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Wahlprogramm 2021

https://www.bundestagswahl-bw.de/wahlprogramm-die-linke-1

Wahlprogramm
zur Bundestagswahl 2021
Zeit zu handeln!
Für soziale Sicherheit,
Frieden und
Klimagerechtigkeit

Wahlprogramm der Partei DIE LINKE
zur Bundestagswahl 2021
Beschlossen auf dem Bundesparteitag am 19. und 20. Juni 2021
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Es kommt auf uns alle an.
Es kommt auf dich an. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Wir lassen niemanden zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Was uns bewegt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Eine neue Politik für alle,
die sie längst verdient haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Mut zur Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Gute Arbeit, gute Löhne –
Demokratie gilt auch im Betrieb! . . . . . . . . . . . 15
Löhne, die für ein gutes Leben reichen.
Schluss mit dem Niedriglohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Arbeitszeiten, die zum Leben passen . . . . . . . . . . . . 17
Gute Arbeitsbedingungen,
weniger Belastungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Kein Umbau auf dem Rücken
der Beschäftigten:
Weiterbildungsanspruch für alle . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Gleiche Rechte für Saisonbeschäftigte
und Beschäftigte in Privathaushalten . . . . . . . . . . . . 20
Union Busting stoppen,
Gegenwehr stärken,
Mitbestimmung ausweiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Gewerkschaften stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Gute Rente, gutes Leben: Solidarische
Erwerbstätigenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Soziale Sicherheit für alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Soziale Rechte:
Eine gerechte Versicherung
gegen Erwerbslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Bedarfsdeckende und sanktionsfreie
individuelle Mindestsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Sofortmaßnahmen: Erhöhung
der Regelsätze und Abschaffung
der Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Kinderarmut überwinden:
Kindergrundsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Familien dort unterstützen,
wo sie es brauchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Selbstbestimmt im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Pflegenotstand stoppen!
Systemwechsel in Gesundheit
und Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Eine neue solidarische
Gesundheitsversicherung! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Eine solidarische
Pflege-vollversicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Pflegende Angehörige entlasten! . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Öffentlichen Gesundheitsdienst
stärken! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Gesundheitliche Ungleichheit
bekämpfen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Ambulanter Bereich:
Gute Versorgung vor Ort,
in Stadt und Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Die Macht der Pharmaindustrie brechen!
Gesundheitsforschung
demokratisieren!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Keine Profite
mit Miete und Boden:
Zuhause für alle!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Mietenwahnsinn und Verdrängung stoppen.
Hohe Mieten senken und gemeinnützige
Wohnungswirtschaft aufbauen. Spekulation
mit Grund und Boden beenden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Mieten deckeln bundesweit! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Sozialen und gemeinnützigen
Wohnungsbau schaffen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Wohnen ist keine Ware.
Rechte von Mieter*innen stärken! . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Klimagerechtigkeit statt
Verdrängung! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Spekulation stoppen –
Gewinne abschöpfen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Immobilienkonzerne
an die Kette legen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Wohnen ist ein Grundrecht –
Wohnungen zuerst! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Städte zukunftsfest machen –
Leben in die Dörfer bringen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Gute Bildung: Gerecht,
gebührenfrei,
ein Leben lang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Gute Kitas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Eine Schule für alle: inklusiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Gut ausgebildet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Gute Weiterbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Gutes Studium, gute Arbeits bedingungen,
gute Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Gute Wissenschaft
braucht Gute Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Inhalt
Investitionen in die
soziale Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Transparente Forschung
und gesellschaftliche Verantwortung: . . . . . . . . . . . 55
Klimaschutz sozial gerecht: Für einen
sozialökologischen Systemwechsel . . . . . . . . 56
Die ökologische Krise ist die große
Überlebensfrage des 21. Jahrhunderts.
Gleichzeitig ist sie eine Klassenfrage . . . . . . . . . . . . 56
Den ökologischen Umbau planen . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Sozialökologische
Investitionsoffensive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Investieren in gut bezahlte,
klimaneutrale Jobs und die Infrastruktur
für ein besseres Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Arbeitsplatz- und Einkommensgarantien:
Einstieg in ein neues Wohlstandsmodell . . . . . . . . . 59
Industriearbeitsplätze
mit Zukunft schaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Demokratie in der Wirtschaft.
Genossenschaften und
solidarische Ökonomie fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Gerechte Mobilität:
Ökologisch und bezahlbar
für alle – mit guten Arbeitsplätzen. . . . . . . . . . 62
Mobilität für alle –
mit weniger Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Bahn für alle! Soziale und ökologische
Verkehrsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Automobilindustrie
sozial und ökologisch umbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Flugverkehr reduzieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Güterverkehr verringern
und auf die Schiene bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Klimagerechtigkeit
und Energiewende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Raus aus der Kohle,
Übergänge gerecht gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
In erneuerbare Energie investieren,
Energiekonzerne entmachten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Strompreise stärker kontrollieren,
Energie für alle bezahlbar machen. . . . . . . . . . . . . . . 71
Grüner Wasserstoff
in der Energiewende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Für eine nachhaltige Landwirtschaft.
Gesunde Nahrungsmittel für alle . . . . . . . . . . . 72
Biologische Vielfalt,
Tiere und Ressourcen schützen . . . . . . . . . . . . . 74
Tiere wirksam schützen:
Tierschutz als Staatsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Böden und Meere schützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
There is no planet B:
Ressourcen im Kreislauf führen . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Mehr Rechte für Verbraucher*innen . . . . . . . 78
Verbraucher *innenschutz
bei Finanzprodukten! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Selbstbewusster Osten –
Ostdeutsche Interessen stärken . . . . . . . . . . . . 79
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit –
Was sonst?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Lebensleistung Ost anerkennen –
Gleiche Rente für gleiche
Lebensleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Mehr Posten für den Osten –
Mehr plurale Sichtbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Treuhand-Vergangenheit aufarbeiten . . . . . . . . . . . . 82
Für einen wirtschaftlichen Aufbruch Ost . . . . . . . 82
Reaktivierung öffentlicher Infrastruktur . . . . . . . . . 83
Gegen alte und neue Nazis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Starke Kommunen,
gute Lebensqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Mit Steuern umsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
Einkommensteuer gerecht reformieren . . . . . . . . . . 88
Die Macht der Banken
und Finanzmärkte brechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Finanzkriminalität stoppen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Für eine Digitalisierung,
die den Menschen nützt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
Beschäftigte und ihre Rechte stärken . . . . . . . . . . . 92
Die Macht der Internetkonzerne
und Plattformen begrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Digitale Infrastruktur für alle ausbauen . . . . . . . . . . 93
Datensicherheit und Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . 95
Grundrechte schützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Digitale Zahlungssysteme regulieren . . . . . . . . . . . . 97
Öffentliche Verwaltung
demokratisch und digital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Schule und Lernen digital unterstützen . . . . . . . . . . 98
Digitalisierung im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . 99
Nachhaltige Digitalisierung:
ökologisch und sozial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Für Gerechtigkeit, Selbstbestimmung
und Vielfalt der Geschlechter . . . . . . . . . . . . . . 101
Linker Feminismus – Zeit für ein
selbstbestimmtes, sicheres und
gerechtes Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
(Sorge-)Arbeit und Zeit umverteilen . . . . . . . . . . . . . 102
Niemals am Leben sparen – keine Kürzungen
zulasten von Frauen und Familien . . . . . . . . . . . . . . . 103
Gewalt an Frauen beenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Unser Feminismus: Solidarisch
und international . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
Reproduktive Gerechtigkeit:
Freie Entscheidung für ein Leben
mit und ohne Kinder für alle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Für körperliche und sexuelle
Selbstbestimmung und Gleichstellung
aller Lebensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Offensiv und sozial für LSBTIQA* . . . . . . . . . . . . . . . 107
Queere Communitys stärken:
Rettungsschirm
gegen die Coronafolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Gegen Armut
und soziale Ausgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Diskriminierung bekämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Selbstbestimmt leben
in einer inklusiven und barrierefreien
Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Eine solidarische
Einwanderungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 112
Unsere Agenda gegen Rassismus:
Soziale Offensive und
gleiche Rechte für alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Menschlichkeit verteidigen:
Menschen retten, Fluchtwege frei machen,
Fluchtursachen bekämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Die Demokratie stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Rechten Terror und Gewalt stoppen . . . . . . . . . . . . 117
Die Rechte von Minderheiten stärken. . . . . . . . . . . 119
Sicherheit für alle statt
Über wachungsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Polizei im Rechtsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Unabhängigkeit der Politik sichern . . . . . . . . . . . . . 123
Die Demokratie demokratisieren! . . . . . . . . . . . . . . 123
Bürgerschaftliches Engagement
besser unterstützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Kultur: Krisenfest, vielfältig
und für alle zugänglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Medienvielfalt,
unabhängigen Journalismus
und Pressefreiheit stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Wir verteidigen die Freiheit zur und
von der Religion und die Trennung
von Staat und Kirche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Sport ist kein Luxus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Schluss mit der Kriminalisierung
der Drogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
Ohne Frieden ist alles nichts:
Für Frieden und Abrüstung.
Waffenexporte verbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Keine Auslandseinsätze der
Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Bundeswehr abrüsten statt auf rüsten –
Keine Bundeswehr als weltweite
Einsatzarmee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
Rüstungsexporte stoppen:
Kein Geschäft mit dem Krieg!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Keine Drohnen für den Krieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
Für eine atomwaffenfreie Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Kooperation statt Konfrontation:
Für ein inklusives Sicherheitssystem . . . . . . . . . . . 137
Zivile Konfliktbearbeitung
und Krisenprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
Soziale Gerechtigkeit weltweit. . . . . . . . . . . . . 139
Sozialökologisch
gerechte Weltwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Entwicklung durch Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 142
Klimagerechtigkeit global . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Gerechte Steuern weltweit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
UN und internationale
Zusammenarbeit stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Menschenrechte durchsetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Für ein solidarisches Europa!. . . . . . . . . . . . . . . 147
Investieren statt
Zukunft blockieren! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
Europaweit: Reichtum von oben
nach unten verteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Europäische Zentralbank
demokratisch kontrollieren
und sozial u nd ökologisch nutzen . . . . . . . . . . . . . . . 149
Die Wirtschaft umbauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Soziale Absicherung und Gute Arbeit . . . . . . . . . . 150
Demokratie statt Herrschaft
der Lobbyisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
Menschenrechte
statt Festung Europa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Wie wir das Land verändern . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
7
Einführung
Es kommt auf uns alle an.
Es kommt auf dich an
Die Bundestagswahl entscheidet darüber,
wie unser aller Weg in den nächsten Jahren
aussehen wird. Wir treten dafür an, dass dei-
ne Sorgen, Wünsche und Träume in diesem
Land endlich ernst genommen werden.
Wir stehen für eine Politik der Verlässlichkeit
und der Ehrlichkeit, aber auch des Mutes –
wir wollen verändern. Die Coronakrise hat
die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus
deutlich zutage treten lassen: während die
einen um ihren Arbeitsplatz, die Bildung
ihrer Kinder und die Gesundheit bangen
mussten, steigerten große Konzerne ihre
Gewinne. Wir finden uns nicht mit diesen
Verhältnissen ab und sind bereit, uns mit
den Profiteur*innen anzulegen.
Wir alle können gemeinsam Deutschland
demokratischer und sozial gerechter ma-
chen. Wir haben es zusammen in der Hand.
Unsere Wirtschaft muss in Deutschland,
Europa und weltweit sozialer, demokrati-
scher und umweltgerechter umgestaltet
werden. Unsere Demokratie wird nur dann
stärker, wenn alle Menschen an ihr teilha-
ben können. Unsere Zukunft kann nur dann
eine solidarische sein, wenn wir anfangen,
sie im Hier und Heute zu gestalten.
Darum geht es bei dieser Wahl. Dafür kommt
es auf eine starke LINKE an. Du hast die Wahl.
In unserem Programm zeigen wir, welche
Vorschläge wir haben. Wir laden dich ein,
an der Veränderung mitzuwirken. Und es ist
ein Versprechen an dich: DIE LINKE macht
den Unterschied. Wir haben den Mut, die
notwendigen Veränderungen zu wagen.
Für mehr Gerechtigkeit, für Frieden und
eine sichere Zukunft. Für dich. Mit dir.
Wir lassen niemanden zurück
Wir lassen niemanden zurück. Es geht um
die Verwirklichung der sozialen und demo-
kratischen Grundrechte und der Menschen-
würde aller. Es geht um alle Menschen,
um ihre Träume und ihr Recht auf ein gutes
Leben, um die Verwirklichung des alten
Menschheitstraums einer Welt des Friedens
und der sozialen Gerechtigkeit, für den so
viele gekämpft haben und kämpfen. Wir
wollen Sicherheit und Zukunft für alle unsere
Mitmenschen, denen angst und bange wird,
wenn sie an den Lohn, die Miete, die Strom-
rechnung oder an das Alter denken. Wir
wollen Vertrauen und soziale Sicherheit für
alle, die seit langem übersehen, missachtet
und verletzt werden, weil ihre Sorgen und
Nöte zu wenig zählen.
Wir bestehen darauf, dass sich die Dinge
ändern, weil sie geändert werden können.
Wir lassen niemanden zurück bei der Über-
windung der Coronakrise. Wir wollen die
Gesellschaft und die Demokratie krisen-
sicherer machen. Es geht uns um Gerechtig-
keit und Geborgenheit. Menschen brauchen
wieder Anerkennung und sozialen Halt.
Im Alltag, bei der Arbeit, in der Kommune
und in der Kultur!
Wir lassen niemanden zurück beim Umsteu-
ern gegen die Klimakatastrophe. Der Klima-
wandel weist unverändert und beschleunigt
darauf hin, dass die kapitalistische Wirt-
schaftsweise mit Ressourcenverbrauch und
Schadstoffemissionen, mit nachhaltiger
Erwärmung des Weltklimas, mit unheilbarer
Gefährdung der Artenvielfalt und der ge-
samten Biosphäre verbunden ist, die schon
kurzfristig das Leben auf der Erde gefähr-
den können. Wir wollen eine Gesellschaft,
die für eine Wende zum Besseren – sozial
und solidarisch – gerüstet ist. Denn Wandel
braucht Hoffnung, dass er gelingen kann,
dass alle mitmachen können und sich nie-
mand ausgeschlossen fühlt. Veränderung
braucht soziale Sicherheit in einer fried-
lichen Welt. Veränderung braucht aber auch
Vertrauen. Dafür werben wir. Solidarisch
schaffen wir es.
Was uns bewegt
Seit über einem Jahr beherrscht die Corona-
krise unseren Alltag. Die Menschen machen
sich Sorgen um ihre Liebsten und deren
Gesundheit.
8
Die Pandemie trifft zwar alle, aber sie
trifft nicht alle gleichermaßen. Millionen
von Menschen arbeiten hart und viel –
und bekommen wenig dafür. Das gilt im
Besonderen in der Coronakrise. Von Armut
bedrohte Menschen tragen ein höheres
Risiko, Einkommen zu verlieren oder krank
zu werden. Noch schneller als zuvor ist die
soziale Ungleichheit zwischen dem globa-
len Norden und Süden verschärft worden.
Gestützt durch die private Verfügung über
Pharmapatente haben die zentralen Indus-
triestaaten eine Art Impfnationalismus
gegenüber ökonomisch benachteiligten
Ländern hervorgebracht.
Es geht uns um alle, die unter dieser Jahr-
hundertkrise durch ein Virus leiden, aber
es geht uns auch besonders um all jene, die
jetzt alles geben und nur sehr wenig bekom-
men. Diejenigen, die den Laden zusam-
menhalten und wenig verdienen, müssen
noch mehr arbeiten. Anerkennung muss
sich auch auf dem Lohnzettel ausdrücken!
Das gilt genauso für Angestellte im Einzel-
handel, für Beschäftigte in der Gastrono-
mie, in Kitas und in der Sozialarbeit, für
die Reinigungskräfte, für Zusteller*innen.
Es geht aber auch um Kunst und Kultur. Es
geht um all jene, die sich ihren Traum der
Selbstständigkeit zu erfüllen versuchen und
Schwierigkeiten haben, über die Runden zu
kommen. Millionen wurden von dieser Jahr-
hundertkrise getroffen und sie alle brau-
chen jetzt ein sicheres Fundament und eine
soziale Perspektive für ihre Existenzen und
ihre Lebensträume. Wir müssen das ändern.
Das können wir nur gemeinsam erreichen.
Seit über einem Jahr wissen die Menschen,
was nötig wäre, um die Pandemie in den
Griff zu bekommen, um Leben zu schützen
und die Rückkehr in den Alltag zu ermög-
lichen. Aber die Bundesregierung hat
dabei versagt, dieses Land aus der Krise
herauszuführen: bei der Impfstoffbeschaf-
fung, bei der Versorgung mit Tests, bei
den Wirtschaftshilfen. Die Große Koalition
hat Großkonzernen geholfen, aber viele
Menschen sind durch die Maschen der
Rettungsnetze gefallen. Die Kulturbranche
liegt am Boden. Die Regierung hat in der
Pandemiebekämpfung versagt, weil sie die
Profitinteressen der Wirtschaft über den
Gesundheitsschutz gestellt hat. Sie hat
sogar einen Teil der Kosten der Pandemie
bereits auf die Beschäftigten abgewälzt.
Die Versicherten der gesetzlichen Kranken-
kassen tragen den Großteil der Kosten der
Gesundheitsversorgung in der Pandemie.
Zwar war sie bestrebt, die Infektionszahlen
in einem Rahmen zu halten, der das kaputt-
gesparte Gesundheitswesen nicht zusam-
menbrechen lässt. Doch das Virus zirkuliert
weiter, immer mehr Menschen erkranken
und sterben. Das Land taumelt von einem
halbherzigen Lockdown zum nächsten.
16 Jahre Angela Merkel haben einen Schleier
über die sozialen Unterschiede gelegt, die
unsere Gesellschaft so zerklüften, in Un-
ruhe versetzen, die spalten und zu Wut und
Ohnmacht geführt haben.
Wir sprechen diese Unterschiede an und
zu kritisieren sie. Und wir wollen sie über-
winden. Es geht um mehr soziale Gerechtig-
keit und es geht um eine gerechtere Vertei-
lung des Reichtums in diesem reichen Land
und in der Welt. Wir können das ändern.
Die Coronapandemie hat die Krise unserer
Infrastruktur und der öffentlichen Daseins-
vorsorge offengelegt. Jahrzehntelang wurde
kaputtgespart, was nun so dringend ge-
braucht wird. Zu Recht hatte Gesundheit
niemals einen so hohen Stellenwert wie
heute. All jene, die in den Krankenhäusern
jetzt dafür einstehen, jeden Tag, Stunde um
Stunde, dass nicht noch mehr Menschen der
Pandemie zum Opfer fallen, brauchen bes-
sere Arbeitszeiten, und sie brauchen mehr
Lohn. Bessere Gehälter in der Pflege und in
den Krankenhäusern hilft nicht nur konkret
Beschäftigen, sondern ist eine Investition in
das Wohlbefinden der ganzen Gesellschaft.
Personalmangel und Dauerstress etwa im
Gesundheits- und Bildungssystem dürfen
nicht sein. Im Gesundheitswesen fehlt es
an Pflegekräften, die Belastungen steigen,
die Einkommen steigen nicht mit. Es waren
politisch gewollte Entscheidungen, die dazu
geführt haben, dass die Arbeit und die
Lasten in dieser Gesellschaft so ungleich
verteilt sind. Wir werden das ändern. Wir
mit dir zusammen. Wir wollen mit dir dafür
streiten, das Gemeinwohl zu stärken und
die Kapitalinteressen zurückzudrängen. Wir
kämpfen für ein neues Wirtschafts- und
9
Gesellschaftsmodell. Unsere Alternative
ist der ökologische und demokratische
Sozialismus.
Eine neue Politik für alle,
die sie längst verdient haben
Unser Ziel: eine neue Politik für eine Mehr-
heit, die sie längst verdient hat. Wir kämpfen
für eine starke soziale Infrastruktur. Wir
wollen, dass die öffentliche Daseinsvor-
sorge und die Verwaltung in einem reichen
Land auf Krisen wirklich vorbereitet sind.
Wir wollen, dass alle damit rechnen können,
in Krisen Schutz und Hilfe zu erhalten. Wir
wollen Anerkennung für diejenigen, die die
Gesellschaft am Laufen halten, und zwar
auch im Portemonnaie: Löhne, die für ein
gutes Leben reichen.
Unser Ziel: eine Gesellschaft des guten
Lebens für alle. Wir wollen Arbeit für alle,
die gut entlohnt, tariflich abgesichert
und gerecht verteilt ist. Wir wollen einen
starken demokratischen und zukunfts-
festen Sozialstaat, der gerecht finanziert
ist und alle schützt. Wir wollen eine neue
Daseinsvorsorge für alle, die Gesundheit,
Pflege, Bildung, Erziehung, Wohnen, Nah-
verkehr und Energieversorgung öffentlich
organisiert, damit sie dem Gemeinwohl
dienen und alle die Chance bekommen,
ihre Träume zu leben.
Wir schlagen ein linkes Programm vor, das
niemanden zurücklässt: einen Plan für den
Neustart aus der Pandemie heraus. Einen
Plan für einen sozial- und klimagerechten
Umbau von Wirtschaft und Infrastruktur.
Einen Plan für einen erneuerten Sozial-
staat. Ein Angebot für eine krisensichere
Gesellschaft, in der sich die Menschen
wieder aufgehoben und geborgen fühlen.
Eine Politik, von der die überwiegende
Mehrheit der Menschen in diesem Land
profitieren würde. Die Einhaltung der
sozialen Grundrechte ist eine unabdingbare
Voraussetzung für ein würdevolles Leben
in einer sozial gerechten Gesellschaft. Wir
setzen uns für die Wahrung der sozialen
Grundrechte auf allen gesellschaftlichen
Ebenen ein.
n Arbeitsplätze in der Krise verteidigen
und gut bezahlte, klimagerechte Arbeit
schaffen: Als Folge der Pandemie drohen
in vielen Branchen Entlassungen und
Kahlschlag in den Innenstädten. Wir wollen
staatliche Unterstützung an Garantien für
Arbeitsplätze und Tarifverträge binden – und
zugleich Weichen für eine bessere Zukunft
stellen, für sichere Arbeitsplätze und eine
funktionierende öffentliche Infrastruktur.
Wir wollen mit einem Investitionspro-
gramm die Ausstattung von Bildung,
Erziehung, Gesundheit und Pflege deutlich
ausbauen und mehr Personal einstellen.
Breitbandnetzausbau investieren. Wir wollen
für die Kommunen Investitionsmittel zur
Verfügung stellen, damit in Solardächer,
energieeffiziente Gebäude und bezahl-
bares Wohnen, in bezahlbare Mobilität,
Kultur, Sport und in attraktive Innenstädte
investiert wird. So können wir einen Kahl-
schlag als Folge des Lockdowns verhin-
dern – und zugleich die Weichen für die
Zukunft stellen. Wir schlagen einen öffent-
lichen Transformationsfonds vor, der klima-
gerechte Arbeitsplätze für die Zukunft
sichert und ein ökologisches Umsteuern
fördert. Mit unserem Zukunftsinvestitions-
programm können wir bis 2025 eine Million
gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen, die
helfen, Wirtschaft und Infrastruktur bis
2035 klimaneutral zu machen.
n Gute Arbeit, gerechte Bezahlung:
Die vielen Menschen, die den Laden am
Laufen halten und dennoch am Monats
ende kaum über die Runden kommen,
brauchen dringend höhere Löhne. Wir
wollen den gesetzlichen Mindestlohn auf
13 Euro anheben, damit Einkommen aus
Arbeit auch wirklich vor Armut schützt. Die
Gehälter für Normal- und Geringverdie -
nende müssen deutlich steigen. Dafür
wollen wir Gewerkschaften stärken und es
einfacher machen, Tarifverträge für allge-
meinverbindlich zu erklären. Leiharbeit und
sachgrundlose Befristungen, Mini- und
Midijobs drücken auf die Löhne und schwä-
chen die Sozialversicherung. Wir wollen
diese Jobs möglichst in reguläre, voll sozial
abgesicherte Arbeitsverhältnisse über-
führen. Stress und Überbelastung, während
andere ohne Job dastehen – das muss
nicht sein. Arbeitszeitverkürzung sichert
10
Arbeitsplätze in der Industrie und in von der
Digitalisierung veränderten Branchen – sie
ermöglicht neuen Wohlstand für alle. Wir
unterstützen die Gewerkschaften in ihrem
Kampf für eine deutliche Arbeitszeitver-
kürzung in Richtung einer 30-Stunden-Woche
mit vollem Lohn- und notwendigem Perso-
nalausgleich. Den Weg dorthin wollen wir
mit der Begrenzung von Überstunden und
einer Absenkung der gesetzlichen Höchst-
arbeitszeit flankieren.
n Gute Gesundheitsversorgung und
menschenwürdige Pflege für alle: Die
Coronakrise ist auch Ergebnis der Vernach-
lässigung wichtiger Pfeiler einer funktio-
nierenden Gesellschaft. Es ist falsch, dass
Krankenhäuser nach Fallpauschalen und
mit Gewinnorientierung wirtschaften
müssen. In Krankenhäusern und Pflege-
einrichtungen fehlen für eine gute Betreu-
ung jeweils100.000 Pflegekräfte. Wir wollen
Krankenhäuser und Pflegekonzerne von
der Börse nehmen. Private Krankenhäuser
und Pflegebetriebe, die nicht gemeinnützig
arbeiten, wollen wir in Gemeineigentum
überführen. Sie müssen nach Bedarf und
Gemeinwohl organisiert werden. Das System
der Fallpauschalen wollen wir durch eine
bedarfsgerechte Finanzierung ersetzen. Die
Gehälter in der Pflege wollen wir erhöhen,
das hilft auch gegen Fachkräftemangel.
Die Zweiklassenmedizin wollen wir mit
einer solidarischen Gesundheitsversiche-
rung ablösen, in die alle einzahlen. Die
Pflegeversicherung wollen wir zu einer Voll-
versicherung umbauen, die alle Leistungen
übernimmt. Die Eigenanteile für die Ver-
sicherten oder ihre Angehörigen, die heute
viele Menschen in Armut und Verzweiflung
treiben, entfallen. Es darf nicht sein, dass
Menschen durch Patente vom Zugang zu
Medikamenten und Impfstoffen ausge-
schlossen werden, nur um die Profite der
Pharmakonzerne hoch zu halten. Gerade
in der Pandemie zeigt sich, dass Pharma-
forschung ein öffentliches Gut ist. Die
Lizenzen für die Coronaimpfstoffe müssen
freigegeben werden, damit die Impfstoff-
produktion beschleunigt werden kann.
n Für Bildungsgerechtigkeit: Corona
zeigt die Versäumnisse in der Bildungs
politik – beim Personalschlüssel, bei
digitaler Ausstattung und bei unzu
reichenden Schutzmaßnahmen.
Gleich gute Bildung für alle Kinder gibt
es nur mit einem Aufbauprogramm für
mehr Erzieher*innen, Lehrer*innen und
Sozialpädagog*innen. Ein Rechtsanspruch
auf einen Kitaplatz bedeutet auch: Anspruch
auf gute Betreuung, kleine Gruppen, gut
bezahlte und ausgebildete Erzieher*innen
und keine Gebühren. Es sollte selbstver-
ständlich sein, dass es nicht durchs Schul-
dach regnet, die Toiletten sauber sind
und jedes Kind ein mobiles Endgerät sowie
Zugang zu Datenvolumen hat.
n Ein neuer Sozialstaat: Eine Gesell
schaft, die Sicherheit schafft und Wandel
ermöglicht, ist nur mit ausreichender
und krisenfester sozialer Absicherung
machbar. Die Pandemie hat gezeigt, dass
Leistungen viel zu knapp bemessen sind.
Wir wollen dafür sorgen, dass niemand im
Monat weniger als1.200 Euro zur Verfügung
hat. Das ist unsere Grenze für ein gerechtes
Mindesteinkommen. Wir wollen eine Ver-
sicherung gegen Erwerbslosigkeit, die auch
Soloselbstständige absichert. Die Zeit von
Hartz IV ist abgelaufen. Wir kämpfen für
eine Mindestsicherung, die sanktionsfrei
ist, also nicht gekürzt werden kann.
n Weg mit der Altersarmut: Im Jahr 2000
lag das Rentenniveau noch bei 53 Prozent,
wenn es nach der Bundesregierung geht,
soll es auf 43 Prozent sinken. Das ist ein
Programm für Altersarmut! Wir treten für
eine gesetzliche Rente ein, die den Lebens-
standard wieder annähernd sichert – in
Ost und West gleichermaßen. Dafür wollen
wir die Rentenkürzung zurücknehmen und
die Regelaltersgrenze wieder senken. Das
Rentenniveau wollen wir sofort auf 53 Pro-
zent anheben. Wer derzeit die aktuelle
Durchschnittsrente in Höhe von1.048 Euro
(netto) bekommt, erhält dann knapp
100 Euro mehr im Monat. Die Renten von
Frauen und allen Menschen, die zu nied-
rigen Löhnen arbeiten, wollen wir aufwerten,
damit auch ihre Lebensleistung endlich
zählt. Und niemand soll im Alter von weniger
als1.200 Euro netto leben müssen. Auch
Beamt*innen, Abgeordnete, Freiberufliche
und Selbstständige sollen in Zukunft in die
11
gesetzliche Rente einzahlen. Wir wollen
neue gesetzliche Regelungen zur Anerken-
nung der Lebensarbeitsleistungen. Ver-
schiedenen ehemaligen DDR-Bürger*innen
sind willkürlich die Altersversorgungen
begrenzt worden; das wollen wir aufheben.
n Geschlechtergerechtigkeit – Zeit für
ein selbstbestimmtes, sicheres und gerech-
tes Leben: Als LINKE stehen wir für einen
Feminismus, der an die Wurzeln geht. Das
heißt zuallererst, Arbeit und Zeit zwischen
den Geschlechtern gerecht zu verteilen.
Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle frei,
sicher und selbstbestimmt leben können,
Zeit für Familie und Freund*innen haben
und gleichzeitig einer sinnvollen und gut
bezahlten Arbeit nachgehen können. Wir
wollen eine Gesellschaft, in der die Frauen
genauso an politischen Entscheidungen
mitwirken können wie Männer und in der
sich das Leben nicht nur um die Lohnar-
beit dreht.
n Keine Rendite mit der Miete: Corona
hat viele Menschen dazu gezwungen, zu
Hause zu bleiben oder dort zu arbeiten.
Aber immer weniger können sich ihre Woh-
nungen leisten. Die Mieten sind in den
vergangenen Jahren explodiert, durch die
Städte walzt das Immobilienkapital und ver-
spricht Renditen. Wir wollen Mietendeckel
im gesamten Bundesgebiet möglich machen.
Unser Ziel: die Explosion der Mieten nicht
nur bremsen, sondern beenden und rück-
gängig machen. Besonders hohe Mieten
müssen abgesenkt werden. Immobilienkon-
zerne wollen wir von der Börse nehmen.
Es ist notwendig, dass im Jahr mindestens
250 000 zusätzliche Wohnungen geschaffen
werden, die dauerhaft bezahlbar sind.
n Ungleichheit verringern: Neue soziale
Sicherheit, ein Neustart aus der Pandemie
heraus und ein klimagerechtes Umbaupro-
gramm sollten gerecht finanziert werden.
Wir wollen hohe Vermögen und Erbschaften
stärker besteuern. Statt einer Billigsteuer
für Unternehmensgewinne wollen wir Pro-
fite wie alle Einkommen besteuern. Unser
Grundgesetz sieht die Möglichkeit einer
Vermögensteuer vor, wir wollen diese wieder
erheben und Multimillionäre und Milliardäre
mit einem progressiven Steuertarif von bis
zu fünf Prozent in die Finanzierung einer
gerechten Gesellschaft einbeziehen. Mit
den Einnahmen können die Bundesländer
dringend notwendige Investitionen in Bil-
dung, Gesundheit und Wohnen leisten. Wir
halten gemeinsam mit vielen Expert*innen
die Schuldenbremse für volkswirtschaftlich
schädlich und wollen sie abschaffen. Wir
schlagen vor, die Steuerfreibeträge in der
Einkommensteuer anzuheben:1.200 Euro
pro Monat werden von Steuern freigestellt.
Das entlastet niedrige und mittlere Einkom-
men spürbar.
n Neuer Aufbruch für den Osten: Das
Versprechen des Grundgesetzes, es sollen
gleichwertige Lebensverhältnisse herr-
schen, wollen wir endlich wahr machen.
Wir streiten für einheitliche Tarifgebiete
und gleiche Löhne in diesem Land. Der
Rentenwert Ost muss sofort auf das West-
niveau angehoben werden. Solange es
noch starke Lohnunterschiede zwischen
Ost und West gibt, soll die Umrechnung der
Ostgehälter bei der Rente erhalten bleiben.
Die Angleichung der Ostrenten darf kein
Nachteil für die heutigen Beschäftigten sein.
Wir wollen im Osten den Eigensinn, den
Aufbruchsgeist und die Solidarität der
Menschen stärken. Kein Umbau der Regio-
nen mehr über die Köpfe der Menschen
vor Ort hinweg! Wir schlagen Sozial- und
Wirtschaftsräte vor, die den Menschen
Mitbestimmung ermöglichen.
n Digital geht auch sozial: Die Corona-
krise zeigt, was wir schon länger wissen:
Wer keinen schnellen digitalen Zugang hat,
ist heutzutage faktisch von einem großen
Teil gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlos-
sen. Die digitale Spaltung unserer Gesell-
schaft vertieft nicht nur die bestehende
Armut, sondern hängt all jene ab, an deren
Wohnort das Internet zu langsam ist oder
bei denen das Geld nicht für einen guten
Anschluss reicht. So wie unsere Schulen
und Behörden digital fit gemacht werden
müssen, so haben alle Bürger*innen, ob in
der Stadt oder im ländlichen Raum, das
Recht auf einen schnellen Internetzugang.
Datensouveränität und digitaler Zugang
gehören zu einer staatlich garantierten
Grundversorgung. Wir sagen: Sie müssen
einklagbare soziale Grundrechte werden.
12
Das bedeutet für uns auch, dass die digitale
Teilhabe niemals die soziale Begegnung
ohne digitale Geräte ersetzen darf.
n Sozial und klimagerechte Wirtschafts
politik: Wir müssen den Umbau zu einer
weitgehend kohlendioxidfreien, ener-
gie- und ressourcensparenden Wirtschaft
und Infrastruktur so schnell wie möglich
schaffen, um überhaupt die Chance zu
haben, das1,5-Grad-Ziel bei der Begren-
zung der Erderwärmung noch zu erreichen.
LINKE Wirtschaftspolitik setzt auf höhere
Löhne und sichere Arbeitsverhältnisse
sowie auf demokratische Entscheidung
über Investitionen, mit denen wir eine
gemeinwohlorientierte und klimaneutrale
Wirtschaft auf den Weg bringen wollen.
Die Industriestruktur muss regionaler,
krisenfester und unabhängiger vom Export
werden. Mit einem staatlichen Industrie-
Transformationsfonds über 20 Milliarden
Euro pro Jahr wollen wir den notwendigen
ökologischen Umbau in der Industrie,
insbesondere der Autozuliefererindustrie
unterstützen. Von diesem Fonds profitieren
Betriebe, die Arbeitsplätze sichern, gute
Löhne und flächendeckende Tarifverträge
haben.
Über die öffentliche Förderung sollen regio-
nale Wirtschafts- und Transformationsräte
entscheiden, in denen neben der Politik und
den Unternehmen auch Gewerkschaften,
Umwelt- und Sozialverbände gleichbe-
rechtigt Stimmrecht haben. Genossen-
schaften wollen wir besonders fördern.
n Einzelhandel unterstützen: Nicht erst
seit der Pandemie gefährden Onlinehandel,
große Supermärkte und Lieferservice den
Einzelhandel in den Städten. Wir wollen eine
gesetzliche Regelung im Bund schaffen,
sodass Länder und Kommunen rechtssicher
Mietendeckel für Kleingewerbe, Handwerk,
kulturelle Einrichtungen sowie für soziale
und gemeinnützige Träger einführen können.
