industrieländer verantwortungsvoller auf die Interessen der ärmeren Länder
dieser Welt eingehen müssen.
ENTWICKLUNGSPOLITIK FÜR EINE FRIEDLICHERE
UND SICHERE WELT
Entwicklungspolitik ist auch Sicherheitspolitik. Hierdurch kann einer Radikalisierung der Menschen der Nähr-
boden entzogen und damit der Hinwendung zu Extremismus und Terrorismus vorgebeugt werden. Jeder
Mensch hat das Recht auf Heimat und muss die Möglichkeit erhalten, dort sicher und friedlich in voller Selbst-
bestimmtheit zu leben. Mit Blick auf die folgenden Zahlen rückt dieses Ziel immer weiter in die Ferne: Nach
Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks nahm die Zahl der Menschen, die 2018 weltweit auf der Flucht waren,
in einem Jahr um fast neun Millionen zu und lag Ende 2019 bei 79,5 Millionen; das entspricht fast einem
Prozent der Weltbevölkerung – Tendenz steigend. Die Fluchtursachen sind vielfältig und keineswegs nur auf
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kriegerische Konflikte beschränkt. Es geht uns allgemein um die Gewährleistung einer nachhaltigen Entwick-
lung, einen verstärkten Klimaschutz, gute Regierungsführung und den Erhalt der Lebensgrundlagen in allen
Regionen dieser Welt. Dieser Herausforderung stellen wir uns.
Entwicklungszusammenarbeit demokratisieren
Wir wollen, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht auf dem Reißbrett der Ministerialbürokratie entworfen
wird, sondern dass der Bundestag in Zusammenarbeit mit den Betroffenen und den Nichtregierungsorganisa-
tionen vor Ort die Schwerpunkte und Leitlinien gestaltet.
Durch faire Beschaffung Fluchtursachen bekämpfen
Wir wollen eine staatliche Fair-Trade-Selbstverpflichtung: Eine faire und nachhaltige Beschaffung durch alle
öffentlichen Stellen ist unser Ziel. Der Staat mit seinen Behörden muss Vorbild sein, wenn es um die Sicher-
stellung fairer Löhne und einer nachhaltigen Herstellung von Waren geht, die er selbst bezieht.
Ausbau des Eine-Welt-Promotor*innen-Programms
Herausforderungen und Fluchtursachen wie Klimawandel, Hunger und Armut erfordern auch bei uns ein
Umdenken und ein entschlossenes Handeln im Alltag. Globale Nachhaltigkeit beginnt bei jedem einzelnen
Menschen vor Ort, in unserer Nachbarschaft und in unseren Kommunen. Unser Verhalten hat Einfluss auf die
Entwicklungen und Geschehnisse hier vor Ort und in anderen Teilen der Welt. Das Bundesentwicklungsmi-
nisterium fördert deshalb gemeinsam mit den Bundesländern sogenannte Eine-Welt-Promotor*innen. Diese
beraten öffentliche Stellen und setzen sich für eine global nachhaltige Entwicklung ein. Wir wollen dieses
Programm weiter ausbauen.
Der Verantwortung als Geberland gerecht werden
UN-Hilfsorganisationen leiden unter einer chronischen Unterfinanzierung, weil die Geberländer wie auch
Deutschland zu wenig Mittel für die vielfältigen Hilfsmissionen zur Flüchtlingsversorgung vor Ort bereitstellen.
Es kommt auch regelmäßig zu Verzögerungen bei den versprochenen Zahlungen. Die teilweise prekäre Lage
in den Flüchtlingscamps in Ländern wie dem Libanon, in Jordanien, Kenia, Uganda und dem Tschad zwangen
deshalb schon viele der dort untergekommenen Geflohenen zur Weiterflucht – auch in Richtung Europa. Die -
ser Umstand ist auch auf das Versagen der EU und ihrer Mitgliedstaaten zurückzuführen. Das Ergebnis sieht
man aktuell in Griechenland und auf den Kanarischen Inseln. Wir stehen deshalb für eine kontinuierliche
Finanzierung durch die EU-Mitgliedstaaten. Ziel muss mehr Planungssicherheit durch einen eigenen UN-Haus-
halt sein. Neben der Versorgung mit Nahrung, Medizin, Unterkunft und Kleidung muss die humanitäre Hilfe
vor Ort auch intensive Bildungsangebote beinhalten. Nur so kann vor allem jungen Menschen eine Perspektive
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geboten werden, entweder in ihre Heimat zurückzukehren oder eine realistische Chance für eine legale Ein-
wanderung und einen erfolgversprechenden Start in einem anderen Land zu erhalten.
Eigener Haushalt für die Hilfsorganisationen der UNO
Wir wollen erreichen, dass die UNO mittelfristig einen eigenen Haushalt für ihre Hilfsorganisationen aufstellen
kann, um dort eine lückenlose Finanzierung sicherzustellen. Bisher müssen die Mittel immer wieder neu von
den Geberländern wie Deutschland eingeworben werden. Die Folgen sind Engpässe bei der Lebensmittel-
und Gesundheitsversorgung, die die Menschen in Flüchtlingscamps dazu zwingen, von dort aus weiter nach
Europa zu fliehen. Ein eigener Haushalt würde diese Fluchtursache abmildern.
0,7 Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Entwicklungspolitik
Wir werden uns dafür einsetzen, dass Deutschland, das international vereinbarte 0,7-Prozent-Ziel schnellst-
möglich erreicht: 0,7 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts müssen in die Entwicklungspolitik fließen. Diese
Gelder sind eine wichtige Investition in unsere Sicherheit, weil sie einer Flucht nach Europa und Radikalisie-
rungen in der Dritten Welt vorbeugen. Dabei wollen wir dafür sorgen, dass die Statistik nicht geschönt wird:
Die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung in Deutschland dürfen hier nicht länger mit eingerechnet werden.
Umgekehrt müssen wir aber auch sicherstellen, dass Gelder der Entwicklungshilfe nicht auf privaten Konten
„versickern“ können.
Textilbündnis voranbringen
Wir wollen erreichen, dass die gesamte deutsche Textilindustrie sich verpflichtet, eine faire Produktion in
Schwellen- und Entwicklungsländern sicherzustellen. Es beteiligen sich aber bisher noch zu wenige Unterneh-
men an dem hierfür geschaffenen Textilbündnis, um diesem Ziel zügig näherzukommen. Wir wollen es daher
durch gezielte Kampagnen und Kommunikationsmaßnahmen bekannter machen.
VERBRAUCHERSICHERHEIT AUF HÖCHSTEM
NIVEAU
Unser Sicherheitsbegriff schließt auch die Gefahrenabwehr im Bereich von Waren und Dienstleistungen ein.
Wir sind stolz auf unser im Grundgesetz verankertes Vorsorgeprinzip, durch das Schäden für unsere Gesund-
heit im Voraus vermieden werden sollen. Damit sollen vorsorglich auf unserem Markt nur die Waren zugelas-
sen werden, von denen nachweislich keine Gefahr ausgeht. Dank der Meisterpflicht in Berufen wie Elektriker
oder Schornsteinfeger leisten unsere Handwerker*innen einen großen Beitrag zur Sicherheit der Menschen.
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Auch für Lebensmittelerzeugnisse und die Lebensmittelverarbeitung ist eine fachliche Qualifikation die Grund-
voraussetzung.
Vorsorgeprinzip wieder ernst nehmen
Wir wollen keine Aufweichung unseres Vorsorgeprinzips. Internationale Abkommen wie das Übereinkommen
der Welthandelsorganisation über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen oder Handelsabkommen der EU
wie CETA (mit Kanada), TTIP (mit den USA) und Mercosur stellen unseren vorsorgenden Ansatz zunehmend
infrage. Die Große Koalition treibt dies weiter voran. Dem stellen wir uns entgegen. Alle Verursacher der Ver-
schmutzung von lebensnotwendigen Ressourcen sind finanziell in die Verantwortung zu nehmen.
Menschenrechtsstandards einhalten
Der Schutz von Arbeitnehmer*innen muss auch bei Importen gewährleistet werden. Die Verbraucher*innen
sollen sich darauf verlassen können, dass das, was in unseren Läden und online für unseren Markt angeboten
wird, unter Beachtung unserer Menschenrechtsstandards erzeugt wird.
Information der Verbraucher*innen
Wir stehen für einen starken europäischen Verbraucherschutz auf hohem Niveau. Dabei setzen wir auf die
mündigen Bürger*innen: Eine staatliche Bevormundung bei Kaufentscheidungen lehnen wir strikt ab. Wir
wollen weniger Bürokratie und stattdessen eine vollumfängliche Information der Verbraucher*innen sowie
eine gezielte Vermittlung von Alltagskompetenzen. Die Arbeit der Verbraucherzentralen muss gestärkt werden.
Die Herkunftskennzeichnung insbesondere auch für tierische Lebensmittel ist noch immer unzureichend, die
Verbraucher*innen werden über die Herkunft von Lebensmitteln im Unklaren gelassen, bewusste Kaufent-
scheidungen werden damit erschwert. Die osteuropäische Pute, in Deutschland lediglich geschlachtet und
verarbeitet, erscheint den Verbraucher*innen oftmals irreführend als heimisches Produkt. Das muss geändert
werden.
Konsum von Zucker, Salz und Transfetten eindämmen
Eine ungesunde Ernährung hat gewaltige Auswirkungen auf die Gesundheit und damit die Finanzierung unse-
res Gesundheitssystems. Deshalb fordern wir detaillierte und lesbare Kennzeichnungen und Deklarationen
von Nahrungsmitteln. Wir sehen die Nahrungsmittelindustrie in der Pflicht, den Anteil von Zucker, Salz und
Transfetten zu reduzieren. Wir fördern und fordern zusätzlich eine flächendeckende Ernährungsberatung, von
den Arztpraxen bis hin zu allen Beteiligten im Gesundheitswesen, die bereits in den Kindergärten und Schulen
beginnt.
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Vorratsdatenspeicherung
Aus sicherheitspolitischen Gründen ist eine Speicherung von persönlichen Daten nicht vollständig vermeidbar.
Für die Gefahrenabwehr, insbesondere jedoch für Ermittlungen jeglicher Art brauchen die Strafverfolgungs-
behörden einen umfassenden Zugriff auf die erforderlichen Daten. Ein Vollzugriff sollte nur in begründeten
Einzelfällen und nur in engen rechtlichen Grenzen stattfinden. Abfragen zu gespeicherten Daten sollten ledig-
lich im „Treffer/Kein Treffer“-Verfahren erfolgen, eventuelle Freigaben dieser Informationen müssen geneh-
migt werden. Einen generellen Zugriff auf sämtliche erfassten und protokollierten personenbezogenen Daten
lehnen wir ab, weil dies in die persönliche Freiheit und Unversehrtheit jedes einzelnen Menschen erheblich
eingreift.
Kampf gegen Antibiotikaresistenzen
Allein in Deutschland sterben jährlich ca. 25.000 Menschen an den Folgen einer Infektion durch resistente
Keime. Durch den ungezielten und übermäßigen Gebrauch von Antibiotika in der Human- und Veterinärme-
dizin entstehen viele Resistenzen. Wir wollen eine umfangreiche Aufklärungskampagne durchführen, um die
Bevölkerung, die Ärzt*innen, Tierärzt*innen und Landwirt*innen für dieses Thema zu sensibilisieren und auf
alternative Behandlungsmöglichkeiten hinzuweisen. Reserveantibiotika sind ausschließlich für den humanme-
dizinischen Gebrauch gedacht. Wir fordern eine Weiterführung der Deutschen-Antibiotika-Resistenz-Strategie
„DART2020“. Diese Initiative erarbeitet in allen Bereichen, wie Ernährung, Medizin, Forschung und Umwelt,
international abgestimmt Strategien für einen minimalen, aber effektiven Einsatz von Antibiotika. Wir brau-
chen mehr Forschungsanstrengungen, um weitere Umweltschäden, Schäden in der Landwirtschaft und Me-
dizin zu verhindern. Eine vermehrte Zulassung neuer alternativer Präparate sowie deren Kostenübernahme im
Gesundheitswesen sind ebenfalls erforderlich.
Künstliche Intelligenz – Risiken erkennen und Chancen nutzen
Industrie 4.0 ist eines der zentralen Themen der kommenden Jahrzehnte. Deutschland ist ein rohstoffarmes
Land und hat sich als Hochtechnologiestandort weltweit einen Namen gemacht. Es steht sowohl wirtschaft-
lich als auch ökologisch vor gewaltigen Herausforderungen. Um diese führende Marktposition nicht zu ver-
lieren, dürfen wir uns der technologischen Entwicklung nicht verschließen. Wir befürworten den Einsatz von
künstlicher Intelligenz. Bei allen positiven Aspekten darf man die Risiken nicht außer Acht lassen. Es bedarf
ethisch- verantwortungsvoller, sicherheitstechnischer und datenschutzrechtlicher Rahmensetzungen. Künst-
liche Intelligenz soll immer nur der Unterstützung der Menschen dienen und darf niemals in die Lage versetzt
werden, die Kontrolle über sicherheitssensible Systeme zu übernehmen.
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Atomausstieg für unsere Sicherheit
Wir stehen für den endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie und die Wende hin zu erneuerbaren Energien.
Tschernobyl und Fukushima haben uns vor Augen geführt, welche Gefahr von Kernkraftwerken ausgehen kann.
Störfälle durch Computerviren, Terroranschläge oder unvorhergesehene Materialschwäche können fatale Fol-
gen für unsere Heimat haben. Uns bereiten auch die Störfälle grenznaher Kernkraftwerke im Ausland große
Sorgen, wie etwa Cattenom in Frankreich oder Tihange in Belgien. Wir wollen hier auf internationaler Ebene
mehr Sicherheit für unsere Bürger*innen erreichen.
Kein Endlager, sondern Rückholbarkeit des Atommülls
Die Rückholbarkeit des Atommülls muss gewährleistet sein. Wir wollen deshalb, dass das hochgefährliche
Material auch in der Zukunft unter Kontrolle bleibt und zu jedem Zeitpunkt sicher erreicht werden kann.

EHRLICHKEIT
UND FLEISS
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EHRLICHKEIT UND FLEISS
Deutschland ist eine der größten Wirtschaftsmächte der Welt. Grund dafür sind die vielen Millionen Bür-
ger*innen, die durch Leistung, Einsatz und Innovationsfreude unseren Wohlstand erwirtschaften. Unterneh-
mer*innen mit Verantwortung auf der einen, Arbeitnehmer*innen mit klugen Köpfen auf der anderen Seite
sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Wir FREIE WÄHLER wollen uns dafür starkmachen, dass dies nicht aus
den Fugen gerät. Deshalb wollen wir die hart arbeitende Mittelschicht massiv entlasten. Wir brauchen neue
Anreize, damit sich Leistung wieder lohnt. Die für unser Wirtschaftsleben unverzichtbare Infrastruktur – von
den Breitbandnetzen über die Schiene und Straße bis hin zu den Gewässern – benötigt zudem dringend In-
vestitionen. Wir fordern deshalb z.B. einen bundesweiten Straßenrettungsschirm.
ARBEIT MUSS SICH WIEDER LOHNEN
Wer Vollzeit arbeitet, muss genug verdienen, um ohne staatliche Hilfen leben zu können. Eine faire Entlohnung
sorgt für die notwendigen Leistungsanreize. Der Mindestlohn ist vor diesem Hintergrund eine gute und wich-
tige Entwicklung. Doch die damit verbundene Bürokratie ist gerade für den Mittelstand überbordend. Für den
Erhalt von Wohlstand und Arbeitsplätzen in Deutschland treten wir für eine Beschäftigungspolitik ein, die am
Standort Deutschland eine Wertschöpfung auf hohem Niveau gewährleistet.
Die (regionale) Wertschöpfung in Deutschland muss wieder fair verteilt werden. Arbeit muss sich nicht nur
wieder lohnen, sondern sie muss auch dazu dienen, dass man heute und in Zukunft gut davon leben kann.
Deutschland ist vom „kranken Mann“ Europas zu einem Land geworden, dass eine hohe Wertschöpfung vor-
zuweisen hat. Die immer stärkere Entwicklung hin zu einem Billiglohnland sehen wir mit Besorgnis, da diese
zu weiteren sozialen Spannungen führt. Immer mehr Menschen werden durch diese Entwicklung abgehängt.
Dies gefährdet auf lange Sicht den sozialen Frieden in unserem Land. Hier gilt es, gegenzusteuern und die
Verteilung der Wertschöpfung zwischen Unternehmen und Beschäftigten gerechter zu gestalten. Wir stehen
Arbeitnehmervertreter*innen als legitime Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen grundsätzlich positiv
gegenüber und begrüßen ihre stärkere Einbindung.
Erhalt der Tarifautonomie
Tarifverträge sind geeignet, auf die spezifischen Bedürfnisse der Branchen und der Regionen einzugehen. Die
Allgemeinverbindlichkeitserklärung tariflicher Mindestlöhne, die über dem gesetzlichen Mindestlohn liegen,
muss deshalb weiter gefördert werden.
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Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen ist nach wie vor groß. Im europäischen Vergleich sind wir
Schlusslicht und die Große Koalition hat hier zu wenig getan. Das neue Entgeltgleichheitsgesetz ist ein fauler
Kompromiss, der für die meisten Frauen keine Verbesserung herbeiführen wird. Das wollen wir ändern.
Eingrenzung der Leiharbeit
Leiharbeit darf nur für die Abdeckung von Auftragsspitzen eingesetzt werden. Damit steht Unternehmen ein
Instrument zur Verfügung, um flexibel reagieren zu können. Dieses Modell darf nicht ausufern und zur un-
sozialen Kostensenkung oder Verdrängung der Stammbelegschaften missbraucht werden. Wir wollen deshalb,
dass die Arbeit der Leiharbeiter*innen von Beginn an gleich bezahlt werden muss wie die vergleichbare Arbeit
der Stammbelegschaft. Dadurch wird die Arbeit von Leiharbeiter*innen für das Unternehmen teurer und dient
somit als Ausnahme. Ebenfalls müssen sachgrundlose Kettenverträge mit der zweiten Verlängerung verpflich-
tend und automatisch in einen festen Arbeitsvertrag umgewandelt werden.
Arbeitsplätze für Hochqualifizierte schaffen und sichern
Der Innovationsstandort Deutschland bietet beste Voraussetzungen für die Schaffung und Sicherung von
Arbeitsplätzen für Hochqualifizierte. Dies ist die Bedingung für unseren Wohlstand und die Zukunft unseres
Landes. Wir stehen deshalb für eine Politik, die den Standort Deutschland für in- wie ausländische Unter-
nehmen attraktiv hält und durch gute Bildung die klugen Köpfe von morgen hervorbringt. Das Abitur wird
mittlerweile vielfach als „Mindestabschluss“ einer schulischen Qualifikation angesehen. Daraus resultiert bei
Jugendlichen der Trugschluss, dass nur das Abitur optimal auf eine erfolgreiche Berufstätigkeit vorbereitet.
Des Weiteren wird das Bild vermittelt, dass Akademiker*innen mehr verdienen als Nichtakademiker*innen,
dass das Arbeitslosigkeitsrisiko geringer ist und dass Menschen mit Hochschulabschluss schlicht die besseren
Jobs haben. Dieses Bild wollen wir ändern. Zu Beginn der Corona-Pandemie Anfang April 2020 fehlten dop-
pelt so viele Facharbeiter*innen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik
(MINT) wie MINT-Akademiker*innen. Die Momentaufnahme darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der
Fachkräftemangel ein ernstes Problem darstellt. Um die Herausforderungen, wie den Klimawandel oder den
Strukturwandel der Industrie, bewältigen zu können, sind gerade MINT-Qualifikationen gefragt.
Scheinselbstständigkeit bekämpfen
Scheinselbstständigkeit ist unsolidarisch und muss bekämpft werden. Sozialversicherungsbeiträge zu umge-
hen bedeutet, unsere sozialen Sicherungssysteme zu schwächen und die Scheinselbstständigen einem Alters-
armutsrisiko auszusetzen. Wir wollen deshalb klare gesetzliche Regelungen und auch eine strengere und flä-
chendeckendere Überprüfung. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass echte Selbstständige und deren
Auftraggeber*innen durch neue Regelungen nicht verunsichert und mit ins Fadenkreuz genommen werden.
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Faire Entlohnung bei Praktika
Auf dem Weg ins berufliche Leben sind viele Jugendliche auf die Absolvierung von Praktika angewiesen. Wich-
tig ist für uns, dass Praktikant*innen nicht ausgenutzt werden, sondern eine faire verpflichtende Bezahlung für
ihre Arbeit erhalten. Eine Generation „Praktikum“ darf es nicht mehr geben.
Ehrliche Arbeitslosenstatistik
Bei den regelmäßigen Erhebungen der Arbeitslosen wird viel getrickst. Ältere Bezieher*innen, Ein-Euro-Job-
ber*innen, Arbeitslose in Weiterbildungsmaßnahmen, kranke Arbeitslose und viele mehr werden nicht in die
Statistik aufgenommen. Der Öffentlichkeit wird bei dieser Falschdarstellung kein Dienst erwiesen. Es geht viel-
mehr das Vertrauen der Bevölkerung verloren. Wir wollen das ändern und wieder zu einer ungeschönten
Arbeitslosenstatistik zurückkehren.
UNTERNEHMERTUM UND VERANTWORTUNG
Politik und Wirtschaft tragen Verantwortung für die Gesellschaft. Die Politik muss die Rahmenbedingungen für
ein funktionierendes Wirtschaften schaffen, damit sich die Unternehmen möglichst frei entfalten können. Die
Unternehmen müssen sich aber auch so verhalten, dass die Menschen vom erwirtschafteten Wohlstand pro-
fitieren. Diese Ausgewogenheit im Sinne der sozialen Marktwirtschaft ist das Ziel unserer Wirtschaftspolitik.
Verantwortliches Unternehmertum fördern
Ein starkes Unternehmertum braucht ein starkes Umfeld. Die Wirtschaft blüht dort, wo sie die besten Rah-
menbedingungen vorfindet. Allerdings sehen wir, dass Defizite in diesem Bereich oft nicht beseitigt und häufig
noch zusätzliche Hürden aufgebaut werden. Wir wollen durch pragmatische Vorschläge unsere Unternehmen
stärken, um uns erfolgreich im internationalen Wettbewerb behaupten zu können.
Chancengleichheit schaffen
Ländliche Gebiete und Ballungsräume müssen sich gleichermaßen entwickeln können, denn eine positive
wirtschaftliche Entwicklung in der Region entlastet auch die boomenden Zentren. Dadurch steigt die Attraktivi-
tät aller Regionen und damit auch des gesamten Standorts Deutschland.
Wertebasierte Freihandelsabkommen
Wir stehen im internationalen Handel vor großen Herausforderungen. Wir wollen alles daransetzen, dass
Europa im internationalen Handel seine bisherige Stärke behauptet und Freihandelsabkommen im Sinne der
Bürger*innen abschließt. Wir wollen eine wertebasierte Handelspolitik, die hohe Standards und die Verpflich-
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tungen aus dem Pariser Klimaabkommen zur Basis des internationalen Handels macht. Teil der wertebasierten
Handelspolitik der EU muss die Abkehr von Schiedsgerichten auch in bereits existierenden internationalen
Handelsabkommen sein. Stattdessen setzen wir uns dafür ein, einen allgemein akzeptierten multilateralen
Handelsgerichtshof zu etablieren, der auf rechtsstaatlichen Prinzipien beruht.
Öffentliche Daseinsvorsorge aus Handelsabkommen herausnehmen
Wir werden uns auch weiterhin dafür starkmachen, dass öffentliche Dienstleistungen wie die Trinkwasserver-
sorgung oder Abwasserbeseitigung nicht durch Brüssel und den internationalen Handel unter Privatisierungs-
druck geraten. Wir setzen uns weiterhin für unangreifbare Ausnahmen für solche sensiblen Bereiche bei der
Vereinbarung neuer Handelsregeln ein und machen uns dafür stark, dass unsere Städte und Gemeinden auch
künftig die volle Gestaltungs- und Organisationshoheit bei der Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen
haben.
Nachhaltiges Wirtschaften
Wir stehen für eine nachhaltige Wirtschaft mit dem Ziel, ein erfolgreiches, verantwortliches, soziales und
umweltverträgliches Wirtschaftssystem aufzubauen. Die aktuelle Entwicklung der weltweiten Wirtschaft wird
aufgrund der Ungerechtigkeit soziale Unruhen schaffen. Sie erzeugt schon heute immense Umweltschäden,
für deren Kosten häufig die Allgemeinheit statt der Verursacher aufkommen. Sozialunternehmen, die vielfältig
Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen, sollen deshalb gesondert und besonders gefördert werden.
Eigentum verpflichtet
Wir stehen zum Eigentum und zur Eigentumsverantwortung. Die Wirtschaft kann sich nur entfalten, wenn sie
einen möglichst freien Handlungsrahmen vorfindet. Die Verwaltung soll nur eingreifen, wenn Fehlentwicklun-
gen offenkundig werden. Seit jeher stehen verantwortlich handelnde Unternehmer*innen und Unternehmen
für ein nachhaltiges Wachstum und gesellschaftliche Stabilität.
Mittelstand und Handwerk fördern
Gerade kleinere Unternehmen und das Handwerk haben andere Ansprüche an die Wirtschaftspolitik als
global handelnde Konzerne. Sie sind häufig inhaber- oder familiengeführt und stehen deshalb für eine ge-
sellschaftliche Verankerung und Verantwortung. Sie benötigen spezielle Voraussetzungen im Wettbewerb mit
Großkonzernen und sind einem großen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt. Zugang zu Wissen, Fachkräften
und Kapital sind Grundbedingungen für ihren Erfolg, den wir gewährleisten wollen.
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Traditionelles Handwerk erhalten
Die traditionellen Handwerksberufe klagen über einen riesigen Fachkräftemangel. Zusätzlich können diese
meist familiengeführten Unternehmen keine Ausbildungslöhne wie in der Industrie zahlen. Wir wollen daher
in den zulassungspflichtigen Handwerksberufen bei einer Betriebsgröße von unter 50 Vollzeitbeschäftigten
einen Zuschuss auf das Ausbildungsgehalt für Azubis in Höhe von 250 Euro im Monat.
Keine Gesetze zum Schaden des Mittelstands
Wir werden uns besonders dafür einsetzen, dass Gesetze und Verordnungen verhindert werden, die den
Mittelstand benachteiligen. Wir brauchen keine weiteren Auflagen und Vorschriften, sondern Entlastung.
Umfassender Bürokratieabbau
Wir wollen unnötige Statistik-, Aufzeichnungs-, Dokumentations- und Meldepflichten reduzieren. Die Vorfällig-
keit der Sozialversicherungsbeiträge muss abgeschafft werden. Da kleine und mittelständische Unternehmen
nicht über die Verwaltung und das Know-how von großen Unternehmen verfügen, sind viele jetzige Regelun-
gen für diese Unternehmen praxisuntauglich und führen zu Wettbewerbsnachteilen.
Mindestlohn-Bürokratie beenden
Wir wollen der im Schnellverfahren aufgebauten Mindestlohn-Bürokratie Einhalt gebieten. Es gilt, die Do-
kumentationspflichten zur Kontrolle des Mindestlohns zurückzufahren. Mithelfende Familienangehörige gilt
es zudem, generell vom Mindestlohn auszunehmen. Wir unterstützen die Erhöhung des Mindestlohns und
die damit einhergehende Erhöhung der steuerlichen Freigrenzen. Eine Überprüfung und die Anpassung des
Mindestlohns an die Lebenshaltungskosten der Bevölkerung durch die Mindestlohnkommission haben jähr-
lich zu erfolgen.
Erhalt der Meisterpflicht
Eine höchstmögliche Bildung ist für unsere Kinder die beste Startchance ins Leben, aber auch eine lebenslange
Aufgabe für jede*n. Neben schulischer Bildung sind eine berufliche und akademische Aus- und Weiterbildung
in Zeiten des Fachkräftemangels in vielen Branchen wichtiger denn je. Wir stehen zum Erhalt regulierter Berufe
und zum damit eng verbundenen dualen Ausbildungssystem. Der Meisterbrief steht für höchste Qualität und
ist ein Gütesiegel deutscher Handwerkskunst. Deswegen wollen wir mit Bildungsgutscheinen für die Meister-
ausbildung dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Die Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Gewer-
ken ist ein großer Erfolg. Wir werden nicht zulassen, dass die EU dieses bewährte System antastet.
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Freie Berufe fördern
Freiberufler*innen erbringen aufgrund ihrer hohen Qualifikation ihre Leistung persönlich, eigenverantwort-
lich und fachlich unabhängig. Zu ihrem Kernprofil gehören ihre Professionalität, die Verpflichtung gegenüber
dem Gemeinwohl sowie eine strenge Selbstkontrolle und Eigenverantwortlichkeit. Deswegen stehen wir zum
qualifikationsgebundenen Berufszugang, zur Gewährleistung der bestehenden Kosten- und Honorarverord-
nungen sowie zur Sicherung mittelstandsfreundlicher Vergabeverfahren für Architekt*innen und Ingenieur*in-
nen.