Die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel
sind oft gekennzeichnet von schlechter
Bezahlung, Überstunden und, befristeter,
prekärer Beschäftigung. Die Tarifbindung
ist rückläufig. Daher fordert DIE LINKE gute
Löhne und Arbeitsbedingungen für die
Beschäftigten im Einzelhandel.
n Sichere Jobs und Mitbestimmung: Wir
wollen Garantien für Arbeitsplätze und
Einkommen für die Beschäftigten. In der
Krise und wenn Unternehmen auf klimage-
rechte Produktion umstellen, kann eine
Arbeitszeitverkürzung mit Weiterbildungs-
offensive die Arbeitsplätze sichern. Die
Weiterbildung wird anteilig aus einem Soli-
darfonds von den Unternehmen und der
Agentur für Arbeit bezahlt. Wir wollen ein
Weiterbildungsgeld einführen. Staatliche
Gelder, die als Hilfszahlungen oder Subven-
tionen an Unternehmen gehen, wollen wir
an langfristige Garantien von Arbeitsplätzen,
Tarifverträgen und an verbindliche Investi-
tionspläne für ökologischen Umbau binden.
Öffentliche Aufträge binden wir an Tariftreue.
Wir wollen Vetorechte der Beschäftigten
gegen Kahlschlag in Unternehmen und wirk-
same Mitbestimmung bei Entscheidungen
über Standortschließungen, Massenent-
lassungen und Zukunftsinvestitionen.
n Konsequenter Klimaschutz und mehr
Lebensqualität, Mobilitäts , Agrar und
Energiewende: Wir wollen den öffentlichen
Nahverkehr ausbauen, den Takt erhöhen und
den Service verbessern – auch auf dem Land.
Die Ticketpreise wollen wir bis zum Nulltarif
senken. Wir schaffen gute Arbeitsplätze in der
Produktion von Bus, Bahn und Schiene und
für die Beschäftigten im ÖPNV. Wir beginnen
mit Modellprojekten in 15 am meisten von
Abgasen belasteten Städten. Wir verlagern
Kurzstreckenflüge und Frachtverkehr auf
die Schiene. Die Bahn muss ausgebaut und
für alle bezahlbar werden. Unsere Verkehrs-
wende sorgt für mehr Mobilität, aber mit
weniger Verkehr. Wir wollen die Energiever-
sorgung am Gemeinwohl ausrichten und in
Stadtwerken und Genossenschaften organi-
sieren. Die gesamte Energie sollte so schnell
wie möglich aus erneuerbaren Quellen
kommen. Kommunen wollen wir beim klima-
neutralen Umbau und der Schaffung guter
Arbeit unterstützen. Dazu bedarf es einer
Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive im
Handwerk, um den Bedarf an Fachpersonal
in allen Bereichen zu decken. Wir wollen für
alle Menschen eine gute Ernährung sichern
und die Agrarindustrie zu einer krisenfesten
ökologischen Landwirtschaft umbauen. Nur
so können wir langfristig Zugang zu genug
Wasser und Lebensmitteln garantieren.
13
n Agrarland schützen: Wir wollen öffent-
lichen Besitz an land- und forstwirtschaft-
lichen Flächen stärken und Landraub wirksam
verhindern. Wir schlagen unter anderem
einen öffentlichen Bodenfonds vor, der an
nachhaltig wirtschaftende, ortsansässige
Agrarbetriebe zu fairen Konditionen ver-
pachtet. Genossenschaftliche und gemein-
nützige Nutzung wollen wir fördern, die
Bodenpreise deckeln. Damit sichern wir re-
gionale Nahrungsproduktion, ökologischen
Umbau und die Zukunft von Landwirt*innen.
n Antifaschismus ist eine Grundlage
unserer Politik, die sich nicht zuletzt
gegen die Strukturen richtet, die
Faschismus hervorbringen: Wir stellen
uns allen Formen der Menschenfeind-
lichkeit entgegen und verteidigen die
Demokratie – auf der Straße, im Alltag, im
Parlament. Wir wollen die Kräfte in der
Zivilgesellschaft mit einem Demokratie-
fördergesetz stärken, die sich gegen
Rassismus, Antisemitismus, Antiziga-
nismus und Neonazis engagieren.
n Der sogenannte Verfassungsschutz
schützt nicht die Demokratie, sondern oft
rechte Strukturen. Wir wollen die Verfas-
sungsschutzbehörden in dieser Form
aufl ösen. Wir wollen antifaschistische Arbeit
in der Zivilgesellschaft fördern und eine
unabhängige Beobachtungsstelle einsetzen.
Wir wollen einen Untersuchungsausschuss
zum Rechtsterrorismus einsetzen und Ermitt-
lungsschwerpunkte gegen militante Neonazis
schaffen. Wir machen uns für eine antifa-
schistische Erinnerungskultur stark.
n Gegen Aufrüstung und Krieg: Jede
Waffe findet ihren Krieg. Wir wollen den
Export von Waffen und Waffenfabriken
verbieten. Rüstungsexporte in Länder,
die an Kriegen beteiligt sind und Men-
schenrechte missachten, müssen sofort
unterbunden werden. DIE LINKE ist der
Friedens- und Entspannungspolitik verbun-
den. Zivile Konfliktlösung wollen wir stärken.
Auslandseinsätze der Bundeswehr werden
wir beenden und neue verhindern. Wir
wollen Menschen aus Kriegsgebieten bei
einer legalen und sicheren Möglichkeit
zur Flucht unterstützen und treten für ein
menschenwürdiges Leben außerhalb des
Kriegsgebietes ein. Gerade in einer Pande-
mie sollte das Geld in Gesundheitsversor-
gung – auch international – und eine gerech-
tere Weltwirtschaft fließen, nicht in Panzer
oder Drohnen. Statt mit Verweis auf das
2-Prozent-Ziel der NATO die Bundeswehr
hochzurüsten, setzen wir uns für Abrüstung
und Entspannung und vernunftorientierte,
friedliche internationale Beziehungen ein;
das schließt Russland und China ein.
n Menschlichkeit ist für uns unteilbar: Viele
Menschen werden wegen ihrer körperli-
chen Verfassung, ihrer Herkunft ihrer Armut,
ihres Geschlechts, ihres Alters, Glaubens
oder ihrer sexuellen Orientierung diskrimi-
niert, von sozialer und politischer Teilhabe
ausgegrenzt. Oft sind sie psychischer und
körperliche Gewalt ausgesetzt. Wir aber
wollen ein Land, in dem alle gleichberechtigt
zusammenleben und an den demokratischen
Entscheidungen beteiligt werden. Wir setzen
Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt
unser Modell einer inklusiven und sozialis-
tischen Gesellschaft entgegen. Deshalb
setzen wir uns für Bleiberecht und gleiche
Rechte ein. Wir wollen Fluchtursachen
bekämpfen, nicht Geflüchtete. Elend und
Sterben an den europäischen Außengrenzen
müssen ein Ende haben: Seenotrettung und
die Flüchtlingskonvention der Vereinten
Nationen einzuhalten, muss selbstver-
ständlich sein. Wir wollen die Lager evaku-
ieren, in denen Geflüchtete unter unmensch-
lichen Bedingungen eingesperrt sind und
kämpfen gemeinsam für die vollständige
Wiederherstellung des Rechts auf Asyl.
n Für mehr Demokratie streiten: Die Corona -
krise hat auf allen Ebenen die Defizite der
bestehenden parlamentarischen Demokra-
tie aufgezeigt. Wir wollen eine Krisenbe-
wältigung mit mehr und nicht mit weniger
Demokratie. Die parlamentarischen Rechte
müssen gestärkt werden. Alle Einschrän-
kungen müssen demokratisch entschieden,
kontrolliert, transparent und regelmäßig
überprüft werden.
Mut zur Veränderung
Unser Programm für eine sozialökologische
Wende, die niemanden zurücklässt, ist
nicht bescheiden. Wir stehen für eine
14
gesellschaftliche Entwicklung, in der die
Vorherrschaft des Kapitals durch demo-
kratische, soziale und ökologische Kräfte
überwunden wird und die Gesellschaft des
demokratischen Sozialismus entsteht.
Bei dieser Bundestagswahl geht es um die
Zukunft. Es geht um eine Entscheidung über
den Weg, den dieses Land einschlägt und
zu gehen beginnt. Dafür braucht es große
Ideen und den Mut zur Veränderung. Wir
wollen mitbestimmen. Unsere Vorschläge
sind machbar.
Denn so, wie es ist, darf es nicht weiter-
gehen. Es wird bei dieser Wahl darum gehen,
wer am Ende für die Kosten der Pandemie
zahlt. Wir wollen zur Bewältigung der
Krisenkosten eine Vermögensabgabe und
Multimillionär*innen und Milliardär*innen
gerecht besteuern.
Wir wollen Löhne, die für ein gutes Leben
reichen. Wir wollen Mieten deckeln
und die Renten so erhöhen, dass die
Rentner*innen und die kommenden
Generationen im Alter gut leben können.
Wir wollen, dass sich alle gute Ernährung
leisten können. Es geht um gleiche
Lebensverhältnisse und gleiche Lebens-
chancen für alle Kinder, um Gerechtigkeit
in der Bildung und gute Schulen und Kitas
in allen Stadtteilen. Es geht uns um gleiche
Rechte für alle. Alle, die in diesem Land
leben und arbeiten – und die es oft schwer
haben, eine Wohnung zu finden. Die von
Rassismus im Alltag und den gesellschaft-
lichen Strukturen betroffen sind. Es geht
um soziale Sicherheit für alle und darum,
ohne Angst verschieden sein zu können.
Wir stehen vor großen Umbrüchen. Wir
sehen darin eine Chance. Wir wissen, dass
die Mehrheiten in diesem Land für mehr
Gerechtigkeit, für soziale Sicherheit und
für Klimagerechtigkeit sind. Hier liegt für
uns LINKE eine Verantwortung in den zu
erwartenden Klassenkämpfen: das Potenzial
von Veränderungen auch zu nutzen. Wir
stehen für einen gesellschaftlichen Aufbruch
nach der Pandemie – nach Jahren der Kür-
zungspolitik und Jahrzehnten ökologischer
Zerstörung: Gemeinwohl vor Profite. Soli-
darität, die diesen Namen verdient, statt
Bereicherung und Korruption. Wir brauchen
einen gesellschaftlichen Aufbruch. Einen
Aufbruch für soziale Sicherheit und eine
funktionierende Infrastruktur, für Frieden,
für soziale und für Klimagerechtigkeit.
Der notwendige Wandel unserer Wirtschaft
darf nicht auf Kosten der Beschäftigten und
der breiten Bevölkerung erfolgen. Weder
hierzulande noch anderswo. Wir wollen eine
Wirtschaft, in der sich kein*e Arbeiter*in
zwischen dem Job und der Zukunft der eige-
nen Kinder entscheiden muss. Wir wollen
eine Gesellschaft, in der sich Arbeiter*innen
und Angestellte den Klimaschutz auch leis-
ten können. Der Schutz der Lebensgrund-
lagen braucht ein Fundament: soziale Sicher-
heit. Ohne Sicherheit und Vertrauen können
wir unsere Gesellschaft nicht klimaneutral
machen.
Eine sozialökologische Transformation
braucht deshalb gerechte Übergänge. Wir
wollen Arbeitsplatz- und Einkommensgaran-
tien und eine Million gut bezahlte und
sinnvolle klimaneutrale Arbeitsplätze
schaffen. Wir können die Klimakatastrophe
gemeinsam bewältigen, wenn wir es radikal,
realistisch und gerecht machen. Wir wollen
die Weichen so stellen, dass unsere Infra-
struktur und Wirtschaft, Kommunen und
Industrie bis Mitte des nächsten Jahrzehnts
klimaneutral werden.
Wir haben keine Zeit mehr, auf bessere
Zeiten nur zu warten. Es geht mehr denn
je um linke Politik im Hier und Heute, um
einen Aufbruch für mehr soziale Demo-
kratie und mehr Klimagerechtigkeit. Wir
stehen dafür ein, dass das längst Über-
fällige an sozialen, demokratischen und
ökologischen Veränderungen auch ver-
wirklicht wird. Wir sagen nicht nur, wie
es besser gemacht werden könnte. Wir
wollen es auch anders machen.
Wandel braucht Experimente. Wir setzen
auf eine neue Kultur im politischen Handeln.
Wer immer meint, allein recht zu haben,
kann die Welt nicht verändern. Das gilt für
demokratische Parteien und für progressive
Mehrheiten besonders. Wir setzen deshalb
auf gesellschaftliche Bündnisse und Bewe-
gungen. Wir vertrauen auf mehr Demokratie
15
durch offenen Dialog mit zivilgesell schaft-
lichen Initiativen und Bürger*innenräten.
Wir wollen mehr Teilhabe durch Volks-
entscheide. Lebendige Demokratie heißt
für uns, aus Widersprüchen und Kritik
zu lernen. Wir selbst wollen beim Voran-
schreiten und Verändern selbstkritisch
bleiben und lernfähiger, bereitwilliger
und entschlossener werden, wenn es
darum geht, Forderungen aus aktuellen
Bewegungen aufzunehmen und weiter
zu erarbeiten.
Druck von der Straße braucht Adressat*-
innen und Multiplikator*innen im Parla-
ment. Politik in Institutionen braucht den
Treibstoff des gesellschaftlichen Auf-
bruchs, um voranzukommen. Wir stehen
an der Seite von Gewerkschaften, sozialen
Bewegungen, Mieter*inneninitiativen,
Fridays for Future, Black Lives Matter,
Seebrücke, Antifagruppen, queeren
Initiativen, von Sozialverbänden und den
Friedensbewegungen. Wir stehen für
unteilbare Solidarität mit Mehrheiten, die
jeden Tag mit ihrer bezahlten und unbe-
zahlten Arbeit, mit Herzblut und Hoffnung
diese Gesellschaft am Laufen halten.
Wir zeigen unmissverständlich Haltung
gegen Rassismus, Antisemitismus, Antiziga-
nismus und jede Form von Menschenfeind-
lichkeit, gegen Hetze und Gewalt von rechts.
Wir wollen einen sozialökologischen
und friedenspolitischen Politikwechsel
einleiten. Wir wollen einen politischen
Neuanfang in unserem Land. Dafür stehen
wir bereit, und das wollen wir machen.
DIE LINKE ist kompromissbereit, was die
Schrittlänge angeht. Doch die Richtung
des Schrittes muss stimmen. Wir gehen
keinen Schritt in Richtung Sozialabbau,
Aufrüstung, Privatisierung oder Kampfein-
sätze der Bundeswehr. Unsere Richtung ist
soziale Gerechtigkeit, Frieden und Um-
weltschutz. Lass uns diesen Weg gemein-
sam beschreiten. Wir wollen nicht über
Menschen reden, sondern gemeinsam mit
ihnen etwas erreichen. Wir wollen Neugier
und Lust auf Veränderung wecken bei de-
nen, deren Leben durch linke Politik besser
wird. Wir wollen die gewinnen, die von
Wahlen schon längst nichts mehr erwarten.
Wir wollen Veränderung heute. Wir machen
den Unterschied. Das ist DIE LINKE. Mach
mit, es lohnt sich.
Gute Arbeit, gute Löhne –
Demokratie gilt auch im Betrieb!
DIE LINKE kämpft dafür, dass alle erwerbs-
tätigen Menschen von ihrer Arbeit gut und
sicher leben können. Arbeitsbedingungen
müssen sich an Menschen und ihren
Familien orientieren, nicht an den Profitin-
teressen der Unternehmer. Die Unter-
nehmer verbände nutzen die Krise, um
Rechte von Beschäftigten einzuschränken,
Löhne weiter zu drücken und Überstunden
durchzusetzen. Wenn Unternehmen in
der Coronakrise riesige Wirtschaftshilfen
bekommen und dann Beschäftigte ent-
lassen oder die Standorte schließen, sagen
wir Nein! DIE LINKE steht an der Seite der
Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften.
Wir wollen Arbeitsplätze und Tarifverträge
verteidigen und die Tarifbindung ausbauen,
das Hartz-IV-System als Druckinstrument
auf Löhne abschaffen, Entlassungen
stoppen und die Arbeitswelt vom Kopf
auf die Füße stellen: Gute Arbeit, die zum
Leben passt, muss für alle die Regel sein,
statt die Ausnahme.
Dafür wollen wir folgende zentrale Forde-
rungen umsetzen:
n Löhne, die für ein gutes Leben reichen!
Wir schaffen den Niedriglohnsektor ab
und stärken Tarifverträge. Wir schaffen
einen Rechtsanspruch auf eine Vollzeit-
stelle für alle Beschäftigten.
n Soziale Absicherung in allen Arbeits-
verhältnissen! Wir drängen Befristungen
zurück und sichern sämtliche Tätig
keiten über die Sozialversicherungen
ab. Das schließt Beschäftigte über Platt-
formen, Soloselbstständige und Saison-
beschäftigte ein.
16
n Arbeitszeiten, die zum Leben passen!
Mehr Personal statt Dauerstress. Wir unter-
stützen die Gewerkschaften in ihrem
Kampf für deutliche Arbeitszeitverkürzung
in Richtung eines neuen Normalarbeits-
verhältnisses mit 30 Stunden pro Woche.
Wir setzen uns für ein Mitbestimmungs
recht bei der Personalbemessung und
eine Antistressverordnung ein.
n Recht auf Weiterqualifizierung mit sozialer
Absicherung! Wir schaffen einen Weiter
bildungsanspruch für alle und sichern das
Einkommen während Weiterbildungszeiten
mit einem Weiterbildungsgeld.
n Erweiterung der Mitbestimmung
von Belegschaften und Öffentlichkeit in
wirtschaftlichen Fragen. Unternehmen,
die öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen,
dürfen nicht gleichzeitig Dividenden an
ihre Anteilseigner*innen oder Boni an die
Vorstände auszahlen.
Löhne, die für ein gutes Leben reichen.
Schluss mit dem Niedriglohn
n Der gesetzliche Mindestlohn wird auf
13 Euro erhöht. Zuschläge für Sonntags-,
Schicht- oder Mehrarbeit sowie Sonderzah-
lungen dürfen nicht mit dem Mindestlohn
verrechnet werden. Sämtliche Ausnahmen
vom Mindestlohn müssen gestrichen wer-
den. Durch die Pflicht zur elektronischen
Arbeitszeiterfassung und häufigere Kontrol-
len muss die Einhaltung des Mindestlohns
durchgesetzt werden. Die Zahl der Kontrol-
leure bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit
des Zolls muss auf15 000 verdoppelt wer-
den. Die Bundesregierung soll ein offizielles
Meldeportal gegen Mindestlohnbetrug
einrichten.
n Tarifbindung muss für alle Unter
nehmen und Branchen gelten. Dafür
muss die Verhandlungsmacht der Ge-
werkschaften gestärkt und dafür müssen
Tarifverträge leichter für allgemeinver-
bindlich erklärt werden können. Letzteres
muss auf Antrag einer Tarifvertrags-
partei möglich sein. Das Vetorecht der
Arbeitgeber*innenseite im Tarifausschuss
gehört abgeschafft, und es muss als
»öffentliches Interesse« gelten, Tarifver-
träge in ihrer Reichweite zu stärken und
einen Unterbietungswettbewerb zulasten
von Löhnen und Arbeitsbedingungen zu
verhindern. Per Rechtsverordnung gemäß
Arbeitnehmerentsendegesetz sollen zudem
auch in Tarifverträgen geregelte komplette
Entgelttabellen auf nicht tarifgebundene
Unternehmen erstreckt werden können.
Alle – gegebenenfalls auch bloß für einen
regionalen Geltungsbereich – für allgemein-
verbindlich erklärten Tarifverträge müssen
zwingend auch für temporär nach Deutsch-
land entsandte Beschäftigte gelten.
n Lohndumping durch Werkverträge und
Leiharbeit beenden. Wir wollen Leiharbeit
verbieten. Bis zum Verbot der Leiharbeit
müssen Leiharbeiter*innen ab dem ersten
Tag die gleichen Löhne wie Festangestellte
plus eine Flexibilitätszulage von10 Prozent
erhalten. Die Vergabe von Werkverträgen
und der Einsatz von Leiharbeit müssen
an die Zustimmung des Betriebsrats und
die Einhaltung der im Kernbetrieb gülti-
gen Tarifverträge gebunden werden. Um
den Missbrauch von Werkverträgen zu
unterbinden, muss die Beweislast künftig
bei den Arbeitgeber*innen liegen. Das
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz muss
an den Arbeitsplatz statt an die Person der
Beschäftigten gebunden werden. Es muss
ein Ende haben, dass Arbeitsagenturen
und Jobcenter Erwerbslose in solch unwür-
dige Arbeitsverhältnisse zwingen.
n Wir wollen einen Rechtsanspruch auf
eine Vollzeitstelle.
n Um gleiche Entgelte für Frauen
und Männer durchzusetzen, muss der
Auskunftsanspruch im Entgelttranspa-
renzgesetz durch ein Verbandsklagerecht
ergänzt werden. Gewerkschaften müssen
für ihre Mitglieder gleiche Entgelte ein-
klagen können.
n Bei Betriebsübergängen in nicht tarif-
gebundene Unternehmen und bei Auslage-
rungen müssen die bisherigen Tarifver
träge in ihrer jeweils gültigen Fassung
unbefristet geschützt bleiben und auch
für neu Eingestellte gelten.
17
n Ein Bundestariftreuegesetz muss die
Einhaltung von Tarifverträgen zur zwingenden
Voraussetzung für öffentliche Aufträge ma-
chen und auch von den beauftragten Firmen
eingesetzte Subunternehmen einschließen.
n Wir wollen verbindliche Obergrenzen für
Manager*innen und Vorstandsgehälter:
Sie dürfen nicht mehr als das Zwanzigfache
des niedrigsten Gehalts im Unternehmen
betragen. Manager*innengehälter können
steigen, wenn die untersten Lohngruppen
angehoben werden. Jahresgehälter über
einer halben Million Euro dürfen nicht mehr
steuerlich abzugsfähig sein.
Soziale Absicherung in jedem
Arbeits verhältnis
Die soziale Absicherung steht allen Beschäf-
tigten zu, unabhängig von ihrer Herkunft
und der Art ihres Arbeitsverhältnisses:
n Befristungen stoppen! Sachgrundlose
Befristungen müssen im Teilzeit- und Befris-
tungsgesetz ersatzlos gestrichen werden
und zulässige Sachgründe eng begrenzt
werden. Bei öffentlicher Finanzierung soll
die Befristung der Haushaltsmittel oder von
Projektgeldern kein zulässiger Grund mehr
für die Befristung von Arbeitsverträgen sein.
Der dritte Arbeitsvertrag bei demselben
Arbeitgeber oder derselben Arbeitgeberin
muss zwingend unbefristet sein.
n Mini und Midijobs wollen wir in sozial
versicherungspflichtige Arbeitsverhält
nisse überführen. Ab dem ersten Euro
muss für Unternehmen eine volle Pflicht
zur Sozialversicherung gelten.
n Plattformen müssen Arbeitgeber*in
nenpflichten erfüllen und Sozialver-
sicherungsbeiträge für über sie Beschäftigte
abführen.
n Der Betriebsbegriff und der Arbeitneh-
merbegriff müssen aktualisiert und an die
heutigen Arbeitsverhältnisse und Betriebs-
strukturen angepasst werden, damit die
Arbeitsrechte und die Betriebsverfassung
für alle wirtschaftlich abhängig Beschäf-
tigten gelten.
n Auftraggeber*innen müssen auch für Solo-
selbstständige, die als Kleinunter nehmer*in-
nen, Freiberufler*innen, Handwerker*innen,
Schausteller*innen und Gewerbetreibende
arbeiten, Sozialversicherungsbeiträge zahlen.
Dazu schaffen wir bundesweite branchen-
spezifische Mindesthonorarregelungen, die
einem ruinösen Preiswettbewerb entgegen-
wirken und Soloselbstständige schützen.
Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote
speziell für Soloselbstständige müssen
verbessert werden.
n Für ausländische Saisonbeschäftigte
müssen sämtliche Ausnahmen in der Sozial-
versicherung gestrichen werden.
Arbeitszeiten, die zum Leben passen
Gutes Leben besteht aus mehr als Arbeit.
Viele Beschäftigte werden krank durch
zu viel Arbeit und Überstunden, während
Millionen Menschen von Erwerbsarbeit
ausgeschlossen sind oder unfreiwillig in
Teilzeit abgedrängt werden. Es ist Zeit für
ein neues Normalarbeitsverhältnis. Wir
wollen Arbeit in der Gesellschaft und zwi-
schen den Geschlechtern gerecht verteilen.
Wenn die Arbeit gerechter verteilt wäre,
könnten statt Überstunden und Dauer-
stress über eine Million Arbeitsplätze in
kurzer Vollzeit mit 30 Stunden pro Woche
geschaffen werden. Eine solche Umver-
teilung der Arbeitszeit erhöht die Lebens-
qualität für alle.
n Die gesetzliche Höchstarbeitszeit
wollen wir auf maximal 40 Stunden pro
Woche begrenzen.
n Ausnahmen von der täglich zulässigen
Höchstarbeitszeit von 8 Stunden wollen
wir stärker begrenzen. Eine Verkürzung der
erforderlichen Ruhezeiten von11 Stunden
lehnen wir ab.
n Arbeitgeber*innen müssen Beginn, Ende
und Dauer der täglichen Arbeitszeit sowie
die Dauer der gewährten Ruhepausen
jeweils am Tag der Arbeitsleistung auf
zeichnen. Dienstreisen und in der Freizeit
erbrachte Arbeitsleistungen müssen voll-
ständig als Arbeitszeit angerechnet werden.
18
Stärkere Kontrollen durch Arbeitsschutz-
behörden müssen gesetzlich vorge-
schrieben werden.
n Arbeit auf Abruf wird aus dem Teilzeit-
und Befristungsgesetz gestrichen.
n Betriebs- und Personalräte brauchen ein
zwingendes Mitbestimmungsrecht bei
der Personalbemessung, um regelmäßige
Überstunden und Leistungsverdichtung zu
verhindern.
n Wir wollen ein Recht auf vorüber
gehende Arbeitszeitverkürzung für
alle Beschäftigten.
n Es braucht einen Rechtsanspruch auf
familiengerechte Arbeitszeiten für alle,
die Verantwortung in Erziehung und Pflege
übernehmen (vgl. Kapitel »Familien dort
unterstützen, wo sie es brauchen«).
n Wir brauchen für alle Beschäftigten
einen Rechtsanspruch auf eine sechs
wöchige Pflegezeit mit Lohnfortzahlung
durch die Arbeitgeber*innen (vgl. Kapitel
»Für einen linken Feminismus«).
n Den Mindesturlaubsanspruch im Bundes-
urlaubsgesetz wollen wir schrittweise von
24 auf 36 Werktage (Samstage eingeschlos-
sen) anheben. Jedem und jeder Beschäf
tigten sollen mindestens sechs Wochen
Urlaub zustehen.
n Feiertage, die auf ein Wochenende fallen,
sollen durch Ersatzfeiertage in der Woche
nachgeholt werden.
n Alle Beschäftigten sollen durch ein Recht
auf Homeoffice einen Teil ihrer Arbeit zu
Hause erledigen können, sofern die Art ihrer
Tätigkeit das zulässt. Die Bedingungen für
Homeoffice müssen per Tarifvertrag oder
per Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelt
werden. Arbeitsschutz und die gesetzliche
Unfallversicherung müssen auch im Home-
office uneingeschränkt gelten. Recht auf
Pausen und Recht auf Feierabend muss es
auch im Homeoffice geben! Beschäftigte
dürfen jedoch nicht zum Homeoffice ver-
pflichtet werden.
n Recht auf Auszeiten: Beschäftigte sollen
zweimal in ihrem Berufsleben die Möglich-
keit haben, für ein Jahr auszusteigen (Sabbat-
jahr), verbunden mit einem Rückkehrrecht.
Gute Arbeitsbedingungen,
weniger Belastungen
Arbeit darf nicht krank machen. Das Leis-
tungsniveau in Betrieben muss so sein,
dass die Gesundheit ein ganzes Arbeits-
leben lang erhalten bleibt. Das Arbeits-
schutzgesetz verpflichtet Unternehmen,
die Arbeit so zu gestalten, dass die Ge-
fährdung der psychischen und physischen
Gesundheit möglichst vermieden wird.
Es scheitert allerdings oft an der Durch-
setzung. Wir wollen einen Schutz gegen
Dauerstress und Überlastung schaffen:
n Wir brauchen eine Verordnung zum
Schutz vor Gefährdung durch psychische
Belastung bei der Arbeit (Antistressver
ordnung). Betriebsräte müssen die Regeln
des Arbeitsschutzgesetzes zur Verhütung
psychischer Belastung sowie ganzheitliche
Gefährdungsbeurteilungen und vor allem
Abhilfemaßnahmen leichter durchsetzen
können.
n Das Mitbestimmungsrecht von
Betriebsräten muss sich auch auf die
Prävention von Belastungen erstre
cken. Die Beschäftigten brauchen ein
individuelles »Vetorecht« bei gesundheits-
gefährdender Überlastung, um auch
Beschäftigte in Betrieben ohne Betriebsrat
zu schützen.
n Die Arbeitsschutzbehörden müssen
finanziell und personell besser ausge
stattet werden und besser mit der
Mindestlohnkontrolle zusammengeführt
werden, um wirksame und regelmäßige
Kontrollen zu ermöglichen. Kontrollen
müssen öfter stattfinden. Sie sollten zwin-
gend im Betrieb und nicht nach Aktenlage
stattfinden. Die Bußgelder für Verstöße
gegen den Gesundheitsschutz der Beschäf-
tigten müssen deutlich angehoben werden.
Im Arbeitsschutzgesetz muss klargestellt
werden, dass es strafbar ist, trotz vorhe-
riger behördlicher Abmahnung weiter die
Gesundheit der Beschäftigten zu gefährden.
19
n Belegschaften müssen pro Monat zwei
Stunden Beratungszeit während der
Arbeitszeit erhalten, um sich über Arbeits-
gestaltung, Arbeitszeit, Mitbestimmung und
Arbeitsschutz auszutauschen, für Kontakt-
aufnahme mit den Arbeitsschutzbehörden
und um Initiativen zur Mitbestimmung
entwickeln zu können.
n Die Anerkennung von Berufskrank
heiten muss erleichtert werden. Das
schließt psychische Erkrankungen ein. Wir
fordern eine widerlegliche Vermutungs-
regelung zugunsten der Versicherten, um
die Beweisführung in Berufskrankheiten-
Verfahren zu erleichtern. Unabhängige
Beratungsstellen müssen eingerichtet wer-
den und Versicherte dabei unterstützen,
ihre Ansprüche durchzusetzen. Erwerbs-
unfähigkeitsrenten müssen verbessert
werden. Schwerbelastete Beschäftigte
müssen früher in Rente gehen können (vgl.
Kapitel »Gute Rente, gutes Leben«).
n Gute Arbeit und Einkommen, von denen
man leben kann, auch für Menschen mit
Behinderung. Menschen mit Behinderung
sind überdurchschnittlich von Arbeits-
losigkeit betroffen – aufgrund fehlender
Barrierefreiheit und aufgrund anderer
Diskriminierungen. Wir kämpfen für einen
inklusiven Arbeitsmarkt ohne Sonder-
strukturen.
Kein Umbau auf dem Rücken
der Beschäftigten: Weiterbildungs
anspruch für alle
Unternehmen nutzen die Einführung
neuer Technologien und Produkte, den
Klimaschutz und die Digitalisierung als
Anlass, um auf dem Rücken der Beschäf-
tigten umzustrukturieren, Beschäftigte
zu entlassen oder die Belegschaften zu
erpressen. Gleichzeitig führen der ökolo-
gische Umbau und die Digitalisierung zu
neuen Tätigkeitsfeldern und verändern
die Anforderungen an Beschäftigte. Die
Verantwortung für Aus- und Weiterbildung
dürfen Unternehmen nicht auf die Beschäf-
tigten und die Allgemeinheit abschieben.
Fortbildungsmaßnahmen, die im Interesse
der Unternehmen sind, müssen auch von
ihnen finanziert werden. Beschäftigte,
deren Arbeitsplätze wegfallen, müssen
abgesichert werden. Wir wollen eine soziale
und ökologische Transformation mit Ar-
beitsplatz- und Einkommensgarantien für
die Beschäftigten.
n Vetorecht gegen Kahlschlag, Mitbe
stimmung über die Zukunft. Beschäftigte
und Betriebsräte brauchen Mitbestim
mung auch bei wirtschaftlichen Fragen.
Das gilt besonders für Betriebsänderungen,
Standortänderungen und Entlassungen. Auch
in Fragen des Arbeits- und Gesundheits-
schutzes, des betrieblichen Umweltschutzes,
bei der Planung und Gestaltung von Tätig-
keiten und von Arbeitsbedingungen, bei
der Änderung von Arbeitsplätzen sowie der
Arbeitsintensität braucht es zwingende
Mitbestimmungsrechte.
n Das Recht der Betriebsräte auf Verhand-
lungen mit den tatsächlichen Entschei-
dungsträgern muss auch in internationalen
Konzernen klargestellt werden. Es darf nicht
sein, dass Unternehmen durch Holding-
strukturen, bei denen Geschäftsführungen
vor Ort nur als Befehlsempfänger*innen
agieren, demokratische Mitbestimmungs-
rechte unterlaufen.
n Betriebsräte brauchen ein erzwingbares
Mitbestimmungs und Initiativrecht
für betriebliche Aus , Weiter und Fort
bildung – und bei der Neuausrichtung
der Unternehmen. Betriebe mit über100
Beschäftigten müssen verpflichtend eine
qualifizierte Personalplanung durchführen,
die eine Weiterbildungsplanung für die
Beschäftigten einschließt.
n Alle Beschäftigten müssen zum Zwecke
der Weiterbildung einen Rechtsanspruch
erhalten, ihre Arbeitszeit zeitweise zu
reduzieren oder zeitlich begrenzt ganz aus-
setzen zu können. Die Arbeitgeber*innen
müssen während der Bildungsteilzeit einen
teilweisen Lohnausgleich von mindestens
70 Prozent des Nettogehalts und Sozialver-
sicherungsbeiträge zahlen. Der Staat
muss Bildungsteilzeit von Beschäftigten
durch eine stärkere Berücksichtigung bei
den Rentenansprüchen und der Höhe von
Ansprüchen auf ALG I unterstützen. Für
Geringverdienende muss ein vollständiger
20
Lohnausgleich durch staatliche Zuschüsse
garantiert werden.
n Damit sich alle Unternehmen gleicher-
maßen an der Finanzierung beruflicher
Weiterbildung beteiligen, schlägt
DIE LINKE einen Weiterbildungsfonds
vor, in den alle Unternehmen einer
Branche einzahlen.
n Berufsschulen und Hochschulen
müssen gesetzlich verpflichtet und in
die Lage versetzt werden, Angebote
der beruflichen Fortbildung zu schaffen,
die allen Beschäftigten unabhängig vom
bisherigen Bildungsabschluss offenstehen.
n Weiterbildungsangebote der Arbeits-
agentur und Jobcenter müssen ausgebaut
werden. Das Ziel schneller Vermittlung
Erwerbsloser muss gestrichen werden,
stattdessen müssen Erhalt der Qualifikation
und Weiterbildung Vorrang bekommen.
Für die Zeit der Weiterbildung wird ein
Weiterbildungsgeld in Höhe von 90 Pro-
zent des letzten Nettoentgelts gezahlt. Die
Zeit der Weiterbildung wird nicht auf den
Anspruch auf Arbeitslosengeld angerechnet
(vgl. Kapitel »Soziale Garantien«).
n Betriebe, die nicht ausbilden, müssen
eine Ausbildungsumlage zahlen
(vgl. Kapitel »Gut ausgebildet«).