Tourismus und Gastronomie stärken
Diese beiden Wirtschaftszweige haben eine besondere Bedeutung für die Gesellschaft, denn diese Branchen
sind weitgehend mittelständisch geprägt. Gastronomie und Tourismus beleben auch den Einzelhandel. Sie
sind besonders schwer von den Infektionsschutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie getroffen. Wir
wollen deshalb mehr Investitionen in den Tourismus tätigen und die gastronomischen Betriebe durch steuer-
liche Anreize und/oder regionale Wirtschaftsförderung unterstützen. Diese Branchen haben in der Krise einen
besonderen Beitrag geleistet und verdienen gesamtgesellschaftliche Solidarität. Die Gastronomie und der
Einzelhandel brauchen eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen und Getränke.
Förderung der öffentlichen Tourismusinfrastruktur
Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass der Tourismus in allen Regionen Deutschlands qualitativ hoch-
wertige Angebote bereithalten kann. Eine gute Infrastruktur von Verkehrsanbindungen bis hin zu barrierefrei-
en Freizeitangeboten ist ein wichtiges Ziel, das wir verfolgen.
Erhalt der Genossenschaftsbanken und Sparkassen
Wir setzen uns für den Erhalt unseres bewährten deutschen Drei-Säulen-Banken-Modells ein. Gerade in Zei-
ten der Krise hat sich unsere Bankenstruktur für Sparer*innen, Anleger*innen und die mittelständische Wirt-
schaft bewährt. Den wiederholten Versuchen der EU, die Struktur unserer Sparkassen und Genossenschafts-
banken infrage zu stellen, erteilen wir eine klare Absage. Sparkassen und Genossenschaftsbanken dürfen
nicht für dubiose Machenschaften von Großbanken in Haftung genommen werden.
Neustrukturierung von Aufsichtsbehörden im Finanzwesen
Finanzmarktaufsichtsbehörden, wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungssaufsicht, müssen mehr Per-
sonal und mehr Kompetenzen bekommen, sodass frühzeitig Betrugsversuche, die weitreichende Folgen für
das Finanzsystem und damit auch die Gesellschaft in Deutschland haben, erkannt und verhindert werden
können.
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Sicherung der Kreditversorgung für den Mittelstand
Kleinere und mittlere Unternehmen brauchen eine verlässliche Finanzierung, um investieren zu können und
wirtschaftlichen Erfolg zu haben. Deshalb wollen wir die für den Mittelstand so wichtigen regional tätigen
Sparkassen und Genossenschaftsbanken vor einer überbordenden Bankenregulierung schützen. Auch hinter-
fragen wir europäische Anreizprogramme, die für Krisenländer gut sein mögen, aber unserer Kreditversorgung
hierzulande abträglich sind.
Bleiberecht für Flüchtlinge in Ausbildung
Wir wollen Planungssicherheit für die Wirtschaft und fordern, dass integrations- und leistungswillige Flücht-
linge ihre Ausbildung beenden und eine zweijährige Praxiszeit absolvieren können, ehe ihr Aufenthaltsstatus
neu bewertet wird. Eine Ausbildung ist die beste Entwicklungshilfe.
Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt
Wir wollen dem Fachkräftemangel begegnen, indem wir möglichst umfassend die zu uns kommenden Flücht-
linge in den Arbeitsmarkt integrieren. Hierfür sind neben intensiven Deutschkursen maßgeschneiderte Aus-
und Weiterbildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit notwendig, die in enger Abstimmung mit den
Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern und den Unternehmen entwickelt werden müs-
sen.
Für ein Einwanderungsgesetz
Die unkontrollierte Zuwanderung nach Deutschland im Zuge der Flüchtlingskrise, aber auch der enorme Fach-
kräftemangel in mehreren Branchen machen deutlich, dass wir klare Regeln für die Einwanderung brauchen.
Wir wollen deshalb in der kommenden Wahlperiode ein Einwanderungsgesetz nach kanadischem Vorbild
verabschieden. Qualifizierte Arbeitsmigration ist für uns ein Gewinn, wenn sie richtig gestaltet wird. Unsere
Wirtschaft braucht dringend Arbeitskräfte aus dem Ausland. Viele von ihnen sind gut ausgebildet und inte-
grationswillig. Langzeitarbeitslose und Migrant*innen der zweiten und dritten Generation gilt es aber auch,
besser nachzuqualifizieren.
Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung
Wissen ist für den Erfolg in allen Branchen wesentlich. Wir wollen beste Rahmenbedingungen schaffen, um
die klugen Köpfe von morgen zu fördern, die wir in unserer zukünftigen Wissensökonomie benötigen. Außer-
dem müssen wir enorme Anstrengungen unternehmen, um in den Feldern der Spitzentechnologie Rückstände
aufzuholen oder die Marktführerschaft zu verteidigen. Forschung und Entwicklung muss ein großer Stellen-
wert eingeräumt werden.
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Digitalisierung der Wirtschaft
Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Diese müssen
bei der Digitalisierung der Wirtschaft mitgenommen werden, was viel zu wenig stattfindet. Wir wollen deshalb
einen Sonderfonds für Beratungsleistungen einrichten.
Start-up-Förderung
Wir wollen Deutschland zum Start-up-Land machen. Ein breitflächiges Unternehmertum schafft Arbeitsplätze
und Wohlstand. Die Bedingungen für Start-ups sind in Deutschland nicht besonders gut. Viel Bürokratie und
die fehlende Sicherheit, mit der eigenen Geschäftsidee langfristig Fuß zu fassen, stellen ein Problem dar. Dem
wollen wir uns durch eine neue Start-up-Förderinitiative annehmen. Insbesondere gilt es dabei, junge Sozial-
unternehmen zu fördern, da sie gleichzeitig marktwirtschaftliche wie auch soziale Ziele verfolgen und so einen
Mehrwert für alle schaffen.
Abwanderung von Spitzentechnologie verhindern
Wir wollen, dass Investitionen aus Nicht-EU-Staaten in nationale und europäische Unternehmen künftig einer
stärkeren Kontrolle unterliegen. Industriepolitisch motivierte Übernahmen müssen künftig verhindert werden
können, wenn eine Abwanderung unseres Know-hows die Folge ist.
Verpflichtende Betriebspraktika
Wir wollen die Voraussetzungen schaffen, dass deutschlandweit an allen weiterführenden Schulen Betriebs-
praktika in Abstimmung mit den Unternehmen zum Standard werden. Der Mittelstand kann damit auch früh-
zeitig für sich als Arbeitgeber werben und sich möglicherweise hochqualifiziertes Personal für die Zukunft
sichern.
UNSERE LANDWIRTSCHAFT FÖRDERN
Wir halten eine eigentumsorientierte, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft sowie eine Teichwirtschaft und
eine an Grund und Boden gebundene Jagd für die Grundvoraussetzungen für einen lebensfähigen und le-
benswerten ländlichen Raum, der eine Heimat für alle bietet. Alle Bereiche stellen nicht nur die Versorgung
der Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln sicher, sondern erfüllen außerdem unersetzbare wirt-
schaftliche, soziale und umweltbezogene Aufgaben. Gerade die Landwirtschaft zählt zu den tragenden Säu-
len der erneuerbaren Energien und bietet bis hin zum Tourismus auch eine Vielzahl von Arbeitsplätzen. Die
heimische Landwirtschaft braucht eine bessere Rückendeckung der Politik. Die hohen heimischen Standards
dürfen nicht durch Billigimporte unterlaufen werden, wodurch unsere Bauernhöfe die Wettbewerbsfähigkeit
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verlieren und die Verbraucher*innen mindere Qualität kaufen. Wir sprechen uns für ein agro-gentechnikfreies
Deutschland und Europa aus, da die Risiken weder ausreichend erforscht noch abschätzbar sind. Die Verbrau-
cher*innen sind mehrheitlich gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel. Wir wollen den Bürgerwillen auch
in diesem Bereich ernst nehmen und keine Kompromisse mit Gentechnikkonzernen eingehen. Wir stehen für
Planungssicherheit und somit für eine gesicherte Zukunft für die bäuerliche Landwirtschaft.
Vielfalt erhalten – regionale Strukturen stärken
Patente auf Tiere und Pflanzen lehnen wir ebenso ab wie eine gesetzliche Verpflichtung zur ausschließlichen
Verwendung patentierten Saatguts. Das Bauernhofsterben geht weiter, die Anzahl der Betriebe mit industriel-
len Strukturen steigt. Wir wollen die Vielfalt der Landwirtschaft und bestehende Kulturlandschaften erhalten
und treten für eine Förderung des ländlichen Raums ein. Außerdem wollen wir familiäre und regionale Struk-
turen erhalten, stärken und ausbauen. Regionale Spezialitäten, besondere Bewirtschaftungsweisen und eine
regionale Verarbeitung sind auch ein Stück gelebte Kultur, die es weiterhin zu fördern gilt. Der Paragraf 13a des
Einkommensteuergesetzes mit der Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnitts-
sätzen muss für den Fortbestand der bäuerlichen Strukturen erhalten bleiben.
Vorsorgeprinzip sichern
Wir wollen auch weiterhin gewährleisten, dass risikobehaftete Produkte, wie hormonbehandeltes Rindfleisch,
von unserem Markt fernbleiben. Gefahren müssen erst vollständig ausgeschlossen werden können, ehe Nah-
rungsmittel auf unseren Markt kommen dürfen.
Agro-gentechnikfreies Deutschland und Europa
Solange die Risiken der Gentechnik sowie die Risiken des Einsatzes von Glyphosat nicht ausgeschlossen wer-
den können, werden wir uns gegen den Einsatz in der Landwirtschaft stellen. Dazu gehört auch das Klonen von
Tieren. Gleichwohl halten wir es für wichtig, auf diesem Gebiet weiter zu forschen. Wir brauchen Innovationen,
um Lebensmittelknappheit bei einer rasant steigenden Weltbevölkerung zu verhindern. Ein Wandel landwirt-
schaftlicher Prozesse ist hierfür notwendig. Deswegen unterstützen wir Projekte zur Reduktion von Glyphosat
und anderen Pestiziden.
Konventionelle Forschung stärken
Wir sehen einen großen Bedarf, konventionelle Züchtungsmethoden wieder stärker in den Fokus der For-
schung zu nehmen, etwa im Bereich der Öl- und Proteinpflanzen. Auch muss der Wissenstransfer von der
Forschung in die landwirtschaftliche Praxis schneller und zielgerichteter erfolgen. Über ein europäisches Netz-
werk der staatlichen Agrarforschungseinrichtungen der Mitgliedstaaten können wir einen Hebel ansetzen, um
gemeinsam zu neuen Erkenntnissen zu kommen und diese schneller zugänglich zu machen.
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Tiergerechte Haltung
Eine Weiterentwicklung der Tierhaltungsbedingungen wird von uns nachdrücklich unterstützt. Allerdings darf
dies nicht zu einer weiteren Benachteiligung bäuerlich geführter Betriebe gegenüber großen, gewerblich struk-
turierten Anlagen führen. Eine Verbesserung der Haltungsbedingungen und der wirtschaftliche Erfolg bäuer-
licher Strukturen dürfen sich nicht gegenseitig ausschließen. Eine spezielle Begleitung durch Wissenschaft und
Fördersysteme muss auch kleineren tierhaltenden Betrieben, insbesondere in naturräumlich benachteiligten
Regionen, Perspektiven eröffnen.
Energieproduktion erhalten
Die Balance zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion auf landwirtschaftlichen Flächen muss wei-
terhin gewährleistet sein. Heimischem Biosprit darf durch Besteuerung nicht die Wettbewerbsfähigkeit ge-
nommen werden. Eine Überförderung einzelner Produktionsbereiche lehnen wir ab. Die Forschung und
Entwicklung im Bereich der Verwertung von Reststoffen, der Effizienzsteigerung der bestehenden Anlagen
und der Energiespeichermöglichkeiten wollen wir vorantreiben. Die Vereinbarkeit von Landwirtschaft und
Energieerzeugung auf einer Fläche darf nicht an den Fördermechanismen der Landwirtschaft sowie der Ener-
gieerzeugung scheitern. Beide Fördermechanismen müssen insoweit angepasst werden, dass der effiziente
Umgang mit den Flächen bzw. die Vermeidung von Flächennutzungskonflikten positiv in die Bemessung einer
Förderung einfließt. Die Förderung erachten wir in diesen Fällen als gerechtfertigt, da durch den zusätzlichen
Aufwand für die Vereinbarkeit wirtschaftliche Nachteile bestehen, sich dadurch jedoch Konflikte auflösen las-
sen. Neue Potenziale können für die Energieerzeugung und die Landwirtschaft erschlossen werden.
Land- und forstwirtschaftliche Flächen schützen
Pro Tag gehen in Deutschland bis zu 100 Hektar landwirtschaftliche Anbaufläche verloren (davon 56 Hektar
für Siedlung und Verkehr). Land- und forstwirtschaftliche Flächen sind ein kostbares und knappes Gut. Aus
diesem Grund lehnen wir politische Vorgaben zur Stilllegung von land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen
ab. Als Ersatz für durch Baumaßnahmen versiegelte landwirtschaftliche Nutzfläche wird als ökologische Aus-
gleichsmaßnahme weitere Nutzfläche aus der Bewirtschaftung genommen. Der Umgang mit Ausgleichsmaß-
nahmen muss in diesem Bereich nutzungsintegrierte Projekte bevorzugen, die keinen kompletten Ausfall der
land- und forstwirtschaftlichen Produktion zur Folge haben. Der sorgsame Umgang mit der wertvollen Res-
source „Boden“ soll zur Grundlage der Planung bei Siedlungs- und Infrastrukturmaßnahmen werden.
Bauernland in Bauernhand – Spekulationen eindämmen
Der Rückgang landwirtschaftlicher Nutzflächen hat die Konkurrenz um den knappen Boden in Deutschland
erhöht. Die bäuerlichen Familienbetriebe geraten damit immer stärker unter Druck. Wir sprechen uns gegen
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weitere Spekulationen mit Grund und Boden mit außerlandwirtschaftlichem Kapital aus. Bestehenden Be-
trieben aus der Region ist Vorrang einzuräumen.
Landwirtschaft bei Freihandelsabkommen schützen
Unsere Landwirtschaft darf nicht der Verlierer von EU-Handelsabkommen wie CETA, TTIP und Mercosur wer-
den. Aufgrund unserer hohen Standards ist sie in vielen Bereichen, wie etwa der Fleischproduktion, anderen
Ländern im Preiswettbewerb unterlegen. Ihre Existenz darf dadurch nicht bedroht werden. Importe müssen
unsere Standards einhalten. Freihandel darf nicht zulasten des Klimaschutzes und der Biodiversität gehen.
Dem massiven Abbau von Regenwald, speziell in Südamerika, muss entschieden entgegengetreten werden.
Deswegen setzen wir uns für heimische Rohstoff-Alternativen ein und fordern u.a. eine Eiweißstrategie. Für
Palmöl, Grillkohle und Soja usw. dürfen unsere Urwälder nicht weiter zerstört werden.
Neue Märkte für die Landwirtschaft erschließen
Der internationale Handel kann auch neue Chancen für unsere Landwirtschaft bieten. Mit qualitativ hoch-
wertigen Produkten wie Bier, Wein, Käse oder Spirituosen lassen sich international gute Preise erzielen. Dies
wollen wir weiterhin fördern, ohne die Märkte in den Entwicklungsländern zu gefährden.