Gleiche Rechte für Saisonbeschäftigte
und Beschäftigte in Privathaushalten
Besonders gravierend sind die Verstöße
gegen Arbeitsschutz und gute Arbeits-
bedingungen für mobile Beschäftigte aus
dem Ausland. Durch die Koppelung des
Aufenthaltsrechts an den Arbeitsvertrag
sind sie besonders von extremer Aus-
beutung bedroht und können ihre Rechte
schwerer durchsetzen. Wir wollen gleiche
Schutzrechte für alle und gleichen Lohn
für gleiche Arbeit.
n Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ab
dem ersten Tag muss auch für Saison -
arbeiter*innen und aus dem Ausland
entsendete Beschäftigte gelten. Um Lohn-
betrug zu vermeiden, müssen Unter-
nehmen zur elektronischen Zeiterfassung
verpflichtet werden, die für die Beschäftigten
einsehbar ist. Gleichzeitig brauchen wir
einen legalen Aufenthaltsstatus für alle
hier Beschäftigten, damit Kontrollen dem
Schutz der Beschäftigten dienen und nicht
zu ihrem Nachteil werden. Die Kündigung
des Arbeitsverhältnisses darf nicht zum
Verlust des Aufenthaltsrechts führen. Der
Zugang zu Informationen über bestehende
Arbeitsrechte muss erleichtert werden
und Initiativen, die mobile Beschäftigte in
ihren Muttersprachen beraten, müssen
stärker gefördert werden.
n Für von den Arbeitgeber*innen gestellte
oder vermittelte Unterkünfte muss es
eine klare Begrenzung der zulässigen
Kosten geben. Diese sollen sich nach den
geltenden Sachbezugswerten aus dem
Sozialversicherungsrecht richten. Abzüge
für Unterkunft und Verpflegung müssen auf
der Lohnabrechnung transparent darge-
stellt sein, um den Beschäftigten die Über-
prüfung zu ermöglichen. Die Einhaltung
von Hygienestandards in den Unterkünften
muss von den Aufsichtsbehörden regel-
mäßig kontrolliert werden.
n Sämtliche gesetzlichen Ausnahmen vom
Sozialversicherungsschutz für auslän-
dische Beschäftigte müssen gestrichen
werden. Wir wollen Sozialdumping bei der
Entsendung nach Deutschland beenden:
Sozialversicherungsbeiträge sollen künftig
im Zielland bezahlt werden und die Anmel-
dung soll eine Woche vor Einsatzbeginn
beantragt werden müssen.
n DIE LINKE will die Rechte von Beschäf
tigten in Privathaushalten stärken. Arbeit
in Privathaushalten (u. a. Reinigung, Pflege,
Kinderbetreuung) soll vor allem über zertifi-
zierte Agenturen, gemeinwohlorientierte
oder kommunale Träger organisiert werden.
Sie müssen Tarifverträge, unbefristete
Beschäftigung, das Recht auf eine vertrag-
liche Mindeststundenzahl, Arbeitsschutz
und Weiterbildung für Beschäftigte garan-
tieren. Um Ausbeutung zurückzudrängen,
müssen Beschäftigte in Privathaushalten
ohne Arbeits- und Aufenthaltsrecht die
Möglichkeit einer Legalisierung erhalten.
21
n Die Ausbeutung zumeist osteuropäischer
Arbeitskräfte in der 24-Stunden-Pflege
muss beendet werden. Pflege muss arbeits-
rechtskonform organisiert werden.
Union Busting stoppen, Gegenwehr
stärken, Mitbestimmung ausweiten
DIE LINKE will die Demokratie in der Gesell-
schaft, im Betrieb und in der Wirtschaft
stärken. Die letzte bedeutende Reform des
Betriebsverfassungsgesetzes gab es 1972.
Damals gab es keine Leiharbeit, kein Out-
sourcing und keine Standortverlagerungen
ins Ausland. Es gab keine sachgrundlosen
Befristungen, Minijobs oder Arbeit auf
Abruf. Beschäftigungsformen wie Crowd-
und Clickwork waren unbekannt und
Arbeitgeber*innen konnten sich nicht –
als Plattformen getarnt – sozialpolitischer
Verantwortung entziehen.
n Unsere heutige Arbeitswelt ist geprägt
von Digitalisierung, Globalisierung,
Deregulierung und der Notwendigkeit
eines ökologischen Umbaus. Wir wollen
Betriebsratswahlen erleichtern und
die Arbeitsfähigkeit von Betriebsräten
sichern. Wir wollen Schwerpunktstaats
anwaltschaften mit ausreichend Personal
für Straftatbestände aus dem Arbeitsrecht
und Betriebsverfassungsrecht schaffen,
sowie schärfere Sanktionen gegen Arbeit-
geber*innen und Anwaltskanzleien, die sich
auf die Verhinderung von gewerkschaft-
licher Organisierung spezialisiert haben. Wir
wollen in Fällen von Union Busting bei erst-
maligen Betriebsratswahlen die Möglichkeit
der direkten Einsetzung von Betriebsräten
durch das Arbeitsgericht. Wir wollen den
Betriebsbegriff anpassen und den Arbeit
nehmerbegriff erweitern. Zusätzliche
Arbeitnehmervertretungsstrukturen sollen
durch Tarifvertrag oder Betriebsverein-
barung bestimmt werden können. Die zwin-
gende Mitbestimmung wollen wir ausweiten
auf Fragen der Arbeitsorganisation, der
Personalbemessung, prekärer Beschäf
tigung und der Qualifizierung.
n Die Transformation der Arbeitswelt ist
eine umfassende gesellschaftliche Umstruk-
turierung mit gravierenden Auswirkungen
auf die Arbeitsbeziehungen. Sie vollzieht
sich nicht klassenneutral, sondern als Ver-
teilungsauseinandersetzung, untrennbar
mit der Eigentumsfrage verbunden. Deshalb
ist die Ausweitung zwingender Mitbestim-
mung auf wirtschaftliche Fragen zentral.
Beschäftigte und ihre Betriebsräte sollen
die Initiative ergreifen können bei Investi-
tionsentscheidungen, Fertigungstiefen,
Aus- und Verlagerungen, Schließungen von
Betrieben und Betriebsteilen, Rationalisie-
rungsvorhaben und neuen Arbeitsmethoden
und Steuerungsmechanismen. Denn nur
so werden Beschäftigte bei der bevorste-
henden Transformation mitgenommen, nur
so wird prekäre Arbeit eingedämmt, nur so
Klima- und Umweltschutz in den Betrieben
realisiert und die Digitalisierung im Sinne
der Beschäftigten und auch des Allgemein-
wohls vorangetrieben.
n DIE LINKE setzt sich dafür ein, die
Wahl von Betriebsräten zu erleichtern. Der
Kündigungsschutz muss auf alle Organe
der Betriebsverfassung ausgeweitet und
verlängert werden. Für Beschäftigte im
öffentlichen Dienst müssen die gleichen
Mitbestimmungsrechte gelten.
n In allen privaten, öffentlichen und gemein-
wirtschaftlichen Unternehmen ab 500
Beschäftigten wollen wir eine echte paritä-
tische Mitbestimmung im Aufsichtsrat
verpflichtend einführen. In diesen Unter-
nehmen müssen die Eigentümer*innen
und die Beschäftigten zu gleichen Teilen
vertreten sein. Den Vorsitz übernimmt eine
weitere Person, auf die sich beide Seiten
verständigen müssen. Fragen von erheb-
licher Bedeutung für die Belegschaft – wie
Verlagerungen – müssen durch Beleg-
schaftsabstimmung bestätigt werden.
Gewerkschaften stärken
n Die Gewerkschaften müssen ein umfas-
sendes Verbandsklagerecht zur Einhal-
tung von Tarifverträgen und gesetzlichen
Bestimmungen erhalten sowie das Recht
zu Kollektivbeschwerden nach dem Proto-
koll der Europäischen Sozialcharta.
n Zur Verteidigung des Streikrechts
muss der Anti-Streik-Paragraf160
des SGB III abgeschafft werden. Das
22
Tarifeinheitsgesetz muss zurückgenom-
men werden, da mit ihm eine Einschränkung
des Streikrechts verbunden ist.
n Solidaritätsstreiks mit Beschäftigten
anderer Betriebe und Branchen und
politische Streiks zur Durchsetzung
sozialer Verbesserungen und zur
Verteidigung von Demokratie und
Frieden müssen ins Streikrecht ein-
geschlossen werden. Das Streikrecht
muss auch für Beamt*innen gelten.
OT-Mitgliedschaften (»ohne Tarif«) in
Arbeitgeberverbänden müssen abge-
schafft werden.
n Die betrieblichen Mitbestimmungs
rechte und das Streikrecht müssen auch
für die Beschäftigten in Kirche, Diakonie
und Caritas uneingeschränkt gelten.
Der Paragraf118 des Betriebsverfassungs-
gesetzes muss gestrichen werden. Ver-
trauensleutearbeit muss ähnlich der Arbeit
von Betriebsräten geregelt werden.
Gute Rente, gutes Leben:
Solidarische Erwerbstätigenversicherung
Wir wollen eine gesetzliche Rente, die den
Lebensstandard wieder sichert und vor
Armut schützt. Das ist für viele Menschen
die Grundlage für ein sorgenfreies und
selbstbestimmtes Leben. Forderungen,
dass wer länger lebt, erst später in Rente
gehen soll, weisen wir zurück.
Die Rente darf nicht über Kapitalmärkte
»gesichert« werden – dann ist sie unsicher.
Die Alterssicherung muss zu gleichen
Teilen von Unternehmen und Beschäftigten
finanziert werden. Noch im Jahr 2000 lag
das Rentenniveau bei 53 Prozent, jetzt
soll es bis auf 43 Prozent sinken. Das ist
ein Programm der Bundesregierung für
Altersarmut!
Wir wollen den Rentenabbau beenden und
das Garantieversprechen der gesetzlichen
Rentenversicherung wiederherstellen. Drei
zentrale Maßnahmen sind der Einstieg:
n Wir wollen das Rentenniveau wieder
auf 53 Prozent anheben. Das bedeutet in
Geld: Wer derzeit die aktuelle Durchschnitts-
rente von 1.048 Euro bekommt, erhält dann
1.148 Euro, also knapp 100 Euro mehr im
Monat. Das Rentenniveau von derzeit
48,4 Prozent (ohne Revisionseffekt) kann
problemlos innerhalb einer Wahlperiode
auf 53 Prozent angehoben werden. Das
kostet Beschäftigte und Arbeitgeber*innen
bei einem durchschnittlichen Verdienst von
3.462 Euro nur je circa 33 Euro mehr im
Monat. Der Beitrag für eine private Riester-
Rente (124 Euro) kann dafür entfallen. Durch-
schnittsverdienende hätten also 90,50 Euro
mehr in der Tasche. Bei der Rentenanpassung
stellen wir die Lohnbezogenheit wieder her.
n Als LINKES Kernprojekt beziehen wir
alle Erwerbstätigen in die gesetzliche
Rentenversicherung ein. Dazu haben wir
ein Konzept entwickelt, das Solidarität und
soziale Gerechtigkeit mit finanzieller Soli-
dität und Stabilität verbindet. Wir stärken
damit die gesetzliche Rentenversicherung
und verhindern Armut im Alter und bei
Erwerbsminderung. Unser Konzept der
Solidarischen Erwerbstätigenversicherung
bietet eine gesetzliche Alterssicherung
auch für bislang nicht versicherte Selbst-
ständige, Freiberufler*innen, Beamt*innen,
Manager*innen und Politiker*innen. Wir
wollen, dass alle Erwerbstätigen Beiträge in
die gesetzliche Rentenversicherung zahlen.
n Als Garantie führen wir eine Solidarische
Mindestrente von 1.200 Euro für all jene
ein, die trotz der Reformmaßnahmen in der
Rente ein zu niedriges Alterseinkommen
haben, um davon leben zu können. Denn
wer heute auf lange Phasen mit schlechten
Löhnen, Erwerbslosigkeit oder Krankheit
zurückblicken muss, hat trotzdem Anspruch
auf ein würdevolles Leben im Alter. Die
Solidarische Mindestrente wird deshalb von
der Rentenversicherung an alle Menschen
im Rentenalter gezahlt – bei Erwerbs-
minderung als Zuschlag, im Einzelfall auch
als Vollbetrag –, die im Alter weniger als
23
1.200 Euro Nettoeinkommen haben. Die
Solidarische Mindestrente ist einkommens-
und vermögensgeprüft. Sie wird aus Steuern
finanziert. Die Unterhaltsansprüche nach
dem BGB werden berücksichtigt. Mit Ver-
mögensfreibeträgen stellen wir sicher, dass
soziale Härten vermieden werden und
normales, selbstgenutztes Wohneigentum
unangetastet bleibt. Unser Versprechen
lautet: Niemand soll im Alter von weniger als
1.200 Euro leben müssen. Die Solidarische
Mindestrente wird regelmäßig am1. Juli eines
jeden Jahres im selben Maße erhöht, wie alle
anderen gesetzlichen Renten auch.
Mit unserem Konzept der Solidarischen
Erwerbstätigenversicherung stellen wir
die Weichen für eine gerechte, stabile und
inklusive Alterssicherung der Zukunft, die
für alle Erwerbstätigen da ist. Sie wird von
folgenden Einzelmaßnahmen flankiert:
n Die Beitragsbemessungsgrenze (für
die allgemeine und die knappschaftliche
Rentenversicherung sowie für die alten und
die neuen Bundesländer) wird zunächst
vereinheitlicht und dann in mehreren
Schritten drastisch angehoben. Die Höhe
der Rentenansprüche über dem Doppelten
des Durchschnitts soll abgeflacht werden
(im höchsten verfassungsgemäß zulässigen
Rahmen). Deshalb soll eine »Beitrags-Äqui-
valenzgrenze« eingeführt werden.
n Die private Riester-Rente ist gescheitert.
Sie kann die in die gesetzliche Rente geris-
senen Lücken nicht schließen. Die Beiträge
und Zuschüsse wandern in die Kassen der
Versicherungskonzerne, statt in die Porte-
monnaies der Rentner*innen. Millionen
Menschen mit normalem und niedrigem
Einkommen können sich eine private Renten-
versicherung nicht leisten. Die Riester
Rente überführen wir auf freiwilliger
Basis in die gesetzliche Rente. Wer einge-
zahlt hat, soll seine Ansprüche behalten
und in die gesetzliche Rente überführen
können. Die staatlichen Subventionen von
knapp 4 Milliarden Euro jährlich beenden
wir und erhöhen damit die Zuschüsse
an die gesetzliche Rentenversicherung.
Außerdem soll es Versicherten und ihren
Arbeitgeber*innen erleichtert werden,
bis zu einer bestimmten Grenze freiwillig
zusätzliche Beiträge in die gesetzliche
Rentenversicherung einzuzahlen.
n Die Beschäftigten dürfen nicht den
Risiken auf dem Kapitalmarkt aus-
gesetzt werden. Wir lehnen es ab, die
Arbeitgeber*innen im Rahmen kapital-
gedeckter betrieblicher Altersvorsorge
und sogenannter Zielrenten aus der
Haftung zu entlassen. Das gilt auch für
den Verzicht auf Rentengarantien zu-
gunsten einer reinen Beitragszusage.
n Statt einer überwiegend von den Beschäf-
tigten finanzierten betrieblichen Altersvor-
sorge wollen wir eine überwiegend von den
Arbeitgeber*innen finanzierte betriebliche
Altersversorgung (als betriebliche Sozial-
leistung). Dafür sollen verbindliche tarifver-
tragliche Regelungen die Grundlage sein.
n Wir fordern, die Doppelverbeitragung
mit Krankenversicherungs- und Pflegever-
sicherungsbeiträgen bei betrieblicher
Altersvorsorge sofort zu beenden. Klar ist:
Betriebsrenten dürfen nicht frei von Sozial-
abgaben sein. Aber sie sollen in der An-
sparphase bezahlt werden und nicht in der
Rentenphase. Mit der Entgeltumwandlung
werden die Finanzen der gesetzlichen Ren-
tenversicherung jedoch geschwächt, und
die Rentenansprüche aller Versicherten –
egal ob sie über den Betrieb vorsorgen oder
nicht – sinken. Die Ungleichheit wird so
verschärft. Darum wollen wir die Entgelt
umwandlung für die Zukunft abschaffen.
n Die Doppelbesteuerung der Renten wollen
wir abschaffen. Wir wollen das steuerfreie
Existenzminimum auf14.400 Euro im Jahr
anheben – kleine bis mittlere Renten wären
damit steuerfrei. DIE LINKE fordert eine
Verlängerung des Übergangszeitraums
bis 2070, eine außerordentliche Rentener-
höhung und eine Neuberechnung des
individuellen Rentenfreibetrags. Denn
die Rente muss nach jahrzehntelanger
Beitragszahlung auch netto den Lebens-
standard wieder sichern.
Unser Nachbarland Österreich zeigt: Ein
gesetzliches Rentensystem kann vor Armut
schützen, den Lebensstandard sichern
und zugleich finanzierbar sein. Statt einen
24
Teil der Alterssicherung vom Kapitalmarkt
abhängig zu machen, wurde in Österreich
das gesetzliche Rentensystem zu einer
Erwerbstätigenversicherung ausgebaut. Das
wollen wir auch in Deutschland erreichen.
Wir wollen zügig weitere Verbesserungen
bei der Rente durchsetzen. Unser Renten-
konzept sieht vor:
n Solidarausgleich für Niedriglohn:
Zeiten niedriger Löhne wollen wir aus-
gleichen. Die von der Großen Koalition
beschlossene sogenannte Grundrente greift
hier zu kurz. Wir wollen die »Rente nach
Mindestentgeltpunkten« auch für Zeiten
nach1992 einführen und verbessern. Voll-
zeiterwerbstätige mit13 Euro Stundenlohn
erhielten dann in der Regel eine Rente von
rund1.200 Euro. Bei einem Rentenniveau
von 53 Prozent hätte zum Beispiel eine Ein-
zelhandelskauffrau mit einem Gehalt von
2.200 Euro brutto dadurch nach 45 Jahren
Arbeit monatlich knapp198 Euro mehr als
nach geltendem Recht mit der sogenannten
Grundrente – ohne eine Einkommensprü-
fung! Davon würden vor allem Frauen und in
Ostdeutschland Beschäftigte profitieren.
n Ausbildungszeiten werden besser
anerkannt und führen zu höheren Renten.
n Zeiten der Erwerbslosigkeit, der Kinder-
erziehung und der Pflege bewerten wir höher,
damit sie nicht zu Armutsrenten führen.
n Für jedes Kind werden drei Entgelt
punkte – Zur Zeit gibt es über102 Euro
sogenannter Mütterrente – auf dem Renten-
konto gutgeschrieben. Egal ob ein Kind
1960 oder 2010, egal ob es in Frankfurt am
Main oder in Frankfurt an der Oder geboren
wurde. Diese Verbesserung muss als ge-
samtgesellschaftliche Aufgabe vollständig
aus Steuern finanziert werden.
n Alle pflegenden Angehörigen erwerben
zusätzliche Rentenansprüche aus ihrer
Pflegetätigkeit für die gesamte Dauer
der Pflegesituation, auch im Pflegegrad1,
nach Erreichen der Regelaltersgrenze und
ohne Kürzung, wenn zusätzlich professi-
onelle Pflegedienste genutzt werden. Die
Leistungsbeträge werden angehoben.
n Für regelmäßig geleistete freiwillige
und unbezahlte Arbeit von Bürger*innen
im organisierten anerkannten Rettungs-
dienst, im Brandschutz, im Katastrophen-
schutz und im Technischen Hilfswerk (THW)
werden durch den Staat angemessene
Beiträge in die gesetzliche Rentenversiche-
rung eingezahlt.
n Die Rente erst ab 67 muss zurückge
nommen werden. Forderungen nach
einer noch höheren Regelaltersgrenze sind
unrealistisch und unverantwortlich. Arbei-
ten bis zum Umfallen wollen wir verhindern.
Jede*r muss wieder spätestens ab 65 Jahren
abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Das
ist finanzierbar. Wenn Menschen 40 Jahre
lang Beiträge gezahlt haben, sollen sie
bereits ab 60 Jahren abschlagsfrei in Rente
gehen können.
n Wer krank wird, darf nicht noch eine
niedrige Rente befürchten müssen: Der
Zugang zu den Erwerbsminderungs
renten muss erleichtert werden. Die
beschlossene Anhebung der Zurechnungs-
zeit (die Zeit, die »hinzugerechnet« wird,
weil der oder die Versicherte wegen der
Erwerbsminderung nicht einzahlen konnte)
für Rentenzugänge ab 2019 muss auch
für die Menschen gelten, die schon 2018
und früher eine Erwerbsminderungsrente
bezogen haben. Wir fordern, die unsozialen
Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten
zu streichen oder sie durch eine wirkungs-
gleiche Maßnahme zu kompensieren.
n Für Langzeiterwerbslose müssen
endlich wieder Beiträge in die Renten -
kasse eingezahlt werden.
n Wir wollen die Benachteiligung der
ostdeutschen Rentner*innen endlich
beenden. Wir fordern die sofortige
Angleichung des »aktuellen Renten-
wertes (Ost)« an das Westniveau, ohne
zukünftige Rentner*innen zu benach-
teiligen (vgl. Kapitel »Gerechtigkeit für
die Menschen in Ostdeutschland«).
n Wir streiten dafür, dass die seit
Jahrzehnten hierzulande lebenden jüdischen
Kontingentflüchtlinge und Aussiedler*innen,
die bis 2012 in Rente gegangen sind, aus
25
dem derzeit entstehenden Härtefall-
fonds mindestens eine Einmalzahlung
von jeweils10.000 Euro pro Person
erhalten, die nicht auf die »Grund-
sicherung im Alter« und andere Sozial-
leistungen angerechnet wird.
n Wir wollen die rückwirkende Einbeziehung
der DDR-Altübersiedler*innen in die Gesetz-
gebung zur Rentenüberleitung abschaffen
und dafür sorgen, dass sie ihre von der
Bundesregierung versprochenen Renten
nach dem Fremdrentengesetz erhalten.
Soziale Sicherheit für alle
Wir wollen einen starken, demokratischen
Sozialstaat, der alle Menschen wirksam
gegen die Lebensrisiken von Krankheit,
Unfall, Alter, Pflegebedürftigkeit und
Erwerbslosigkeit schützt. Corona hat die
Lücken unserer sozialen Sicherungssys-
teme gezeigt: Für Hartz-IV-Bezieher*innen
sind Mehrausgaben zum Beispiel für Home-
schooling und Sicherheitsmasken nicht
erschwinglich, schon die Regelbeträge
sichern nicht gegen Armut. Freiberufler*in-
nen bleiben ohne soziale Absicherung.
Obdachlose in Sammelunterkünften sind
hohen Infektionsrisiken ausgesetzt. Die
soziale Ungleichheit hat zugenommen. Wir
wollen einen demokratischen Sozialstaat,
der soziale Rechte gibt, das gesellschaft-
liche Leben durch soziale Dienstleis
tungen und öffentliche Infrastrukturen
stärkt und für gute und planbare
Erwerbsarbeit sorgt, die sicher ist und
zum Leben passt. An einer Regierung, die
Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder
Sozialabbau betreibt, deren Politik die
Aufgabenerfüllung des öffentlichen Diens-
tes verschlechtert, werden wir uns nicht
beteiligen.
Das sind die drei Säulen unseres Sozial-
staats der Zukunft:
n Soziale Rechte für alle, die vor Armut
schützen und gesellschaftliche Teilhabe
ermöglichen: Wir stärken den Sozialstaat
durch soziale Garantien auf Basis solidari-
scher Umlagesysteme, die alle Menschen
wirksam gegen die Risiken des Lebens
schützen. Wir garantieren einen guten
Lebensstandard für alle in allen Lebens-
phasen und Lebenssituationen – auch in
der Rente. Wir wollen einen garantierten
Schutz vor Armut. Sanktionen und ent-
würdigende Antragsverfahren schaffen
wir ab. Zusammengefasst wollen wir ein
garantiertes Mindesteinkommen von
1.200 Euro in jeder Lebenssituation,
in der es gebraucht wird.
n Soziale Dienstleistungen und öffent
liche Infrastrukturen, die Zugang für alle
ermöglichen: Soziale Dienstleistungen –
zum Beispiel im Gesundheits-, Pflege-,
Bildungs- und Sozialwesen – und öffent-
liche Infrastrukturen – zum Beispiel Biblio-
theken, Theater, Schwimmbäder, Straßen,
Nahverkehr – sind deshalb zentral für den
sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Als Teil des gesellschaftlichen Reichtums
sind sie öffentliche Güter, die allen Mitglie-
dern der Gesellschaft zugutekommen und
deshalb gemeinwohlorientiert verfasst sein
sollen. Wir verstehen diese Dienstleistun-
gen und Infrastrukturen als Sozialeigentum
aller Bürger*innen.
n Ein »neues Normalarbeitsverhältnis«
für gute und planbare Erwerbsarbeit, die
sicher ist und zum Leben passt: Sinnhafte
Erwerbsarbeit, kürzere Arbeitszeiten und
Löhne, die für ein gutes, planbares und
sicheres Leben reichen. So können wir auch
die Ungleichheit zwischen den Geschlech-
tern zurückdrängen. Gute Arbeit sichert
auch Steuereinnahmen und Versicherungs-
beiträge für die Ausweitung des demo-
kratischen Sozialstaats.
Soziale Rechte: Eine gerechte
Versicherung gegen Erwerbslosigkeit
Die Erwerbslosigkeit in Deutschland ist
durch die Coronakrise wieder gestiegen. Der
Anstieg fiel in den neuen Bundesländern
höher aus als in den alten. Für viele Erwerbs-
lose bedeutet das den Absturz in Hartz IV.
Wer jahrelang in die Arbeitslosenver-
sicherung eingezahlt hat, ist trotzdem von
Armut bedroht.
26
Lang erworbene Versicherungsansprüche
werden vernichtet. Wir wollen eine Arbeits-
losenversicherung, die den zuvor erreichten
Lebensstandard annähernd sichert. In die
Versicherung zahlen Beschäftigte und
Arbeitgeber*innen ein. Ziel unserer
Verbesserungen der Arbeitslosenver-
sicherung ist es, möglichst viele Menschen
gut abzusichern. Dies schließt auch die
Erwerbstätigen ein, die bislang von der
gesetzlichen Arbeitslosenversicherung
noch ausgeschlossen sind (zum Beispiel
Soloselbstständige und Freiberufler*innen).
Dazu erweitern wir das bereits bestehende
Arbeitslosengeld und führen ein neues
Arbeitslosengeld Plus ein.
n Wir wollen ein Recht auf Erwerbsarbeit
mit einem einklagbaren individuellen Rechts-
anspruch. Das schließt auch das Recht ein,
eine konkrete Erwerbsarbeit abzulehnen.
n DIE LINKE setzt sich für die Stärkung der
Arbeitslosenversicherung ein: Alle Men-
schen – insbesondere Berufseinsteiger*in-
nen – sollen schneller einen längeren
Anspruch auf Arbeitslosengeld erhalten
und langjährig Beschäftigte sollen davor
bewahrt werden, nach kurzer Zeit in das
Hartz-IV-System wechseln zu müssen.
n Zumutbare Arbeitsangebote müssen sich
am Grundsatz »Gute Arbeit« orientieren.
n Sperrzeiten und Sanktionen werden
ausnahmslos abgeschafft. Insbesondere
sollen Beschäftigten keine Sperrzeiten
drohen, wenn sie selbst kündigen oder
konkrete Arbeitsangebote ablehnen. Quali-
fizierung und Weiterbildung sollen gestärkt,
das Arbeitslosengeld soll auf einheitlich
68 Prozent erhöht und ein Arbeitslosengeld
Plus (58 Prozent) eingeführt werden, eben-
falls beitragsfinanziert, Bezugsdauer noch
mal so lang wie vorher das Arbeitslosengeld,
bei langjährig Versicherten dauerhaft.
Jährlicher Inflationsausgleich soll eine
Absenkung des Lebensstandards durch
Preissteigerungen verhindern.
n Wir wollen die Kurzarbeit als schnell wir-
kendes Mittel zur Sicherung von Arbeitsplät-
zen dauerhaft ausbauen. Kurzarbeitergeld
wird in Höhe von 90 Prozent des letzten
Einkommens gezahlt, die Sozialversiche-
rungsbeiträge werden in voller Höhe ohne
Unterbrechung gezahlt. Unternehmen, die
Kurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit
beziehen, dürfen keine betriebsbeding-
ten Entlassungen vornehmen und keine
Dividenden an ihre Anteilseigner*innen
auszahlen.
n Auch die Erwerbstätigen, die bislang von
der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung
noch ausgeschlossen sind (zum Beispiel
Soloselbstständige und Freiberufler*innen),
werden in diese einbezogen. Beiträge und
Leistungen richten sich dabei nach dem tat-
sächlichen Einkommen, Auftraggeber*innen
sind analog den Arbeitgeber*innen an den
Beiträgen zu beteiligen.
n Menschen, die derzeit keiner regulären
Beschäftigung nachgehen können, wollen
wir neue Perspektiven geben. Dafür schaffen
wir einen öffentlich geförderten Beschäfti-
gungssektor mit zusätzlichen existenzsicher-
nden, sozialversicherungspflichtigen und
tariflich abgesicherten Arbeitsplätzen. Die
Angebote sind für die Erwerbslosen freiwillig.
Bedarfsdeckende und sanktionsfreie
individuelle Mindestsicherung
Wir wollen das Hartz-IV-System abschaf-
fen und es ersetzen durch Gute Arbeit
(vgl. Kapitel »Gute Arbeit«), eine bessere
Erwerbslosenversicherung (siehe oben)
und eine bedarfsgerechte individuelle
Mindestsicherung ohne Sanktionen.
n Um sicher gegen Armut zu schützen,
muss sie derzeit1.200 Euro betragen.
Sie gilt für Erwerbslose, aufstockende
Erwerbstätige, Langzeiterwerbslose und
Erwerbsunfähige ohne hinreichendes
Einkommen oder Vermögen.
n Sonderbedarf, zum Beispiel für chronisch
Kranke oder Menschen mit Behinderung,
wird im Rahmen der Solidarischen Gesund-
heitsversicherung bzw. des Bundesteil-
habegesetzes gewährt. In Gebieten mit
angespanntem Wohnungsmarkt werden
zusätzlich zur Mindestsicherung auch
höhere Wohnkosten übernommen.
27
n Die Höhe der sanktionsfreien Mindest-
sicherung muss jährlich entsprechend den
Lebenshaltungskosten angehoben werden
(Inflationsausgleich). Einmal in der Legis-
laturperiode wird die Höhe der Mindest-
sicherung überprüft, wobei sichergestellt
sein muss, dass gesellschaftliche Teilhabe
und Schutz vor Armut garantiert sind. Für
Kinder wollen wir eine eigenständige Grund-
sicherung einführen (siehe unten).
n Alle Personen, die sich gegenwärtig in
Deutschland aufhalten, haben ein Recht auf
existenzsichernde Sozialleistungen. Das
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
wird abgeschafft. Asylbewerber*innen und
hier lebende EU-Bürger*innen werden in die
individuelle Mindestsicherung einbezogen.
Sofortmaßnahmen: Erhöhung
der Regelsätze und Abschaffung
der Sanktionen
Als Zwischenschritt bis zur Einführung einer
sanktionsfreien Mindestsicherung wollen
wir die sofortige Erhöhung der derzeitigen
Grundsicherungsleistungen auf 658 Euro
plus Übernahme der Wohn- und Strom-
kosten in tatsächlicher Höhe. Zudem
fordern wir für die Dauer der Coronapan-
demie einen pauschalen Mehrbedarfs-
zuschlag von 100 Euro pro Monat für alle
Bezieher*innen von Hartz IV und Grund-
sicherung. Diese Forderung teilen wir
mit vielen Sozialverbänden und Gewerk-
schaften.
n Langlebige Gebrauchsgüter wie Kühl-
schrank und Waschmaschine (sogenannte
weiße Ware) sind nicht vom Regelbedarf
abzudecken. Ihre Anschaffung muss im
Bedarfsfall voll übernommen werden.
n Die Mittel für Mobilität müssen den
realen Preisen entsprechen. Wir treten für
ein Sozialticket im öffentlichen Nahverkehr
ein. Perspektivisch wollen wir einen ent-
geltfreien öffentlichen Nahverkehr für alle.
Alle bisherigen Bundesregierungen haben
gezielt kleingerechnet, was die Menschen
zum Leben brauchen. Damit muss Schluss
sein. Da sind wir uns mit vielen Sozial- und
Fachverbänden einig.
n Die Kosten der Unterkunft und Heizung
müssen in einem Maße übernommen
werden, das dem tatsächlichen Angebot an
Wohnungen vor Ort entspricht (und nicht
nur die vom Jobcenter als »angemessen«
erachteten). Aktuell werden die angemes-
senen Wohnkosten von den Kommunen oft
viel zu niedrig angesetzt. Die Beiträge für
Mitgliedschaften in Mieter*innenvereinen
sollen vom Jobcenter übernommen werden.
n Das bisherige Prinzip der sogenannten
Bedarfsgemeinschaften ist nicht mehr
zeitgemäß. Wir wollen es durch individuelle
Ansprüche (unter Beachtung der gesetz-
lichen Unterhaltsansprüche) ersetzen.
n Die digitale Anbindung ist eine zwingen-
de Voraussetzung für soziale Teilhabe in
unserer Gesellschaft geworden. Deshalb
fordern wir einmalige Leistungen für die
digitale Ausstattung von Erwachsenen. Die
laufenden tatsächlichen Kosten für Digitales
müssen in den Regelsätzen enthalten sein.
n Schulpflichtige Kinder im Leistungsbezug
sollen als Sofortmaßnahme einen einma-
ligen Zuschuss für Computer, Drucker und
weitere IT-Ausstattung bekommen. Der
Zuschuss soll 500 Euro betragen und unbüro-
kratisch gewährt werden. Den IT-Zuschlag
überführen wir in unsere eigenständige
Kindergrundsicherung, sobald sie aufgebaut
ist (vgl. unten).
Sanktionsfreiheit! Alle Sanktionen, also
Kürzungen des Existenzminimums, müssen
ausgeschlossen werden. Das Bundesver-
fassungsgericht hat mit seinem Urteil vom
5. November 2019 bereits eine notwendige
rote Linie gegen die bisherige Sanktions-
praxis gezogen. Das Grundrecht auf soziale
Teilhabe muss auch für Bezieher*innen
von Grundsicherungsleistungen umgesetzt
werden.
n Die bisherigen Sanktionsregelungen im
SGB II sowie die Leistungseinschränkungen
im SGB XII müssen gestrichen werden. Das
sozialkulturelle Existenzminimum ist ein
Grundrecht und darf nicht durch Sanktionen
unterschritten werden.
28
n Damit auch Menschen mit geringem
Einkommen rechtlicher Beistand ermöglicht
wird, fordern wir den Ausbau der Prozess
kosten und Beratungshilfe. Die Eigenan-
teilzahlung zur Beratungshilfe wollen wir
abschaffen. Wir wollen die Kriterien für die
Bewilligung sowie für den Einsatz von Ein-
kommen und Vermögen zugunsten tatsäch-
lich bedarfsdeckender Beträge verändern.
Die über vier Jahre andauernde nachgela-
gerte Überprüfung der Bewilligung von
Prozesskostenhilfe wollen wir abschaffen.
Zudem setzen wir uns für gebührenfreie
und unabhängige Beratungsstellen ein.
Damit niemand allein zum Amt muss, und
um den Austausch von Betroffenen zu
erleichtern, braucht es ein bundesweites
Netz an selbstorganisierten Sozialbera-
tungsstellen. Deren Betrieb muss durch
Bundeszuschüsse finanziert werden.
Prekäre Beschäftigung und Erwerbslosigkeit,
hohe Mieten und Krankheit treiben die
Menschen in die Armuts- und damit zwangs-
läufig auch in die Schuldenfalle. Die Reform
des Verbraucherinsolvenzverfahrens von
2020 ist nicht ausreichend. Wir sagen: Raus
aus der Schulden- und Armutsfalle!
Menschen, die schon durchgehend seit
mindestens 72 Monaten im »Schuldturm«
(öffentliches Schuldnerverzeichnis)
eingetragen sind, sollen eine verkürzte
vollständige Restschuldbefreiung von
12 Monaten erhalten. Schufa und andere
private Auskunftsdateien sollen bei
Wohnungsbewerbungen keine Auskünfte
mehr über Schulden und laufende Kredite
der Bewerber*innen erteilen dürfen. Für
Vermieter*innen muss die Mietschulden-
freiheitserklärung als Kontrollinstrument
ausreichen.
Wir wollen Schulden verhindern, bevor sie
entstehen. Dafür wollen wir Schuldner-
beratungsstellen stärken und eine mobile
Schuldnerberatung in ländlichen Gebieten
einführen. Wir wollen kostenfreie juristische
Hilfe für jeden betroffenen Verbraucher
ohne Bedingungen.
Alle in der Partei DIE LINKE sind dem grund-
legenden Ziel verpflichtet, alle Menschen
sicher vor Armut zu schützen und gesell-
schaftliche Teilhabe zu garantieren. Diese
Garantie macht für viele die Idee eines
Grundeinkommens attraktiv. Viele andere
halten diese Idee dagegen für ungeeignet.