Stärkung und Absicherung von landwirtschaftlichen Märkten
In den letzten zwei Jahren hat die Volatilität der Märkte in wesentlichen Sektoren wie Milchprodukten, Schwei-
nefleisch, Rindfleisch sowie Obst und Gemüse weiter zugenommen. Umso wichtiger ist es, diese Märkte abzu-
sichern und insbesondere die Rolle der Landwirt*innen in der Wertschöpfungskette zu stärken. Dazu gehören
u.a. ein effektives Risikomanagement zur Kompensation von großen Ertragsausfällen, die Beseitigung von un-
fairen Handelspraktiken und ein Anrecht auf Mindestregularien bei der Vertragsgestaltung. Die Marktmacht
von Handelsketten gegenüber den Erzeuger*innen ist zu groß. Hier muss die Politik durch ein starkes Kartell-
recht gegensteuern. Neben der Bereitstellung von Sicherheitsnetzen, wie den EU-Hilfspaketen im Milchsektor,
gilt es aber auch, die Eigenverantwortung von Landwirt*innen zu fördern. In diesem Zusammenhang fordern
wir eine erhöhte Markttransparenz sowie eine Stärkung von Erzeugergemeinschaften.
Regionale Wertschöpfung stärken
Wir wollen durch die Förderung von Direktvermarktung und besonders tierschutzgerechten Lösungen wie der
Hofschlachtung den Kauf regional erzeugter Produkte unterstützen. Dabei gilt es, die Marktposition der Land-
wirt*innen zu stärken. So bleibt die Wertschöpfung in der Region und die bäuerliche und familiengeführte
Landwirtschaft erhält eine echte Zukunftsperspektive. Die kurzen Wege zwischen Produzent*innen und Ver-
braucher*innen schützen zudem unser Klima. Wir fordern einen Bürokratieabbau für Direktvermarkter*innen.
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Bestehende und zukünftige Auflagen müssen dahingehend geprüft werden, ob sie für die Direktvermarktung
ausgesetzt werden können. So ist u.a. die Direktvermarktung von der Verpackungsrichtlinie auszunehmen.
Durchleitungsentschädigung und dauerhafte Nutzungsgebühr für Land- und
Forstwirtschaft
Wir fordern eine faire und dauerhafte Vergütung aller Eigentümer*innen, die ihre Flächen für den bundeswei-
ten Netzausbau zur Verfügung stellen. Die betroffenen Kommunen erhalten regelmäßige Geldzahlungen, die
Netzbetreiber profitieren von überdurchschnittlichen Renditen. Ein einmaliges „Abspeisen“ der Grundstücks-
eigentümer*innen ist ungerecht und wird von uns abgelehnt. Ein naturschutzrechtlicher Ausgleich muss bei
ökologischen Maßnahmen ausgeschlossen werden.
Einblicke gewähren – Verständnis erzeugen
Keine Branche unterliegt einem ähnlichen Kontrollaufkommen und ist vergleichbaren Anfeindungen ausge-
setzt wie die Landwirtschaft. Keine Branche muss sich vergleichbar für ihr Handeln rechtfertigen und ist derart
transparent. Wir brauchen eine Intensivierung des Dialoges zwischen Verbraucher*innen und Landwirt*innen.
Das Misstrauen muss abgebaut werden. Wir wollen die Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtschaft stärken und
fordern die Einrichtung und Förderung von Kommunikationsplattformen. Wissenschaftlich unabhängigen,
fachlichen Erkenntnissen muss gegenüber Mutmaßungen und der Panikmache von Ideologen Vorrang ein-
geräumt werden.
Dezentralisierung der europäischen Agrarpolitik
Die EU ist zu groß und zu komplex geworden, sodass gerade in der Landwirtschaftspolitik mittlerweile viele
starre und bis ins Detail zentralisierte Regeln gelten, die von Portugal bis Finnland und von Zypern bis Irland
ihre Anwendung finden. Diese Einheitspolitik ist nicht mehr praxisnah und wird der Vielfalt der europäischen
Landwirtschaft nicht mehr gerecht. Wir brauchen hier wieder mehr regionale Gestaltungsspielräume.
Chancengerechtigkeit
In den Regionen, in denen erschwerte Bewirtschaftungsbedingungen herrschen, wollen wir die Landwirt*in-
nen angemessen unterstützen. Sie müssen trotz ihrer schwierigeren Ausgangsbedingung die Möglichkeit ha-
ben, ihre Existenz zu sichern. Wettbewerbsverzerrungen durch Regelungen einzelner Bundesländer müssen
vermieden werden.
Nachhaltige Waldbewirtschaftung
Wir wollen neue Anreize für eine nachhaltige Waldwirtschaft schaffen, damit unsere Wälder dauerhaft ge-
nutzt und geschützt werden. Dies muss in enger Zusammenarbeit mit Waldbesitzer*innen, Jäger*innen und
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Förster*innen geschehen. Hierfür braucht es auch weiterhin eine Unterstützung und Förderung der Forst-
zusammenschlüsse als Selbsthilfeeinrichtungen der Waldbesitzer*innen durch forstliche Beratung und För-
derung. Weitere großflächige Waldstilllegungen sehen wir äußerst kritisch. Fachgerechte Bewirtschaftung
sichert stabile Wälder auch als CO2-Speicher und sichert eine nachhaltige Rohstoffversorgung. In einer dicht
besiedelten Kulturlandschaft müssen auch die Wildtierbestände gezielt betreut und gemanagt werden, was
die Bejagung einschließt und wertvolle Lebensmittel liefert.
Nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände ermöglichen
Die gemeinsame Fischereipolitik muss gewährleisten, dass Fischerei und Teichwirtschaft umweltverträglich,
langfristig rentabel und sozial tragbar sind und dabei gesunde Nahrungsmittel für die Bürger*innen liefern.
Die Fischerei in Deutschland ist ein traditioneller Bestandteil der Wirtschaft und Kultur an der Küste sowie an
Flüssen, Seen und Teichen in ländlichen Räumen. Wir unterstützen daher eine gezielte Förderung der Teich-
wirtschaft. Darüber hinaus treten wir dafür ein, dass die Grundprinzipien der Fischereipolitik wie das Rück-
wurfverbot, die Anlandeverpflichtung und das Prinzip des nachhaltigen Dauerertrags durch eine kontinuier-
liche Verbesserung der Datenerhebung flankiert werden. Denn nur belastbare Daten bieten eine verlässliche
Grundlage für ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen dem Schutz der Bestände und der Existenzsicherung
des Sektors. Wir treten für den Erhalt des Berufsstandes der Fischer*innen, der Kutter- und Küstenfischerei
ein. Ein nachhaltiger Fischfang und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Gewässern müssen gefördert
werden. Hierzu kann auch die Einbindung der Fischerei in Tourismuskonzepte in Betracht gezogen werden.
Grundwissen über Nahrungsmittel weitergeben
In der modernen Gesellschaft sind der Bezug zu und das Verständnis von Landwirtschaft kaum noch vorhan-
den. Verbraucher*innen wissen nicht, wie Nahrungsmittel produziert und die Rohstoffe dafür erzeugt werden.
Es herrscht eine weitverbreitete Unkenntnis, wie moderne Landwirtschaft und Tierhaltung funktionieren.
Wir fordern das Fach Lebenskunde zum Zweck einer Grundbildung über Lebensmittel und Nahrung ab dem
Kindergarten. Landwirtschaft, Tiere und Tierhaltung müssen auch als Pflichtthemen in Lehrplänen verankert
werden. Dazu müssen Besuche bei landwirtschaftlichen Betrieben und den nachgelagerten Produktionen im
Schulunterricht verpflichtend eingeführt werden. Wir fordern außerdem eine stärkere Förderung der Erwach-
senenbildung in den Bereichen Lebensmittel, Nahrung und Landwirtschaft.
Echtes Wolfsmanagement und angemessener Schadensausgleich
Eine weitere unkontrollierte Ausbreitung des Wolfes in Deutschland gefährdet die Existenz von Tierhalter*in-
nen und somit letztlich auch die Kulturlandschaften, die Deichsicherheit und die Pflege ganzer Naturschutz-
gebiete. Daher fordern wir die Vertreibung von Wölfen aus besiedelten Gebieten und ihre gezielte Entnahme
in der Nähe beweideter Flächen. Wir fordern ein echtes Management, das eine effektive Kontrolle und Abwehr
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der Wölfe ermöglicht. Dazu zählt letztlich auch der gezielte Abschuss einzelner auffälliger Tiere, um die Weide-
tiere in der offenen Weidelandschaft effektiver schützen zu können. Präventionsmaßnahmen und Schäden, die
auf den Wolf zurückzuführen sind, müssen in voller Höhe durch den Staat kompensiert werden. Der Handel
mit Hybriden (Mischung aus Wolf und Hund) muss verboten werden.
Politisch dimensionierte Rechtübertretungen bekämpfen
Illegale Handlungen gegen Landwirt*innen wie Einbrüche in Ställe oder Sabotageaktionen wollen wir ent-
schiedener entgegentreten und härter bestrafen. Es ist Aufgabe des Staates und nicht privater Personen, die
Gewährleistung des Tierwohls zu überprüfen.

FAMILIE UND
PARTNERSCHAFT
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FAMILIE UND PARTNERSCHAFT
Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft. Bereiche, die die Familie selbst regeln kann, darf der Staat
nicht antasten. Dabei sind die Erziehung und Sorge für die heranwachsende Generation das natürliche Recht
und die Pflicht der Eltern bzw. der Sorgeberechtigten. Der Staat soll sie bei der Kindererziehung unterstützen.
Sie müssen im Rahmen der Gesetze frei über die Gestaltung ihres Familienlebens entscheiden können. Unse-
re Wertvorstellung zu Ehe, Lebensgemeinschaft und Familie wird von der großen Mehrheit der Bevölkerung
gelebt. Auf Basis des Grundgesetzes und der einfachen Gesetze kann jeder Mensch in unserer freiheitlichen
Gesellschaft seine sexuelle Orientierung nach seinen Überzeugungen leben.
Wir FREIE WÄHLER halten es für wichtig, Kinder und Jugendliche während ihres Erwachsenwerdens zur Seite
zu stehen und sie auf unsere immer komplexer werdende Welt mit ihren neuen Herausforderungen und Ge-
fahren vorzubereiten. Den Gedanken eines solidarischen Zusammenlebens wollen wir ihnen vermitteln.
FAMILIEN FÖRDERN, EHE SOWIE LEBENSGEMEIN-
SCHAFT SCHÜTZEN
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist unser erklärtes politisches Ziel. Noch immer haben Frauen, bedingt
durch nicht kontinuierliche Erwerbsbiografien, ein höheres Armutsrisiko im Alter. Unser gemeinsames Ziel ist
es deshalb, deutschlandweit Schritt für Schritt eine kostenfreie Kinderbetreuung zu organisieren.
Verpflichtendes kostenfreies Kindergartenjahr
Wir wollen, dass Kinder vor ihrer Einschulung bundesweit ein Jahr lang verpflichtend in den Kindergarten gehen.
Dies schafft Chancengerechtigkeit und ermöglicht einen fließenden Übergang vom Kindergarten in die Schule.
Familien bei Erziehung und Pflege unterstützen
Wir wollen, dass Familien angemessen bei der Erziehung von Kindern und der Pflege von chronisch kranken
Kindern und weiteren Angehörigen unterstützt werden. Ihnen dürfen keine Nachteile bei der Rentenberech-
nung erwachsen, wenn sie sich für ihre Nächsten aufopfern.
Steuerliche Begünstigung von Familien
Wir treten für eine steuerliche Entlastung von Familien ein. Damit soll sich die Allgemeinheit an der wirtschaftli-
chen Bürde beteiligen, die Eltern zu tragen haben. Dieses Ziel wollen wir durch eine neue Steuerklasse „Familie“
und kurzfristig durch Aufstockung der steuerlichen Freibeträge erreichen.
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Familienfreundliche Arbeitsbedingungen
Uns ist wichtig, dass Eltern Zeit für ihre Kinder haben und sie das Großziehen neben dem Beruf nicht über-
belastet. Wir wollen deshalb gemeinsam mit der Wirtschaft dafür sorgen, dass attraktive Arbeitszeitmodelle,
Telearbeit und Betriebskindergärten flächendeckend eingerichtet werden.
Familienfreundliche Karriereplanung
Wir wollen, dass Beschäftigte während der Familienphase auch Weiterbildungsmöglichkeiten wahrnehmen
können, um vor allem einen Wiedereinstieg bei den Berufen zu erleichtern, in denen sich Wissen und Fach-
kenntnisse schnell verändern.
SPITZENNIVEAU AM BILDUNGSSTANDORT
DEUTSCHLAND
Wissen ist der einzige Rohstoff, der sich stetig vermehren lässt, und bildet dabei eine der zentralen Ressourcen
in unserem Land. Daher sind neben der schulischen Bildung auch die berufliche und akademische Aus- und
Weiterbildung wichtiger denn je. Neben dem rein akademischen Wissen ist aber auch die Persönlichkeits-
bildung ein zentraler Bestandteil unserer Zielsetzung. Das föderale System in unserem Schulwesen hat sich
bewährt, da es regionale und historische Gegebenheiten aufgreifen kann und darauf eingeht. Dies soll auch
in Zukunft so bleiben. Der Bund muss darauf hinwirken, dass kein Bundesland abgehängt wird und sich alle
Länder zukunftsorientiert weiterentwickeln können. Um dies sicherzustellen, fordern wir genügend Personal
an Schulen und wissenschaftlichen Einrichtungen. Die Betreuungsschlüssel müssen stetig hin zu kleineren
Lerngruppen verbessert werden.
Bedeutung der Bildung für die persönliche Entwicklung aufzeigen
Die Entwicklung der Persönlichkeit, des Selbstwertgefühls und der Fähigkeit zum eigenständigen Handeln
ist eine wichtige Aufgabe des Bildungssystems. Freie und gleichberechtigte Bildung stärkt die individuelle
Entwicklung jedes einzelnen Menschen. Wir sehen es als Verpflichtung für alle an, das Wissen ständig zu
erweitern, Zweifel zu wecken und Irrtümer zu korrigieren. Sich in einer Welt mit Optionsvielfalt und Überfluss
zurechtzufinden, das schaffen unsere Kinder und Jugendlichen nur, wenn wir ihnen die Möglichkeit eröffnen,
eine Identität zu bilden. Bildung ist die beste Vorbereitung auf das Leben.
Frühkindliche Bildung stärken, gleiche Chancen für alle Kinder
Tatsächliche Chancengleichheit ist ein wichtiger Teil sozialer Gerechtigkeit. Deshalb ist die Sicherung der kos-
tenfreien Kinderbetreuung und Bildung eine unserer zentralen Forderungen. Frühkindliche Bildung wirkt sich
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positiv auf die zukünftigen Bildungs- und Lernprozesse unserer Kinder aus und trägt maßgeblich dazu bei,
Chancengleichheit zu schaffen. In den ersten Lebensjahren bis zum Grundschuleintritt wird die Basis für die
Entwicklungs- und Bildungschancen unserer Kinder gelegt. Wir wollen eine bundesweite Bildungspolitik, bei
der alle Kinder unabhängig vom Geldbeutel der Eltern ihre Lebenstüchtigkeit und ihre Fertigkeiten ausbilden
können.
Pädagogisch hochwertige Betreuung in Deutschland sicherstellen
Grundvoraussetzungen für eine pädagogisch hochwertige Betreuung sind bundesweit einheitliche Ausbil-
dungsinhalte wie auch eine angemessene Bezahlung für gut ausgebildete schulische Fachkräfte. Eine gute
Ausbildung und die ständige Weiterbildung der Lehrkräfte sind zwingend erforderlich und schließen verpflich-
tende Fortbildungen zu digitalen Medien mit ein, damit Lehrer*innen von der Nutzung neuer Technologien bis
hin zum Umgang mit Cybermobbing sicher handeln können. Die Lehrerfortbildung ist so zu organisieren und
zu finanzieren, dass sie keinen Unterrichtsausfall zur Folge hat.
Bildungslücken durch Corona-Pandemie schließen
Durch die Lockdown-Maßnahmen und Unterrichtsausfälle sind bundesweit bei vielen Schüler*innen Bil-
dungslücken entstanden. Diese Lücken wollen wir mit speziellen Fördermitteln des Bundes für Nachschu-
lungen und zusätzliche Unterrichtsstunden schließen, wobei auch außerschulische Maßnahmen zulässig sein
sollen. Durch die Corona-Pandemie darf es keine Unterschiede im Bildungsstand geben. Es müssen für alle
Schüler*innen gleichwertige Bedingungen mit einem gleichwertigen Bildungsniveau gewährleistet sein. Wir
setzen uns für ausreichende Bundesmittel für die technische Ausstattung (z.B. Luftfilteranlagen) von Kitas und
Schulen ein. Ein Weiterbetrieb muss auch in Pandemie-Zeiten gewährleistet sein.
Ausbau der kostenfreien Ganztagsschulen
Wir wollen den Ausbau von kostenfreien Ganztagsschulen bundesweit vorantreiben, um unser Bildungssys-
tem mit pädagogisch hochwertigen Angeboten auszustatten und zugleich die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf zu ermöglichen. Der Fokus muss auf Bildung, Bewegung und Ernährung und sehr viel weniger auf die
schlichte Betreuung gerichtet sein. Auch außerschulische Angebote sollen dabei zum Tragen kommen.
Ende des Kooperationsverbots im Schulbereich – Digitalisierung ausbauen
Der Wegfall des Kooperationsverbots im Schulbereich war ein richtiger Schritt. Dabei sehen wir die Beibehal-
tung des föderalen Systems dennoch als richtig an. Jedoch ist es erforderlich und zielführend, dass sich der
Bund beim Ausbau der Ganztagsbetreuung und bei der digitalen Ausstattung von Schulen und Bildungsein-
richtungen projektbezogen engagiert. Um ein digitales Zeitalter mit einer erfolgreichen Bildung zu gewähr-
leisten, muss die Digitalisierung an unseren Schulen weiter ausgebaut werden. Hierbei geht es in erster Linie
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um die Bereitstellung von Endgeräten, die Einrichtung einer vernünftigen Arbeitsbasis für Lehrkräfte und die
Ausstattung der Schulen mit einer arbeitsfähigen Internetverbindung und WLAN.
Bundesweit einheitlicher Bildungsstandard
Die Angleichung der bundesweiten Bildungsstandards wollen wir mit dem langfristigen Ziel vorantreiben, die
Zersplitterung des Schulsystems zu überwinden und überall in Deutschland gleichwertige Strukturen und
Lernbedingungen auf höchstem Niveau zu schaffen. Bei den Abituraufgaben sehen wir die Zukunft weiter
in einer großen Eigenständigkeit der Länder, jedoch sollte ein gewisser Prüfungsanteil als deutschlandweiter
identischer Bestandteil integriert werden, um ein Mindestmaß an gleichem Anspruch zu gewährleisten.
Klare Strukturen im bundesweiten Bildungssystem
Alle pädagogischen Fachkräfte im Bereich Schule, insbesondere Lehrer*innen, Sozialpädagog*innen und Er-
zieher*innen, müssen ihre Kernkompetenz vollständig einbringen können. Den allgemeinen Fachkräftemangel
im schulischen Bereich wollen wir dauerhaft mit diesem Ziel beheben. Das Hinzuziehen von Sozialpädagog*in-
nen, Erzieher*innen und Betreuungspersonen, wie z.B. Integrationsbegleiter*innen, soll dabei eine Ergänzung
des Schulalltags im Hinblick auf eine gelingende Bildung, Erziehung und Betreuung sein. Den Schulen wird
hierdurch die größtmögliche Freiheit in der Ausgestaltung ihrer Unterrichts- und Organisationsstruktur ge-
geben.
Inklusion an Schulen umsetzen
Wir wollen, dass allen Kindern eine gleichberechtigte und uneingeschränkte Teilhabe an Bildung ermöglicht
wird. Inklusion ist eine große Zukunftsherausforderung. Diese Herausforderung kann noch durch spezielle
Fördereinrichtungen unterstützt und begleitet werden, um den jeweiligen Bedürfnissen noch besser gerecht
zu werden. Die Qualität des Unterrichts darf nicht unter neuen Zusatzaufgaben der Lehrkräfte leiden. Die
Inklusion wird erfolgreich sein, wenn weiteres pädagogisches und medizinisches Fachpersonal in ausreichen-
dem Umfang zur Verfügung steht. Eltern, Kinder und Jugendliche müssen selbst entscheiden können, welche
Schule den bestmöglichen Weg für die persönliche Entwicklung bietet. Daher fordern wir den Erhalt der För-
derschulen in allen Förderbereichen. Inklusion muss vollständig vom Bund finanziert werden.
Aufwertung der beruflichen Bildung, lebenslanges Lernen fördern
Wir wollen die berufliche Bildung aufwerten. Das duale Ausbildungssystem hat sich über Jahrzehnte bewährt.
Hervorragend ausgebildete Facharbeiter*innen sind die Basis unserer Wirtschaft. Wir wollen, dass die be-
rufliche Ausbildung in der Bildungspolitik wieder aus dem Schatten der akademischen Ausbildung tritt und
deutlich stärker gefördert wird als bisher. Um hochqualifiziertes Spitzenpersonal zu stärken und um in der
schnelllebigen Welt Schritt zu halten, kommt dem lebenslangen Lernen eine immer wichtigere Bedeutung
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zu. Weiterbildung ist notwendig, um neue Erkenntnisse und Trends aus Wissenschaft und Gesellschaft zu
verinnerlichen. Dies ist entscheidend, um Deutschland als hochqualitativen Standort zu stärken. Erwachse-
nenbildung ist für die weitere Verbesserung des allgemeinen Bildungsniveaus unabdingbar und soll verstärkt
ausgebaut werden. Wir definieren Erwachsenenbildung als „Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten
Lernens nach Abschluss einer unterschiedlich ausgedehnten Bildungsphase“. Somit sehen wir sie als ein Teil
des lebenslangen Lernens.
Unbürokratisches, elternunabhängiges BAföG
Wir wollen, dass Studierende als eigenständige Menschen wahrgenommen werden und unabhängig von der
finanziellen Situation ihrer Eltern bei ihrer Ausbildung gefördert werden. Bildung muss allen Schichten unserer
Gesellschaft ermöglicht werden. Insbesondere ein Studium bedeutet einen enorm hohen finanziellen Auf-
wand, welcher nicht immer ohne staatliche Zuschüsse zu stemmen ist. Die Beantragung des BAföG ist mit
einem jährlichen sehr hohen und bürokratischen Aufwand verbunden. Der Antragsaufwand muss reduziert
werden, was letztendlich auch die Prüfstellen in ihrer Verwaltungsarbeit entlastet. Zusätzlich müssen regionale
Standortunterschiede bei der Höhe der Unterstützung berücksichtig werden.
Breit zugängliches Stipendiensystem
Die bisherigen Bemühungen, flächendeckend erfolgversprechende Stipendiensysteme zu etablieren, sind
weitestgehend gescheitert. Der Weg zum Stipendium ist häufig sehr bürokratisch; sein Erfolg orientiert sich
vorrangig an Noten oder anderen Zertifikaten. Die Berücksichtigung von ehrenamtlichem Engagement oder
sozialen Kompetenzen kommt dabei häufig zu kurz. Daher fordern wir, dass gerade solche Aspekte als Auf-
nahmekriterium implementiert werden.
Teilzeit- und duale Studiengänge fördern
Damit die Menschen auch berufsbegleitend oder neben der Familie zu ihrem Studienabschluss kommen
können, wollen wir die Voraussetzungen für Teilzeitstudiengänge verbessern. Universitäten sollen dazu an-
gehalten und dabei unterstützt werden, entsprechende Angebote für Studierende vorzuhalten. Des Weiteren
ist auch das Angebot an dualen Studiengängen zielgerichtet auszubauen. Die Verzahnung von engagierten
Unternehmen mit fortschrittlichen Hochschulen trägt zu einer positiven Weiterentwicklung der Wissenschaft
und damit der Wirtschaft bei. Hierbei ist der Dialog mit den Studierenden und den Unternehmen zu suchen,
um deren Bedürfnissen und Anforderungen gerecht zu werden.
Europäisches Erasmus-Programm fördern
Wir wollen das europäische Erasmus-Programm mit ausreichenden Mitteln ausstatten, damit möglichst allen
Bewerber*innen ein Auslandsaufenthalt im Studium finanziert werden kann. Dies stärkt den europäischen
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Geist und bringt unseren Studierenden einen echten europäischen Mehrwert. Vor dem Hintergrund, dass
Europa gerade in Wertefragen häufig auseinanderdriftet und sich Lager bilden, sehen wir das Erasmus-Pro-
gramm als wichtiges Instrument des Austausches und der Verständigung. So können wieder mehr Einigkeit
und Wertebildung erfolgen, welche für eine friedliche Zukunft in Europa unabdingbar sind.

DEMOKRATIE
UND BÜRGERTUM
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DEMOKRATIE UND BÜRGERTUM
Wir FREIE WÄHLER sehen die Bürger*innen im Mittelpunkt unserer Politik. Wir kümmern uns um die Proble-
me und Sorgen der Menschen vor Ort und wollen für unser Land eine bessere Zukunft schaffen. Demokratie
und Bürgertum sind für uns die Grundvoraussetzungen. Wir wollen eine mündige und politische Gesellschaft,
in der Konflikte demokratisch ausgetragen und am Ende tragfähige Kompromisse gefunden werden.
Allerdings müssen wir feststellen, dass das Vertrauen in unsere Demokratie zunehmend schwindet. Über die
Medien verbreiten sich Verschwörungstheorien, Pseudowissenschaft, Unwahrheiten und extremistisches Ge-
dankengut. Auf der anderen Seite wird der Qualitätsjournalismus als „Lügenpresse“ verunglimpft, Fakten ver-
lieren an Bedeutung und nur noch Gefühlsregungen bestimmen die persönliche politische Verortung.
Einfache Antworten auf komplexe Fragen sind beliebt, echte Lösungen haben es schwer, Gehör zu finden.
Die bisher regierenden Parteien haben hier in den letzten Jahren viel Glaubwürdigkeit verspielt und an den
Bürger*innen vorbeiregiert. Wir kommen aus der Kommunalpolitik und nehmen uns seit jeher den wirklichen
Problemen der Menschen an. Wir sind unabhängig, weil wir keine Großspenden annehmen. Wir stehen für
eine Politik der politischen Mitte, welche die Bürger*innen wieder ernst nimmt.
MEHR DEMOKRATIE
Die Bürger*innen müssen die zentralen Gestalter der Politik werden. Wir stehen daher für den Ausbau direkter
Beteiligungsmöglichkeiten für die Bürger*innen in der Politik. Politik lebt von dem Engagement und der Ge-
staltungsbereitschaft der Menschen. Wir sind überzeugt, dass mehr direkte Demokratie zu besseren politi-
schen Entscheidungen und zu einer nachhaltigen Reduzierung der Politikverdrossenheit in Deutschland führt.
Parlamente stärken – verbindliche Bürgerbeteiligung ermöglichen
Wir wollen, dass so viele Entscheidungen wie nur möglich im Parlament diskutiert und getroffen werden. Wir
verstehen die repräsentative Demokratie als Auftrag der Gewählten, die Diskussion im Namen der Wähler*in-
nen zu führen. Je stärker in die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird, desto wichtiger ist es,
die Debatte darüber offen und transparent im Parlament zu führen. Das Parlament steht im Mittelpunkt des
Repräsentationsprinzips unserer Demokratie, also auch im Mittelpunkt der demokratischen Diskussion über
zu verabschiedende Gesetze. Daher soll auch die Bürgerbeteiligung hierüber laufen. Es sollen bundesweite
Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide ermöglicht werden. Auch Bürgerräte nach dem Prinzip
der Zufallsauswahl sollen ermöglicht werden. Wir sind prinzipiell bereit, alle Themen ergebnisoffen mit der
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Bevölkerung zu erörtern und zu entscheiden. Unser konkreter Vorschlag zur Realisierung: Sowohl der Bun-
destag als auch eine Volksinitiative können einen Bürgerrat zu einem Sachthema initiieren. Je 100.000 Wahl-
berechtigte können eine Gesetzes- oder Bürgerinitiative ins Parlament einbringen. Diese ist vom Bundestag
geschäftsordnungsmäßig zu behandeln. Wird diese oder das Ergebnis eines Bürgerrats nicht vom Bundestag
übernommen, so können eine Million wahlberechtigte Bürger*innen einen Volksentscheid herbeiführen, bei
dem schließlich die Mehrheit entscheidet. Wir wollen damit ein diskursives, differenziertes, verbindliches Be-
teiligungs- und Mitbestimmungsmodell umsetzen, das wir für geeignet erachten, die Identifikation mit Staat
und Politik zu verbessern sowie im Sinne der Bürger*innen bessere Gesetze zu verwirklichen.
Auch die internationale Politik darf nicht allein Angelegenheit der Regierung sein. Die Parlamente, vertreten
durch ihre Parlamentspräsident*innen, müssen bei internationalen Verhandlungen nicht nur eingebunden
werden, sondern auch die Stoßrichtung und die Inhalte bestimmen. Die Parlamente und nicht die Regierun-
gen müssen künftig Verhandlungsmandate erteilen.