Für uns ist dieses Ziel der Grund, uns für
ein sanktionsfreies Mindesteinkommen
von 1.200 Euro einzusetzen, für alle, die es
brauchen: ob in Rente, Kurzarbeit, Erwerbs-
losigkeit oder im Studium – kein volljähriger
Mensch soll weniger haben. Wir führen
die gesellschaftlichen Diskussionen über
ein bedingungsloses Grundeinkommen
kontrovers und entscheiden im kommenden
Jahr mit einem Mitgliederentscheid, ob wir
unsere Haltung dazu ändern.
Kinderarmut überwinden:
Kindergrundsicherung
Kinderarmut ist immer Einkommensarmut
der Eltern. Eine gute soziale Infrastruktur,
gute Löhne und soziale Garantien sind
wichtige Bestandteile im Kampf gegen
Kinderarmut. Dazu kommen eine starke
Kinder- und Jugendhilfe und eine armuts-
feste Kindergrundsicherung. Wir besei-
tigen Kinder- und Jugendarmut mit zwei
Ansätzen:
n mit finanzieller Unterstützung bei
materieller und monetärer Armut,
n mit infrastrukturellen Angeboten
(ÖPNV, Kinder- und Jugendfreizeitein-
richtungen, Musikschulen, Bibliotheken
etc.) werden Türen geöffnet und es wird
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben
hergestellt – niedrigschwellig, barriere-
frei, wohnortnah im Lebensumfeld und
möglichst gebührenfrei.
Gemeinsam mit Sozialverbänden, Gewerk-
schaften und anderen gesellschaftlichen
Akteuren fordern wir eine eigenständige
Kindergrundsicherung. Sie muss leicht
verständlich, transparent und gerecht sein.
Bei der Ausgestaltung orientieren wir uns
am Modell des Bündnisses Kindergrund-
sicherung. Die Höhe fällt abgestuft aus.
Beginnend bei 630 Euro für die ärmsten
Kinder wird sie je nach Einkommens-
situation bis auf 328 Euro abgeschmolzen.
Das entspricht dem erhöhten Kindergeld,
das wir für alle Kinder als Sofortmaßnahme
29
fordern. Es wird einkommensunabhängig
an alle Familien monatlich gezahlt.
Als Sofortmaßnahme erhöhen wir das
Kindergeld für alle Kinder auf 328 Euro
monatlich. Es wird einkommensunabhängig
an alle Familien gezahlt. Kinder aus armen
Familien erhalten zusätzlich als Sofortmaß-
nahme zum Kindergeld einen nach Alter
gestaffelten Zuschlag bis zu 302 Euro. Außer-
dem sollen auch für Kinder die tatsäch-
lichen Unterkunftskosten sowie einmaliger
und besonderer Bedarf (Klassenfahrten,
IT-Ausstattung u. ä.) berücksichtigt werden.
Die Kindergrundsicherung gilt für alle Kinder
und Jugendlichen bis zur Vollendung des
18. Lebensjahres und für junge Volljährige
bis zur Vollendung ihrer ersten Schulausbil-
dung (inkl. Abitur). Mit unserer Kindergrund-
sicherung ersetzen wir die bestehenden
bürokratischen, restriktiven und intranspa-
renten sozialen Sicherungssysteme für
Kinder einkommensarmer Familien. Der
Unterhaltsvorschuss bleibt bestehen. Die
Kindergrundsicherung ist eine Leistung
ausschließlich für das Kind. Sie wird weder
beim Bezug von Sozialleistungen noch
innerhalb des Steuerrechts als Einkommen
der Eltern oder anderer Haushaltsange-
höriger angerechnet.
Die Angebote für Kinder und Jugendliche
zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
und zur persönlichen Entwicklung wollen
wir ausbauen – barrierefrei, lebensnah
und möglichst gebührenfrei. Die Kommunen
sind entsprechend finanziell zu unterstützen,
um Angebote der Kinder- und Jugendhilfe,
Sportanlagen, Frei- und Hallenbäder, Kultur-
und Bildungseinrichtungen vorzuhalten
sowie den ÖPNV stärker auf die Bedürfnisse
der jungen Menschen auszurichten. Wir wol-
len ein wirkliches Teilhabegesetz für Kinder
und Jugendliche. Die jetzigen Bestimmungen
in Paragraf 13 SGB VIII sind bloße Absichts-
erklärungen. Wir wollen sie zu einem Rechts-
anspruch auf soziale Teilhabe machen.
Familien dort unterstützen,
wo sie es brauchen
Niedrige Löhne und Erwerbslosigkeit haben
Familien-, Kinder- und Jugendarmut zur Folge.
Besonders dramatisch ist die Situation für
alleinerziehende Mütter und Väter, die sich
im Hartz-IV-Bezug befinden. LINKE Familien-
politik zielt darauf ab, allen Menschen ein
gutes, planbares Leben ohne Zukunftsangst
zu ermöglichen – für alle Familienformen,
unabhängig der Herkunft, sexuellen Orientie-
rung und geschlechtlichen Identität (vgl.
Kapitel »Reproduktive Gerechtigkeit«). Dafür
wollen wir soziale und öffentliche Infrastruk-
turen und Dienstleistungen ausbauen und
gute soziale Sicherungen einführen, damit
Familie und Beruf besser vereinbar werden.
n Gebührenfreie öffentliche Kinderbe
treuung für Kinder aller Altersgruppen:
Eltern brauchen Betreuungseinrichtungen,
die flexible Öffnungszeiten haben, damit
eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf
gewährleistet ist. Gleichzeitig brauchen
Beschäftigte gute Arbeitsbedingungen, gute
Löhne und bessere Betreuungsschlüssel.
Die öffentlichen Betreuungsangebote, ins-
besondere für Kinder ab dem ersten Lebens-
jahr, müssen ausgebaut werden, damit ihr
Rechtsanspruch auf pädagogische Förde-
rung eingelöst werden kann (vgl. Kapitel
»Bildung«).
n Mindestelterngeld, längere Laufzeit:
Um Familie und Beruf besser zu verein-
baren, wollen wir den Elterngeldanspruch
auf 12 Monate pro Elternteil (bzw. 24 Monate
für Alleinerziehende) verlängern. Der Eltern-
geldanspruch gilt individuell und ist nicht
auf den anderen Elternteil übertragbar. Er
gilt bis zum siebten Lebensjahr des Kindes.
Außerdem wollen wir den Mindestbetrag des
Elterngelds auf 400 Euro und beim Elterngeld
Plus entsprechend auf 200 Euro anheben.
n Keine Anrechnung des Elterngeldes
auf Transferleistungen: Seit 2011 wird
Elterngeld zum Beispiel auf Hartz IV
angerechnet. Insbesondere Familien mit
geringem oder gar keinem Einkommen,
die auf staatliche Unterstützung ange-
wiesen sind, sind seitdem von der Leistung
ausgeschlossen.
n Arbeitszeitmodelle, die es Müttern
und Vätern ermöglichen, ihren Beruf mit
Familie und Privatleben unter einen Hut zu
bringen. Statt einer Flexibilisierung der
30
Arbeitszeit, die sich lediglich an betrieb-
lichen Erfordernissen orientiert, brauchen
die Beschäftigten Zeitautonomie und eine
Erwerbsarbeit, die zum Leben passt und sich
an die Anforderungen der unterschiedlichen
Lebensphasen anpassen kann (vgl. Kapitel
»Arbeit, familienfreundliche Arbeitszeiten«).
Eltern brauchen besonderen Kündigungs-
schutz bis zur Vollendung des sechsten
Lebensjahres des Kindes.
n Mehr Kinderkrankentage: Aufgrund
der Coronapandemie wurden die Kinder-
krankentage befristet bis Ende 2021 für
gesetzlich versicherte Elternteile um zehn
weitere Tage je Kind und für Alleinerzie-
hende um zusätzlich zwanzig Tage je Kind
verlängert. Wir wollen eine dauerhafte
Verlängerung der Kinderkrankentage.
Das muss auch für Beschäftigte in Mini-
und Midijobs, Soloselbstständige und
Freiberufler*innen gelten!
n Zusätzlicher Elternschutz: Wir wollen
einen zusätzlichen Elternschutz von zehn
Tagen bezahlter Freistellung für den zweiten
Elternteil nach der Geburt des Kindes.
n Geschlechtergerechte Steuermo
delle statt Ehegattensplitting. Das nicht
ausgeschöpfte steuerliche Existenz-
minimum soll zwischen Eheleuten bzw.
Lebenspartner*innen übertragbar sein.
n Im Sorge und Umgangsrecht muss
das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen
und weiterhin im Einzelfall geprüft werden.
n Wir wollen Kinderrechte im Grundgesetz
verankern.
n Mehr Personal in Jugendämtern:
Eltern benötigen fachkundige Beratung und
Begleitung. Das sind Aufgaben der Jugend-
ämter, die sie wegen Personalmangels und
Unterausstattung oft nicht leisten können.
Wir fordern eine bedarfsdeckende perso-
nelle und sachliche Ausstattung von Jugend-
ämtern. Dies gilt insbesondere für psycholo-
gisches Personal sowie Mediator*innen.
Selbstbestimmt im Alter
Wie die Menschen im Alter leben wollen,
in wohlverdienter Ruhe, aktiv und sozial
engagiert, einbezogen in die Familie oder
in andere solidarische Beziehungen, muss
ihre freie Entscheidung sein. Dabei müssen
ältere Menschen in alle sie betreffenden
Lebensbereiche einbezogen werden – als
Expert*innen ihres Lebens. Die Möglich-
keit der gesellschaftlichen Teilhabe älterer
Menschen muss unter Beachtung der
Besonderheiten dieses Lebensabschnittes
uneingeschränkt gewährleistet werden.
Kommunikations-, Verwaltungs- und
Gemeinschaftsangebote sollen alters-
gerecht und barrierefrei verfügbar sein.
Wir streiten für eine solidarische Gesell-
schaft, in der die Jungen und Alten nicht
gegeneinander ausgespielt werden. Eine
Gesellschaft, in der Menschen in Würde
altern können (vgl. Kapitel »Rente«).
n Altersgerechte, gemeinnützige (zum
Beispiel genossenschaftliche), inklusive
und vielfältige Wohn und Betreuungs
formen schaffen. Sie sollen das Zusam-
menleben unterschiedlicher Generationen,
Nationalitäten, Religionen, Geschlechter,
von Menschen unterschiedlicher sexueller
Orientierung oder Befähigung ermöglichen.
Ältere Menschen sollen so lange wie
gewünscht in ihrer eigenen Wohnung und
im gewohnten Wohnumfeld bleiben können.
n Wirksame Hilfen und Konzepte gegen
soziale Isolation und Einsamkeit im
Alter. Kommunale aufsuchende Angebote
für Senior*innen und gemeinschaftliche
Begegnungsorte sind öffentlich und müssen
gefördert werden.
n Gute und altersgerechte gesundheit-
liche Versorgung, aufsuchend und
aufklärend ohne Verletzung der Selbst-
bestimmung der Patient*innen. Die
individuelle Entscheidungskompetenz
durch Vorsorgevollmachten und Patien-
tenverfügungen soll unabhängig vom
sozialen Status gefördert werden. Die
gesundheitliche und pflegerische Be-
treuung muss professionell, wohnort-
und patientennah sein und zur kommu-
nalen Pflichtaufgabe gemacht werden.
31
n Mitbestimmungsrechte für
Senior*innen auf Bundes-, Länder-, Kreis-
und Kommunalebene wollen wir stärken.
Insbesondere sollen die Rechte der
Senior*innenvertretungen ausgebaut
und bundeseinheitlich gestärkt werden.
n Wir wollen ein eigenständiges Teilhabe
gesetz für Senior*innen, das den Rechtsan-
spruch auf volle soziale Teilhabe festschreibt,
zum Beispiel den Anspruch auf barriere-
freies Wohnen und wohnortnahe Gesundheits-
versorgung im Alter, und die Kommunen
dafür in die Pflicht nimmt. Es soll die
bisherigen Leistungen und Angebote aus
Paragraf 71 SGB XII aufnehmen und unter
den Aspekten der Selbstbestimmung und
Selbstermächtigung weiterentwickeln.
n Gute Infrastruktur: Auch in ländlichen
Regionen und in Pflegeheimen müssen
Menschen Zugang zu öffentlicher Verwal-
tung, Einzelhandel und Versorgungseinrich-
tungen haben. Der öffentliche Nahverkehr,
Rufbusse und mobile Versorgungsange-
bote sollen ausgebaut werden. Schnelles
Internet und Hardware für digitale Teilhabe
sind eine Voraussetzung für ein selbst-
bestimmtes Leben im Alter und sollen
öffentlich gefördert altersgerecht aus-
gebaut werden.
Pflegenotstand stoppen!
Systemwechsel in Gesundheit und Pflege
Die Coronakrise hat allen vor Augen geführt,
dass das Gesundheitssystem falsch organi-
siert ist: Die eilig eingerichteten Notfallkran-
kenhäuser konnten vielerorts nicht betrieben
werden, weil es nicht genügend Personal
gab. Weil ausreichend Schutzkleidung fehlte,
infizierten sich viele Pfleger*innen und
medizinisches Personal. Das verschärfte den
Pflegenotstand, und teilweise wurde gegen
Grundrechte der Menschen mit Pflegebedarf
verstoßen. Die Bundesregierung hätte es
nach dem Frühjahr besser wissen können.
Doch sie hat das Personal in Krankenhaus
und Pflege nicht aufgestockt, sie hat den
Pharmakonzernen keine klaren Vorgaben
für die Produktion des Impfstoffs gemacht.
Schon vor Corona war Normalzustand in
deutschen Krankenhäusern: kaum Zeit
für Zuwendung, mangelnde Hygiene, mehr
Unfälle und vermeidbare Todesfälle. Die
Bundesregierung hat keine Strategie vor-
gelegt, wie der Pflegenotstand in den
Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen
gestoppt werden kann. Die Politik der
Bundesregierungen, die dafür sorgt, dass
private Konzerne und Investoren mit unse-
ren Versicherungsbeiträgen, Zuzahlungen,
Eigenanteilen und der Ausbeutung der
Beschäftigten im Gesundheitswesen das
große Geld machen können, gefährdet un-
sere Gesundheit! Damit muss Schluss sein!
Wir alle sind potenzielle Patient*innen und
Menschen mit Pflegebedarf.
Wir erwarten, dass wir in Pflegeheimen,
Krankenhäusern und im ambulanten
Bereich gut versorgt werden. DIE LINKE
steht an der Seite der Beschäftigten, die seit
Jahren für diese Ziele kämpfen. Der Pflege
notstand muss endlich gestoppt werden!
n 100 000 Pflegekräfte mehr in den
Krankenhäusern und 100 000 Pflege
kräfte mehr in den Pflegeheimen und
500 Euro mehr Grundgehalt! Die vielen
Ausgebildeten, die den Beruf verlassen
haben, sollen mit attraktiven Arbeitsbe-
dingungen zurückgewonnen werden.
n Wir brauchen eine gesetzliche Perso
nalbemessung für alle Berufe im Kran
kenhaus und in ambulanten und stationä-
ren Pflegeeinrichtungen!
n In den Krankenhäusern wollen wir Perso-
nalabbau und Outsourcing stoppen und
rückgängig machen. Wir unterstützen die
Kämpfe der Beschäftigten für die Rück
nahme von Ausgliederungen und Priva
tisierungen (etwa der Küchen- und Reini-
gungsdienstleistungen oder der Logistik).
Es muss gelten: Ein Haus, ein Tarif!
32
n Die momentane Finanzierung der Kranken-
häuser über das System der sogenannten
Fallpauschalen (DRG) schafft falsche Anreize:
Diagnosen, die sich lohnen, werden öfter
gestellt. Krankenhäuser werden unter Wett-
bewerbsdruck gesetzt. Der individuelle
gesundheitliche Bedarf steht nicht mehr im
Mittelpunkt. Wir fordern die Abschaffung
der Fallpauschalen! Die Betriebskosten
müssen von den Krankenkassen vollständig
refinanziert werden.
n Wir wollen Krankenhäuser in kommu-
nale, öffentliche oder gemeinnützige Hand
über führen. Gewinne aus dem Betrieb von
Krankenhäusern dürfen nicht in die Taschen
von Eigentümern und Aktionären fließen.
Deshalb brauchen wir ein Verbot der
Entnahme von Gewinnen. Mögliche Über-
schüsse müssen im Betrieb bleiben. Wenn
keine Gewinnentnahmen mehr möglich
sind, verlieren private Konzerne den Anreiz,
Krankenhäuser zu betreiben. Wir fordern
einen Fonds des Bundes zur Rekommuna-
lisierung, um eine weitere Privatisierung zu
verhindern und Entprivatisierungsbestre-
bungen zu unterstützen. Die Planungsrechte
der Bundesländer müssen gegenüber den
Krankenhausträgern gestärkt werden. Wir
erleichtern und fördern, dass kommunale
Krankenhausverbünde geschaffen werden.
n In den Pflegeeinrichtungen wollen wir
gute Arbeitsbedingungen durchsetzen.
Dazu soll der Pflegevorsorgefonds in einen
Pflegepersonalfonds umgewandelt werden.
Medizinische Behandlungspflege, muss
auch in stationären Pflegeeinrichtungen
und Einrichtungen der Behindertenhilfe
vollständig von der gesetzlichen Kranken-
versicherung getragen werden. Zusätzliche
Pflegekräfte können so regulär beschäftigt
und besser bezahlt werden. Grundlage dafür
muss ein allgemeinverbindlicher Flächen-
tarifvertrag, mindestens auf dem Niveau
der Tarifverträge des Öffentlichen Dienstes
(TVÖD/TV-L), für alle Beschäftigten sein,
der auch für private und kirchliche Träger
wie Caritas und Diakonie gilt. DIE LINKE
fordert ein bedarfsgerechtes, hohes Fach-
kraftniveau auch in der Nachtschicht in
Pflegeeinrichtungen, das bundesweit
verbindlich umgesetzt und dessen Einhal-
tung wirksam kontrolliert wird. Bis zur
Einführung der wissenschaftlichen
Personalbemessung in der Altenpflege
gilt eine Fachkraftquote von mindestens
50 Prozent.
n Menschenwürdige Pflege kann und darf
nicht auf Profit ausgerichtet sein. Aktuell
ist der überwiegende Teil der Pflegeheim-
plätze und der ambulanten Pflegedienste
privatwirtschaftlich organisiert. Der gesetz-
lich verankerte Anspruch auf Gewinn,
der sogenannter Risikozuschlag, für den der
Staat im Zweifel bezahlt, muss ersatzlos
gestrichen werden. Die Kostenspirale der
immer weiter steigenden Eigenanteile muss
gebrochen werden. Bis zur Einführung
einer Pflegevollversicherung müssen die
Eigenanteile sofort deutlich gesenkt und
gedeckelt werden.
n Keine transnationalen Pflegekonzerne:
Wir brauchen eine Zulassungssteuerung,
die einen Steuernachweis im Inland enthält.
Pflegeeinrichtungen müssen gemeinnützig
arbeiten.
n Gute Pflege wird vor Ort erbracht: Die
Kommunen müssen in die Lage versetzt
werden, Pflegeeinrichtungen in öffentliche
oder gemeinnützige Verantwortung und
unter demokratische Kontrolle zu bringen.
n DIE LINKE lehnt die Einführung von
Pflegekammern ab.
n Bund und Länder müssen ihrer Investi-
tionspflicht nachkommen und die notwen-
dige Infrastruktur gewährleisten. Für eine
umfassende Planung der Pflegelandschaft
wollen wir eine Pflegebedarfsplanung
analog zur Krankenhausbedarfsplanung
einführen.
Ambulante Pflegedienste und soloselbst-
ständige Pflegende wollen wir durch
Organisation auf gemeinnützigen Plattfor-
men und Durchsetzung von sozialversi-
cherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen
absichern.
n DIE LINKE setzt sich für eine Stärkung
der Qualifizierung und für eine bessere
Bezahlung der Gesundheits- und Heilberufe
ein. Aus- und Fortbildung in Gesundheits-
33
berufen muss gebührenfrei sein und
Arbeitsleistungen während der Ausbildung
müssen vergütet werden. Bei der Weiter-
bildung sollen die Beschäftigten nach
ihrem Grundberuf bezahlt werden. Für
Psychotherapeut*innen in Aus- und
Weiterbildung muss dies während ihrer
gesamten praktischen Tätigkeit gelten.
n DIE LINKE unterstützt das gewerk-
schaftliche Engagement für bundesweite
Ausbildungsverordnungen und Ausbil-
dungsvergütungen in der Gesundheits-
branche. Wir fordern bundeseinheitliche
Regelungen für die Anerkennung von
Heilerziehungspfleger*innen als Fach-
kräfte in der Behindertenhilfe.
Eine neue solidarische
Gesundheitsversicherung!
Das Allgemeinwohl muss bei Gesundheit
und Pflege im Vordergrund stehen – nicht
die Profitmöglichkeiten einzelner Konzer-
ne. Der tatsächliche Bedarf muss für die
Planung unserer Gesundheits- und Pflege-
landschaft ausschlaggebend sein, nicht die
Frage, ob Investoren sich Rendite verspre-
chen. Die Finanzierung muss auf neue
Füße gestellt werden. Wir brauchen eine
Solidarische Gesundheitsvollversicherung.
Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle
Einkommen erhoben, alle werden gut ver-
sorgt. Zuzahlungen und Eigenanteile fallen
in Zukunft weg.
n Mit der Abschaffung der Beitrags -
bemessungsgrenze sinkt der Beitrag für
die Krankenversicherung von circa15
Prozent auf etwa12 Prozent des Brutto-
lohns. Bis zur Einführung einer Solidari-
schen Gesundheitsversicherung müssen
sich die Beiträge für Selbstständige
und andere freiwillig in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) Versicherte
stärker am realen Einkommen
orientieren.
n Für Menschen mit einem Monats
einkommen unter 6.200 Euro sinken
die Beiträge in absoluten Zahlen. Der
allergrößte Teil der Bevölkerung wird durch
dieses Konzept finanziell entlastet, auch
viele Selbstständige und Rentner*innen.
Arbeitgeber*innen und Versicherte zahlen
jeweils die Hälfte, also dann weniger als
sechs Prozent.
n Schluss mit der Zweiklassenmedizin:
Wir wollen die Trennung zwischen gesetz
licher und privater Krankenversicherung
abschaffen. In die Solidarische Gesund-
heitsversicherung zahlen alle entsprechend
ihren gesamten Einkünften (Erwerbs-, Kapital-
und anderen Einkommen) ein und bekommen
alle medizinisch notwendigen Leistungen,
auch vollumfänglich Medikamente, Brillen,
Zahnersatz oder Physiotherapie. Medizinisch
unnötige Behandlungen privat Versicherter
für den Profit gehören der Vergangenheit an.
n Einige Hunderttausend Menschen haben
immer noch keinen Krankenversicherungs-
schutz – fast vierzehn Jahre nach Einfüh-
rung der Krankenversicherungspflicht!
Deshalb fordern wir, dass alle in Deutsch-
land lebenden Menschen notwendige
gesundheitliche Leistungen uneinge-
schränkt erhalten. Menschen ohne Kranken-
versicherung müssen ohne Verschuldung
aufgenommen werden können. Die Beiträge
für Selbstständige und andere freiwillig in
der GKV Versicherte müssen sich deutlich
stärker am realen Einkommen orientieren.
n Wir fordern, dass die Kostenerstattung
von nicht evidenzbasiert Behandlungs-
methoden durch die GKV beendet wird.
Eine solidarische Pflege
vollversicherung
Die Pflegeversicherung deckt die Kosten der
Pflege nicht, sie ist eine Teilleistungsver-
sicherung. Immer mehr Menschen können
sich gute Pflege nicht leisten, müssen sich
verschulden oder geraten in die Sozialhilfe.
Wir wollen die Pflegeversicherung grund-
legend umbauen: Mit einer verlässlichen,
gerechten und zukunftsfesten Finanzierung
können wir gute Arbeitsbedingungen und
gute Pflege nach wissenschaftlichen Stan-
dards sicherstellen. Die Kommunen werden
entlastet, weil weniger Menschen durch
die Pflegekosten von Sozialhilfe abhängig
werden. Wir stehen zum teilhabeorientierten
Pflegebegriff: Zeit für aktivierende Pflege
und zum Zuhören, für Zuwendung und
34
Förderung muss sein. Zu den Pflegeleis-
tungen gehört Assistenz für Menschen mit
Behinderung. Assistenzleistungen sollen
möglichst lang die Teilhabe am öffentlichen
Leben sichern.
n Unsere Solidarische Pflegevollver-
sicherung deckt alle pflegerischen Leis-
tungen ab. Menschen mit Pflegebedarf
und ihre Familien müssen keinen Eigenan-
teil zahlen. Keine Pflegeleistung darf aus
Kostengründen verweigert werden.
n Pflegeleistungen sollen in hoher Qualität
von gut bezahlten Fachkräften erbracht
werden. Familiäre Pflege und nachbarschaft-
liches Engagement können ergänzend und
sollen nicht aus der Not heraus geleistet
werden. Wer auf Sozialhilfe angewiesen
ist, erhält dieselben Leistungen wie alle
anderen Menschen mit Pflegebedarf.
n Die private Pflegeversicherung muss
in die gesetzliche überführt werden. Die
finanziellen Lasten müssen gerecht auf
allen Schultern verteilt werden. Auch
Beamt*innen, Abgeordnete und Selbst-
ständige müssen entsprechend ihren
Einkommen in die Solidarische Gesund-
heits- und Pflegeversicherung einzahlen:
auch auf Einkommen aus Kapitaleinnahmen
und ohne eine Beitragsbemessungsgrenze,
die die Millionär*innen schont. Damit
schaffen wir die finanzielle Grundlage für
die Solidarische Pflegevollversicherung.
n Gegen Ausbeutung müssen Beschäftigte
in Privathaushalten ohne Arbeits- und
Aufenthaltsrecht die Möglichkeit einer
Legalisierung erhalten. Bevorzugt soll
Pflegearbeit in Privathaushalten als reguläre
Beschäftigung über öffentliche Agenturen,
Pflegeplattformen, gemeinwohlorientierte
oder kommunale Träger organisiert werden.
Diese müssen tarifliche Bezahlung, unbe-
fristete Beschäftigung, das Recht auf eine
vertragliche Mindeststundenzahl, Arbeits-
schutz und Weiterbildung für Beschäftigte
garantieren (vgl. Kapitel »Arbeit«).
n Für einen Urlaub in EU-Staaten sollen die
Kosten für ausländische Pflegesachleistun-
gen von der deutschen Pflegeversicherung
übernommen werden.
Pflegende Angehörige entlasten!
Die Lücken in unserem Pflegesystem werden
durch unbezahlte Arbeit von Angehörigen
ausgeglichen.
Meist sind es die Frauen – Ehe- und Lebens-
partnerinnen, Töchter und Schwiegertöchter.
Im Alltag kämpfen viele pflegende Menschen
mit Dauerstress, Erschöpfung und Geldsor-
gen. Viele schränken ihre Berufstätigkeit ein
oder geben sie auf. Das verringert das Ein-
kommen und die eigenen Rentenansprüche
und führt die Pflegenden in die Altersarmut.
Das im Koalitionsvertrag von CDU/CSU
und SPD angekündigte Entlastungsbudget
wurde nicht eingeführt.
n Die größte Entlastung sowohl für
Menschen mit Pflegebedarf als auch für
ihre pflegenden Angehörigen sind wohn-
ortnahe, nicht kommerzielle und von einer
Solidarischen Pflegevollversicherung
abgedeckte professionelle Tages- und
Kurzzeitpflege sowie unbürokratisch
zugängliche Entlastungsangebote. Sie
müssen ausgebaut und zusammengeführt
werden. Menschen mit Pflegebedarf und
pflegende Angehörige sollen selbst
entscheiden können, welche Versorgungs-
form und welche Unterstützungsleistung
sie in welchem Mix in ihrer Lebensführung
brauchen und wollen.
n Die Interessenvertretungen pflegender
Angehöriger und Menschen mit Pflege-
bedarf brauchen in allen Pflegegremien
auf Bundesebene, – wie dem Qualitätsaus-
schuss – und in allen regionalen Pflege-
konferenzen einen Sitz mit Stimmrecht.
Im Rahmen der Solidarischen Pflegever-
sicherung wollen wir einen Beirat für
Menschen mit Pflegebedarf und pflegenden
Angehörigen schaffen, der bei allen sie
betreffenden Vorhaben anzuhören ist und
ein Vorschlagsrecht für Gesetzesinitiativen
erhält. Pflegeinitiativen vor Ort müssen im
Rahmen der Selbsthilfe dauerhaft öffentlich
finanziert werden.
n Für mehr Transparenz, Vernetzung und
Selbstbestimmung brauchen wir Pflege-
plattformen, die Pflegekräfte sozialver-
sichert und tariflich abgesichert beschäf-
35
tigen. Die verbreitete 24-Stunden-Pflege
durch nur eine Betreuungsperson, die im
Haushalt des Menschen mit Pflegebedarf
lebt, basiert auf systematischem Verstoß
gegen das Arbeitszeitgesetz. Aktuelle
Vorschläge, diese Betreuungsform durch das
Beschäftigungsmodell der arbeitnehmer-
ähnlichen Selbstständigkeit sozialversiche-
rungspflichtig zu machen, lehnen wir ab. Sie
beheben das grundlegende Problem nicht,
sondern verfestigen es und ändern nichts
am System der organisierten Ausbeutung.
Es darf nicht sein, dass osteuropäische Be-
treuungskräfte durch den Verzicht auf Min-
destlohn und Sozialleistungen pflegende
Angehörige finanziell entlasten und den deut-
schen Pflegenotstand abfedern! DIE LINKE
erkennt den Wunsch älterer Menschen nach
Autonomie im Alter und Leben in der eigenen
Wohnung ausdrücklich an. Eine Unterstüt-
zung bei der Bewältigung des Alltags durch
häusliche Betreuung, die dafür notwendig ist,
muss auf dem Boden des geltenden Arbeits-
rechts neu aufgestellt werden.
n Aktuell gibt es keine echten Lohnersatz-
leistungen für pflegende Angehörige, die
noch im Beruf stehen. Wir wollen für alle
Beschäftigten sechs Wochen Freistellung
bei vollem arbeitgeberfinanziertem
Lohnausgleich beim ersten Auftreten eines
familiären Pflegefalls. Auch bei längerer
Übernahme häuslicher Pflege müssen
Pflege und Beruf vereinbart und Armut
verhindert werden können. Gemeinsam
mit den Interessenvertretungen pflegen-
der Angehöriger, Sozialverbänden und
Gewerkschaften entwickelt DIE LINKE ein
Konzept für eine Freistellung berufstätiger
pflegender Angehöriger und Zugehöriger mit
Lohnersatz. Die Schwellenwerte im Pflege-
zeit- und Familienpflegezeitgesetz wollen wir
abschaffen. Es braucht einen bundesweiten
Rechtsanspruch auf familiengerechte
Arbeitszeiten für alle, die Verantwortung in
Erziehung und Pflege übernehmen, ein-
geschlossen ein Rückkehrrecht auf den
eigenen oder einen gleichwertigen Arbeits-
platz (vgl. Kapitel »Familien dort unter-
stützen, wo sie es brauchen«).
Öffentlichen Gesundheitsdienst
stärken!
Jahrelang ist an der personellen und sach-
lichen Ausstattung des öffentlichen Ge-
sundheitsdienstes (ÖGD) gespart worden.
Im Laufe der Coronapandemie zeigte sich,
wie unverantwortlich das war: Wichtige
Aufgaben, wie z. B. die Einschulungsunter-
suchungen bei allen Kindern eines Jahr-
gangs, wurden nicht mehr erledigt. Die
Kapazitätsgrenzen waren schnell erreicht.
Statt sich bei der Bundeswehr Helfer*innen
zu holen, muss für extreme Notsituationen
das Technische Hilfswerk (THW) besser
ausgestattet werden. DIE LINKE will eine
finanzielle Stärkung des ÖGD und eine
bessere Koordinierung. Im Mittelpunkt der
Arbeit des ÖGD muss die soziale Kompo-
nente von Gesundheit stehen. Pandemie-
und Katastrophenschutzpläne müssen
fortgeschrieben und auf kommunaler Ebene
durch den ÖGD regelmäßig auf ihre Funk-
tionalität überprüft werden. Im Mittelpunkt
der Arbeit des ÖGD muss die soziale
Komponente von Gesundheit stehen. Er
muss eine tragende Rolle bei Fragen
der Prävention erhalten. Der Bund muss
die Mittel für die Schaffung von Landes-
gesundheitsämtern in den Bundesländern
bereitstellen.
n Der Bund muss dafür sorgen, dass
Vorhaltekosten für Material und
Behandlungskapazitäten komplett
gedeckt werden.
n Wir wollen, dass der ÖGD für niedrig-
schwellige Impfangebote und bei der
Prophylaxe gegen Infektionen in Kitas,
Schulen und Betrieben die tragende
Rolle übernimmt.
n In allen Bundesländern braucht es eine
gesetzliche Regelung für ein verbindliches
Einlade- und Meldewesen zur Teilnahme an
Vorsorgeuntersuchungen für Kinder.
n Hygieneprodukte für Menstruation
sollen von den öffentlichen Gesundheits-
stellen kostenlos zur Verfügung gestellt
werden (vgl. Kapitel »Feminismus«).
36
Gesundheitliche Ungleichheit
bekämpfen!
Gesundheit ist eine zentrale Vorausset-
zung für die gesellschaftliche Teilhabe und
Selbstbestimmung jedes Einzelnen. Es
ist bekannt, dass die soziale Lage einen
entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit
hat: Wer arm ist, wird häufiger krank und
stirbt früher. Die Schere zwischen Arm
und Reich geht in Deutschland besonders
schnell auseinander, mit der Folge, dass
Ungleichheit der Gesundheitschancen
weiter ansteigt. Gesundheit wird maßgeblich
durch die Lebens- und Arbeitsbedingungen
der Menschen bestimmt. Diese Entwicklung
wurde durch die Coronapandemie und
den Umgang der Bundesregierung damit
verschärft. Medizinische Forschung und
Behandlung von Krankheiten werden
durch einen Gender Data Gap (Datenlücke
zwischen den Geschlechtern) bestimmt,
wobei der männliche Körper als Norm gilt.
Dadurch erhalten Frauen häufig z. B. eine
Behandlung und Dosierung von Medikamen-
ten, die für sie gesundheitsschädlich oder
gar lebensgefährlich ist.
n Der Zusammenhang zwischen sozialer
Lage und Gesundheit muss im Mittelpunkt
der Gesundheitspolitik stehen. Das betrifft
einerseits den Zugang zu guter pflegeri-
scher und gesundheitlicher Versorgung.
Noch wichtiger ist aber, die Förderung von
Gesundheitschancen als Aufgabe aller
Politikbereiche von Bildung über Verkehr
und Umwelt, bis hin zu Verbraucherschutz
und Außenpolitik zu begreifen. Wir wollen
daher, dass jede gesetzliche Initiative von
einer unabhängigen Stelle auf ihre Aus-
wirkungen auf gesundheitliche Ungleichheit
untersucht wird.
n Wir fordern die Einführung des anonymen
Krankenscheins, der illegalisierten Menschen
den Zugang zur Gesundheitsversorgung
ermöglicht.
n Das Gesundheitswesen wollen wir konse-
quent von Barrieren befreien. Das bedeutet
nicht nur, Hindernisse beim Zugang zu Arzt-
praxen, Krankenhäusern und Gesundheits-
einrichtungen zu beseitigen, sondern auch,
Untersuchungstechniken und Kommuni-
kation den besonderen Bedürfnissen von
älteren Patient*innen und Menschen mit
Behinderung anzupassen. Leichte Sprache,
lesbare und verständliche Patienteninfor-
mationen sowie entsprechende Beratungs-
leistungen müssen selbstverständlich wer-
den. Um medizinischem und pflegerischem
Fachpersonal mehr Sicherheit im selbst-
verständlichen, bedarfsgerechten und dis-
kriminierungsfreien Umgang mit Menschen
mit Behinderungen zu vermitteln, setzen
wir uns für die Implementierung spezieller
Module in Aus-, Fort- und Weiterbildung ein.