Gesetzes- und Regelungsdichte reduzieren
Aktuell gelten in Deutschland über 1.700 Bundesgesetze (ergänzt durch ein Vielfaches an Landesverordnun-
gen). Um diese Gesetzesdichte zu reduzieren, ist es dringend notwendig, beim Erlass eines neuen Gesetzes ein
bestehendes und zusätzlich überholtes Gesetz außer Kraft zu setzen.
Grenzen der Politik akzeptieren
Nicht alles kann und darf Politik regeln. Sie muss die Spielregeln der Bürgergesellschaft schützen. Individuelle
Freiheit und Verantwortung für sich selbst und die Mitbürger*innen sind untrennbar miteinander verbunden,
denn sie bedingen sich gegenseitig. Eine Übertragung der Verantwortung auf den Staat sollte nur dort erfol-
gen, wo die notwendige Eigen- und Mitverantwortung das Leistungsvermögen der Menschen übersteigt. Die
Privatsphäre muss geachtet und geschützt werden.
Wahlalter bei Kommunalwahlen senken
Wir setzen uns dafür ein, dass das aktive Wahlrecht bei der Kommunalwahl in allen Bundesländern auf 16
Jahre gesenkt wird.
Online-Bürgerausschuss und öffentliche Konsultationen
Wir wollen einen Online-Bürgerausschuss einrichten. Hier sollen die Bürger*innen die Möglichkeit haben,
an bundesweiten Konsultationen zu Gesetzesvorhaben teilzunehmen. Dies ist schon längst auf europäi-
scher Ebene üblich. Auch Interessenverbände nehmen bislang zu Gesetzentwürfen Stellung, wenn diese zur
Konsultation gestellt werden. Die Stellungnahmen und ihre Aus- und Bewertungen werden online gestellt.
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Ein solches Verfahren der transparenten Einbindung aller Interessenvertreter*innen begrüßen wir und wol-
len alle Bürger*innen dazu einladen, sich ebenfalls einzubringen. Auch auf Landesebene wurde zu einigen
Themen, wie z.B. Klimaschutzkonzepten, eine solche Form der Beteiligung von Verbänden und Bürger*innen
erprobt. Aktuell entscheiden leider die federführenden Ministerien im Einzelfall, ob sie ein Gesetz zur Kon-
sultation freigeben, wie lange sie die Frist dafür setzen und wen sie zur Konsultation einladen. Auch die Ver-
öffentlichung der Auswertung wird unterschiedlich gehandhabt. Wir fordern, dass diese Ausnahmen zur Regel
werden, die Beteiligung aller möglich ist und die Fristen zur Beteiligung angemessen gesetzt werden.
Lobbyregister auf Bundesebene
In Deutschland wurde bis heute kein Lobbyregister eingeführt, das Verbände, Unternehmen, freiberufliche
Lobbyist*innen, Lobbyagenturen und Lobbykanzleien erfasst. Wir wollen deshalb ein solches Register ein-
führen, um Informationen über Budgets, Kund*innen, Themen und Namen der Interessenvertreter*innen für
die Öffentlichkeit transparent aufzulisten.
Neue Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung
Der Widerstand der Bürger*innen bei Bauvorhaben, insbesondere bei Großprojekten, nimmt zu. Wir wollen
deshalb neue und moderne Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung in die Planungsverfahren aufnehmen, um
die Bürger*innen besser zu informieren und ihre Anliegen in geregelte Bahnen zu lenken. Damit sollen ihre
Interessen eine bessere Berücksichtigung finden.
Elektronische Demokratie
Das Internet bietet neue Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung und Transparenz sowie eine bequemere Abwick-
lung politischer und administrativer Abläufe. Wir sehen in „E-Government“ eine große Chance, direktdemo-
kratische Beteiligungsmöglichkeiten zu etablieren und Verwaltungsabläufe zwischen Staat und Bürger*innen
sowie unter Behörden einfacher und nachvollziehbarer zu gestalten. Beteiligung, Information und transparen-
te Verwaltungsabläufe sind Voraussetzungen dafür, dass die Bürger*innen verantwortlich mitgestalten kön-
nen und die Akzeptanz von politischen Entscheidungen erhöht wird. Das E-Government-Gesetz des Bundes
kann hier nur ein Anfang sein. Es öffnet zwar den Weg für eine digitale Verwaltung, begreift das Internet aber
noch nicht als Medium der Bürgerbeteiligung.
Politische Bildung stärken
Für eine lebendige Demokratie braucht es eine umfassende politische Bildung. Die Bürger*innen müssen
über die Hintergründe und die Funktionsweise unseres Staats ebenso Bescheid wissen wie über die zentralen
politischen Herausforderungen unseres Landes. Wir wollen deshalb die Bundeszentrale für politische Bildung
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deutlich stärken. Wir halten es aber gleichsam für erforderlich, die politische Bildung in den Lehrplänen der
16 Bundesländer aufzuwerten und praktischen Unterrichtseinheiten einen höheren Stellenwert einzuräumen.
EUROPA REFORMIEREN
Wir bekennen uns ausdrücklich zu unserem Friedenswerk Europa, das uns Freiheit, Wohlstand, Mobilität und
Raum zur Selbstverwirklichung bietet. Die Globalisierung und die globalen Aufgabenstellungen der Politik er-
fordern Lösungen, die wir heute unter keinen Umständen mehr national herbeiführen können.
Für das Meistern zentraler Zukunftsfragen wie die Klima- und Handelspolitik brauchen wir einen starken euro-
päischen Ordnungsrahmen. Doch diesen müssen wir durch starke und sich weitgehend selbstverwaltende
Regionen und Kommunen flankieren. Nur durch eine ausgewogene Aufgabenverteilung zwischen Gemeinde,
Region, Nation und Europa können der Mehrwert und die Akzeptanz Europas erhöht werden.
Die EU stellt viele politische Weichen, ohne dass die Bürger*innen eingebunden werden und nachvollziehen
können, wie und weshalb Entscheidungen zustande kommen. Das müssen wir ändern. Europa darf aber auch
nicht länger ein entferntes und wenig greifbares Projekt der Eliten und Lobbyist*innen sein. Wir setzen andere
Schwerpunkte: Durch mehr gelebte Demokratie und Transparenz, aber auch eine Selbstbeschränkung auf
die wesentlichen Aufgaben wollen wir wieder einen gesellschaftlichen Konsens über Europa herstellen. Die
Bürger*innen müssen bei wichtigen europapolitischen Fragen mitentscheiden können.
Legitimation der EU erhöhen
Das Europäische Parlament muss als direkt gewählte europäische Volksvertretung gestärkt werden. Es muss
Mitentscheidungsrechte in politischen Schlüsselbereichen wie Fragen der gemeinsamen Währung, des Eura-
tom-Vertrags sowie der Beratung und Mitverhandlung internationaler Abkommen der EU erhalten. Zudem
braucht es ein Initiativrecht für EU-Gesetze. Die Europäische Bürgerinitiative muss durch mehr Verbindlichkeit
gestärkt werden.
Transparenz in der EU schaffen
Politische Entscheidungen müssen für die Bürger*innen nachvollziehbarer gemacht werden. Europäisches
Recht muss hierfür vereinfacht werden. Alle Veröffentlichungen der EU-Institutionen sowie Drucksachen und
Antragsformulare für EU-Fördergelder müssen auch in deutscher Sprache verfügbar sein. So wollen wir die
Akzeptanz bei den Bürger*innen steigern.
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Deutsche Sprache in Europa stärken
Deutsch ist die meistgesprochene Muttersprache in der EU. Wir wollen deshalb unsere Sprache fördern, um
sie gleichberechtigt als Arbeitssprache in Europa neben Englisch und Französisch zu etablieren.
Klare Kompetenzregelungen
Häufig entstehen in Europa Unklarheiten und Streitigkeiten, weil die Aufgaben der EU und die der Mitglied-
staaten vielfach nicht klar getrennt sind. Das muss korrigiert werden, damit nicht triviale Zuständigkeitsfragen
die Stabilität des Projekts Europa gefährden.
Europa der Regionen
Wir stehen zu Europa und wollen nicht zurück in den Nationalismus. Der Nationalstaat wird der heutigen
Lebenswirklichkeit nur sehr begrenzt gerecht: Er ist zu klein, um die globalen Probleme alleine zu lösen. Er ist
aber zu groß, um für die Bürger*innen Heimat sein zu können. Deshalb fordern wir ein Europa der Regionen,
in dem die Bundesländer und ihre Kommunen wesentliche Entscheidungen vor Ort selbst treffen können. Die
im Vertrag von Lissabon festgeschriebene regionale und lokale Selbstverwaltung muss bei Gesetzesvorhaben
der EU-Kommission gleichrangig Berücksichtigung finden.
Ausschuss der Regionen als dritte Kammer
Wir wollen die Vertretung der europäischen Regionen und Kommunen in Brüssel stärken: Der Ausschuss der
Regionen hat bisher im Wesentlichen nur beratende Funktion. Wir wollen ihn zur gleichberechtigten dritten
Kammer neben Ministerrat und Europäischem Parlament weiterentwickeln. Unser erklärtes politisches Ziel ist
es, diesem Gremium volle Mitentscheidungsrechte über EU-Gesetze zu geben.
EU-Erweiterungsstopp
Grundsätzlich sollte allen europäischen Ländern eine Beitrittsperspektive gegeben werden. Wir müssen aber
aufgrund der letzten Krisenjahre die weitere Aufnahmefähigkeit der Union gegenwärtig infrage stellen. Wir
wollen die Konsolidierung Europas nicht durch eine übereilte Aufnahme neuer Mitgliedstaaten gefährden.
Deshalb sind wir vorübergehend für einen Stopp der Aufnahme weiterer Beitrittskandidaten.
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit fördern
Europa ermöglicht zahlreiche grenzübergreifende Projekte, die ohne die EU nicht denkbar gewesen wären.
Die Strategien für die Ostsee, den Donauraum oder den Alpenraum bringen die Bürger*innen dieser Regio-
nen ungeachtet ihrer unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten zusammen, um gemeinsam Lösungen für ihre
speziellen Probleme zu finden. Das wollen wir weiter fördern und ausbauen.
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Verkleinerung der Europäischen Kommission
Auf 28 Kommissare sind die Aufgaben der Europäischen Kommission verteilt. Das ist höchst ineffizient und
bläht den bürokratischen Apparat in Brüssel unnötig auf. Wir wollen die Kommission deshalb drastisch ver-
kleinern: Zehn Kommissare müssen ausreichen, um Europa sinnvoll lenken zu können.
Subsidiarität
Wir setzen uns auf allen Politikfeldern für das Prinzip der Subsidiarität ein, wonach Aufgaben vorrangig auf un-
terer Ebene wahrgenommen werden. Wichtige Entscheidungen für das Leben der Menschen vor Ort müssen
auch dort gefällt werden: in den Regionen und Kommunen. Neben klaren Zuständigkeitsregelungen machen
wir uns daher auch für eine verstärkte Prüfung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips bei allen Entschei-
dungen über EU-Gesetze stark.
WIR SIND EINE SOLIDARISCHE GESELLSCHAFT –
ALLE KOMMEN MIT!
Die Diskriminierung von religiösen, nationalen und sexuellen Minderheiten hat keinen Platz in unserem demo-
kratischen Rechtsstaat. Unser Ziel ist eine solidarische Gesellschaft, in der Respekt vor der Freiheit eines jeden
Menschen herrscht, aber auch Respekt vor den Werten der Mehrheitsgesellschaft. Unsere Wertvorstellungen
werden von der Mehrheit der Bevölkerung gelebt. Abweichenden Lebensentwürfen begegnen wir daher ge-
lassen und mit Akzeptanz und sehen keine Veranlassung, unsere Kultur und unser Brauchtum als bedroht oder
angegriffen anzusehen. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass unsere freiheitliche Gesellschaft und
ihre Werte auch überzeugen.
Kein Rassismus in Deutschland
Wir sehen Deutschland mit Blick auf seine Geschichte in der besonderen Pflicht, alle Erscheinungsformen
von Rassismus bereits im Ansatz zu bekämpfen. Wir stellen uns sowohl dem Alltagsrassismus als auch den
Erscheinungen von strukturellem Rassismus entschieden entgegen.
Schutz der nationalen Minderheiten im Grundgesetz
Durch das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates sind die dänische
Minderheit, die Minderheit der deutschen Sinti und Roma und die friesischen und sorbischen Volksgrup-
pen als Minderheiten anerkannt. Ihre Schutzrechte sind jedoch nur in drei von 16 Bundesländern verfas-
sungsrechtlich verankert. Wir streben daher die Aufnahme der nationalen Minderheiten ins Grundgesetz der
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Bundesrepublik Deutschland an. Außerdem treten wir für Schutz und Diskriminierungsfreiheit in allen Be-
reichen des gesellschaftlichen Lebens ein.
Jüdisches Leben fördern
Die Förderung und Sicherstellung des jüdischen Lebens in Deutschland und ein entschiedenes Einschreiten
gegen alle Erscheinungsformen des Antisemitismus und israelfeindliche Bestrebungen gehören nach unserer
Auffassung zum Grundkonsens unserer Gesellschaft. Wir stellen uns auch entschieden gegen neue Erschei-
nungsformen des Antisemitismus wie die QAnon-Bewegung.
Sexuelle Minderheiten mit Akzeptanz begegnen
Wir begegnen sexuellen Minderheiten mit Akzeptanz und treten dafür ein, dass sie ein diskriminierungsfreies
Leben in der Mitte unserer Gesellschaft führen können. Deswegen ist die Beseitigung von Rechtsvorschrif-
ten, die sich diskriminierend auf die LGBTQI+-Community auswirken, für uns ein wichtiger Handlungsauftrag.
Ebenso setzen wir uns dafür ein, dass aus Toleranz und Verständnis eine gesellschaftliche Akzeptanz für die
Vielfalt sexueller Identitäten wird.
Menschenrechtsverletzung an intersexuellen Menschen beenden
Geschlechtsangleichende Operationen im nicht einwilligungsfähigen Alter lehnen wir ab. Wir unterstützen die
Neufassung der S2k-Leitlinie „Varianten der Geschlechtsentwicklung“, welche in Zusammenarbeit mit Patien-
tenorganisationen eine Neufassung der Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten erarbeitet hat. Besonders
die Begrenzung von operativen Eingriffen bei nicht einwilligungsfähigen Kindern sehen wir als Vorbild für
die gesamte EU. Hierzu muss auf Basis der UN-Kinderrechtskonvention ein Dialog mit allen Mitgliedstaaten
geführt werden.
Anti-Mobbing-Kampagne in allen Lehrplänen
Wir glauben, dass Mobbing und Bodyshaming in Schulen auch durch schlechte Vorbilder in Politik und Ge-
sellschaft begünstigt werden. Wir wollen daher Anti-Mobbing-Projekte verbindlich im Lehrplan festschreiben.
Mobbing kann unseren Kindern auf lange Zeiten schaden. Wir müssen es daher entschlossen zurückdrängen.