Sie sollen von fachkundigen Peerkräften
durchgeführt werden.
n Die Selbstbestimmungsrechte von Men-
schen mit Behinderung in der Pflege und
in (teil-) stationären Einrichtungen müssen
garantiert werden. Das schließt auch die
Mitnahme persönlicher Assistenz zu medi-
zinischen Untersuchungen und stationären
Krankenhausaufenthalten sowie zum
Besuch von Vorsorge- und Rehabilitations-
einrichtungen ein, auch wenn sie nicht über
das Arbeitgebermodell organisiert wird.
n Patient*innen müssen im Zentrum des
Gesundheitswesens stehen. Was für viele
eine Phrase ist, wollen wir mit Leben füllen.
Keine Entscheidung über Gesundheits- und
Pflegeversorgung darf ohne aktive Mitwir-
kung der Vertreter*innen der Patient*innen
gefällt werden.
n Damit die Selbsthilfe ihre Unabhängig-
keit sichern und den großen Verbänden
und Unternehmen im Gesundheitswesen
auf Augenhöhe begegnen kann, muss sie
angemessen finanziert werden. Die Förder-
verfahren sind transparent und unbüro-
kratisch auszugestalten.
n Wir stärken die Patientenverfügung: Eine
umfassende Selbstbestimmung muss auch
in Extremsituationen möglich sein, und alle
Jugendlichen sollten frühzeitig über ihre
dahingehenden Rechte aufgeklärt werden.
n Menschen mit psychischen Beeinträch-
tigungen wollen wir vor dem Gesetz und in
den Sozialversicherungen gleichstellen und
ihnen Zugang zu einem inklusiven Arbeits-
markt ermöglichen.
37
n Wir wollen eine gewaltfreie Psychiatrie
und die Abschaffung diesbezüglicher
Sondergesetze. Die räumlichen Bedingungen
und die personelle Ausstattung müssen
eine Behandlung ohne Zwang und Gewalt
ermöglichen. Wir wollen einen geschlechter-
sensiblen Blick auf Gesundheit und Krank-
heit in Forschung und Fortbildung fördern.
n Der Patient*innen-datenschutz muss
auch für privatversicherte Jugendliche gelten
n POC und Menschen mit Migrations-
geschichte haben Anspruch auf diskrim-
minierungs- und gewaltfreie Behandlung.
Ambulanter Bereich: Gute Versorgung
vor Ort, in Stadt und Land
Deutschland hat durchschnittlich eine hohe
Arztdichte, trotzdem müssen nicht nur
in ländlichen Regionen teils lange Wege
und lange Wartezeiten in Kauf genom-
men werden. DIE LINKE tritt für eine
gute, flächendeckende, barrierefreie und
bedarfsdeckende gesundheitliche Ver
sorgung in Stadt und Land ein. Kriterien
für eine gute gesundheitliche Versorgung
müssen sein: Wohnortnähe und Erreichbar-
keit mit ÖPNV, kurze Wartezeiten auf einen
Termin und eine gute Notfallversorgung,
Barrierefreiheit und Altersgerechtigkeit.
Regionale Versorgungszentren sollen
mittelfristig zum Rückgrat der wohnort-
nahen Gesundheitsversorgung werden.
Sie sollen sowohl ambulante als auch akut-
stationäre, notfallmedizinische, psycho-
therapeutische, (gemeinde-)pflegerische
und weitere therapeutische Behandlungen
in einer Region koordinieren und als
zentrale Anlaufstelle für alle Patient*innen
dienen. So wollen wir eine Versorgung aus
einer Hand und ein berufsübergreifendes
Arbeiten mit familienfreundlichen Arbeits-
zeiten fördern. Die regionalen Gesund-
heitszentren bilden wichtige Schnittstellen
zu anderen Versorgungsbereichen wie
Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Suchthilfe
und weiteren Angeboten. Sie sollen auch
präventiv und gemeinwesenorientiert
arbeiten, gerade in Bezug auf die sozialen,
ökonomischen und ökologischen Voraus-
setzungen von Gesundheit.
n Wir wollen, dass stationäre und ambulante
Versorgung gemeinsam nach Gemein-
wohlinteressen geplant und gestaltet wird.
Auch Psychotherapeut*innen, Physio- und
Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen,
Podolog*innen, Hebammen und Apotheken
müssen überall erreichbar sein. Wir
wollen gemeinsame Planungsgremien
auf Landesebene unter Beteiligung von
Patient*innenvertretung, Ländern und
Kommunen, Ärzt*innen, Krankenhäusern
und Krankenkassen einrichten.
n Wir wollen die Möglichkeit prüfen, Kauf-
preise für »Kassensitze« für Ärzt*innen und
Psychotherapeut*innen zu begrenzen.
n Wir unterstützen Modellprojekte für neue
Versorgungsformen wie die bestehenden
und entstehenden Stadtteilgesundheits-
zentren und Polikliniken. Damit sie ihren
Anspruch an eine integrierte, multiprofes-
sionelle und sozialraumorientierte Versor-
gung erfüllen können, setzen wir uns für die
Einführung einer neuen Form von Leistungs-
erbringung im Sozialgesetzbuch ein.
n Wir wollen einen öffentlichen Haftungs-
fonds, um Hebammen unabhängig von
privaten Versicherungen zu machen. Heb-
ammen sollen erste Ansprechpartnerinnen
für Schwangere und die Schwangerenvor-
und -nachsorge sein – wie in den Nieder-
landen. Hebammen sind die begleitenden
und betreuenden Fachkräfte bei der
Geburt. Wir unterstützen die Forderung
des Hebammenverbandes nach einem
Geburtshilfestärkungsgesetz mit dem Ziel
einer Eins-zu-eins-Betreuung während der
Geburt. Die Kosten für den laufenden Betrieb
in den Geburtshilfeabteilungen müssen von
den Krankenkassen so finanziert werden,
dass diese Abteilungen ihre Vorhaltekosten
decken und die Hebammen bei gutem Stellen-
schlüssel leistungsgerecht bezahlen können.
n Die psychotherapeutische Versorgung
deckt in vielen Regionen bei Weitem nicht
den Bedarf. Die Bedarfsplanung muss
gerade in diesem Bereich dringend über-
arbeitet werden. Auch die Finanzierung
der Therapie muss den Bedarf decken. Die
fragwürdige Kostenerstattungspraxis der
Kassen wollen wir so überflüssig machen.
38
n Durch den Betrieb von medizinischen
Versorgungszentren versuchen sich Kon-
zerne Profitmöglichkeiten im ambulanten
Bereich zu schaffen. Diese Entwicklung
wollen wir rückgängig machen.
Die Macht der Pharmaindustrie
brechen! Gesundheitsforschung
demokratisieren!
Die gesetzlichen Krankenkassen geben in
Deutschland über 41 Milliarden Euro für
Arzneimittel aus – mit schnell steigender
Tendenz. Für Krebs-, Rheuma- und Mittel
gegen Multiple Sklerose werden im ersten
Jahr nach der Zulassung Fantasiepreise
gezahlt.
n Arzneimittelpreise müssen effektiv und
per Gesetz begrenzt werden.
Patient*innen werden durch hohe Zuzah-
lungen belastet. Die meisten nicht verschrei-
bungspflichtigen Medikamente müssen
sie komplett aus eigener Tasche bezahlen,
selbst wenn diese ärztlich verordnet wurden.
n Wir wollen, dass alle Patient*innen mit
sicheren und wirksamen Arzneimitteln nach
dem aktuellen Stand der Wissenschaft
versorgt werden – unabhängig von ihrem
Einkommen und ihrer Erkrankung.
n Alle Medikamente mit nachgewiesenem
Nutzen müssen vollständig erstattet
werden. Dafür muss eine Positivliste
eingeführt werden.
Arzneimittelforschung bestimmt nicht nur,
ob Medikamente entwickelt werden, die
wirklich gebraucht werden, sondern auch,
wer die Eigentumsrechte besitzt, welche
Preise aufgerufen werden, ob die For-
schungsergebnisse transparent gemacht
werden und nicht zuletzt, ob Menschen
im Globalen Süden Zugang zu Innova-
tionen erhalten können. Für DIE LINKE
ist Arzneimittelforschung eine öffent
liche Aufgabe.
Wir wollen den Einfluss der Pharmakon-
zerne zurückdrängen. Das betrifft Werbung
und Beeinflussung von Ärzt*innen, Wissen-
schaft und Patientenorganisationen. Wir
fordern eine transparente, gesetzliche
Regelung über Zuwendungen der Pharma-
industrie an Mediziner*innen und Heilberufe.
n Wir wollen Korruption im Gesundheits-
wesen bekämpfen. Ergebnisse von Arznei-
mittelstudien müssen veröffentlicht werden.
Negative Studienergebnisse dürfen nicht
unterdrückt werden.
n Die Herstellung von Medikamenten und
medizinischen Geräten darf nicht den
Profitinteressen von Aktionär*innen unter-
worfen sein. Die Pharmaindustrie muss
dem Gemeinwohl verpflichtet und unter
demokratische Kontrolle gestellt werden.
n Patente können tödlich sein. Dass unter
deutscher EU-Ratspräsidentschaft eine
international ungleiche Verteilung des
Covid-19-Impfstoffs durchgesetzt wurde,
ist ein Skandal. Wir wollen, dass mit
öffentlichen Mitteln geförderte Forschung
im Rahmen des Equitable Licensing (der
sozialverträglichen Patentverwertung)
zu sozialen Konditionen an ärmere Länder
und Generikaproduzenten abgegeben
wird. Produktentwicklungspartnerschaften
müssen nachhaltig und in voller Breite des
Krankheitsspektrums unterstützt werden.
Die Kompetenzen der WHO in diesem
Bereich wollen wir ausweiten.
n Alle Medikamente dürfen nur durch
wissenschaftliche Studien ihre Zulas-
sungen bekommen. Sonderwege ohne
wissenschaftliche Grundlagen müssen
abgeschafft werden.
n Rabattverträge und andere Selektiv-
verträge wollen wir abschaffen.
n Forschungsprogramme sollen zukünftig
in einem transparenten und partizipativen
Prozess entwickelt werden, der neben
Expertenwissen die Allgemeinheit einbindet.
Nur so kann Versorgung verbessert sowie
eine patient*innenorientierte und interdiszi-
plinäre Forschung gestärkt werden.
n Souveränität für gute Gesundheitsver-
sorgung statt Abhängigkeit von Big Pharma!
Corona hat gezeigt: Angesichts des Markt-
versagens bei der weltweiten Versorgung
39
mit den dringend benötigten Covid-19-
Impfstoffen und der Gefahr zukünftiger
Pandemien dürfen wir die Produktion von
Impfstoffen nicht mehr Konzernen über-
lassen. Daher schlagen wir den Aufbau
einer öffentlichen Impfstoffproduktion (im
Sinne von Regional Vaccine Manufacturing
Hubs) vor, weltweit koordiniert von WHO
und UN. Die Kosten für den Aufbau von Pro-
duktionskapazitäten für eine schnelle und
ausreichende Versorgung mit Impfstoffen,
belaufen sich auf einen Bruchteil der Kosten
für Aufrüstungsprojekte wie den Eurofighter.
n Wir wollen gezielt Gelder bereitstellen,
um die Gesundheitswissenschaften (Public
Health) und die nichtkommerzielle klinische
Forschung zu stärken. DIE LINKE fordert,
dass die Forschung zur Therapie von Lang-
zeitsymptomen einer Covid-19 Infektion
(»Long Covid«) finanziell und bedarfsgerecht
gefördert wird.
Keine Profite mit Miete und Boden:
Zuhause für alle!
Mietenwahnsinn und Verdrängung
stoppen. Hohe Mieten senken und
gemeinnützige Wohnungswirtschaft
aufbauen. Spekulation mit Grund
und Boden beenden.
Eine Wohnung zu haben, in der man gut
leben kann, sollte selbstverständlich sein.
Doch Bodenpreise und Mieten sind in vielen
Städten explodiert, inzwischen steigen sie
selbst in kleineren Orten stark an. Das gilt
für Wohnungen wie Kleingewerberäume.
Corona hat diese Situation verschärft. Der
Lockdown hat gezeigt, dass viele Wohnun-
gen zu eng und die Mieten oft zu hoch sind,
erst recht bei Erwerbslosigkeit und Kurzar-
beit. In eine passende Wohnung umzuzie-
hen, ist für viele Menschen ausgeschlossen:
Die Mietpreise haben sich innerhalb eines
Jahrzehnts vielerorts verdoppelt. Über
11 Millionen Menschen sind durch Wohn-
kosten überlastet. Sie müssen immer mehr
Geld für die Miete ausgeben, das dann
woanders, bei der Bildung, den Kindern,
der Freizeit oder nötigen Anschaffungen,
fehlt. 50 000 Menschen sind hierzulande
bereits obdachlos und leben auf der Straße,
mindestens 650 000 Menschen sind
wohnungslos. Auch Orte des alltäglichen
Zusammenhalts wie Kitas, Kulturräume
und Kneipen werden vielerorts verdrängt,
weil Eigentümer und Investoren versuchen,
mehr Geld aus ihren Immobilien zu pressen.
Öffentlicher Raum wird kommerzialisiert
und privatisiert. Gutverdiener und große
Ketten machen immer mehr Menschen zu
Statisten in einem Umfeld, das auf Konsum,
Tourismus und möglichst viel Umsatz aus-
gerichtet wird.
Der Grund für Wohnungskrise, Verdrängung
und Mietenexplosion ist nicht einfach, dass
es zu »wenige Wohnungen« gibt, und die
Lösung ist nicht »bauen, bauen, bauen« – die
Bevölkerung ist nicht sprungartig gewach-
sen. Fast 2 Millionen Wohnungen stehen leer,
weil das Finanzkapital aufgrund der unglei-
chen Verteilung des Reichtums und der
Blasen auf den Finanzmärkten nach lukrati-
ven Anlagemöglichkeiten sucht. Da kommt
das »Betongold« gerade recht. Gebaut wird
vor allem im Luxussegment. Wo kein Profit
winkt, wird hingegen gar nicht investiert – an
vielen Orten auf dem Land verfällt Wohn-
und Gewerberaum. Auch aus ökologischen
Gründen wären kluge Mechanismen der
Umverteilung vorhandenen Wohnraums und
die Umwandlung von Altbeständen in Sozi-
alwohnungen den Neubauten vorzuziehen.
Doch die letzten Bundesregierungen haben
gegen diese Entwicklung nichts getan. Mehr
noch: Sie haben den sozialen Wohnungsbau
systematisch heruntergefahren, öffentlichen
Wohnraum privatisiert sowie Städte und
Gemeinden zur Spekulation freigegeben.
Die Rechte von Mieter*innen sind immer
noch viel zu schwach. Die »Mietpreisbremse«
der Bundesregierung wirkt nicht. Bauminister
Horst Seehofer gibt dreimal so viel Geld aus
Steuermitteln für das »Baukindergeld« aus,
um Gutverdienende beim Kauf von Eigen-
tum zu unterstützen, wie für den sozialen
Wohnungsbau. Wie es gehen kann, zeigt
40
dagegen Berlin, wo DIE LINKE mitregiert:
Mieten mit harten Obergrenzen deckeln,
Wohnungen zurück in öffentliches Eigentum
bringen, sozialen Wohnungsbau fördern
und die Immobilienwirtschaft gemeinnützig
machen! In Berlin sind die Mieten erstmals
seit Jahren wieder gesunken. Doch die
Lobby der Immobilienwirtschaft versucht,
effektiven Mieter*innenschutz in Ländern
und Kommunen zu unterlaufen. Das zeigt:
Es braucht einen Politikwechsel im Bund,
damit Menschen mit geringerem Einkom-
men nicht mehr an den Rand gedrängt
werden, damit Städte und Gemeinden nicht
weiter veröden und als Profitcenter der
Immobilienwirtschaft missbraucht werden.
Unsere Städte und Gemeinden sollen ein
Zuhause und Lebensraum für Menschen
sein, kein Erpressungswerkzeug in den
Händen von Maklern und Immobilienlobby.
DIE LINKE kämpft in breiten Bündnissen
für eine Neuausrichtung der Mieten- und
Stadtentwicklungspolitik. Wir stehen an
der Seite der Mieter*innen sowie der vielen
Initiativen, die sich gegen Verdrängung und
für ein Recht auf Wohnen einsetzen. Wir
stehen für lebenswerte Städte und Dörfer
für alle. Unser Ziel ist klar: Mietenexplo-
sion und Verdrängung stoppen, die Mieten
wieder senken und langfristig eine gemein-
nützige Wohnungswirtschaft aufbauen –
für ein gutes Zuhause für alle.
Mieten deckeln bundesweit!
n Wir wollen Mietendeckel im gesamten
Bundesgebiet möglich machen. Unser Ziel:
die Explosion der Mieten nicht nur bremsen,
sondern beenden und rückgängig machen.
Besonders hohe Mieten müssen abge
senkt werden.
n Die Mietpreisbremse der Regierung funk-
tioniert nicht. Wir unterstützen die Kampa-
gne »Mietenstopp« und fordern bundesweit
überall dort, wo es einen angespannten
Wohnungsmarkt gibt, einen Mietenstopp
für bestehende Mietverträge. Dort
müssen die Mieten eingefroren werden.
Kommunen sollen ermächtigt werden,
einen angespannten Wohnungsmarkt
festzustellen.
n Auch für Kleingewerbe wollen wir die
Voraussetzungen vereinfachen: Der Bund
muss dafür sorgen, dass Länder und Kom-
munen rechtssicher Mietendeckel für
Kleingewerbe, Handwerk, kulturelle
Einrichtungen sowie für soziale und
gemeinnützige Träger einführen können.
Sozialen und gemeinnützigen
Wohnungsbau schaffen!
Derzeit fehlen mehr als fünf Millionen
Wohnungen für Menschen mit geringem
Einkommen, von denen viele in Einper-
sonenhaushalten leben. In den vergangenen
15 Jahren hat sich die Zahl von Sozialwohnun-
gen fast halbiert. Denn geförderte Sozial-
wohnungen dürfen teilweise schon nach
15 Jahren wieder teuer vermietet werden.
n Mit15 Milliarden Euro im Jahr wollen
wir dagegenhalten – indem wir den sozialen
Wohnungsbau retten, den kommunalen
und genossenschaftlichen Wohnungsbau
ankurbeln, den vorhandenen Wohnungsbe-
stand energetisch und demografiefest um-
bauen, über Förderung und Belegungsrechte
die soziale Wohnraumversorgung stärker
nutzbar machen und einen nicht profitorien-
tierten Wohnungssektor aufbauen. Die öffent-
liche Hand werden wir mit einer Reform des
Baugesetzbuches dazu befähigen, den Bau
von Sozialwohnungen gegenüber Investoren
auch tatsächlich durchzusetzen.
n Ehemalige Kasernen umwandeln in
Sozialwohnungen: Da sich diese Gebäude
in öffentlicher Hand befinden, wollen wir
sie nicht der Privatwirtschaft überlassen,
sondern zu günstigem Wohn- und Gewerbe-
raum umgestalten.
n Mit der Einführung einer neuen Woh
nungsgemeinnützigkeit binden wir die
Förderung und steuerliche Vergünstigungen
dauerhaft an Mietobergrenzen, eine Pflicht
zur Reinvestition von Gewinnen sowie
demokratische Mitbestimmungsrechte für
Mieter*innen. So können bis zu 250 000
Sozialwohnungen und weitere kommunale
und genossenschaftliche Wohnungen pro
Jahr entstehen. Für sie gilt: Einmal gefördert,
immer gebunden. Genossenschaften wollen
wir so stärker fördern und demokratisieren.
41
n Wir wollen neue Wohnformen wie
Mietshäusersyndikate und Mieter*innen-
gemeinschaften fördern. Der Bund soll neue
Mietshäusersyndikate mit Zuschüssen und
zinslosen Darlehen fördern. Fördermittel
sollen gezielt zum Bau von Wohnungen
eingesetzt werden, die für Menschen mit
geringem Einkommen erschwinglich sind.
n Für alleinstehende Frauen, die in (Alters-)
Armut leben, für alleinerziehende Frauen
und für Frauen, die häuslicher Gewalt aus-
gesetzt sind, muss preiswerter und sicherer
Wohnraum geschaffen werden.
n Wir wollen überall einen prozentualen
Mindestanteil von Sozialwohnungen, um
eine Mischung der Viertel sicherzustellen
und den Trend zur Bildung von Parallelge-
sellschaften der Reichen in Innenstädten
und Villenvierteln zu stoppen. 50 Prozent
des Wohnungsbestands in öffentlicher
und gemeinnütziger Hand. Das Modell
Wien zeigt: Günstiger Wohnraum in gutem
Zustand und mit hoher Wohnqualität für
die Mehrheit der Menschen ist möglich.
Perspektivisch wollen wir den Wohnungs-
bestand komplett dem Markt entziehen.
n Der Kündigungsschutz für Gewerbe
mietverträge muss grundlegend geändert
werden. Es braucht öffentliche Gewerbe-
raumanbieter zur Sicherung gemeinnütziger
Mieter*innen. Die generelle Befristung von
Gewerbemietverträgen wollen wir abschaf-
fen. Die Kündigung durch die Vermieterseite
wollen wir rechtlich einschränken.
n Wir wollen bezahlbaren Wohnraum
vorrangig im Bestand schaffen. Bauord-
nungen müssen hierfür neu ausgerichtet
werden, sodass Bauen im vorhandenen
Bestand erleichtert wird.
n Bei Entscheidungen über die Zulässig-
keit von Abriss- und Neubaumaßnahmen
müssen soziale Ziele und Ziele der ener
getischen Nachhaltigkeit mehr Gewicht
bekommen.
Wohnen ist keine Ware. Rechte von
Mieter*innen stärken!
n Wir wollen ein weitgehendes Umwand
lungsverbot von Miet in Eigentums
wohnungen. Der Wunsch nach Wohneigen-
tum darf nicht auf Kosten derjenigen gehen,
die schon in den Wohnungen wohnen.
n Mietwohnungen in Kommunen mit ange-
spanntem Wohnungsmarkt dürfen nicht
als Ferienwohnung angeboten werden.
Für nichtkommerziellen Wohnungstausch
von privat zu privat wollen wir eine Fairbnb-
Alternative zu Anbietern wie Airbnb schaffen,
die Wohnraum zweckentfremden, nur auf
Profite zielen und an den Börsen notiert sind.
n Die Mieten von Mikroapartments und
möblierten Wohnungen, mit denen die
Mietpreisbremse umgangen und noch mehr
Profit aus den Immobilien gepresst wird,
wollen wir deckeln.
n Das Recht auf Kündigung wegen Eigen
bedarf darf nur noch für die engste Familie
gelten. Vorgetäuschter Eigenbedarf wird
bestraft. Menschen, die seit langer Zeit in
ihrer Wohnung leben oder über 70 Jahre
alt sind oder an einer schweren Erkrankung
leiden sowie Alleinerziehenden soll gar
nicht mehr wegen Eigenbedarf gekündigt
werden dürfen.
n Den Kündigungsschutz wollen wir
verbessern: Wenn Rückstände bei der Miete
beglichen sind, darf nicht gekündigt werden.
n Der Milieuschutz muss ausgeweitet
werden.
n Gegen Mietwucher, Entmietung und andere
Formen des Missbrauchs sind wirksame
Kontrollen, eine öffentliche Beschwerde-
stelle und deutlich mehr Personal nötig,
um die Rechte der Mieter*innen effektiv
durchzusetzen. Vermieter*innen, die gegen
den Mietendeckel verstoßen, müssen
bestraft werden. Die strafrechtliche Verfol-
gung von Mietwucher wollen wir erleichtern.
n Mieter*innen sollen auch als Gemein-
schaft und im Gewerberecht ein Vorkaufs
recht auf ihre Häuser erhalten.
42
n In allen öffentlichen Unternehmen braucht
es demokratische Mieterräte. Bundesweit
wollen wir ein neues Mieter*innen mitbe
stimmungsrecht.
n Es braucht kollektive Mieter*innen
rechte und ein Recht auf Mietstreik.
Klimagerechtigkeit statt Verdrängung!
Der Klimaschutz bei Gebäuden ist ent-
scheidend: Hier wird ein großer Teil der
Treibhausgase verursacht. Doch bisher
wird energetische Sanierung allzu oft für
eine Mietsteigerung benutzt und führt
dann auch zu Verdrängung. Das schadet
der Akzeptanz des Klimaschutzes.
n Klimaschutz ohne Mieterhöhung! Die
Modernisierungsumlage wollen wir abschaf-
fen, sie dient der Mietsteigerung – nicht
dem Klimaschutz. Aufschläge auf die Miete
sollen nur noch in Höhe der erreichten
Einsparung bei Heizung und Warmwasser
zulässig sein.
n Auch arme Menschen haben ein Recht
auf energetisch sanierten Wohnraum. Wir
wollen kurzfristig eine Klimakomponente
bei den Kosten der Unterkunft und Heizung
einführen und das Wohngeld angemessen
erhöhen.
n Wir wollen einen bundesweiten Klima
check aller Gebäude bis 2025. Mit ver bind-
lichen gebäudescharfen Stufenplänen, die
bis zu einem bestimmten Zeitpunkt flexibel
zu erreichende Energieeffizienzniveaus zum
Inhalt haben, wollen wir bis 2035 einen kli-
maneutralen Gebäudebestand garantieren
und viele neue Arbeitsplätze schaffen. Hier-
zu bedarf es eines umfassenden Aufbaus
von Produktionskapazitäten und Qualifika -
tionen. Dieser muss u. a. die gezielte För-
derung der Ausbildung im Handwerk, die
Schaffung und Ausweitung von spezialisier-
ten Studiengängen, staatlich geschaffene
Produktionskapazitäten und Preiskontrol-
len zur Vermeidung von Mitnahme- und
Blockadeeffekten umfassen. Die CO2-Steu-
er darf nicht auf die Miete umgelegt werden.
n Die Sanierungsquote muss mindestens
verdreifacht werden und zwar sozialver-
träglich, also nahezu warmmietenneutral
und mietrechtlich abgesichert.
n Vermieter*innen, die die Kosten einer
energetischen Sanierung nicht tragen
können, können sich unter den Schirm
der Wohnungsgemeinnützigkeit begeben.
Dadurch erhalten sie Zugang zur vollen
öffentlichen Förderung der Sanierungs
kosten und verpflichten sich im Gegenzug
zur gemeinnützigen Bewirtschaftung ihrer
Wohnungen.
n Wir wollen die Förderkulisse auf ein
Sofortprogramm klimagerechte und
sozialverträgliche Erneuerung von Sied
lungsbauten der Nachkriegszeit (erbaut
zwischen1949 und1978) ausrichten. Dafür
sollen – zusätzlich zur Aufstockung der
laufenden Programme der Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) auf dauerhaft min-
destens10 Milliarden Euro jährlich – noch
einmal 5 Milliarden Euro pro Jahr bereit-
gestellt werden.
n Sanierungsberater*innen sollen inner-
halb eines Sozialplanverfahrens gemäß
Paragraf 180 BauGB an Klimastützpunkten
beratend (für die Mieter*innen schützend)
tätig sein und sozialverträgliche Quartiers-
sanierungskonzepte koordinieren.
n Wir wollen Weiterbildungs und Zerti
fizierungsprogramme für Handwerker
und Baubetriebe auflegen, um zu quali-
tativ guten und preiswerten energetischen
Sanierungen zu kommen.
n Die Neubaustandards wollen wir gesetz-
lich auf den Effizienzstandard KfW 40 anhe-
ben. Fördermittel, die gegenwärtig noch
in die Neubaueffizienzförderung fließen,
müssen vollständig umgeleitet werden in die
sozialverträgliche energetische Sanierung.
n Neben der Steigerung der Gebäudeeffi-
zienz ist der Restenergiebedarf schritt-
weise – aber mit deutlich höherem Tempo –
durch regenerative Energie zu decken. Die
zentrale Rolle spielt für uns dabei die Wärme-
pumpe. Der Einbau fossiler Heizungen muss
dabei schnellstmöglich gestoppt werden. Wir
wollen auch in dicht besiedelten Räumen
die Nutzung der Erdwärme möglich machen:
43
durch vom Staat und den Kommunen betrie-
bene Erdwärmeanlagen, die jeweils mehrere
Wohnblocks versorgen.
n Hindernisse für ökologische Baumate
rialien im Baurecht werden wir beseitigen.
Zugleich braucht es eine Ökobilanz für
Neubauprojekte, um stärker im Bestand
zu bauen und Ressourcen zu sparen.
Schluss mit dem Abriss von preisgünstigen
Wohnungen mit erhaltenswerter Bausubs-
tanz zugunsten von teuren Neubauten! Öko-
logische Baumaterialien (z. B. Holzbauweise)
werden wir, wo es sinnvoll und möglich ist,
im Baurecht verbindlich vorschreiben.
n Bei der Vergabe von Fördermitteln zur
energetischen Sanierung ist nicht nur die
Reduzierung des Energieverlusts pro Qua-
dratmeter, sondern auch die Reduzierung
des Energieverbrauchs bei der Produktion
und Verarbeitung von Baustoffen über ihren
gesamten Lebenszyklus hinweg zu berück-
sichtigen. Die Förderung energetischer
Sanierung ist auf die Nutzung nachhaltiger
Baumaterialien auszuweiten. Verwendete
Baumaterialien müssen klar und nachvoll-
ziehbar dokumentiert werden, um Sanie-
rungen zu erleichtern.
Bauland in Gemeinschaftshand!
Eine der zentralen Ursachen für steigende
Mieten ist die Explosion der Bodenpreise.
Seit1964 sind die Bodenpreise durchschnit-
tlich um mehr als1.800 Prozent gestiegen.
Allein in den vergangenen Jahren haben
sich die Preise in den großen Städten fast
verdreifacht. Dagegen braucht es dringend
Maßnahmen, um das sich immer schneller
drehende Spekulationskarussell mit Grund
und Boden anzuhalten und endlich wieder
bezahlbaren Wohnungsbau zu ermöglichen.
n Die Bodenpreise für den sozialen Woh-
nungsbau müssen in den Städten und für Fa-
milienwohnen auf dem Land zweckgebunden
gedeckelt werden. Nur mit bezahlbarem
Boden sind auch bezahlbare Mieten möglich.
n Die Privatisierung öffentlicher Grundstücke
wollen wir mit einem Bodensicherungs
gesetz ausschließen. Öffentlichen Boden
wollen wir nur noch in Erbbaurecht vergeben.
n Um den Anteil öffentlichen Eigentums
am Boden zu erhöhen, fordern wir ein
Ankaufprogramm in Höhe von zwei Milli-
arden Euro jährlich, aus dem Bund, Länder
und Kommunen Mittel für den Erwerb von
Boden erhalten.
n Die Liegenschaftspolitik muss von der
Finanzpolitik entkoppelt werden, damit die
öffentliche Hand auch Bodenbevorratung
betreiben kann. Die Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben (BImA) und das Bundes-
eisenbahnvermögen (BEV), die bisher der
finanziellen Verwertung öffentlicher Liegen-
schaften verpflichtet sind, wollen wir auf
soziale, ökologische und gemeinnützige
Zwecke festlegen.
n Das Vorkaufsrecht der Kommunen
wollen wir stärken: Es soll überall ohne
Ausnahme und innerhalb von bis zu sechs
Monaten ausgeübt werden können.
n Wir brauchen ein preislimitiertes Vor
kaufsrecht, das sich nicht am spekulativen
»Marktpreis« orientiert, sondern an bezahl-
baren Mieten (sozialer Ertragswert) für die
Bewohner*innen.
Spekulation stoppen – Gewinne
abschöpfen!
Spätestens seit der Finanzkrise sind die
Städte und Gemeinden massiv ins Visier
von Spekulanten geraten. Den Preis für das
immer schnellere Karussell von Immobilien-
käufen und -verkäufen zahlen am Ende die
Mieter*innen und die öffentliche Hand.
n Den Spekulationskreislauf, an dem sich
wenige auf Kosten der Vielen bereichern,
wollen wir mit einem Anti Spekulations
Gesetz durchbrechen: Wohnraum darf kein
Spekulationsobjekt an der Börse mehr sein,
Immobilien- und Hedgefonds wollen wir die
Zulassung entziehen.
n Spekulationen mit Bauland wollen wir
stoppen. Deshalb wollen wir leistungslose
Gewinne durch den Wertzuwachs an Grund-
stücken über eine Bodenwertzuwachs
steuer abschöpfen.
44
n Steuertricks beim massenhaften Kauf
und Verkauf von Wohnungen, wie sogenannte
Share Deals, wollen wir unterbinden.
n Gewinne durch Spekulation, Unterneh-
mensbeteiligungen und Immobilienver-
käufe werden wir stärker besteuern und
abschöpfen. Bilanztricks werden wir in
Zukunft unter anderem durch Angleichung
der Bilanzierungen verhindern.
n Private Immobilienverkäufe dürfen auch
nach zehn Jahren bis auf einen individuellen
Freibetrag nicht mehr steuerfrei sein.
n Zudem fordern wir ein öffentlich einseh-
bares Immobilienregister. Mit der Intrans-
parenz bei den Eigentumsverhältnissen
muss endlich Schluss sein.
n Zweckentfremdung von Wohn- und Ge-
werberaum muss verboten werden, leerste-
henden Wohn- und Gewerberaum wollen
wir beschlagnahmen und der Zwischennut
zung zuführen. Die zivilgesellschaftliche
Wiederaneignung von zweckentfrem-
deten Räumen (»Besetzungen«) wollen wir
legalisieren.
n Wir streben an, dass grundsätzlich die
Besetzung von seit mindestens einem
Jahr leerstehendem Wohnraum zu einem
dauerhaften Wohnrecht führt, es sei denn,
die Eigentümer*innen verpflichten sich, den
Wohnraum zu sozialverträglichen Mieten zur
Verfügung zu stellen.
n Die Immobilienkonzerne gehören zu den
Krisengewinnern. Sie müssen daher über-
durchschnittlich an den Kosten beteiligt
werden. Deshalb fordern wir eine einmali
ge Sonderabgabe auf Immobilienerträge,
die vor allem große Konzerne mit mehr als
3 000 Wohnungen treffen soll.
Immobilienkonzerne
an die Kette legen!
n Großen Wohnungskonzernen wie Vonovia
und Deutsche Wohnen, die systematisch
Mietwucher betreiben, wollen wir das
Handwerk legen. DIE LINKE ist deshalb Teil
der Kampagne »Deutsche Wohnen & Co
enteignen«.
n Mit einem Vergesellschaftungsgesetz
wollen wir die Möglichkeit verbessern,
Wohnungen, Grund und Boden großer
Wohnungsgesellschaften in öffentliches
Eigentum zu überführen. Dazu wollen
wir einen Rekommunalisierungsfonds
a ufsetzen.
n Mit einer neuen Wohnungswirtschafts
gesetzgebung wollen wir das Geschäfts-
modell von Immobilienfonds beenden, die
Mieten kassieren, Renditen ausschütten,
kaum investieren und nur auf die Steige-
rung der Immobilienpreise setzen. Ein
wesentlicher Teil der Miete steht dann als
Bauerneuerungsrücklage nicht mehr für
Finanzmarktspekulation, sondern für nötige
Instandhaltung zur Verfügung.
Wohnen ist ein Grundrecht –
Wohnungen zuerst!
n Niemand soll ohne Obdach sein. Als
kurzfristige Nothilfe bis zur Durchsetzung
bezahlbarer Mieten wollen wir das Wohn
geld erhöhen und umbauen.
n Die Coronakrise ist nicht vorbei: Das
Moratorium für Kündigungen und
Räumungen muss verlängert werden.
Mietrückstände müssen erlassen werden.
n Wir werden die Angemessenheits
grenzen für die Kosten der Unterkunft
deutlich anheben.
n Räumung in die Wohnungslosigkeit
wollen wir grundsätzlich verbieten, das
Recht auf Wohnen wollen wir ins Grundge-
setz aufnehmen.
n Die unwürdige Unterbringung von
Ge flüchteten,Wohnungslosen oder Saison-
und Wanderarbeiter*innen in Massenunter-
künften werden wir beenden. Jeder Mensch
hat das Recht auf eine eigene Wohnung!
n Wir wollen den Ansatz Housing First in
der Bekämpfung von Obdachlosigkeit veran-
kern. Er bedeutet, Obdachlose schnell und
als ersten Schritt in Wohnungen unterzu-
bringen. Dazu braucht es auch die weitere
Institutionalisierung niedrigschwelliger
Beratungsangebote und -strukturen.
45
Städte zukunftsfest machen –
Leben in die Dörfer bringen!