Der schleichenden Akzeptanz gegenüber Ausgrenzungstendenzen und verächtlichmachender Sprache muss
entgegengetreten werden.
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REGION
UND HEIMAT
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REGION UND HEIMAT
Heimat ist der Ort der Kindheit oder Jugend. Der Ort, an dem man Geborgenheit erfahren hat und Familie und
Freunde leben. Heimat ist aber auch ein spezielles Brauchtum und eine besondere Kultur oder eine vertraute
landschaftliche Umgebung. Wir suchen nach unserer Herkunft und unseren Wurzeln. Heimat bietet in Zeiten
der Globalisierung Schutz und Orientierung, Beständigkeit und Vertrautheit. Damit die Menschen ihr Lebens-
glück und Raum zur Selbstverwirklichung in ihrer Heimat finden können, wollen wir FREIE WÄHLER die hierfür
notwendigen Grundlagen schaffen: gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land.
STARKE, SELBSTBESTIMMTE REGIONEN UND
KOMMUNEN
Wir wollen die Stellung der Bundesländer sowie der Städte und Gemeinden stärken. Die politische Verantwor-
tung muss dort wahrgenommen werden, wo auch die Folgen der politischen Entscheidungen zu tragen sind.
Hierfür sind handlungsstarke Kommunen mit einer ausreichenden Finanzmittelausstattung und Planungssi-
cherheit notwendig. Sie brauchen mehr Freiräume von Brüssel und Berlin, um wieder handlungsfähiger Poli-
tik für die Bürger*innen in ihrer Heimat machen zu können. Kommunen nehmen zahlreiche Verwaltungsauf-
gaben von Bund und Ländern wahr. Sie sind die Ansprechpartner vor Ort. Zu ihnen haben die Bürger*innen
den engsten Kontakt.
Strukturschwache Regionen unterstützen
Wir wollen starke und vitale Städte sowie handlungsfähige Gemeinden. Durch gezielte Struktur- und Ansied-
lungspolitik wollen wir den nachholbedürftigen Regionen neue Zukunftsperspektiven geben. Schnelles Inter-
net, Ausbau der Verkehrswege und der Erhalt von Regionalflughäfen sind ebenso in der Fläche erforderlich
wie der Fortbestand der Behörden, wie etwa der Gerichte. Den demografischen Wandel durch Wegzug in
vielen Regionen wollen wir auf diese Weise bremsen.
Regionale Wirtschaftskreisläufe fördern
Wir wollen, dass möglichst viel Wertschöpfung und Kaufkraft in den Regionen gebunden werden. Durch den
Kauf regionaler Waren und Dienstleistungen stärken wir unsere Heimat, sichern Arbeitsplätze vor Ort, verbes-
sern die Steuerkraft der Gemeinden und schonen unsere Umwelt und das Klima. Wir wollen dieses Ziel durch
eine regionalorientierte Wirtschaftspolitik erreichen.
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„Einheimischenmodelle“ sichern
Der heimischen Bevölkerung vergünstigt Wohnraum anbieten zu können, ist in vielen Ballungsräumen wichtig.
Der Zuzug treibt die Preise in die Höhe, sodass Baugrund für viele Einheimische ohne solche Modelle zu teuer
wird. Die EU stellt diese aber infrage, sodass wir uns im Sinne der Kommunen für die Einheimischenmodelle
starkmachen werden.
Bezahlbarer Wohnraum ohne Mietendeckel
Wir wollen, dass es in den immer teurer werdenden Ballungsräumen den älteren Menschen, Geringverdie-
ner*innen und Familien möglich ist, in ihrer vertrauten Umgebung zu wohnen. Durch eine clevere Wohnungs-
bauoffensive wollen wir insbesondere in Zuzugsregionen das Mietpreisniveau wieder senken. Dafür ist es
dringend erforderlich, überzogene Bauvorschriften zurückzunehmen und die Fördermittel für den sozialen
Wohnungsbau aufzustocken. Statt für einen investitionsfeindlichen Mietendeckel stehen wir für zweckgebun-
dene Bürgeranleihen nach Münchener Vorbild. Sie schaffen den finanziellen Freiraum, das Vorkaufsrecht für
Immobilien nutzen zu können, und ermöglichen der öffentlichen Hand so, neuen sozialen Wohnraum zu er-
schließen.
Selbstgenutztes Wohneigentum fördern
Wir wollen ein bezahlbares Wohnen in Deutschland sicherstellen. Dazu gehören für uns nicht nur bezahlbare
Mieten und mehr Bauaktivität im Geschosswohnungsbau, sondern auch eine Erhöhung der Wohneigentums-
quote. Das Leben in den eigenen vier Wänden darf kein Privileg der gesellschaftlichen Eliten sein, sondern
muss der Mitte der Bevölkerung zugänglich sein. Eine hohe Wohneigentumsquote macht unser Land krisen-
fest, schützt vor Altersarmut, schafft generationenüberdauernde Werte und erhöht die persönliche Freiheit in
unserem Land. Neben der Wiedereinführung der Eigenheimzulage und der Stärkung von Mietkaufmodellen
wollen wir deswegen auch eine Senkung der Grunderwerbskosten für Wohneigentum erreichen. Dazu muss
die Grunderwerbssteuer gesenkt werden. Hierzu müssen bestehende Fehlanreize im Länderfinanzausgleich
aus dem Weg geräumt werden. Außerdem streben wir eine Renaissance der Erbpachtgrundstücke an, um
auch Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen den Weg zum Wohneigentum zu ebnen.
Wohnraum für Studierende
Wir wollen jungen Menschen und Studierenden mit Kindern die Sorgen um die Finanzierung ihrer Ausbildung
nehmen. Gerade in Ballungsräumen befinden sich die großen Universitäten und Hochschulen und genau
hier sind die Mieten hoch. Hier wollen wir durch die gezielte Förderung von studentischem Wohnraum für
Entlastung sorgen.
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Sozialen Brennpunkten vorbeugen
Wir wollen der Bildung sozialer Brennpunkte und einer Spaltung unserer Gesellschaft in soziale oder eth-
nische Gruppen mit einer gezielten Einbindung aller Bürger*innen entgegenwirken. Stadtplanung, gute Bil-
dungspolitik und unterstützende Sozialarbeit gilt es zu fördern.
Innenstadt- und Ortskernsterben eindämmen
Wir wollen unsere Städte und Gemeinden in ganz Deutschland lebenswert erhalten und weitergestalten. Das
Ausbluten der Innenstädte muss gestoppt werden. Daher brauchen wir mehr Investitionen im Bereich der
Städtebauförderung und der Dorferneuerung. Außerdem müssen die Möglichkeiten zum sogenannten Milieu-
schutz in sozialen Erhaltungsgebieten ausgeweitet werden.
Grenzen der Nachverdichtung erkennen
Der angespannte Wohnungsmarkt in den Metropolen und Oberzentren treibt die Mietpreise nach oben. Das
Angebot an bezahlbarem Wohnraum deckt längst nicht mehr die Nachfrage. Die Antwort auf diese Entwick-
lung kann nicht die grenzenlose Nachverdichtung in den Städten sein. Grün- und Erholungsflächen müssen
erhalten bleiben und die Belastbarkeitsgrenzen der Infrastruktur bedacht werden, damit die Lebensqualität
in den Städten langfristig erhalten bleibt. Verbunden mit der Anforderung von gleichwertigen Lebensverhält-
nissen in Stadt und Land muss die Wohnbauförderung in Regionen gedacht werden und das Umland stärker
einbezogen werden. Die Anbindung an Oberzentren muss insbesondere im öffentlichen Personennahverkehr
und im Radverkehr verbessert werden. Dazu müssen z.B. Radschnellwege im Metro-Bereich von 25 Kilome-
tern stärker gefördert werden.
Gesundheitsversorgung auf dem Land sichern
Wir wollen eine wohnortnahe, flächendeckende Versorgung mit freiberuflichen Haus- und Fachärzt*innen
sowie mit inhabergeführten Apotheken. Zudem wollen wir sicherstellen, dass leistungsstarke Not- und Ret-
tungsdienste sowie Krankenhäuser auch auf dem Land in erreichbarer Entfernung verfügbar sind.
Erhalt wohnortnaher Schulen und Kindergärten
Für Familien ist die Verfügbarkeit von Schulen und Kindergärten eine wichtige Voraussetzung, um ihre Zukunft
in den ländlichen Räumen zu planen. Wir wollen deshalb sicherstellen, dass diese Einrichtungen flächen-
deckend verfügbar bleiben.
Sicherheit in Stadt und Land herstellen
Das persönliche Sicherheitsgefühl der Bürger*innen hat durch die hohe Anzahl von Wohnungseinbrüchen und
Straftaten in den vergangenen Jahren stark gelitten und muss wiederhergestellt werden. Wir wollen deshalb
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mehr Investitionen in Polizeipersonal und Sachmittel, um die Polizeipräsenz und die Aufklärungskapazitäten
von Straftaten zu erhöhen.
Daseinsvorsorge wie Trinkwasser in öffentlicher Hand
Wir wollen, dass die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand bleiben bzw. zurückgeführt
werden. Trinkwasser, Abwasser, Strom, Gas, Müllentsorgung und viele weitere grundlegende Dienste sind
lebensnotwendig und dürfen nicht zum unkontrollierbaren Geschäftsmodell privater Unternehmen werden.
Finanzlage der Kommunen verbessern
Die Finanzsituation vieler deutscher Städte und Gemeinden ist nach wie vor angespannt. Sie haben allein
40 Milliarden Euro in sogenannten Kassenkrediten zur kurzfristigen Finanzierung ihrer Kernaufgaben aufge-
nommen. Es besteht außerdem allein im Bildungsbereich ein Investitionsstau von 55 Milliarden Euro. Diese
Situation ist nicht erst durch Corona entstanden, sondern ist Folge einer jahrzehntelangen chronischen Unter-
finanzierung der kommunalen Ebene. Wir stehen deshalb für eine grundlegende Reform der Kommunalfinan-
zierung und wollen eine Altschuldenreduktion erreichen. Hieran muss auch die Bundesebene beteiligt werden.
Unsere Kommunen müssen leistungs- und handlungsfähig bleiben. Das Konnexitätsprinzip muss vollständig
eingehalten werden.
Gerechte Aufteilung der Sozialkosten
Wir wollen, dass die Sozialkosten von Bund und Land getragen werden. Beide Ebenen dürfen keine Normen
setzen, die die Kommunen zu höheren Ausgaben zwingen, ohne dass diese angemessen ersetzt werden.
Vollständige Kostenübernahme für Flüchtlinge durch den Bund
Wir wollen, dass der Bund vollständig für die Kosten aufkommt, die die unkontrollierte Zuwanderung in unser
Land verursacht hat. Länder und Kommunen dürfen nicht die Leidtragenden der politischen Entscheidungen
der Bundesregierung sein.
Kommunen nach Militärabzug helfen
Bund, Länder und Kommunen haben eine gemeinsame Verantwortung, der Baulandknappheit und speziell
dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu begegnen. Die Bundeswehrreform 2011 hatte die Schließung
oder zumindest die Verkleinerung zahlreicher Standorte zur Folge. Damit fiel in vielen Kommunen ein wichtiger
Wirtschaftsfaktor weg. Dasselbe gilt für den Abzug von US-Streitkräften und der Britischen Rheinarmee. Wir
wollen die wirtschaftlichen Folgen solcher Maßnahmen für die Menschen vor Ort abmildern. Dies muss über
ambitionierte Konversions- und Infrastrukturprogramme erfolgen. Trotz der am 27. September 2018 in Kraft ge-
setzten neuen Verbilligungsrichtlinie, die Einzelheiten zum Erstzugriff/Direktverkauf sowie zu den Verbilligungs-
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möglichkeiten von entbehrlichen Liegenschaften im Konversionsverfahren regelt, besteht nach wie vor Hand-
lungsbedarf. Die zuständige Bundesanstalt für Immobilienaufgaben muss in die Lage versetzt werden, den
finanzschwachen Kommunen die Liegenschaften für einen symbolischen Euro anzubieten. Dadurch werden
einerseits die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen abgefangen, die durch den Abzug der NATO-Partner
oder eine Schließung von Standorten der Bundeswehr in den Kommunen entstehen. Andererseits bietet die
Konversion eine Chance für die nachhaltige und flächensparende Stadtplanung und -entwicklung.
Flächendeckendes Schwimmbad-Angebot
Vielen Städten und Gemeinden ist es aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht länger möglich, Schwimm-
bäder zu unterhalten. Aber gerade für das Schwimmenlernen und die Freizeitgestaltung ist diese Infrastruktur
wichtig. Wir wollen deshalb finanzielle Anreize schaffen, um eine flächendeckende Schwimmbadversorgung
sicherzustellen.
Attraktiver öffentlicher Personennahverkehr in Stadt und Kreisen
Wir wollen einen starken öffentlichen Personennahverkehr in den Städten und vor allem auf dem Land. Er
gewährleistet eine umweltfreundliche Mobilität in unserer Heimat und erhöht damit die Lebensqualität der
Bürger*innen.
DIGITALISIERUNG – DEUTSCHLAND WIRD SMART
Wir stehen für die Bereitstellung einer leistungs- und zukunftsfähigen Infrastruktur als Grundvoraussetzung
und Impulsgeber einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung. Gerade durch die zentrale Lage Deutsch-
lands in Europa sind leistungsfähige Transportwege für die Bürger*innen und die Wirtschaft unerlässlich, vor
allem auf der Schiene, aber auch auf der Straße, zu Wasser oder in der Luft. Der Entwicklung und Etablierung
von ergänzenden Transportinfrastrukturen, wie z.B. dem leitungsgebundenen Warentransport, stehen wir
offen gegenüber. Neben gut ausgebauten Verkehrswegen und einer sicheren und bezahlbaren Energiever-
sorgung sehen wir die größte Herausforderung und Chance in einer Digitalisierungsoffensive.
Kommunikation und Digitalisierung
Neben den wirtschaftlichen Aspekten ist die Digitalisierung als Chance für die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf sowie für Barrierefreiheit zu betrachten und mit Blick auf die notwendige Mobilitätswende gerade
im ländlichen Raum zu forcieren. Wir wollen in „Smart Villages“ mindestens genauso viel investieren wie in
„Smart Cities“. Ein Schwerpunkt muss dabei das Leben im Alter sein. Die Digitalisierung bietet Chancen für
ältere Menschen, damit diese möglichst lange in ihrem Umfeld leben können.
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Digitalisierte Stadt (Smart City)
Der Begriff „Smart City“ ist weit gefasst. Er umfasst z.B. das elektronische Antragswesen und das Internet der
Dinge, wozu etwa das intelligente Steuern des Straßenverkehrs, die Optimierung der Ressourcen des öffentli-
chen Personennahverkehrs und viele weitere Informationsverarbeitungen und Kommunikationswege gehören.