Während vielerorts die Mieten explodie-
ren, stehen in einigen ländlichen Regionen
Wohnungen und Häuser leer. Es wird zu
wenig investiert, der Mietwohnraum in
strukturschwachen Regionen ist immer we-
niger bedarfsgerecht. Nicht erst seit Corona
gibt es auf dem Land wie in den Städten
Ladensterben und kulturelle Verödung.
n Für den sozialökologischen Umbau und
die Belebung von Innenstädten und Dorfker-
nen brauchen wir eine neue Ausrichtung
von Regionalpolitik und Städtebauförde
rung des Bundes. Schwerpunkt der Investi-
tionen soll auf Zukunftsaufgaben liegen, wie
der Gebäudesanierung, der Verbesserung
des Wohnumfelds, dem altersgerechten und
barrierefreien Umbau von Gebäuden sowie
der Förderung nachhaltiger Mobilität.
n Wir wollen den Ausbau einer frauen
gerechten und familienentlastenden
Infrastruktur in zentraler und ortsnaher
Lage mit guter Erreichbarkeit.
n Zukunftsfeste Städte heißt auch schönere
Städte ohne Werbung. Wir werden uns für
ein Verbot gewerblicher Außenwerbung
in Innenstädten einsetzen.
n Den kommunalen Eigenanteil bei Aufwer-
tungsmaßnahmen wollen wir streichen.
Um die Nahversorgung im Wohnumfeld zu
sichern, wollen wir leerstehendes Gewerbe
in kommunale oder genossenschaftliche
Hand überführen und zu sozialen Zentren
weiterentwickeln. Der Bund soll das durch
einen Rekommunalisierungsfonds finan-
ziell absichern.
n Landkreise, Städte und Gemeinden müs-
sen beim Aufbau digitaler Infrastrukturen
unterstützt werden. Smart City darf kein
Geschäftsmodell großer Konzerne bleiben.
Neue Technologien gehören in Bürger*in-
nenhand, um ihre Teilhabe bei der Entwick-
lung des Wohnumfelds zu verbessern.
n Der Verdrängung von Kleingärten stellen
wir uns mit einem Kleingartensicherungs
programm entgegen. Wir wollen flächen-
sparend und ökologisch bauen. Stadtgrün
wie Parks, Kleingärten und Gemeinschafts-
gärten (Urban Gardening) wollen wir durch
Investitionen fördern.
n Wir wollen anders planen, weg von
Flächenfraß und Zersiedelung der Land
schaft und hin zu einer Dorf- und Stadt-
planung, die Lebensqualität für alle in den
Mittelpunkt stellt. Eine Politik, die im Inter-
esse von Investoren große Einkaufszentren
und Malls fördert, lehnen wir ab (vgl. Kapitel
»Mobilität für alle mit weniger Verkehr«).
Den Flächenfraßparagrafen13b BauGB
wollen wir abschaffen.
n Wir wollen die ungerechtfertigten
Altschulden aus dem DDR-Wohnungsbau
endlich streichen. Gerade Unternehmen in
strukturschwachen Regionen befinden sich
in wirtschaftlicher Schieflage und können
nicht investieren. Dabei müssen gerade in
Grundzentren und Siedlungsschwerpunkten
in ländlichen Räumen Mietwohnraum und ein
annehmbares Wohnumfeld bedarfs- sowie
klimagerecht gesichert werden. Durch bun
desweite Förderprogramme wollen wir den
Erhalt von Mietangeboten im ländlichen Raum
stärken. Das stoppt Wegzug und entlastet
Ballungsräume und Städte mit Wohnungsnot.
n Stadt- oder Dorfentwicklung ist mehr als
Wohnen, es braucht sowohl öffentliche
Räume und Plätze der Begegnung als auch
soziale und kulturelle Einrichtungen. Hier
müssen Anwohner*innen mitentscheiden
können. Das ermöglicht Austausch, daraus
kann gemeinsames Handeln und Solidari -
tät wachsen.
n Es braucht ein Investitionsprogramm
für den Stadtumbau, um die einseitige
Fokussierung auf Automobilität zu über-
winden und die Lebensqualität zum Beispiel
durch Spielstraßen zu steigern.
46
Gute Bildung:
Gerecht, gebührenfrei, ein Leben lang
Wir stellen sozialer Spaltung in der Bildung,
Leistungsdruck und Unterfinanzierung eine
andere Idee entgegen. Durch den Zugang
zu Bildung sollen soziale Benachteiligungen
abgebaut, nicht noch verstärkt werden. Wir
wollen gemeinsames solidarisches Lernen
statt Konkurrenz und Notendruck. DIE LINKE
setzt sich für ein inklusives Bildungssystem
ein, in dem Menschen individuell gefördert
werden. Wir wollen Bildung und Wissen-
schaft, die den Einzelnen gerecht wird und
dazu beiträgt, gesellschaftliche Fragen zu
beantworten. Wie stoppen wir die Klima-
krise? Wie können wir so leben und produ-
zieren, dass alle genug zum Leben haben
und die Umwelt geschont wird? Mit neuen
Herausforderungen entstehen neue Anfor-
derungen an Bildung. Wir wollen die Hoch-
schulen öffnen, die Weiterbildung und
den Rechtsanspruch auf berufliche Bildung
stärken und Programme auflegen, damit alle
eine berufliche Zukunftsperspektive haben.
Seit Jahrzehnten wissen wir: Der Zugang
zu Bildung ist in Deutschland stark von
der sozialen Herkunft abhängig. Die Corona-
krise hat Probleme verschärft, die es schon
vorher gab. Während manche Kinder ein
eigenes Zimmer und einen Laptop zum
Lernen haben, müssen sich andere beides
mit Geschwistern teilen oder Aufgaben
auf dem Handy lösen und hoffen, dass das
Datenvolumen zum Herunterladen reicht.
Das deutsche Bildungssystem verstärkt die
soziale Spaltung der Gesellschaft, statt ihr
entgegenzuwirken. Wer wohlhabende Eltern
hat, hat bessere Chancen, Abitur zu machen
und zu studieren. 74 Prozent der Akade-
mikerkinder beginnen ein Studium, aber nur
21 Prozent der Kinder ohne Akademiker-
eltern. Bei den Bachelor-Absolvent*innen
beträgt ihr Anteil15 Prozent, beim Master
nur noch 8 Prozent. Für viele Kinder fällt
schon nach der Grundschule die Entschei-
dung, welche weiterführende Schulform
sie besuchen werden, und damit auch,
welche Türen ihnen künftig verschlossen
bleiben. Und in Bildung wird viel zu wenig
Geld investiert. Unsanierte Schulen mit
schlechter Ausstattung sind ein sichtbares
Zeichen dafür. Das betrifft besonders ärme-
re Stadtteile, in denen Familien das kaum
durch private Ausgaben für Ausstattung
oder Nachhilfe ausgleichen können. Die
Schuldenbremse hat diese Probleme noch
verschärft. Allein der Sanierungsbedarf
bei Schulen wird bundesweit inzwischen auf
fast 50 Milliarden Euro geschätzt. An den
Hochschulen müssten von 2017 bis 2025
etwa 35 Milliarden Euro investiert werden,
um den Modernisierungsstau abzubauen.
Hörsäle und Seminarräume sind häufig
überfüllt, und es gibt zu wenig Personal. Und
wie andere Dienstleistungen wurde auch die
Schulreinigung vielerorts ausgelagert. Die
Folge: Die Reinigung wird an die billigsten
Anbieter*innen vergeben, Reinigungskräfte
arbeiten unter Druck und schaffen es nicht,
in der vorgegebenen Zeit fertig zu werden.
Toiletten und Klassenräume sind dreckig,
Schüler*innen und Lehrer*innen leiden
darunter.
n Wir kämpfen für mehr Personal in
Bildung und Erziehung. DIE LINKE for
dert eine Offensive des Bundes für
mehr Lehrkräfte, Erzieher*innen und
Schulsozialarbeiter*innen. Wir brauchen
100 000 Lehrkräfte und 200 000 Erzie-
her*innen zusätzlich und Schulsozialarbeit
an jeder Schule!
n Wir wollen die Gebäude sanieren,
ausbauen und dem Bedarf für inklusive
Bildung anpassen.
n Das Bildungssystem ist Teil der öffent-
lichen Daseinsvorsorge und muss
ausreichend vom Staat finanziert werden.
n Privatisierungen – auch von öffentlichen
Bildungseinrichtungen – müssen gestoppt
und rückgängig gemacht werden.
n Bildung ist mehr als die Vorbereitung
auf den Arbeitsmarkt. Der Trend zur immer
stärkeren Ökonomisierung von Bildung
muss gestoppt werden.
47
n Wir wollen, dass Bund, Länder und Kom-
munen in der Bildung zusammenarbeiten
können. Durch das Kooperationsverbot ist
das nur eingeschränkt möglich. Wir wollen
das Verbot komplett aufheben und Bildung
als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz
verankern, damit für alle Kinder und Jugend-
lichen Bildungsgerechtigkeit hergestellt
werden kann.
n Wir wollen ein Bildungsrahmengesetz
des Bundes für alle Bildungsbereiche, damit
gleiche Rechtsansprüche, soziale und
personelle Rahmenbedingungen in allen
Ländern gesichert werden können und
Abschlüsse, gleich wo sie erworben wurden,
überall anerkannt werden.
DIE LINKE steht für gute Bildung, die nicht
vom Geldbeutel und der Herkunft abhängt.
Wir wollen wirkliche Lehr und Lernmittel
freiheit, kostenfreie Verpflegung in Kita
und Schule und kostenfreie Beförderung
von Schüler*innen.
Gute Kitas
Allen Kindern muss von Anfang an ganztägig
das gemeinsame Leben und Lernen mit
anderen Kindern in Kindertageseinrich-
tungen ermöglicht werden. Unabhängig
davon, ob und wie lange die Eltern arbeiten.
Kinder brauchen einen Rechtsanspruch auf
einen Ganztagsplatz in einer Kita. Insbeson-
dere während der coronabedingten Kita-
schließungen wurde deutlich, wie wertvoll
frühkindliche Bildung für alle ist. Noch
immer wird der Rechtsanspruch auf einen
Kitaplatz nicht überall umgesetzt. Das kann
zu Benachteiligungen führen, die sich in
der gesamten Bildungsbiografie fortsetzen.
Derzeit fehlen 342 000 Plätze für unter Drei-
jährige und bald bis zu 740 000 Plätze für
alle Kinder bis zur Einschulung. Die Gruppen
sind oft zu groß. Erzieher*innen werden
weiter viel zu schlecht bezahlt. Mit einer
Schmalspurausbildung von oft nur wenigen
Wochen werden Erziehungshelfer*innen
ausgebildet, um den massiven Fachkräfte-
mangel zu retuschieren. Zur Sicherung
der Qualität der Einrichtungen und für den
weiteren Ausbau von Kitaplätzen muss der
Bund mehr Geld zur Verfügung stellen. Wir
brauchen ein Kitaqualitätsgesetz, das beim
Kitaausbau die Belange der Kinder und der
Beschäftigten in den Mittelpunkt rückt:
n DIE LINKE fordert einen bundesweit
einheitlichen Betreuungsschlüssel in
Kinder tagesstätten von mindestens
eine*r anwesenden Erzieher*in auf maxi-
mal drei Kinder im Alter bis zu drei Jahren
und mindestens eine*r Erzieher*in auf
maximal acht Kinder ab drei Jahren.
n Wir wollen gute, gebührenfreie Kitas
(Elternbeitragsfreiheit). Allen Eltern muss
von der Kommune ein Angebot für einen
Kitaplatz unterbreitet werden.
n Alle Kinder sollen täglich kostenloses
gesundes, warmes Essen erhalten, wie es in
einigen Städten bereits praktiziert wird (vgl.
Kapitel »Landwirtschaft und Ernährung«).
n Wir brauchen dringend mehr
Erzieher*innen für eine gute Bildung,
Erziehung und Betreuung.191 000
Erzieher*innen fehlen derzeit.
n Sozial und Erziehungsberufe müssen
aufgewertet werden. Sie verdienen
größere Wertschätzung, bessere Bezahlung
und Arbeitsbedingungen. Dazu gehören
auch die Anrechnung von Vor- und Nach-
bereitungszeiten sowie Fortbildung und
eine Vertretung im Krankheitsfall. Der
Betreuungsschlüssel muss an Personal-
stärke und Zeitkontingent angepasst
werden. Wir wollen die Ausbildung als
Erzieher*in in der frühkindlichen Bildung
auf Hochschulniveau anheben. Auch
Menschen ohne Hochschulzugangsbe-
rechtigung sollen Zugang zum Erzieh-
ungsberuf haben. Für die derzeitige
Ausbildung zur Erzieher*in wollen wir
eine Vergütung und die Abschaffung des
Schulgeldes, um den Beruf attraktiver
zu machen.
n Beschäftigte in der Kindertagespflege
sollen aus prekären Beschäftigungslagen
herausgeholt und sozialversicherungs-
pflichtig beschäftigt werden.
n Ganztagsbetreuung im Grundschul
alter: Die Große Koalition hat im Koali-
tionsvertrag einen Rechtsanspruch auf
48
Ganztagsbetreuung für Kinder im Grund-
schulalter ab 2025 vereinbart. Der Rechts-
anspruch lässt sich nur mit schnellen und
erheblichen Investitionen in den Ausbau
von Einrichtungen und die Ausbildung und
Einstellung von mehr Personal einlösen.
Eine Schule für alle: inklusiv
Wesentliche Ursache der sozialen Spaltung
in der Bildung ist die frühe Aufteilung der
Schüler*innen in unterschiedliche Schul-
formen. In der Coronazeit hat sich gezeigt,
wie unterschiedlich die Voraussetzungen
der Schüler*innen sind: Einige haben ein
eigenes Zimmer und einen Laptop, andere
müssen sich beides teilen. Nicht alle be-
kommen wertvolle Unterstützung zu Hause.
Schüler*innen mit Behinderungen kämpfen
mit zusätzlichen Barrieren. Wir wollen eine
Schule für alle: Eine Gemeinschaftsschule,
die kein Kind zurücklässt und sozialer
Ungleichheit entgegenwirkt. Die Gemein-
schaftsschule fördert die Kinder individuell
und umfassend. Sie ist ganztägig organisiert
und bietet alle Schulabschlüsse an.
Schule sollte so organisiert sein, dass die
sozialen Unterschiede nicht noch verstärkt,
sondern möglichst ausgeglichen werden.
Wir wollen eine Schule, die ohne Hausauf-
gaben auskommt und private Nachhilfe
überflüssig macht. Im schulischen Alltag
muss Raum und Zeit dafür geschaffen
werden. Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*in-
nen, Erzieher*innen, Schulpsycholog*innen
und medizinisches Fachpersonal sollen
in multiprofessionellen Teams zusammen-
wirken. Die Gemeinschaftsschule ist demo-
kratisch organisiert mit einer wirklichen
Mitbestimmung von Schüler*innen.
n Jede*r Schüler*in muss die Möglichkeit
haben, eine Ganztagsschule zu besuchen,
idealerweise eine Gemeinschaftsschule.
n Der Rechtsanspruch auf inklusive
Bildung und das Recht auf das gemeinsa-
me Lernen in einer Regelschule gehört in
jedes Schulgesetz. Alle Schulen müssen
über barrierefreie Zugänge für alle Kinder
verfügen, die nicht nur auf die baulichen
Voraussetzungen beschränkt werden dürfen.
Sie müssen über adäquate Ausstattung und
Qualifizierung bei Personal, Assistenzleis-
tungen, Lehr- und Lernmittel sowie sonstige
Hilfsmittel für jedes Kind verfügen. Wir
wollen ein Zwei-Lehrer*innen-System um-
setzen, als eine der Rahmenbedingungen, mit
der wir Förderschulen überflüssig machen.
Inklusion darf nicht davon abhängig gemacht
werden, wie viel sie kostet! Bund, Länder
und Kommunen müssen ein Investitions-
programm »Inklusive Bildung« auflegen,
um Bildungseinrichtungen umfassend
barrierefrei umzubauen und auszustatten.
DIE LINKE will eine inklusive Schule, in der
alle Kinder und Jugendlichen willkommen
sind und gemeinsam mit- und voneinander
lernen. Inklusion ist eine Aufgabe, die sich
nicht auf einzelne Gruppen bezieht – weder
auf Schüler*innen mit Behinderungen, noch
auf diejenigen nicht deutscher Herkunft
noch auf solche, die aus anderen Gründen
von Teilhabe ausgeschlossen werden. Heute
wird vielfach besonderer Förderbedarf
festgestellt. Es werden aber zu wenige und
ungenügende Hilfen für diesen Förder-
bedarf angeboten. Das muss sich ändern.
Statt immer mehr Kindern den Stempel
eines Förderbedarfes aufzudrücken, wollen
wir das mehrgliedrige Schulsystem Schritt
für Schritt abbauen und alle Kinder ohne
abwertende Etikettierung umfassend fördern.
n Tausende geflüchtete und zugewanderte
Kinder und Jugendliche gehen in Deutsch-
land in die Schule oder machen eine
Ausbildung. Wir fordern ein Programm, das
vom Bund mitfinanziert wird und Aus- und
Weiterbildung von zusätzlichen Lehrkräften
umfasst, die Deutsch als Zweitsprache unter-
richten, eine Erstausstattung an Schulbe-
darf für alle Kinder, zusätzliche Sprach- und
Alphabetisierungskurse auch für geflüchtete
Erwachsene und Informationen zu Berufs-
ausbildungen, die für Geflüchtete in der
Bundesagentur für Arbeit angeboten werden.
Den Kommunen müssen dafür entsprechen-
de Mittel zur Verfügung gestellt werden.
n Eine mehrsprachige Sozialisation wird
in Deutschland nur bei ökonomisch als
wichtig erachteten Sprachen geschätzt.
Wir sehen die Mehrsprachigkeit bei
Kindern und Jugendlichen mit Migrations-
hintergrund als eine Bereicherung und
eine Chance, die von den Schulen anerkannt
49
und für gemeinsames Lernen genutzt werden
soll. Die Muttersprache beim Erlernen
weiterer Sprachen einzubeziehen, ist wichtig,
um in diesen Sprachen einen sicheren
Stand zu erwerben. Die Herkunftssprache
soll bei Prüfungen als erste oder zweite
Sprache anerkannt werden. Wir betrachten
Regional- oder Minderheitensprachen als
Ausdruck des kulturellen Reichtums und
fördern ihr Angebot in Schulen.
n Schulsozialarbeit muss ein fester
Bestandteil von schulischer Arbeit werden –
an jeder Schule und dauerhaft. Dafür muss
sie im Jugendhilferecht als Regelaufgabe
verankert werden. Durch ein Programm
zur Schulsozialarbeit wird der Einsatz
mindestens einer Fachkraft für Schulsozial-
arbeit je150 Schüler*innen garantiert.
Diese sollen gut mit Berufs- und Studien-
beratungsstellen vernetzt sein, um
Schüler*innen, die nicht aus Akademiker-
familien kommen, den Weg an die Hoch-
schulen zu erleichtern.
n Der Personalmangel an Schulen führt zu
Unterrichtsausfall und Stress. Das Personal
muss Engpässe mit regulär beschäftigten
Lehrkräften ausgleichen können. Dazu
braucht es10 Prozent Vertretungsreserve.
Um die Personalnot an Schulen zu beenden,
müssen überall deutlich mehr Lehrkräfte
ausgebildet und eingestellt werden.
n Neue, hybride Lernformen, wie sie während
des Coronalockdowns praktiziert wurden,
dürfen nicht zu einer neuen sozialen Spaltung
führen, weil nicht alle Lernenden zu Hause
gleich gute Lernbedingungen zu Hause haben.
n Wir wollen, dass jedes Kind einen Laptop
als Teil der Bildungsausstattung zur Verfü-
gung hat und frühzeitig mit digitalen Techno-
logien vertraut gemacht wird. Jedes Kind
muss weiterhin einen Drucker inklusive aller
Verbrauchsmaterialien zur Verfügung haben
sowie mit einem kostenfreien Bildungstarif
Zugang zum Internet zu Hause erhalten. Die
Urteile der Sozialgerichte müssen endlich
umgesetzt werden. Das gilt auch für Familien,
die knapp oberhalb des Hartz-IV-Einkom-
mens liegen. Der DigitalPakt Schule mit-
samt aller Zusatzvereinbarungen zu Geräten
und Administration muss verstetigt werden.
n Hybride Lernformen sind nicht weniger
arbeitsintensiv als Formen des Präsenz-
lernens. Sie eignen sich nicht als Sparmo-
dell. Wir brauchen mehr Lehrer*innen für
einen guten Unterricht, auch und gerade
angesichts neuer Lernformen.
n Die IT-Infrastruktur an Schulen muss
durch Fachpersonal betreut werden.
Entsprechende Planstellen sollen kurz-
und mittelfristig geschaffen werden. Die
IT-Infrastruktur aller Schulen und Hoch-
schulen muss mit schnellen und leistungs-
fähigen Breitbandanschlüssen, WLAN für
alle, Lern- und Arbeitsräume und einer
zeitgemäßen Hard- und Softwareausstat-
tung ausgebaut werden. Offene Software
und Open Educational Resources (OER)
sind zu fördern.
n Medienkompetenz muss umfassend
gestärkt werden: in der vorschulischen
Bildung, in Schule und Unterricht, in der
Arbeitswelt, in zivilgesellschaftlichen
Projekten und bis ins hohe Alter.
n Viele Schüler*innen lernen nicht mehr
Schwimmen, weil viele Schwimmbäder
baufällig sind und gesperrt werden müssen.
Hier wollen wir sanieren. Schulschwimmen
und Sportunterricht müssen wieder gesichert
werden. Wir wollen in barrierefreie, ener-
gieeffiziente und schön gestaltete Schul-
räume und Sportstätten investieren.
n Mindestens 50 Milliarden Euro sind nötig,
um die Schulen zu sanieren. Gerade in
sogenannten Brennpunktschulen fehlt das
Geld. Wir wollen den Königsteiner Schlüssel
als Verteilungsinstrument für Fördermittel
des Bundes für Bildung durch einen Sozial-
index ersetzen. Der Sozialindex soll Mittel
bedarfsgerecht auf die Länder und innerhalb
der Länder auf Kommunen verteilen, damit
genug Geld da ankommt, wo es auch wirk-
lich gebraucht wird.
n Wir wollen Lobbyismus in Schule und
Unterricht unterbinden. Akteure der Wirt-
schaft drängen seit Jahren aus reinem Eigen-
nutz in die Schulen und bestimmen Lernin-
halte zunehmend mit. Darunter leidet die
Vielfalt in der Bildung. Kommerzielle Werbung
an Schulen muss gesetzlich untersagt werden.
50
Schulen müssen im Gegenzug besser mit
Lehrmitteln ausgestattet werden, damit
sie nicht auf tendenziöse Angebote von
Konzernen und Interessengruppen zurück-
greifen müssen.
n Bildung ohne Bundeswehr! Die Bundes-
wehr soll nicht mehr in Schulen oder Uni-
versitäten werben oder auftreten dürfen.
Stattdessen brauchen wir mehr politische
und friedenspädagogische Bildung durch
Lehrkräfte.
n Alle Lehrämter sollen gleichgestellt
werden. Es gibt keinen Grund, Lehrkräfte
an Grundschulen niedriger zu werten als
Lehrkräfte zum Beispiel an Gymnasien.
n Lernende, Lehrende und Eltern sollen über
Schule mitentscheiden können. Wir wollen
Demokratie, Selbstverwaltung der Schulen
und insbesondere die Mitbestimmungs
rechte der Schüler*innen an den Schulen
stärken.
n Die Schulreinigung wollen wir flächen-
deckend wieder in die öffentliche Hand
bringen – für saubere Schulen und gute
Arbeitsbedingungen. In der Pandemie hat
sich gezeigt, wie wichtig gute Hygiene-
standards in den Schulen sind.
Öffentlich-private Partnerschafen (ÖPP)
lehnen wir grundsätzlich ab. Sie stellen
einen besonders fatalen Ausverkauf öffent-
lichen Eigentums dar. Auch bei Schulen muss
gelten: öffentliche Aufgaben in öffent
liche Hand.
Gut ausgebildet
Jedes Jahr werden Zehntausende junge
Menschen in Deutschland bei der Suche
nach einem Ausbildungsplatz vertröstet.
Sie finden keinen Ausbildungsplatz mit
Perspektive oder hängen in endlosen
Warteschleifen fest. Fast zwei Millionen
junge Menschen haben keine Berufsaus-
bildung. Besonders Hauptschüler*innen
und Migrant*innen werden benachteiligt.
Die Wirtschaft unterschreitet die Zielmarke
von 500 000 jährlich zu schaffenden Aus-
bildungsplätzen. Viele Arbeitgeber klagen
über mangelnde Fachkräfte und Aus-
bildungsbetriebe finden keine Azubis. Aber:
Der Fachkräftemangel ist hausgemacht,
weil viele potenzielle Azubis als nicht ausbil-
dungsreif eingestuft und in Warteschleifen
»geparkt« werden. Auf der anderen Seite
klagt mehr als die Hälfte der Auszubilden-
den über zu hohe Belastung, viele gehen
auch krank zur Arbeit oder werden als
billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Wegen
der Pandemie und finanzieller Schieflage
mancher Unternehmen haben viele Ausbil-
dungsbetriebe ihre Ausbildung eingestellt
oder deutlich gekürzt. Damit verschärft
sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt.
Wir wollen, dass alle, die eine Ausbildung
begonnen haben, sie auch beenden können.
Dafür muss der Bund Mittel und Möglich-
keiten bereitstellen. Die Bedingungen und
die Qualität der Ausbildung müssen ver-
bessert und Ausbildungsberufe aufgewertet
werden. Auch hier benötigen wir mehr
Personal. Laut der Gewerkschaft Erziehung
und Wissenschaft (GEW) müssen an den
berufsbildenden Schulen bis zum Jahr 2030
160 000 Lehrkräfte eingestellt werden,
um den Bedarf zu decken.
n Jetzt gilt erst recht: DIE LINKE setzt sich
für das Recht auf eine gebührenfreie und
vollqualifizierende Ausbildung für alle ein.
Anonymisierte Bewerbungsverfahren
sollen sicherstellen, dass alle die gleichen
Chancen auf eine Ausbildung haben.
n Auszubildende brauchen eine Ausbil
dungsvergütung, die zum Leben unab-
hängig von den Eltern reicht. Wir fordern
eine Mindestausbildungsvergütung, die
sich aus 80 Prozent der durchschnittlichen
tariflichen Ausbildungsvergütung aller
Branchen des jeweiligen Ausbildungsjah-
res ergibt. Wir unterstützen die Gewerk-
schaften und Gewerkschaftsjugenden bei
ihrem Kampf für bessere tarifvertragliche
Lösungen. Die Ausbildung in den Beru-
fen, die nicht dual geregelt ist also zum
Beispiel in allen Sozial-, Gesundheits- und
Erziehungsberufen, muss besser finan-
ziert werden. Schulgeld soll grundsätzlich
entfallen und ein am Tarif orientiertes
Ausbildungsgeld gezahlt werden. Wir
wollen den Bau öffentlicher Auszubil-
dendenwohnheime fördern, insbeson-
dere im ländlichen Raum.
51
n DIE LINKE fordert die unbefristete
Übernahme nach Ausbildungsende und den
Wegfall der Probezeit bei Übernahme im
selben Betrieb.
n Wir wollen eine solidarische Umlage
finanzierung, die alle Betriebe in die Pflicht
nimmt, damit ausreichend duale und
qualitativ hochwertige Ausbildungsplätze
geschaffen werden.
n Am Ende von berufsvorbereitenden Maß-
nahmen muss ein verbindliches Ausbil
dungsangebot stehen. Die »Warteschleife«
im Übergangssystem wollen wir abschaffen.
n Menschen ohne abgeschlossene Ausbil-
dung sollen einen anerkannten Berufsab-
schluss machen können – unabhängig von
ihrem Alter. Das Kriterium der »Ausbildungs-
reife« der Bundesagentur für Arbeit wollen
wir abschaffen. Es versperrt den Zugang zur
Berufsausbildung.
n Wir wollen eine grundlegende Reform des
Berufsbildungsgesetzes (BBiG), in der die
Verbesserung der Ausbildungsqualität in
den Mittelpunkt gerückt und ein Rechtsan-
spruch auf eine vollqualifizierende Ausbil-
dung verankert wird.
n Die Mitbestimmung der Auszubil
denden wollen wir stärken. Ihre Mitwir-
kung in den Personalvertretungen muss
garantiert werden.
n Wir wollen einen Berufsbildungspakt,
damit längst überfällige Investitionen
für gute Qualität an beruflichen Schulen
getätigt werden. Und es braucht deutlich
mehr Personal.
n Politische Bildung muss auch Teil der
beruflichen Ausbildung sein.
n Sozialarbeit und sozialpsychologische
Begleitung sollen auch in der Ausbildung
gestärkt werden.
n Die Lehr- und Lernmittelfreiheit muss
im Berufsbildungsgesetz verankert werden –
auch bei Schulbüchern für den Berufs-
schulunterricht.
n Weil der Ausbildungsmarkt immer noch
in sogenannte Frauen- und Männerberufe
gespalten ist, sind außerdem die Hürden für
Jugendliche groß, eine untypische Berufs-
wahl zu treffen. Dem wollen wir entgegen-
wirken: durch geschlechtersensible Bildung
und indem Bereiche aufgewertet werden,
in denen die Löhne niedrig sind und viele
Frauen arbeiten.
Gute Weiterbildung
Wir setzen uns für lebenslanges, lebensbe-
gleitendes Lernen ein: als Angebot, nicht als
Pflicht zur Selbstoptimierung. Die allge-
meine, kulturelle, politische und berufliche
Weiterbildung ist ein wichtiger Teil davon. Sie
dient der Entwicklung der Einzelnen und der
beruflichen Fortbildung oder Umorientierung
und befördert die gesellschaftliche Teilhabe.
Das Recht auf Weiterbildung muss gesetzlich
abgesichert sein. Der sozialökologische
Umbau kann bedeuten, dass viele Menschen
eine zukunftssichere Perspektive erhalten.
Die Weiterbildung spielt hier eine entschei-
dende Rolle. Hier müssen bei der beruflichen
Weiterbildung und an den Hochschulen neue
Möglichkeiten geschaffen werden.
Volkshochschulen, die oft in kommunaler
Hand sind oder mindestens gemeinnützig
arbeiten, können unabhängig von den
Profitinteressen privater Bildungsanbieter
Angebote für die vielfältigen Bereiche der
allgemeinen Weiterbildung, der politischen
Bildung und für das Nachholen von Schul-
abschlüssen anbieten. Dazu sollen die
Volkshochschulen finanziell gestärkt werden,
damit sie ihr Leistungsangebot ausbauen
und kostenfrei anbieten können. Wichtig ist,
dass Angebote zur sprachlichen Förderung
von Zugewanderten erbracht werden können.
Eine entscheidende Voraussetzung sind
gute Arbeitsbedingungen und gute Entloh-
nung bei allen Trägern und Bereichen der
Erwachsenenbildung. In der Erwachsenen-
bildung sind die Arbeitsverhältnisse oft
prekär. Das wollen wir ändern.
n Lehrkräfte in der Weiterbildung brauchen
einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag,
der sich am öffentlichen Dienst orientiert,
für alle Bereiche der Weiterbildung.
52
n Honorarverträge sollen in feste Stellen
umgewandelt werden. Honorarverträge,
soweit sie noch nötig oder von den Beschäf-
tigten gewollt sind, müssen an den TVÖD
angepasst werden. Das gilt auch für Lehr-
kräfte in den Sprach- und Integrationskursen.
n Die Arbeitsagenturen und andere öffent-
liche Auftraggeber müssen bei der Vergabe
die Qualität von Bildung und eine gute Bezah-
lung der Lehrkräfte in den Mittelpunkt stellen.
Bei der Vergabe von Bildungsdienstleistun-
gen durch die Bundesagentur für Arbeit sollen
die geltenden tariflichen Bestimmungen für
alle Anbieter verbindlich sein.
n Volkshochschulen und andere öffentlich
geförderte Weiterbildungseinrichtungen
müssen ausreichend und dauerhaft finan-
ziert werden. Lehrkräfte dürfen sich nicht
von einem befristeten Projekt zum nächs-
ten hangeln müssen. Vielmehr sind für Dau-
eraufgaben auch Dauerstellen zu schaffen.
n DIE LINKE will eine Bildungsfreistellung
für alle Beschäftigten und alle Weiterbildungs-
bereiche bundesweit gesetzlich sichern, nicht
nur für die berufliche Weiterbildung.
n Menschen ohne abgeschlossene Aus-
bildung sollen einen anerkannten Berufs-
abschluss machen können. Dazu sollen
Umschulungen bedarfsgerecht verlängert
und der Zugang zur Externenprüfung soll
erleichtert werden.
n Wir fordern ein Weiterbildungsgeld: Wer
sich im Rahmen des sozialökologischen
Umbaus neu orientieren oder weiterquali-
fizieren muss oder möchte, erhält dafür aus-
reichend Zeit und Finanzierung (vgl. Kapitel
»Sozialer und ökologischer Systemwechsel«).
Gutes Studium, gute Arbeits
bedingungen, gute Forschung
Das Studium ist von Leistungsdruck und
Zeitdruck geprägt. Das führt zu Stress bei
Studierenden und Beschäftigten. Dazu
kommt: Viele Studierende haben in der
Coronakrise ihre Nebenjobs verloren und
wissen nicht, wie sie die Miete aufbrin-
gen sollen. Das trifft vor allem diejenigen
hart, die nicht aus wohlhabenden Familien
stammen. Viele werden von vornherein
durch Zugangshürden vom Studium aus-
geschlossen. Weiter hat die pandemiebe-
dingte Schließung der Hochschulen die
seit Jahren andauernde Konkurrenz und
Vereinzelung im Studium weiter befördert.
Das ist politisch gewollt. Es muss aber
nicht so bleiben. DIE LINKE setzt sich für
eine soziale, demokratische, offene und
inklusive Hochschule und Wissenschafts-
landschaft ein. Wir stehen an der Seite
von Initiativen und Bewegungen, die für
bessere Bedingungen kämpfen: für eine
Entfristung und faire Bezahlung von wissen-
schaftlichem Personal, gute Studien- und
Lebensbedingungen für Studierende und
dafür, dass die Coronakrise auch an den
Hochschulen solidarisch bewältigt wird. Es
bleibt viel zu tun. Seit Jahren werden die
Hochschulen und Universitäten unter dem
Druck der öffentlichen Finanzierungssys-
teme zur unternehmerischen Hochschule
ausgebaut. Das Ziel ist es, Wissen, Bildung
und Forschung wirtschaftlich verwertbar zu
machen. Durch die chronische Unterfinan-
zierung bleibt der Raum für unabhängige
und gesellschaftskritische Forschung und
Lehre und damit eine wesentliche Funk-
tion von Wissenschaft auf der Strecke.
Forschung ohne Drittmittel ist kaum noch
möglich. DIE LINKE fordert eine ausrei-
chende Finanzierung der Hochschulen und
Forschungseinrichtungen durch den Staat.
n Wir wollen die Hochschulen weiter öffnen.
Ein Studium soll mit einem bestandenen
Fachabitur, der allgemeinen Hochschulreife,
einer abgeschlossenen beruflichen Ausbil-
dung oder einem vergleichbaren Abschluss
möglich sein.
n Jegliche Form von Studiengebühren für
Menschen mit und ohne deutschen Pass
schaffen wir ab.
n Das BAföG muss an die Lebenswirklich-
keit angepasst werden und die Ausbildung
umfassend finanzieren. Nur noch 11 Pro-
zent der Studierenden erhalten überhaupt
BAföG, nur 8 Prozent den Höchstsatz. Wir
setzen uns für ein rückzahlungsfreies,
elternunabhängiges und bedarfsgerech-
tes BAföG ein, das alle erreicht, die es
brauchen. Bildungsentscheidungen sollen
53
frei von Finanzsorgen oder Vorlieben
der Eltern getroffen werden können. Der
BAföG-Fördersatz muss regelmäßig und
automatisch an die tatsächlichen und
steigenden Lebenshaltungs- und Wohn-
kosten angepasst werden. Wir wollen
die Altersgrenzen beim BAföG abschaffen
und die Bezugsdauer an die reale durch-
schnittliche Studiendauer anpassen.
Ebenso muss die Kopplung des BAföG an
Leistungsüberprüfungen abgeschafft
werden. Förderlücken müssen geschlos-
sen werden. Menschen mit Duldung,
Aufenthaltsgestattung und mit humanitären
Aufenthaltstiteln müssen mit Aufnahme
des Studiums oder der Ausbildung Zugang
zur Ausbildungsförderung haben.
n Zugangs- und Zulassungsbeschrän-
kungen wie Numerus clausus, Auswahl-
gespräche, IQ-Tests oder Bewerbungs-
gespräche müssen abgeschafft werden.