Sinnvolle Anwendungen können das Leben der Menschen erleichtern, Effizienzen heben und zur Emissions-
vermeidung beitragen. In vielen europäischen Ländern findet der gesamte Antragsprozess (Ausweis-, Melde-
wesen etc.) bereits nur noch via Internet statt. Aus unserer Sicht ist es den Kommunen zu ermöglichen, ihren
Bürger*innen diese Werkzeuge an die Hand zu geben. Insbesondere körperlich eingeschränkte Personen wür-
den davon profitieren. Viele deutsche Kommunen arbeiten bereits an der Digitalisierung ihrer Verwaltung. Das
Onlinezugangsgesetz verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen
über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. Von diesem Ziel darf nicht abgewichen werden. Nach den
Erfahrungen der Corona-Pandemie muss noch mehr Wert auf eine zeitnahe und umfassende Umsetzung ge-
legt werden. Der Bund sollte die notwendige Infrastruktur für den sicheren Datenverkehr und die Speicherung
der sensiblen Daten der Bürger*innen zur Verfügung stellen. Bei staatlichen Projekten ist darauf zu achten,
dass mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinsichtlich Verschlüsselung und Authentifizie-
rung eingehalten werden. Die nötige Infrastruktur (insbesondere Server) sollte sich innerhalb der EU befinden.
Wir fordern die Unterstützung des Bundes für Landkreise und Kommunen bei der Planung, Finanzierung und
Ausführung der notwendigen Bauvorhaben. Der Digitalpakt für Schulen muss durch weitere Investitionen
vorangetrieben werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat in der unabhängigen Begleitung der Techno-
logien und des Ausbaus der Energie- und Digitalinfrastruktur eine wichtige Aufgabe wahrzunehmen, um die
Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten und damit auch die Grundlage für die Akzeptanz
der Bevölkerung zu schaffen. Es ist bei Maßnahmen einzubeziehen und personell so auszustatten, dass die
Beurteilungen einen Ausbau nicht verzögern.
Digitalisierte Dörfer (Smart Villages)
Wir beobachten eine zunehmende Trennung zwischen unseren Bürger*innen im ländlichen Raum und in den
Städten. Junge Menschen treibt es oft in die Städte. Um die gesellschaftliche Kohäsion zu fördern, wollen wir
die wachsende Lücke zwischen Stadt und Land schließen. „Smart Villages“ ist eine praktische Lösung, um dies
zu bewerkstelligen und Lösungen in den Bereichen Arbeit, Bildung, Krankversorgung, Mobilität und Kultur
anzubieten und damit den Trend umzudrehen. Dann sind niedrigere Mietpreise, eine bessere Luft, weniger
Kriminalität und schöne Landschaften ein gutes Argument für junge Familien, wieder im ländlichen Raum zu
wohnen. Die Grundversorgung für diese Entwicklung ist eine schnelle und zuverlässige Internetverbindung.
Wir werden uns ganz praktisch dafür einsetzen, dass eines von drei europäischen „smarten Modelldör-
fern“, mithilfe einer strategisch eingesetzten Kombination von EU-Fördermitteln und privaten Investitionen,
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in Deutschland entsteht. Dieses Dorf wird als Flaggschiff einer breit angelegten Strategie zur Entwicklung des
ländlichen Raums dienen.
Digitalisierung der Justiz
Auch die deutsche Justiz muss digitaler werden. Der Gesetzgeber hat zwar die Möglichkeit der digitalen Ver-
handlung gesetzlich eingeführt, hiervon machen die Gerichte aber kaum Gebrauch. Es fehlt an der technischen
Ausstattung und dem notwendigen technischen Personal.
Digitalisierung und Breitbandausbau
Wir wollen die Digitalisierung in Deutschland durch einen Digitalisierungsfahrplan und ein ambitioniertes
Digitalisierungskabinett weiter vorantreiben. Die Digitalisierung betrifft alle Lebensbereiche. Deswegen muss
durch Koordination und Absprachen unter den Ministerien die Effizienz verbessert werden. Wir verfolgen das
Ziel der digitalen Verwaltung bis Ende 2022 für Unternehmen und Bürger*innen. Die dafür notwendige Ver-
mittlung der Digitalkompetenz für die Bürger*innen und die Verwaltungen muss gefördert werden. Deswegen
stehen wir hinter der Fortführung des Digitalpaktes. Die digitalen Fähigkeiten müssen allen Schüler*innen
vermittelt werden. Jede*r Schüler*in muss die Möglichkeit zur digitalen Teilnahme am Unterricht haben. Die
Mittel des Digitalpaktes müssen dafür verwendet werden können. Ein Vorwärtskommen der Digitalisierung
und des Breitbandausbaus ist ein wichtiger Faktor zur Sicherung unseres Wohlstandes und unseres Wirt-
schaftsstandortes. Aktuell ist die Bundesrepublik hinsichtlich der mittleren Bandbreite der Internetanbindun-
gen weltweit auf Platz 25. Für alle digitalen Anwendungen ist eine schnelle und stabile Breitbandanbindung
die Mindestvoraussetzung. Es gilt in der Zukunft, in moderne Technologien zur Breitbandanbindung von Haus-
halten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen zu investieren. Hier sind aktuell Glasfaserleitungen und
5G als schnellsten Mobilfunkstandard zu betrachten. Der Ausbau des 5G-Standards sollte in allen Regionen,
unabhängig von ihrer Bevölkerungsdichte, vorangetrieben werden. Dies soll in Abstimmung mit der Beurtei-
lung des Bundesamtes für Strahlenschutz erfolgen.
Gigabit-Offensive
Wir wollen den industriellen Mittelstand beim Zugang zu schnellem Internet unterstützen. Bis Ende 2024
wollen wir jedem Unternehmen einen Gigabit-Breitbandanschluss (mindestens 1.000 Mbit/s) ermöglichen.
Ein entsprechendes Förderprogramm soll die Unternehmen bei den dafür erforderlichen Investitionen stark
entlasten.
Schnelles Internet für jeden Haushalt
Die Gleichheit der Lebensbedingungen muss sich auch in der Teilhabe am Digitalisierungsprozess widerspie-
geln. Spätestens nach dem Umstieg auf Homeoffice während der Corona-Pandemie wurde klar, dass die Un-
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terteilung in Wohn- und Arbeitsorte der Vergangenheit angehören wird. Die verlässliche Internetgeschwindig-
keit ist ein wichtiger Standortfaktor. Gerade im ländlichen Raum sind erhebliche Anstrengungen erforderlich.
Immer noch bestehende weiße Flecken in der Breitbandversorgung müssen beseitigt werden: zur Förderung
der Wirtschaftskraft, für die Erfordernisse einer modernen Landwirtschaft sowie für die Realisierung von
Homeoffice-Arbeitsplätzen im ländlichen Raum. Doch gerade der ländliche Raum hinkt beim Ausbau hinter-
her. Wir wollen durch Förderprogramme und die Förderung der Fachkräfteausbildung den Breitbandausbau
beschleunigen. Das mittelfristige Ziel bis 2030 muss ein Glasfaseranschluss in jedem Haus sein.
Steuerliche Absetzung der Kosten für Homeoffice in Privathaushalten
Für Arbeitnehmer*innen, die Homeoffice oder Telearbeit betreiben können, sollten Investitionen in den An-
schluss der privaten Wohnung steuerlich absetzbar sein. Denn die Beschäftigten in Deutschland haben in der
Krise mit ihrer Flexibilität bewiesen, dass die Bereitschaft und die Befähigung zum Arbeiten im Homeoffice
und zur Telearbeit die Wirtschaft des Landes am Laufen halten können.
KULTUR UND MEDIENVIELFALT FÖRDERN
Wir wollen Kunst und Kultur pflegen und fördern, Tradition und Brauchtum bewahren und die geistigen Werte
unserer Heimat für nachfolgende Generationen sichern. Dazu zählen der Erhalt und die Pflege von Baudenk-
mälern wie Schlössern und Burgen, Museen und Galerien, Schau- und Lichtspielhäusern, Orchestern und
Musikvereinen sowie Bibliotheken und Archiven. Eine bunte Medienlandschaft garantiert Meinungsvielfalt.
Der Erhalt von lokalen Fernseh- und Radiosendern sowie Zeitungen ist von entscheidender Bedeutung für
alle Regionen. Sie sind die Berichterstatter des lokalen und regionalen Geschehens in Politik, Wirtschaft, Ge-
sellschaft, Kultur und Sport. Sie stoßen bei den Menschen vor Ort auf eine hohe Akzeptanz und stärken die
Identifikation der Bewohner*innen mit ihrer Region und ihrer Heimat.
Kultur- und Kreativwirtschaft fördern
Den Kommunen kommt eine tragende Rolle zu. Sie sind gefordert, die Kunst und Kultur vor Ort zu fördern. Eine
kulturelle Identität ist schließlich auch das Erfordernis dafür, dass Bürger*innen aktiv und kritisch am gesell-
schaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen. Eine wesentliche Voraussetzung ist hierfür
eine florierende Kultur- und Kreativwirtschaft. Neben der Förderung neuer Geschäftsmodelle bedarf es dabei
unterstützender Maßnahmen im Bereich der Kompetenzentwicklung, Kapitalbeschaffung und Erschließung
neuer Märkte.
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Reform der Kulturförderung
Wir wollen mehr Transparenz in der bundesweiten Kulturförderung erreichen. Die Fülle der Förderinstrumen-
te ist unüberschaubar.
Kulturelles Erbe der deutschen Heimatvertriebenen schützen
Wir wollen gemeinsam mit den Vertriebenenverbänden ihr großes Kulturerbe aus den ehemaligen deutschen
Ost- und Siedlungsgebieten erhalten und weiter fördern. Es ist Teil unserer Kultur und bedarf einer stärkeren
Unterstützung. Wir wollen deshalb eine gebührende Finanzausstattung für die Vertriebenenarbeit sicherstel-
len und allen Landsmannschaften die Möglichkeit geben, ihre kulturellen Schätze angemessen aufzubewahren
und auch der Öffentlichkeit durch Ausstellungen und in Museen zugänglich zu machen.
Stärkung der Heimatkunde in den Lehrplänen
Wir wollen die Geschichte und die Traditionen der deutschen Regionen auch im Unterricht pflegen. Die Kennt-
nis und der Gebrauch einheimischer Mundarten gehören für uns gleichfalls dazu.
Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Wir stehen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er gewährleistet eine flächendeckende Berichterstattung und
bietet Raum für verschiedene Werte, Meinungen und Lebenseinstellungen. Versuche der politischen Einfluss-
nahme haben ihm in den letzten Jahren sehr geschadet. Deswegen wollen wir uns dafür einsetzen, seine
Unabhängigkeit sicherzustellen. Nichtsdestotrotz ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk reformbedürftig. Die
hohe Anzahl an Radiosendern und Programmen kann durch Bündelung deutlich kostensparender, und den-
noch qualitativ ihrem Auftrag gerecht werdend betrieben werden. Dies entlastet die Steuerzahler*innen und
gewährleistet trotzdem einen hochwertigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Rundfunkwahl – Rechte der Rundfunkteilnehmer*innen stärken
Gerichtliche Streitigkeiten haben seit der Umstellung von „Gebühr“ auf „Beitrag“ stark zugenommen. Die Ak-
zeptanz hat dagegen abgenommen. Gerade sie gilt es aber zu stärken. Wir wollen deshalb den Rundfunkteil-
nehmer*innen umfassende Mitbestimmungsmöglichkeiten geben. Sie sollen neben dem Recht, informiert zu
werden, und der Pflicht, zu zahlen, auch Teilhaberechte erhalten. Dadurch wird der Rundfunkbeitrag durch
eine demokratische Entscheidung legitimiert. Konkret wollen wir, dass Rundfunkteilnehmer*innen künftig die
Besetzung der Rundfunkräte bestimmen. Über die Grundzüge des Programms, die Höhe des Rundfunkbei-
trags sowie über die Intendant*innen müssen sie entscheiden. Der Einfluss der Parteien wird dadurch be-
grenzt. Für die Umsetzung kann etwa das Modell der Sozialversicherungswahl herangezogen werden, das den
Versicherten die Mitbestimmung ermöglicht.
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Mehr Transparenz bei Rundfunkbeiträgen
Wir wollen die Akzeptanz der Gebühren für den unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhöhen. Da-
her halten wir es für notwendig, dass in jährlichen Transparenzberichten dargelegt wird, wofür die Beiträge
verwendet wurden und inwieweit dies kostensparend geschah. Ebenso soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk
verpflichtet werden, kostensparend zu wirtschaften.
Stärkung privater regionaler Radio- und Fernsehsender
Wir wollen das heimatbezogene Medienangebot deutschlandweit verbessern. Private Regionalsender sind
für das Informationsangebot der Menschen vor Ort sehr wichtig. Gleichzeitig stehen sie aber im Wettbewerb
mit den großen Sendern. Wir wollen sie deshalb beispielsweise bei der HD-Umstellung finanziell unterstützen.
Printmedien-Vielfalt erhalten
Wir wollen, dass Zeitungen und Zeitschriften als Kulturgut in unserer Gesellschaft eine Zukunft haben. Die Viel-
falt der Angebote muss im Sinne unserer vielfältigen Gesellschaft erhalten bleiben. Häufig sind diese Druck-
erzeugnisse die einzige Informationsquelle der Bürger*innen und sie sorgen gerade auf lokaler und regionaler
Ebene abseits der Städte für die notwendige Berichterstattung. Wir wollen deshalb gemeinsam mit den Ver-
lagen wieder das Bewusstsein für die Bedeutung der Printmedien schärfen.
Büchervielfalt erhalten
Wir stehen zur Buchpreisbindung und zum verminderten Mehrwertsteuersatz für Bücher. Uns ist es wichtig,
dass die Vielfalt der Literatur als Bestandteil unserer Kultur erhalten bleibt.
Anerkennung von Gesellschaftsspielen
Wir fordern außerdem die kulturelle und bildungspolitische Anerkennung von Gesellschaftsspielen wie etwa
klassischen Brettspielen, Kartenspielen sowie von modernen Formen wie „Pen-&-Paper-Rollenspielen“ und
dem Genre „Live-Rollenspiele“, damit diese entsprechend gefördert werden können.
Kulturgut der Computerspiele fördern
Computerspiele sind aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Vor allem für die jüngeren Gene-
rationen sind sie ein fester Bestandteil ihrer Freizeitgestaltung geworden. Die kreative Leistung, die dahinter-
steckt, ist damit schon längst Teil unserer heutigen Kultur geworden. Wir wollen deshalb auch diesen Bereich,
insbesondere pädagogisch hochwertige Spiele, fördern und lehnen eine Verbotspolitik in diesem Gebiet ab.
Gleichwohl wollen wir einen wirksamen Jugendmedienschutz, damit unsere Kinder und Jugendlichen vor ge-
fährdenden Inhalten geschützt werden.
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