Wir schlagen dazu ein Hochschulzulas-
sungsgesetz vor.
n Der Zugang zum Master muss für Bachelor-
Absolvent*innen überall zulassungsfrei sein.
Dafür müssen Masterstudienplätze bedarfs-
gerecht ausgebaut werden.
n Für Geflüchtete soll die Aufnahme des
Studiums einfacher werden. Dafür müssen
zusätzliche Studienplätze geschaffen
werden und im Ausland erworbene Bil-
dungsabschlüsse schnell und unbürokra-
tisch anerkannt werden. Die Aufnahme
eines Studiums muss ein Bleiberecht
sicherstellen und vor Abschiebung schützen.
Auch Wissenschaftler*innen, die politisch
verfolgt sind, wollen wir die Fortführung
ihrer wissenschaftlichen Arbeit an Hoch-
schulen in Deutschland ermöglichen.
n Den Zugang für ausländische Studie-
rende wollen wir vereinfachen. Den Verein
uni-assist e. V. wollen wir in eine Anstalt
öffentlichen Rechts überführen, die der
Bund finanziert.
n Wir wollen ausfinanzierte und demo-
kratisch wirkmächtige Fachschaften, die
die Studierendenschaft organisieren. Und
ein zusätzliches Mentoringprogramm für
Studierende aus Nichtakademikerfamilien.
n Wir fordern ein Weiterbildungspro
gramm für den sozialökologischen
Umbau, das durch den Bund und durch
eine Unternehmensumlage mitfinanziert
wird: Wer sich beruflich umorientieren
möchte, soll die Möglichkeit erhalten, an
einer Hochschule ein Studium oder eine
Zusatzqualifizierung in einem sozialen oder
ökologischen Bereich zu absolvieren, in
dem zukünftig mehr Beschäftigte benötigt
werden. (vgl. Abschnitt »Weiterbildung« im
Kapitel »Arbeit«)
n Inhalte von Lehre und Forschung orien-
tieren sich immer stärker an wirtschaftlicher
Verwertbarkeit und Konzerninteressen. Wir
wollen Hochschulen in gesellschaftlicher
Verantwortung und setzen uns für kritische
Wissenschaft und Lehre ein, die im Sinne
einer sozial gerechten, ökologisch nachhal-
tigen und friedlichen Welt eingreift.
n Demokratisierung der Hochschulen:
Wir streiten bundesweit für verfasste
Studierendenschaften mit allgemeinpoli-
tischem Mandat. Hochschulgremien sollten
öffentlich tagen, wo es möglich ist. Sie
müssen paritätisch besetzt werden, sodass
alle Statusgruppen, auch die Studierenden,
gleich stimmberechtigt vertreten sind. Statt
einseitiger Stärkung der Hochschulleitung
brauchen wir eine Stärkung der demokratisch
durch alle Hochschulangehörigen gewählten
Hochschulgremien. Gremien, die sich an
Aufsichtsräte anlehnen – wie Hochschulräte –
gehören abgeschafft. Den demokratischen
Austausch der Hochschule mit zivilgesell-
schaftlichen Akteuren, Gewerkschaften,
Bürgerinitiativen, Sozialverbänden wollen
wir stärken. Hochschulen sollen offene Orte
der gesellschaftlichen Debatte sein. Das
muss Vorrang vor kommerzieller Nutzung
der Hochschulräume haben.
Gute Wissenschaft
braucht Gute Arbeit
n Dazu muss der wissenschaftliche und
nichtwissenschaftliche Unter- und Mittelbau
gestärkt werden. Daueraufgaben müssen
auf Dauerstellen bearbeitet werden.
Prekäre Arbeit, Lehre zu Dumpingvergütung
und die Ausbeutung von Lehrbeauftragten
und nichtwissenschaftlichen Beschäftigten
54
lehnen wir ab. Die Honorare für Lehraufträge
wollen wir erhöhen, sie müssen auch die
Vor- und Nachbereitung abdecken. Zentrale
Lehraufgaben müssen auf festen, unbefris-
teten Stellen geleistet werden.
n Frist ist Frust. Rund 90 Prozent der
Beschäftigten im wissenschaftlichen
Mittelbau sind befristet beschäftigt. Das
Sonderbefristungsrecht für wissenschaft-
liches Personal wollen wir abschaffen:
Unbefristete Arbeitsverhältnisse müssen
die Norm werden.
n Statt von einzelnen Professor*innen
abhängig zu sein, soll der wissenschaftliche
Nachwuchs Abteilungen (Departments)
zugehören. Wir wollen mehr feste Stellen
neben der Professur schaffen. Qualifikati
onsstellen von Doktorand*innen müssen
mit 100 Prozent vergütet werden.
n Wir brauchen einen flächendeckenden
Tarifvertrag für studentische Beschäftigte
sowie deren Vertretung im Personalrat.
n Studentische Beschäftigte müssen
mittelfristig in den TV-L eingegliedert wer-
den. Wir unterstützen die TVStud- Initiativen
in ihrem Anliegen nach kurz fristig eigenen
Tarifverträgen.
n Frauen stärken: Wir wollen eine 50-pro-
zentige Frauenquote auf jeder Karrierestufe
durchsetzen und das Professorinnenpro-
gramm zu einem Programm für die Förderung
von Frauen auf allen Karrierestufen weiter-
entwickeln.
n Die Hochschulen werden zu einem
wesentlichen Teil durch nicht wissen-
schaftliches Personal in der Verwaltung,
dem Gebäudemanagement und dem
Forschungsbetrieb mitgetragen. Wer von
Arbeitsbedingungen an Universitäten spricht,
darf diesen Teil der Beschäftigten nicht
vernachlässigen. Aus der Krise lernen heißt
auch zu erkennen, dass es einen Personal
aufbaupakt für die Hochschulverwaltung
braucht. Auch in der Hochschulverwaltung
gilt für uns: Dauerstellen für Daueraufgaben.
n Steuermittel zur Forschungsförderung
dürfen nur an tarifgebundene Einrichtun-
gen gehen. Das schafft auch Anreize, dass
die Institute der Max-Planck-Gesellschaft,
Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemein-
schaft und Leibniz-Gemeinschaft Mitglied
in einem Arbeitgeberverband werden.
Investitionen in die
soziale Infrastruktur
n Der Bund muss dauerhaft Mitverant-
wortung für die Grundfinanzierung der
öffentlichen Hochschulen übernehmen.
Wir wollen den Zukunftsvertrag entfristen
und zu einem Dauerzuschuss weiter-
entwickeln. Die Exzellenzstrategie befeuert
ein konkurrenzorientiertes Denken in der
Wissenschaft. Der aufwendige Bewer-
bungs- und Auswahlprozess schadet einer
gesellschaftlich verantwortungsbewussten
Wissenschaftskultur. Wir wollen statt-
dessen Studium und Wissenschaft flächen-
und fächerdeckend ausfinanzieren.
n Wir wollen Fachhochschulen bzw.
Hochschulen für angewandte Wissen-
schaften deutlich besser ausstatten. Für
Studierende an Fachhochschulen wird
nicht genug Geld zur Verfügung gestellt,
obwohl es immer mehr werden. Es braucht
ausreichend Finanzierung statt »Billig-
studienplätze«. Fachhochschulen sollen
das Promotionsrecht erhalten.
n Die Gemeinschaftsaufgabe Hochschul-
bau muss wieder im Grundgesetz verankert
und ein Sonderprogramm für den Neubau
von Wohnheimplätzen gestartet werden.
Die Lehre soll durch eine Grundfinanzierung
gesichert werden, die sich an der Zahl der
tatsächlichen Studienanfänger*innen und
an den Kosten des Studienplatzes bemisst.
n DIE LINKE fordert einen Hochschul
sozialpakt: Geld für mehr bezahlbare
Plätze in Wohnheimen, Mensen und Hilfe
für Studierendenwerke, die durch die
Coronakrise in eine Schieflage geraten
sind. Wir wollen ein finanzielles Unter-
stützungsprogramm für kostengünstige
Semestertickets für Studierende. Pers-
pektivisch fordern wir einen ticketfreien
öffentlichen Nahverkehr für alle.
55
n Das duale Studium muss öffentlich-
rechtlich akkreditiert werden und zu gleich-
wertigen Abschlüssen führen. Dual Studie-
rende müssen einen Ausbildungsvertrag
mit einer Mindestvergütung bekommen. Der
Zugang zum dualen Studium muss ohne
Abitur möglich sein.
Transparente Forschung und
gesellschaftliche Verantwortung:
n Kooperationsvereinbarungen, Sponso-
ring und sonstige Verträge, die öffentliche
Bildungs- und Forschungseinrichtungen
mit privaten Unternehmen oder Stiftungen
abschließen müssen offengelegt werden.
Sie nehmen direkt oder indirekt Einfluss auf
Wissenschaft.
n Der Ausbau der IT muss einhergehen
mit einer besseren Ausbildung von Lehr-
amtsstudierenden und aktiven Lehrkräften:
Digitale Kompetenzen und Unterrichts-
methoden müssen fester Bestandteil des
Studiums werden. Auch danach braucht
es Fortbildungsangebote.
n Digitale Infrastruktur ausbauen: Für
einen schnelleren Aus- und Aufbau digi-
taler Infrastrukturen an den Hochschulen
sollen von Bund und Ländern zusätzliche
finanzielle Mittel durch einen Hochschul-
digitalpakt zur Verfügung gestellt werden.
Statt Leuchtturmprojekten braucht es eine
Digitalisierungsoffensive für die Hoch-
schulen bundesweit. Doch Technik allein
macht noch keine gute Onlinelehre. Lehren-
den muss der Zugang zu Fort- und Weiter-
bildung für digitale Lehr- und Lernangebote
erleichtert werden.
n Digitale Medien dürfen nicht zum Ein-
fallstor für Privatisierung der Bildung durch
private kommerzielle Anbieter, Unterneh-
men oder Verlage werden. In Bildungsein-
richtungen eingesetzte Software sollte
freie Software sein.
n Forschung für Frieden statt für Krieg
und Rüstungsindustrie: Wir fordern die
Verankerung von Zivilklauseln an allen
Hochschulen und allen wissenschaftlichen
Einrichtungen sowie die Förderung von
Friedensforschung.
n Um dem neoliberalen Mainstream in
den Wirtschaftswissenschaften kritisches
Denken zur Seite zu stellen, wollen wir
plurale Ansätze in Forschung und Lehre an
Hochschulen, Universitäten und in der
Politikberatung fördern. Dazu gehören (post-)
keynesianische, marxistische, ökologische
und feministische Wirtschaftstheorien. Wir
fordern im Rahmen der Forschungs- und
Innovationsförderung des Bundes die Ein-
richtung eines Forschungsclusters zu sozial-
ökologischer Transformation mit hetero-
doxer Ausrichtung der Forschung. Auch
müssen plurale Ansätze bei der Förderung
von Promovierenden stärker berücksichtigt
werden. Die Theorie- und Forschungsansät-
ze sollen auch bei der Ausschreibung und
Vergabe von wissenschaftlichen Beratungs-
leistungen durch die öffentliche Hand
beachtet werden.
n Wir brauchen eine staatlich finanzierte
Forschungsförderung, die sich den gesell-
schaftlichen Herausforderungen durch die
Beachtung kritischer und pluraler For-
schung stellt.
Forschung und Wissenschaft müssen
zur Lösung von sozialer Spaltung, Klima-
wandel und Umweltproblemen beitragen.
In diesem Sinne wollen wir die milliarden-
schwere Innovations- und Technologie-
förderung des Bundes, auch die gemein-
sam von Bund und Ländern finanzierte
außeruniversitäre Forschung strategisch
ausrichten. Neben technischen sind dabei
besonders soziale Innovationen wichtig.
Wir wollen diese Forschungslandschaft
stärker mit der Arbeit der Hochschulen
verknüpfen.
56
Klimaschutz sozial gerecht:
Für einen sozialökologischen Systemwechsel
Die ökologische Krise ist die große
Überlebensfrage des 21. Jahrhunderts.
Gleichzeitig ist sie eine Klassenfrage.
Es geht längst nicht nur um den Klimawandel:
Umweltforscher*innen gehen davon aus,
dass von neun planetaren Grenzen (also
physikalischen Grenzen des ökologischen
Erdsystems) einige bereits überschritten
sind. Das betrifft insbesondere die Erder-
wärmung, das massenhafte Artensterben,
die Veränderung der Landnutzung sowie
die Störung der Phosphor- und Stickstoff-
kreisläufe. Jedes dieser Probleme hat das
Potenzial, unserer Gesellschaft die materi-
elle Grundlage zu entziehen. Die Corona-
pandemie zeigt: Die Zerstörung natürlicher
Lebensräume lässt die Wahrscheinlichkeit
von Pandemien rasant steigen. Diesen
verheerenden Prozess der Naturzerstörung
müssen wir stoppen.
Der Klimawandel ist auch ein medizini-
scher und pflegerischer Notstand: Die Zahl
hitzebedingter Behandlungen und von
Hitzetoten wächst. Luftverschmutzung
verschärft chronische Krankheiten, Trink-
wasserreservoirs versiegen. Der Wohl-
stand der Industrieländer ist untrennbar
mit der Ausbeutung des Globalen Südens
verbunden. Dreckige Industrieprozesse
und ausbeuterische Jobs sind in Entwick-
lungs- und Schwellenländer ausgelagert
worden, während die Produkte und Profite
in den Globalen Norden wandern.
Die Umweltzerstörung ist von den sozialen
Verhältnissen im Kapitalismus nicht zu
trennen. Studien weisen schon lange darauf
hin, dass der ökologische Fußabdruck
extrem ungleich verteilt ist. Das gilt nicht
nur für das Verhältnis zwischen reichen
und armen Staaten, sondern auch für
Deutschland selbst. Während die Reichsten
für einen überdurchschnittlichen Anteil der
klimaschädlichen Treibhausgasemissionen
verantwortlich sind, sind die Armen von
Umweltveränderung und Verschmutzung
am stärksten betroffen. Wer Vermögen
besitzt, kann sich vor Hitze, Trockenheit
und Überschwemmung in Sicherheit bringen.
Die Armen können das nicht. Die Natur-
zerstörung bedroht materielle Lebensgrund-
lagen und wird selbst zur sozialen Frage.
Den ökologischen Umbau planen
Um die Naturzerstörung zu stoppen, müs-
sen Ressourcenverbrauch und Emissionen
auf ein nachhaltiges Niveau abgesenkt
werden. Ökosysteme haben Belastbarkeits-
grenzen, die nicht überschritten werden
dürfen. Unter den Bedingungen des
»freien« Weltmarkts ist Nachhaltigkeit auf
Dauer nicht möglich. Statt einer Wirt-
schaft, die für Profite arbeitet, brauchen
wir eine Wirtschaft, die klaren sozialen
und ökologischen Zielen folgt, die mit
den verbleibenden Ressourcen haushal-
ten kann und die für die Bedürfnisse der
Menschen arbeitet. Alle Erfahrungen der
letzten Jahrzehnte belegen es: Techno-
logische Erfolge – zum Beispiel durch
den Ausbau erneuerbarer Energien oder
durch bessere Antriebssysteme – werden
durch sogenannte Reboundeffekte sofort
wieder wettgemacht. Verbrennungsmo-
toren werden effizienter, dafür werden die
Fahrzeuge schwerer. Die Digitalisierung
erlaubt umweltfreundlichere Formen des
Arbeitens, hat aber gleichzeitig einen
ökologisch verheerenden Bergbauboom
ausgelöst. Selbstverständlich sind grüne
Technologien Teil des sozialökologischen
Systemwechsels, aber sie allein werden
die Naturzerstörung nicht stoppen.
Wir brauchen deshalb politische Maß-
nahmen, die den Ressourcenverbrauch
und Emissionen deckeln und absenken.
Am dringendsten gilt das für die klima-
schädlichen Emissionen. Für sie müssen
verbindliche Obergrenzen durchgesetzt
werden, die den Unternehmen, aber auch
der Gesellschaft klare Vorgaben machen.
Unser Planet hat physikalische Grenzen –
diese Erkenntnis muss sich endlich auch in
Wirtschaft und Politik durchsetzen.
57
Sozialökologische
Investitionsoffensive
Um Ressourcenverbrauch und Emissionen
nachhaltig absenken zu können, brauchen
wir einen gezielten Umbau von Wirtschaft
und Gesellschaft. Mit sozialökologischen
Investitionen wollen wir dafür sorgen, dass
dieser Umbau nicht auf Kosten der Beschäf-
tigten und der breiten Bevölkerung erfolgt.
Wir schlagen deshalb ein Sofortprogramm
gegen die soziale und Wirtschaftskrise vor,
das zugleich die Weichen für eine bessere,
klimagerechte Zukunft für alle stellt und die
Gesellschaft durch eine starke öffentliche,
soziale Infrastruktur krisenfester macht. Es
geht um Anerkennung für diejenigen, die die
Gesellschaft am Laufen halten – und um ein
besseres Leben für alle. Klimaschutz und
soziale Gerechtigkeit gehören für uns untren-
nbar zusammen. Ohne soziale Gerechtigkeit
kann keine große Transformation hin zu
einer klimaneutralen Wirtschaft gelingen,
weil die Menschen gar nicht in die Lage
versetzt werden, den Klimaschutz in ihrem
Alltag umzusetzen und sich dafür einzu-
setzen. Ohne Klimagerechtigkeit gibt es
jetzt und in Zukunft keine soziale Gerechtig-
keit, denn die Klimakrise trifft die zuerst,
die sozial schlecht gestellt sind.
Es ist Zeit, den Profitmechanismus prinzi-
piell infrage zu stellen, damit die Vielen eine
Zukunft haben. Ressourcenverbrauch darüber
hinaus ist weder möglich noch nötig. Es ist
Zeit, dass endlich diejenigen von der not-
wendigen Transformation zu einer klimage-
rechten und solidarischen Gesellschaft
profitieren, die es in den letzten Jahren
schwer hatten: Beschäftigte im Niedriglohn-
sektor, in der Industrie oder auf dem Bau,
in sozialen Dienstleistungen und der »sys-
temrelevanten« Infrastruktur, Mieter*innen,
Menschen, die ihre Angehörigen und
Freund*innen pflegen. Unser Programm
für eine sozial gerechte und klimagerechte
Gesellschaft setzt deshalb auf Löhne, die
für ein gutes Leben reichen. Wir wollen mit
Investitionen Einstiege schaffen in ein neues,
sozial gerechtes, klimagerechtes und ge-
schlechtergerechtes Wohlstandsmodell
mit einer gerechten Verteilung von Arbeit
und Reichtum. Statt blinden Wachstums
der Profite wollen wir mehr Zeit und weniger
Stress für alle durch kürzere Arbeitszeiten
mit Lohn- und Personalausgleich.
Die Infrastruktur in vielen Kommunen und
Regionen wurde kaputtgespart. Es man-
gelt an Einrichtungen, Dienstleistungen
und Personal. Das betrifft besonders
gering verdienende Menschen und führt
im Alltag bei vielen zu Stress. Mit einer
sozialökologischen Investitionsoffensive
wollen wir das ändern. Wir wollen attraktive
Dienstleistungen und öffentliche Angebote
für Gute Arbeit schaffen – inklusiv, demo-
kratisch und gemeinwohlorientiert. Wir
setzen dabei auf eine Erneuerbare-Energien-
und Mobilitätswende für ökologische und
bezahlbare Energieversorgung und Mobi-
lität für alle. Auf Investitionen in bezahlbare,
energieeffiziente Wohnungen, die von gut
bezahlten Beschäftigten gebaut werden.
Auf einen klimaneutralen Umbau der Kom-
munen, der wohnortnahe Versorgung,
funktionierende Infrastruktur und mehr
Lebensqualität ermöglicht.
Die Bundesregierung schaut zu, wie Arbeits-
plätze in Deutschland vernichtet werden.
Mit Klimapolitik hat das nichts zu tun,
umso mehr mit Renditen der Aktionäre der
Konzerne. Milliarden von Steuergeldern aus
Hilfspaketen und Subventionen gehen an die
Konzerne, ohne Bedingungen, ohne Job-
garantien. Eine massive gesellschaftliche
Richtungsauseinandersetzung ist längst im
Gange: Renditen für Aktionäre auf Kosten
der Belegschaften und der Zukunft unserer
Kinder und Enkelkinder – oder eine »soziale,
ökologische und demokratische Transfor-
mation« (so die IG Metall). Die produktive
Arbeit und das Wissen der Beschäftigten
in der Industrie sind eine unverzichtbare
Grundlage für ein sozial gerechtes und
klimagerechtes Wohlstandsmodell der
Zukunft. Zugleich brauchen wir ein ande-
res Produktionsmodell, das nachhaltige
Lebensweisen und hohe Lebensqualität
für alle ermöglicht. Eine Produktion, die auf
Rüstungsgüter und teure Eigentumswoh-
nungen setzt, die Autos mit immer mehr
PS, Energie- und Ressourcenverbrauch
baut, hat ebenso wenig eine Zukunft wie die
Herstellung von Wegwerfprodukten (zum
Beispiel Elektro- und IT-Geräte mit wenigen
Monaten Haltbarkeit).
58
Investieren in gut bezahlte,
klimaneutrale Jobs und die Infra
struktur für ein besseres Leben
Für den notwendigen Umbau der Wirtschaft
sind Regeln und Konzepte notwendig –
Anreize, Subventionen und Steuererleichte-
rungen reichen nicht aus. Nur mit massiven
öffentlichen Investitionen können wir den
Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirt-
schaft und Infrastruktur in anderthalb Jahr-
zehnten schaffen. LINKE Wirtschaftspolitik
setzt auf sichere Arbeitsverhältnisse, auf
eine gute Versorgung aller und auf demo -
kratische Entscheidung über Investitionen,
die eine gemeinwohlorientierte, bedarfs-
gerechte und klimaneutrale Wirtschaft auf
den Weg bringen sollen.
Statt Privatisierungen und öffentlich-
private »Partnerschaften«, die sich nach
dem Profit weniger richten, wollen wir
Investitionen so gestalten, dass die
verwendeten Steuergelder allen zugute-
kommen. Die Investitionen müssen die
Lebensqualität der Menschen spürbar
verbessern. Es fehlen 100 000 Pflege -
kräfte in den Krankenhäusern und bezahl-
barer Wohnraum in vielen großen und
mittleren Städten. Das wollen wir ändern.
Wir werden jährlich über 120 Milliarden
Euro in die öffentliche Daseinsvorsorge
und Infrastruktur investieren. Durch höhere
Einnahmen aus Steuern und Sozialbei-
trägen können diese Ausgaben mindestens
zur Hälfte refinanziert werden. Durch mehr
öffentliche Investitionen auf kommunaler,
Bundes- und Länderebene und durch eine
gerechte Verteilung der Arbeit können
über eine Million neuer Arbeitsplätze in
kurzer Vollzeit (mit 30 Stunden pro Woche)
geschaffen werden.
Mit dem sozialökologischen Investitions-
und Zukunftsprogramm investieren wir in:
n Mehr Personal in Pflege und Gesund
heit: Wir wollen den Pflegenotstand been-
den, der der Gesundheit von Pflegekräften
schadet und Menschenleben gefährdet.
Dafür wollen wir 100 000 Pflegekräfte in
Krankenhäusern sowie 100 000 in Pflege-
einrichtungen und Pflegediensten einstellen.
Den öffentlichen Gesundheitsdienst wollen
wir krisenfest machen und ausbauen
(vgl. Kapitel »Gesundheit und Pflege«).
n Gute Bildung für alle: Wir stellen
200 000 zusätzliche Erzieher*innen ein,
um allen Kindern einen guten Kitaplatz
zu garantieren und flächendeckende Ganz-
tagsbetreuung zu gewährleisten. An den
Schulen wollen wir zudem 100 000 neue
Stellen für Lehrer*innen und Sozialpäda-
gogen*innen schaffen. Wir wollen Gebäude
sanieren, Kitas, Schulen und Unis bedarfs-
gerecht und zukunftsfähig ausstatten und
Inklusion fördern – pro Jahr 58 Milliarden
Euro (vgl. Kapitel »Bildung«).
n Wir schaffen einen Neustart im sozialen
und gemeinnützigen Wohnungsbau. Wir
schaffen mindestens 250 000 bezahlbare
Wohnungen pro Jahr, deren Mieten sich
ganz normale Beschäftigte leisten können.
Wir investieren in ein Förderprogramm für
sozial gerechte ökologische Modernisierung
von Gebäuden (vgl. Kapitel »Wohnen und
Mieten«).
n Erneuerbare Energiewende: Um das
Klima zu retten, müssen erneuerbare
Energien bis 2035 das System der fossilen
Energien ersetzen. Erneuerbare Energien
sind begrenzt durch Ressourcen und ver-
fügbare Flächen. Deshalb ist die Begren-
zung des absoluten Verbrauchs notwendig.
Die Förderung durch das Erneuerbare-
Energien-Gesetz wird so ausgerichtet, dass
es auch für Kleinbetreiber und Kommunen
rentabel ist. Die großen Energiekonzerne
werden entmachtet und Energieversorgung
wird am Gemeinwohl ausgerichtet. Durch
die Energiewende in öffentlicher und genos-
senschaftlicher Hand können bis 2030 über
100 000 hochwertige und gut bezahlte
Arbeitsplätze in der Produktion, Installation
und Wartung dieser Anlagen geschaffen
werden. Investitionen in die Energiewende
stärken insbesondere die regionale Wirt-
schaft (vgl. Kapitel »Klimagerechtigkeit und
Energiewende«).
n Wir bauen Bus und Bahn aus und senken
die Preise drastisch. Im Nahverkehr führen
wir ein 365-Euro-Jahresticket ein, schritt-
weise machen wir ihn für die Nutzer*innen
vollständig kostenlos. Sind Menschen nicht
59
mehr auf den motorisierten Individualver-
kehr angewiesen, können Autos durch
ökologische Verkehrsmittel ersetzt werden.
Wir brauchen weniger Autos und Modelle
mit einem geringeren ökologischen Fußab-
druck. Dieser Umbau darf nicht dem Markt
und privaten Konzernen überlassen werden.
Kurzstreckenflüge und große Teile des
Güterverkehrs verlagern wir auf die Schiene.
Wir investieren in Radwege, Fußwege und
Stadtumbau, fördern kurze Wege und
schaffen vernetzte Mobilität (vgl. Kapitel
»Gerechte Mobilität«).
n Starke Kommunen mit klimaneutraler,
sozialer Infrastruktur für ein besseres
Leben: Wir entlasten die Kommunen, fördern
benachteiligte Regionen und investieren
in gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost
und West, in allen Regionen des Landes.
Bei Investitionsmitteln wird ein Vorrang
für strukturschwache Regionen und sozial
abgehängte Kommunen und Stadtteile
eingeführt. Wir schaffen Zugang zu schnel-
lem Internet überall und investieren in
Barrierefreiheit: im Verkehr, in öffentlichen
Gebäuden und beim Wohnungsbau. Regio-
nale Wirtschaftsförderung und Wirtschafts-
kreisläufe schaffen Arbeitsplätze, soziale
Infrastrukturen erleichtern das Leben.
Durch Strom-, Mobilitäts- und Wärmewende
entstehen sozial gerechte und klimaneut-
rale Kommunen mit mehr Lebensqualität
für alle: bezahlbares Wohnen, gute wohn-
ortnahe Gesundheitsversorgung, kurze
Wege, weniger Lärm, mehr Parks und Urban
Gardening, Spielplätze und Sportanlagen,
preiswerte und klimafreundliche Naherho-
lungsangebote.
n Rettungsschirm für Industriearbeits
plätze: Von unserem Industrietransfor-
mationsfonds profitieren Betriebe, die den
sozialökologischen Umbau vorantreiben
und gleichzeitig Arbeitsplätze zu guten
Bedingungen sichern.
n Sozial und ökologisch gerecht in
Europa: Wir wollen die Europäische Zentral-
bank an dem Ziel der Förderung guter und
sinnvoller Arbeit, der Vollbeschäftigung
und sozialökologischen Transformation in
der EU ausrichten. Die EZB muss Kredit-
programme zur Verfügung stellen, damit die
öffentlichen Investitionsbanken der Mit-
gliedstaaten einen klimaneutralen Umbau
der Wirtschaft bis 2035 unterstützen und
investieren können in Gesundheitsversor-
gung und Bildung, erneuerbare Energien,
Bahn und Nahverkehr und sozialen und
ökologischen Wohnungsbau (vgl. Kapitel
»Europa«).
Arbeitsplatz und Einkommens
garantien: Einstieg in ein neues
Wohlstandsmodell
Es geht auch um ein neues Wohlstands-
modell: Mit der sozialökologischen Investi-
tionsoffensive und einer allgemeinen
Arbeitszeitverkürzung in Richtung der kur-
zen Vollzeit (28 bis 35 Stunden bei vollem
Lohn- und notwendigem Personalausgleich)
schaffen wir sichere und sinnvolle Arbeit
für alle und mehr Zeitwohlstand. Dadurch
können wir im Laufe von zehn Jahren über
2 Millionen neue, gut bezahlte Arbeits-
plätze mit Zukunft schaffen. Arbeitsplätze,
die mittelfristig durch Digitalisierung und
Rationalisierung, Strukturwandel und
ökologische Modernisierung verloren gehen,
werden mehr als kompensiert. Ökologisch
zerstörerische oder von den Beschäftigten
als sinnlos erlebte Arbeit, schlecht bezahlte
Mc-Jobs, werden durch gute und sinnvolle
Arbeit ersetzt. Die Menschen, die die Gesel-
lschaft am Laufen halten, werden besser
bezahlt. Damit geht die Aufwertung der
sozialen Berufe einher. Unser sozialöko-
logischer Systemwechsel ist deshalb auch
ein Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit.
Zu einer gerechten Transformation gehört,
dass sich Beschäftigte, die den Beruf und
die Branche wechseln, weiterqualifizieren
können, ohne ihr Einkommen zu gefährden.
Für die Zeit der Weiterbildung wollen wir ein
Weiterqualifizierungsgeld einführen, das
90 Prozent des letzten Gehalts beträgt. Das
Weiterbildungsgeld wird anteilig über die
Agentur für Arbeit und einen Fonds finan-
ziert, in den Unternehmen einzahlen. Die
Zeit der Weiterbildung wird nicht auf den
Anspruch auf Arbeitslosengeld angerechnet.
Die Fachhochschulen und Universitäten
wollen wir für Beschäftigte in der Industrie
öffnen und durch eigene Weiterqualifizie-
rungsmöglichkeiten für Zukunftsberufe und
60
Schlüsselqualifikationen in Zusammenar-
beit mit Betriebsräten und Gewerkschaften
attraktiver machen.
Industriearbeitsplätze
mit Zukunft schaffen
Die Zukunft von Industriestandorten berührt
viele Regionen. Familien und Nachbar-
schaften sind betroffen, die Einnahmen der
Kommunen und ihre soziale Infrastruktur.
Die Industriepolitik der Bundesregierung
folgt den Interessen des Kapitals: An erster
Stelle stehen die Profite der großen Export-
konzerne, nicht die mittelfristige Zukunft
der Beschäftigten, Klimaschutz und der
Nutzen für die Gesellschaft. Die Abhängig-
keit der Industriestruktur in Deutschland
vom Export und von der Autoindustrie ist
eine wirtschafts- und industriepolitische
Sackgasse.
Die Industriestruktur muss regionaler,
krisenfester und unabhängiger vom Export
werden – und die Industrie perspekti-
visch klimaneutral produzieren. Anders
als Konzepte von Strukturwandel in der
Vergangenheit geht es nicht um Subven-
tionen von Konzernen und eine gewisse
»soziale Abfederung« der Folgen von Krisen,
sondern um eine bessere Zukunft für die
Beschäftigten in der Industrie: sinnvolle
und sichere Arbeit, Löhne, die für ein gutes
Leben reichen, weniger Stress und mehr
freie Zeit.
Unser Ziel ist es, dass die Industrie bis
2035 klimaneutral, nachhaltig und energie-
effizient produziert und die Industriestruk-
tur in Deutschland unabhängiger vom Export
von Autos, Waffen, Sicherheitstechnik und
umweltschädlichen Formen der Chemie-
produktion wird. Wir wollen mit den Gewerk-
schaften zusammen einen Prozess der
Rüstungskonversion auf den Weg bringen
(vgl. Kapitel »Frieden«). Dabei muss sicher-
gestellt werden, dass neue, gleichwertige
Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen
geschaffen werden.
Wir fordern statt Subventionen für Aktio-
närsrenditen einen Rettungsschirm für
Industriearbeitsplätze, der für sichere
und sinnvolle Arbeit in der Zukunft sorgt:
n Keine Steuergelder ohne Gegen
leistung. Staatliche Gelder (egal ob direkte
Hilfszahlungen oder versteckte Subven-
tionen) müssen an langfristige Garantien
von Arbeitsplätzen, Tarifverträgen und an
verbindliche Investitionspläne gebunden
werden, um den notwendigen ökologischen
Umbau der Produktion voranzutreiben,
Planungssicherheit und sichere Einkommen
für die Beschäftigten zu garantieren.
n Vetorechte gegen Kahlschlag, Mitbe
stimmung über die Zukunft. Die Beleg-
schaften müssen bei Entscheidungen über
Standortverlagerungen, – schließungen
und – auslagerungen, bei Massenentlassun-
gen und bei Entscheidungen über Zukunfts-
investitionen mitbestimmen! Betriebsräte
müssen auch in wirtschaftlichen Fragen ein
Mitbestimmungsrecht bekommen und alle
wichtigen Unternehmensentscheidungen
müssen von Belegschaftsversammlungen
bestätigt werden.
n Die Bundesregierung muss, zusammen
mit den Belegschaften, den Gewerkschaften,
Wissenschaft, Umwelt- und Sozialverbän-
den einen verbindlichen Zukunftsplan
für die Industrie entwickeln, der für eine
klimaneutrale Industrieproduktion bis
2035 sorgt und mit Arbeitsplatz- und
Einkommensgarantien für die Beschäf-
tigten verbunden ist. Die Industriekonzerne
müssen verpflichtet werden, diesen Um-
bau in die Wege zu leiten – sie sind gemäß
dem Grundgesetz auf das Gemeinwohl
zu verpflichten. Bei der Finanzierung der
ökologischen Modernisierung der Produk-
tion wollen wir die Konzerne und Aktionäre
in die Pflicht nehmen. Zur Erinnerung: Allein
Daimler, VW und BMW hatten im vergan-
genen Jahr Gewinnrücklagen in Höhe von
knapp 180 Milliarden Euro.
n Ein Industriefonds über 20 Milliar
den Euro im Jahr: Mit einem staatlichen
Transformationsfonds über 20 Milliarden
Euro im Jahr soll der notwendige ökolo-
gische Umbau insbesondere in der Auto-
zulieferindustrie unterstützt werden.
Von diesem Fonds profitieren nur Betriebe,
die Arbeitsplätze sichern, gute Löhne und
flächendeckende Tarifverträge haben.
61
n Ein Investitionsprogramm für einen
zukunftssicheren Umbau hin zu einer klima-
neutralen Stahl- und Grundstoffindustrie,
unter anderem mit Einsatz von grünem
Wasserstoff. Staatliche Hilfsgelder darf es
nur mit demokratischer Kontrolle und im
Gegenzug zu öffentlichen Eigentumsan-
teilen an den Stahlkonzernen und einer
stärkeren Mitbestimmung der Beleg-
schaften geben.
n Wir wollen ein sozial wie klimagerecht
ausgerichtetes Lieferkettengesetz. Das
Gesetz muss das Pariser Abkommen sowie
eigenständige umweltbezogene Sorgfalts-
pflichten für Unternehmen verankern (vgl.
Kapitel »Soziale Gerechtigkeit weltweit«).
n Wir setzen uns für einen europäischen
CO2 Grenzausgleichsmechanismus ein,
der den Import CO2-intensiver Produkte
bepreist. So verhindern wir, dass die Dekar-
bonisierung der Industrie in Deutschland
und der Europäischen Union zulasten der
hiesigen Beschäftigten geht und zur Ver-
lagerung von CO2-intensiver Produktion in
Drittstaaten führt.
Demokratie in der Wirtschaft.
Genossenschaften und solidarische
Ökonomie fördern
Wir wollen mehr Demokratie auch in der
Industrie fördern: Gelder für Forschung
und Entwicklung, für die Stärkung einer
regionalen Industriestruktur sollen durch
regionale Wirtschafts- und Transforma-
tionsräte kontrolliert werden, in denen
neben der Landesregierung und Unterneh-
men auch Gewerkschaften, Umwelt- und
Sozialverbände gleichberechtigtes Stimm-
recht haben.
Demokratische öffentliche und genossen-
schaftliche Eigentumsformen können in
Zukunft im Mittelpunkt einer nicht kapita-
listischen Wirtschaftsweise stehen. Ge-
nossenschaften und Belegschaftsbetriebe
bauen auf Wissen, Erfahrung und Kompe-
tenzen der Beschäftigten auf und geben
ihnen mehr Möglichkeiten, über Art und
Inhalt der Produktion mitzubestimmen. Um
die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen
unsere Lebensverhältnisse einschließlich
der (Rüstungs-)Industrie umgebaut werden.
Betriebliche Mitbestimmung entwickeln
wir zu echter Wirtschaftsdemokratie weiter.
Das ist auch notwendig, weil Impulse aus
Politik und Wirtschaft nicht ausreichen wer-
den, das Klima in der gebotenen Geschwin-
digkeit zu schützen.
n Staatliche Fördergelder müssen vorrangig
für ökologische Modernisierung, regionale
Strukturpolitik in wirtschaftlich abgehängten
Regionen und für Genossenschaften ver wen-
det werden. Genossenschaften müssen in
allen Bereichen der staatlichen Wirtschafts-
förderung gleichberechtig berücksichtigt
werden.
n Wir fördern Unternehmen, die ganz
oder zum Teil im kollektiven Eigentum der
Belegschaft stehen, durch Bevorzugung
bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Im
Forschungsförderungsgesetz wollen wir ei-
nen verbindlichen Anteil für Grundlagenfor-
schung im Bereich der solidarischen Öko-
nomie verankern. Zudem wollen wir eine
sozialökologische Wirtschaftskammer ein-
richten, die regionale Leuchtturmprojekte
und Unternehmensgründungen im Bereich
solidarischer Ökonomie durch Beratung
und finanzielle Förderung unterstützt.
n Auch bei Unternehmen in der Krise
wollen wir Belegschaften fördern, die das
Unternehmen kollektiv weiterführen wollen:
Staatliche Subventionen an Unternehmen
und Hilfen in wirtschaftlichen Krisen müssen,
wo die Belegschaften das befürworten, in
Form von kollektiven Belegschaftsanteilen
vergeben werden. Beim Verkauf von
Unternehmen müssen die Belegschaften
ein Vorinformations- und Vorkaufsrecht
erhalten.
DIE LINKE kämpft dafür, Unternehmen der
Daseinsvorsorge, Banken und Versiche-
rungen, Energiekonzerne, Unternehmen der
Pharma- und medizinischen Industrie, der
Post, der Telekommunikationsinfrastruktur
sowie weiterer Schlüsselindustrien in öffent-
liche (oder genossenschaftliche) Hand und
in gesellschaftliche Eigentumsformen zu
überführen. Wir wollen die großen Strom-
konzerne entmachten und in öffentliches
Eigentum überführen. Die Energiewirtschaft
62
soll durch Stadtwerke organisiert werden,
die in den Kommunen dezentral und demo-
kratisch gestaltet werden.
Die sozialökologische Transformation braucht
gesamtheitliche Projekte und konkrete
Orte, die Menschen aus verschiedenen
Bereichen zusammenbringen, um gemeinsam
Lösungen zu entwickeln. Wir wollen Zentren
schaffen, die eine aktive gesellschaftliche
Teilhabe an der Transformation ermöglichen
und fördern. Diese Transformationszent-
ren sollen Ausbildung und Weiterbildung
für faire und Gute Arbeit nach den Anfor-
derungen der Umwelt- und Klimagerechtig-
keit bieten.
Gerechte Mobilität: Ökologisch und bezahlbar
für alle – mit guten Arbeitsplätzen
Wir wollen bezahlbare und klimafreundliche
Mobilität für alle. Der Verkehrssektor spart
als einziger kein CO2 ein und ist Treiber der
Klimakrise. Gleichzeitig fehlt das Geld für
gute Alternativen wie Busse, Bahnen, Fuß-
und Radwege.
Unsere Vision: Wir bauen Bus und Bahn aus.
Den Nahverkehr machen wir attraktiver
und schrittweise kostenlos. In die Schiene
wird investiert und Bahnfahren wird billiger.
In den Städten fahren weniger Autos, dafür
werden mehr Ziele mit bedarfsgerechten
öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß und
mit dem Rad erreichbar. Lieferverkehr wird
öffentlich organisiert, und die Arbeitsbedin-
gungen werden verbessert. Bis 2030 ist in
Städten und auch in den ländlichen Regio-
nen die Mehrheit der Menschen nicht mehr
auf Autos angewiesen, sodass deren Zahl
insgesamt deutlich reduziert werden kann.
Gerade in der Coronakrise hat sich gezeigt,
wie wichtig eine höhere Taktung im ÖPNV,
bezahlbare Preise, gute Arbeitsbedin-
gungen und gut ausgebaute Radwege sind –
doch passiert ist fast nichts. Vielerorts
sind Verkehrsbetriebe in eine finanzielle
Notlage/Schieflage geraten, weil es weni-
ger Fahrgäste gab. Statt in klimafreundliche
Mobilität für alle zu investieren, wurde die
Lufthansa mit Milliarden gerettet – ohne
Beschäftigungssicherung. Die Belastung
durch Autos und Lkw trifft vor allem dieje-
nigen, die es sich nicht leisten können, von
der Hauptverkehrsstraße wegzuziehen.
Durch die Luftverschmutzung sterben jähr-
lich Millionen Menschen frühzeitig, allein in
Deutschland sind es 80 000.
Diese Verhältnisse wollen wir ändern. Und
wir sind nicht allein: Bürgerinitiativen gegen
zerstörerische Verkehrsprojekte, für bes-
sere Bahnangebote oder sichere Rad- und
Fußwege sind überall im Land aktiv. Von
Umweltverbänden gibt es Unterstützung.
Die Klimaziele machen eine sozialöko-
logische Verkehrswende zwingend.
Mobilität für alle –
mit weniger Verkehr
Wir wollen bezahlbare und wirklich barriere-
freie Mobilität für alle – mit wenig Aufwand
an Zeit und Energie. Im Mittelpunkt steht für
uns deshalb das öffentliche Mobilitätsan-
gebot. Diejenigen, die zu Fuß oder mit dem
Fahrrad unterwegs sind, brauchen bessere
Bedingungen. Niemand soll auf das (eigene)
Auto angewiesen sein.
Unser Ziel ist der solidarisch finanzierte
Nulltarif im ÖPNV für alle. Erste Schrit-
te sind deutlich günstigere Fahrpreise
(zum Beispiel ein 365-Euro-Jahresticket),
flächendeckend Sozialtickets für Haushalte
mit geringem Einkommen, eine Sozial-
Bahncard sowie kostenlose Tickets für
Schüler*innen, Auszubildende, Studierende
und Menschen in Weiterbildung. Schwarz-
fahren soll entkriminalisiert und nicht
härter bestraft werden als Falschparken.
n Der ÖPNV muss flächendeckend und
barrierefrei ausgebaut werden. Bis 2030
wollen wir die Zahl der Nutzer*innen
verdoppeln (im Vergleich zu vor Corona).
Dafür brauchen wir wesentlich mehr Mittel
vom Bund. Es braucht neben Schienen
und Fahrzeugen mehr Stellen, gute Bezah-
63
lung und gute Arbeitsbedingungen für die
Beschäftigten. Knapp 200 000 Beschäftigte
müssen innerhalb der nächsten zehn Jahre
im Fahrdienst, in der Instandhaltung und in
weiteren Bereichen der Verkehrsbetriebe
eingestellt werden, damit der Ausbau des
Angebots und eine ökologische Mobilitäts-
wende gelingen.
n Wir treten für kommunale, demokratisch
kontrollierte Nahverkehrsunternehmen ein.
Der Vorrang eigenwirtschaftlicher Betriebe
muss abgeschafft werden. Statt Profite für
Uber und Co wollen wir neue Mobilitätsan-
gebote ausschließlich unter öffentlicher
(zum Beispiel kommunaler) Hoheit als Teil
des Nahverkehrs in enger Abstimmung
oder Kooperation mit den Taxibetrieben.
Alle Angebote sollen in einer öffentlichen
Plattform zu buchen sein (vgl. Kapitel
»Digitalisierung«).
n Wir wollen eine Mobilitätsgarantie für
den ländlichen Raum: Anbindung der
Gemeinden untereinander und zum nächs-
ten städtischen Zentrum mindestens im
Stundentakt von 6 bis 22 Uhr. Dabei können
Angebote wie Bürgerbusse oder Anrufsam-
meltaxis sowie moderne Flächenrufbussys-
teme und auch Taxen einbezogen werden
oder die Grundversorgung ergänzen.
Zusätzlich sollten Mobilitätsstationen mit
einer Auswahl von geteilten Verkehrsmit-
teln aufgebaut werden.
n Wir wollen Radfahren und Zufußgehen
im Alltag attraktiver und sicherer machen:
Mehr Platz auf den Straßen, mehr sichere
und intakte Rad- und Fußwege und mehr
Fahrradabstellanlagen sind nötig. Das ver-
bessert die Lebensqualität und Verkehrs-
sicherheit. Die Straßenverkehrsordnung
wollen wir fußgänger- und fahrradfreund-
licher gestalten.
n Deutschland braucht ein flächendecken-
des bundesweites Radverkehrsnetz. In
den Städten und Ballungsgebieten müssen
Radschnellwege mit grüner Welle geschaffen
werden. Dafür muss der Bund ausreichend
zweckgebundene Mittel für die Kommu-
nen bereitstellen. DIE LINKE setzt sich für
weitgehend autofreie Innenstädte ein. Die
Kommunen erhalten dafür erheblich mehr
Spielraum. Sie müssen die Verkehrswende
vor Ort eigenständig gestalten können.
n Wir fordern eine frauengerechte
Verkehrsinfrastruktur, zum Beispiel
Frauennachttaxen sowie sichere Halte-
stellen und Bahnhöfe, damit sich Frauen
rund um die Uhr im öffentlichen Raum
angstfrei bewegen können.
n Wir wollen ein umfangreiches Programm
zur Erforschung der gesellschaftlichen
und technischen Voraussetzungen sowie
Konsequenzen einer sozialökologischen
Verkehrswende hin zu einer gemeinwohl-
orientierten Mobilität.
Bahn für alle! Soziale und ökologische
Verkehrsplanung
Das Angebot und Streckennetz der Bahn
muss flächendeckend ausgebaut werden
und bezahlbar sein, sodass alle Ziele bequem
mit der Bahn erreichbar sind. Bahntickets
machen wir billiger und führen eine Sozial-
Bahncard ein, die die Ticketpreise halbiert.
n DIE LINKE tritt für eine bedarfsdeck
ende Finanzierung der Bahn und für
den Ausbau ein. Wir fordern verlässliche,
getaktete Fahrpläne und barrierefreie und
nutzerfreundliche Bahnhöfe und Züge mit
Servicepersonal. Wir setzen uns für Gute
Arbeit der Beschäftigten ein, mit guten
Löhnen und Arbeitsbedingungen, die
nicht krank machen.
n Die Geschäftspolitik der Deutschen
Bahn wollen wir am Gemeinwohl und der
ökologischen Nachhaltigkeit ausrichten,
statt am Bilanzgewinn. Der Schienenverkehr
muss öffentlich organisiert werden. Alle
Privatisierungen, Ausgliederungen und Auf-
spaltungen bestehender Eisenbahngesell-
schaften und auch die Umwandlung der DB
in eine Aktiengesellschaft müssen rück-
gängig gemacht werden. Wir wollen eine
demokratische Bürgerbahn, bei der auch
die Kompetenz und Erfahrung der Beschäf-
tigten zum Tragen kommt.
n Wir wollen die öffentlichen Investitionen
in die Schieneninfrastruktur um das Fünf-
fache erhöhen. Alle bisher nur von Diesel-
64
fahrzeugen befahrbaren Bahnstrecken
müssen zügig elektrifiziert oder auf alterna-
tive und nachhaltige Antriebstechnologien
umgestellt werden (zum Beispiel Wasserstoff-
oder batterieelektrische Antriebe).
n Güterverkehr muss auch unter 300 Kilo-
meter Entfernung wieder auf die Bahn.
n Es werden angemessene Lärmschutz-
wände gebaut. Deren Außenseiten können
lokalen Kunstprojekten zur Verfügung
gestellt werden.
n Wir wollen mit einem Reaktivierungs
programm zahlreiche in den letzten Jahr-
zehnten stillgelegte Bahnstrecken wieder
aufbauen und so ganze Regionen wieder
ans Gleisnetz anschließen. Mobilität mit
der Bahn muss auch im ländlichen Raum
möglich sein.
n Die Trassenpreise für den Personen-
verkehr müssen mindestens halbiert
werden, damit mehr Verkehr auf die Schiene
kommt und Bahnfahren billiger werden kann.
Die Regelungen zur Bahncard der DB im
Nahverkehr passen wir so an, dass sie auf
alle Tickets und Tarifstufen der regionalen
Verkehrsverbünde anwendbar sind.
n ICE-Strecken wollen wir perspektivisch
auf moderne Trassen für bis zu 250 km /h
mit mindestens stündlichem Takt ausbau-
en. Der ÖPNV in Mittelzentren und Klein-
städten soll die ICE-Bahnhöfe mindestens
stündlich anbinden. Die DB soll alle Groß-
städte auch mit Nachtzügen (Liegewagen)
anfahren.
n Wir setzen uns außerdem für ein europa-
weites Nachtzugnetz ein, damit Reisen auch
ohne Flugzeug bequem und ökologisch
möglich ist. Bis 2030 müssen alle euro-
päischen Großstädte im abgestimmten
Taktfahrplan per Fernbahn erreichbar sein.
n Wir sind gegen teure und unsinnige
Prestigeprojekte, mit denen die Bahn Milli-
arden verpulvert. Es ist sinnvoller, das Geld
gezielt in die Strecken- und Netzmoderni-
sierung zu investieren, um die notwendigen
Kapazitätssteigerungen zu erreichen.
Statt neue Autobahnen zu bauen, wollen
wir den Ausbau des ÖPNV sowie des Rad-
und Fußverkehrs in den Kommunen und
Regionen finanzieren und demokratisch
gestalten:
n Bei der Planung von Verkehrsprojek-
ten wollen wir Bürger*innen und Inter-
essenvertretungen von Anfang an voll
einbeziehen und wirkliche Alternativen zur
Diskussion stellen. Wir wollen Bürgerräte
auf Bundes-, regionaler und kommunaler
Ebene einführen, um die Verkehrsplanung
zu demokratisieren.
n Stopp für den Neu- und Ausbau von
Autobahnen. Wir wollen einen alternativen
Verkehrswegeplan, mit dem die sozialöko-
logische Mobilitätswende vollzogen wird
und bei dem der schienengebundene
Personen- und Güterverkehr im Mittelpunkt
steht. Struktur- und Transformationsbei-
hilfen des Bundes sollen nicht für Straßen-
neu- und -ausbauprojekte eingesetzt
werden.
n Wir lehnen alle direkten oder indirek
ten Privatisierungen von Verkehrsinfra
struktur ab. Auch öffentlich-private Part-
nerschaften (ÖPP) verursachen langfristig
Mehrkosten, sind ein Risiko für die öffentli-
che Hand und schränken die Demokratie ein.
Die Autobahn GmbH des Bundes lehnen wir
ab. Sie ermöglicht Privatisierung durch die
Hintertür. Die Autobahnraststätten gehören
wieder in die öffentliche Hand. Die Priva-
tisierung von Tank & Rast war und ist ein
schlechtes Geschäft für Reisende, Beschäf-
tigte und die öffentlichen Kassen.
n Die Pendlerpauschale wollen wir in ein
sozial gerechtes Mobilitätsgeld umwan
deln und zusätzlich einen Anreiz zum Benut-
zen des Umweltverbunds bieten.
n Das steuerliche Dienstwagenprivileg wol-
len wir abschaffen, damit nicht weiterhin vor
allem Gutverdienende, Arbeitgeber*innen
und die Automobilindustrie auf Kosten der
Allgemeinheit und der Umwelt profitieren.
n Um Menschen und Klima zu schützen,
brauchen wir endlich auch Tempolimits:
120 km / h auf Autobahnen, 80 km / h auf
65
Landstraßen und eine Regelgeschwindigkeit
von 30 km/h innerorts.
DIE LINKE will Umgebungslärm, Straßen-,
Schienen- und Flugverkehrslärm mit einem
verbindlichen Lärmschutzgesetz regeln und
verringern. Die Mittel für den Lärmschutz
müssen aufgestockt werden (vgl. oben).
Lärm macht krank!
Automobilindustrie sozial und
ökologisch umbauen
Der LINKE sozialökologische Umbau bietet
einen Ausweg aus der Krise der Autoin-
dustrie, der den Belegschaften mehr nutzt
als die Politik der Bundesregierung, die die
großen Autokonzerne stärkt, am Individual-
verkehr festhält und nur den Antrieb wech-
seln will. Durch Investitionen des Bundes in
Bahninfrastruktur und öffentlichen Personen-
nahverkehr können in den nächsten Jahren
über 200 000 gut bezahlte Industriearbeits-
plätze geschaffen werden. Vorrang hat die
Produktion von Fahrzeugen für kollektive
Mobilitätskonzepte wie E-Busse, Züge und
Straßenbahnen.
n Antriebswechsel: Der Ausstieg aus dem
fossilen Verbrennungsmotor bis spätestens
2030 ist nicht nur klimapolitisch alternativ-
los, sondern schafft auch Planungssicherheit
für die Beschäftigten und für Investitionen
in die Zukunft. Spätestens ab 2030 dürfen
keine Pkw mit Verbrenner mehr neu zuge-
lassen oder exportiert werden.
n E-Mobilität darf nicht zu einer Rückkehr
der Atomkraft führen. Die Energieversor-
gung muss durch erneuerbare Energien und
gemeinwohlorientiert in öffentlichem und
genossenschaftlichem Eigentum erfolgen.
n Kaufprämien für Autos lehnen wir ab.
Die Anschaffung gewerblich genutzter,
rein elektrisch betriebener Fahrzeuge
für Handwerksbetriebe, soziale Dienste,
Taxibetriebe und weiteres Kleingewerbe
kann im Ausnahmefall nach Abhängigkeit
der individuellen betrieblichen Situation
subventioniert werden. Der Staat muss die
Schaffung eines angemessenen Lade-
netzes für Elektrofahrzeuge – auch mit
den Ländern der EU – koordinieren.
n Wir fördern Elektromobilität im öffentli-
chen Verkehr, das heißt für Straßenbahnen,
Züge, Busse, auch mit Oberleitungen.
n Wir wollen die Forschung für eine längere
Einsatzdauer und Nutzbarkeit von Fahrzeu-
gen, für energieeffiziente Elektrofahrzeuge,
nachhaltige und umweltfreundliche Batterie-
produktion und verbessertes Recycling und
für Wasserstoff- Brennstoffzellen-Antrieb
für (Klein-)Busse ausbauen.
n Wir wollen ein Werbeverbot für Pkw
mit CO2-Emissionen, die über dem jeweils
aktuellen EU-Zielwert liegen.
n Nachhaltigkeit muss oberste Priorität
haben. Keine weitere Rodung für Auto-
bahnen. Wir sind solidarisch mit den Pro-
testen im Dannenröder Forst.
Flugverkehr reduzieren
Fliegen schadet dem Klima. Viele Strecken
könnten leicht mit der Bahn zurückgelegt
werden, aber die Bundesregierung subven-
tioniert weiterhin den Flugverkehr und hat
in der Coronakrise 22 Milliarden Euro in die
Lufthansa gesteckt, ohne Garantien für die
Beschäftigten zu erreichen.
n Wir wollen den innerdeutschen und inner-
europäischen Flugverkehr so weit wie
möglich auf die Schiene verlagern. Wir wol-
len ein Verbot von Flügen zu Zielorten, die
mit dem Zug in bis zu 5 Stunden erreichbar
sind und die nicht weiter als 500 Kilometer
entfernt sind. Onlinekonferenzen können
viele Dienstreisen überflüssig machen. Wir
setzen uns dafür ein, dass verkehrspolitisch
weiterhin notwendige Flughäfen in öffent-
licher Regie betrieben werden.
n Wir wollen die Bundesbeteiligungen an
Lufthansa und Bahn in eine bundeseigene
Gesellschaft überführen. Diese muss ihre
Möglichkeiten nutzen, um den Bahnverkehr
auszubauen und im Gegenzug Inlandsflüge
schrittweise deutlich und auf null zu redu-
zieren. Arbeitsplätze, die im Luftverkehr
wegfallen, können so durch den Ausbau der
Bahn und des ÖPNV erhalten werden.
66
n Wir treten für ein striktes Nachtflugverbot
von 22 bis 6 Uhr ein, insbesondere für stadt-
nahe Räume. Dieses Nachtflugverbot muss
im Luftverkehrsgesetz verankert werden.
Flugrouten müssen in einem transparenten,
öffentlichen, demokratischen und bundes-
länderübergreifenden Verfahren ausgear-
beitet werden.
n Ein Einstieg in die Neuorganisation des
Flughafensystems ist die Stilllegung von
defizitären Regionalflughäfen. Wir wollen
den Ausbau weiterer Flugkapazitäten
beenden.
n Den sozialen und ökologischen Dumping-
wettbewerb im Luftverkehr wollen wir
unterbinden. Wir wollen eine einheitliche
Kerosinsteuer in der EU. Auf Flugtickets
ins Ausland soll der volle Mehrwertsteuer-
satz fällig werden.
n Die staatliche Milliardensubvention von
Dieseltreibstoff, Flugbenzin und »Biokraft-
stoff« wollen wir abschaffen.
n Die Bereitstellung öffentlicher Mittel
für die Entwicklung von Flugtaxis und
Lieferdrohnen lehnen wir ab.
Güterverkehr verringern und auf
die Schiene bringen
Die internationalen Konzerne sorgen dafür,
dass immer mehr Transportkilometer in den
Produkten stecken, weil die profitabelsten
Bedingungen überall auf der Welt genutzt
werden. Regierungen subventionieren
Verkehr, während längere Wege die Unter-
nehmen zu wenig kosten. Der Preis dafür ist
hoch: Unfälle, Lärm, Abgase, Klimawandel
und Umweltzerstörung. Die Kosten dafür
werden der Allgemeinheit aufgebürdet – sie
summieren sich auf mehrere Milliarden Euro
pro Jahr und belasten vor allem die Kranken-
kassen und die Umwelt. Wir wollen diese
Entwicklung umkehren, Transporte verteu-
ern und die regionale Wirtschaft stärken.
n Die Lkw-Maut wollen wir auf alle Straßen
ausweiten und erhöhen. Die externen Kosten
wie Luftverschmutzung und Lärmbelästi-
gung müssen einbezogen werden.
n Wir wollen die Nutzung von Bundes- und
Landstraßen für Lkw untersagen, wenn eine
Bundesautobahn parallel vorhanden ist.
Die Zulassung von Gigalinern (Lang-Lkw)
lehnen wir ab. Ebenso lehnen wir staatlich
geförderte Projekte zur Erprobung und
Einführung von Oberleitungen für Hybrid-
Lkw mit Stromabnehmern auf Autobahnen
und elektronischen Deichseln für Kolon-
nenfahrten von Lkw und anderen Nutzfahr-
zeugen als falsche Weichenstellung ab.
n Wir wollen längere Ruhezeiten und
bessere Arbeitsbedingungen für Lkw-
Fahrer*innen durchsetzen.
n Wir wollen die Innenstädte vom Liefer-
verkehr entlasten. Die Anschaffung von
E-Lastenfahrrädern soll ebenso gefördert
werden wie Kombibusse oder Straßenbah-
nen, die auch Pakete transportieren. Wir
wollen Kommunen darin unterstützen, lokale
Logistikzentren mit guten Arbeitsbedin-
gungen einzurichten. Von dort kann die Ver-
teilung erfolgen, am besten zu Fuß oder per
Lastenrad. Für gemeinschaftlich genutzte
Lastenfahrräder soll es eine erhöhte Kauf-
prämie für alle geben. Große Industrie- und
Gewerbegebiete sollen verpflichtend einen
angemessenen Gleisanschluss vorhalten.
n Staatliche Hilfen für die Schifffahrt
müssen an soziale und ökologische Kriterien
geknüpft werden. Billigflaggen für deutsche
Reedereien wollen wir verbieten. Die Konkur-
renz der Häfen muss durch eine enge
Kooperation abgelöst werden.
n In die Hoheitsgewässer der EU sollen
nur noch mit Diesel oder umweltfreund-
lichen Antriebsarten betriebene Fracht- und
Kreuzfahrtschiffe einfahren dürfen. Die
Verwendung von stark umweltschädlichem
Schweröl wird damit eingeschränkt.
n DIE LINKE will den Import von »Biokraft-
stoffen« verbieten, weil damit Nahrungs-
mittelproduktion in Ländern des Globalen
Südens verdrängt und Biotope zerstört
werden. Regionale Pflanzenölkraftstoffe
sollten nur im Agrarbereich und beim ÖPNV
eingesetzt werden dürfen.
67
Klimagerechtigkeit und Energiewende
Um das Klima zu retten, ist ein grundlegen-
der Wandel unserer Gesellschaft not-
wendig. Aber die Regierung verzögert mit
falschen Weichenstellungen im Interesse
von Konzernen die Klima-, Energie- und
Verkehrswende. Der Kohleausstieg kommt
zu spät. Mit der Politik der Großen Koalition
kann das 1,5-Grad-Ziel bei der Begrenzung
der Erderwärmung nicht erreicht werden.
Obwohl Alle wissen, dass das Klima so nicht
gerettet werden kann.
Die Kosten der Klimakrise wollen CDU, SPD
und Grüne auf die Menschen abwälzen.
Dabei sind es die Konzerne, die mit ihren
klim aschädlichen Geschäftsmodellen
Profite machen: 100 Unternehmen sind für
70 Prozent des globalen industriellen CO2-
Ausstoßes verantwortlich. DIE LINKE steht
für einen sozialökologischen Systemwech-
sel: Dafür, dass Mensch und Natur nicht
ausgebeutet werden. Dafür, dass nicht der
Geldbeutel entscheidet, ob man sich einen
ökologischen Lebensstil leisten kann.
Der Klimawandel ist auch eine Frage von
Arm und Reich. Auch in Deutschland ist eine
sozialökologische Wende eine Frage der
Gerechtigkeit. Je höher die Einkommen sind,
desto höher sind die verursachte Umweltbe-
lastung und der CO2-Ausstoß pro Haushalt.
Den Preis dagegen zahlen die Armen, die
sich nicht gegen Klimaschäden versichern
oder bei steigenden Lebensmittelpreisen
sich das Essen nicht mehr werden leisten
können. Wir wollen eine sozialökologische
Wende, von der alle Menschen durch bezahl-
bare Energie, erschwingliche Mobilität, ge-
sunde Nahrungsmittel und mehr Lebensqua-
lität profitieren. Dafür wollen wir die großen
Konzerne entmachten und die Produktion an
sozialen und ökologischen Zielen ausrichten.
Ein sozialökologischer Systemwechsel in
Deutschland ist auch eine Frage der globa-
len Gerechtigkeit. Die Länder des Globalen
Südens sind von der Klima- und Umweltzer-
störung besonders stark betroffen und am
wenigsten dafür verantwortlich. Insbeson-
dere Frauen und Kinder leiden überdurch-
schnittlich unter der Klimakatastrophe und
den Umweltschäden. Klimagerechtigkeit
bedeutet auch, Rohstoff- und Ressourcen-
verbrauch hierzulande zu verringern und sich
für eine gerechte Verteilung von Rohstoffen
und Ressourcenverbrauch einzusetzen.
Auch in der Klimakrise sind Konzerne die Kri-
sengewinner. Dieselben Konzerne, die riesige
Summen an Steuergeldern für die Abschal-
tung und den Rückbau der Atomkraftwerke
bekommen haben, kassieren nun erneut für
das Abschalten von Kohlekraftwerken. Das
Gleiche droht beim zukünftigen Wechsel der
Energieerzeugung weg vom Erdgas.
Unsere Hoffnung sind die Millionen Men-
schen, die in den letzten Jahren auf der
Straße waren und für Klimagerechtigkeit
gestreikt haben. Wir stehen an der Seite der
Klimabewegung und unterstützen Forderun-
gen nach einer sozial gerechten Klimawende
hin zu Klimaneutralität bis 2035. Klimaneu-
tralität heißt für uns auch internationale
Klimagerechtigkeit. Deutschland darf sein
CO2-Budget nicht überziehen oder sich in
anderen Ländern freikaufen. Mit »business
as usual« ist das Restbudget spätestens in
fünfzehn Jahren aufgebraucht. Das jüngste
Urteil des Bundesverfassungsgerichts weist
den richtigen Weg: Die Politik muss auch
Verantwortung für die Lebensgrundlage
zukünftiger Generationen übernehmen.
Unser Programm für konsequenten Klima-
schutz und Klimagerechtigkeit:
n Wir beschleunigen die Energiewende und
steigen so schnell wie möglich vollständig
auf Erneuerbare um. Wir wollen den Koh-
leausstieg bis spätestens 2030. Wir wollen
die Energiekonzerne entmachten und eine
Energiewende in Bürgerhand, in öffentlichem
oder genossenschaftlichem Eigentum.
n Für eine klimaneutrale Gesellschaft muss
dem Ausstieg aus Atom und Kohle auch
ein Ausstieg aus der Verbrennung von
fossilem Erdgas folgen. DIE LINKE will
dafür ein Erdgasausstiegsgesetz mit verbind-
lichem Ausstiegspfad und sozialer Absiche-
rung betroffener Beschäftigter und Regionen.
68
n Wir wollen, dass die Bundesrepublik bis
2035 klimaneutral ist. Bis 2030 müssen
die Emissionen um mindestens 80 Prozent
im Vergleich zu 1990 gesenkt sein. Das Ziel
muss im Klimaschutzgesetz festgeschrie-
ben werden. Emissionshandel bietet keinen
wirksamen Klimaschutz.
n Den Emissionshandel als Leitinstrument
im Klimaschutz lehnen wir ab. Primär müs -
sen verbindliche Klimaziele und Emissions-
grenzen den Konzernen klare Vorgaben
machen. Förderprogramme und staatliche
Infrastrukturprogramme müssen den
Umbau unterstützen.
n Strom, Gas, Wasser, Heizung dürfen
nicht abgestellt werden. Energiesperren,
die einkommensarme Haushalte treffen,
wollen wir verbieten und ein preisgünstiges
Grundkontingent für Strom, Wasser und
Heizstoffe einführen.
n Wir fordern, dass Umwelt- und Klima-
schutz als Erweiterung der Grundrechte in
die Verfassung aufgenommen werden. Alle
Entscheidungen der Politik und die Verfü-
gung über Eigentum müssen am Gemein -
wohl ausgerichtet werden, dazu gehören
Klimaschutz und der Abbau von sozialer
Ungleichheit. Verbindliche Klimaziele und
Emissionsgrenzen müssen den Konzernen
klare Vorgaben machen.
n Der Staat darf Klimazerstörung nicht
weiter mit Steuergeldern unterstützen. Wir
fordern darum Divestment, also den Rück-
zug des Staates aus Finanzanlagen, Inves-
titionen und Subventionen, die in Vorhaben
fließen, die der fossilen und atomaren
Energiewirtschaft dienen.
Raus aus der Kohle, Übergänge
gerecht gestalten
Wir wollen die Lebensgrundlagen schüt-
zen und das Pariser Klimaabkommen
durchsetzen: Das geht nur, wenn die
Kohleverstromung bis spätestens 2030,
nicht erst 2038 beendet wird, wie die
Große Koalition 2019 im Kohleausstiegs-
gesetz beschlossen hat. Der schrittweise
Ausstieg aus der Braunkohleverstro-
mung muss arbeitsmarkt-, wirtschafts-
und sozialpolitisch begleitet werden.
Interessenvertreter*innen der Beschäf-
tigten vor Ort und der Region müssen
eingebunden und Kündigungen vermieden
werden. DIE LINKE fordert die Novelle des
nationalen Kohleausstiegsgesetzes mit
folgenden Eckpunkten:
n Der schrittweise Kohleausstieg beginnt
sofort. Spätestens 2030 muss der letzte
Kohlemeiler vom Netz. Der Neubau von
Kohlekraftwerken, der Neuaufschluss und
die Erweiterung von Braunkohletagebauen
wird verboten. Das 2020 neu in Betrieb
genommene Steinkohlekraftwerk Datteln 4
wird sofort vom Netz genommen.
n Der Strukturwandel in den Tagebau-
regionen darf nicht auf dem Rücken der
Beschäftigten in den Revieren und der
ortsansässigen Bevölkerung erfolgen. Es
braucht in den nächsten Jahren 40 Milli-
arden Euro, um die Übergänge gerecht zu
gestalten. Wir fordern einen geschlechter-
gerechten Strukturwandel.
In vom Strukturwandel besonders
betrof fenen Regionen wollen wir Trans-
formationsräte einrichten, die den
sozialen und ökologischen Umbau der
Wirtschaft fachlich begleiten. Sie sollen
Initiativrecht über die Gelder aus dem
Transformationsfonds und der regiona-
len Infrastrukturpolitik haben. Die Räte
müssen finanziell angemessen ausge-
stattet sein, um ihre Arbeitsfähigkeit zu
gewährleisten. Sie setzen sich zusammen
aus Vertreter*innen von Wissenschaft,
Umwelt- und Verbraucherverbänden,
Gewerkschaften sowie zur Hälfte aus
direkt gewählten Bürger*innen und
Vertreter*innen der Belegschaften. Eine
wirksame Beteiligung von Kindern und
Jugendlichen insbesondere auch im länd-
lichen Raum wollen wir vorantreiben.
n Für den Braunkohleabbau dürfen keine
weiteren Dörfer abgebaggert werden, der
Hambacher Forst darf nicht weiter zerstört
werden.
n Wir fordern die Förderung des Hanfan-
baus in ehemaligen Braunkohlegebieten.
Der Anbau von Hanf ist eine aussichtsreiche
69
Chance, innerhalb des Strukturwandels
einer ökologischen Nutzung der Bergbau-
fläche bei gleichzeitigem Angebot von
Arbeitsmöglichkeiten unserer Forderung
nach einem sozialökologischen Wandel
gerecht zu werden.
n Die Bundesregierung muss dafür sorgen,
dass die Betreiber ihren Verpflichtungen
aus dem Bergrecht nachkommen: Tage-
baue müssen wieder nutzbar gemacht und
Kosten für Bergbaufolgeschäden von den
Konzernen übernommen werden.
n Bis der notwendige Ausstieg aus der Kohle
erreicht ist, müssen die Folgen des Abbaus
von Braunkohle begrenzt werden. DIE LINKE
tritt für eine Reform des Bundesberg-
gesetzes ein: Statt der Konzerninteressen
müssen Umwelt und die Menschen vor Ort
an erster Stelle stehen und mitentscheiden
können.
n Das Verbot der Errichtung und Inbetrieb-
nahme neuer Stein- und Braunkohleanlagen
in Deutschland wird ergänzt durch ein ana-
loges Verbot der Errichtung und Inbetrieb-
nahme neuer Stein- und Braunkohleanlagen
im Ausland durch Unternehmen mit Sitz in
Deutschland, einschließlich ihrer Tochter-
unternehmen. Der Export und Verkauf von
Steinkohle- und Braunkohleförderanlagen
und entsprechender Technologie ins Aus-
land wird gesetzlich untersagt, diesbezügli-
che Förderungen und Garantien des Bundes
sind unzulässig.
n Wir stehen an der Seite der Klimabe-
wegung und treten einer Kriminalisierung
von Klimaaktivist*innen entgegen.
Die Bundesregierung muss sich im Zusam-
menhang mit der Neufestlegung der EU-
Klimaschutz- und EU-Energieziele für 2030
für eine deutlich stärkere Minderung der
Treibhausgasemissionen gegenüber dem
Jahr 1990 und für einen deutlich höheren
Anteil erneuerbarer Energien am Endener-
gieverbrauch einsetzen. Auf EU-Ebene
unterstützen wir eine Reform des EU-Emis-
sionshandels, die zur Anhebung der Klima-
schutzziele in den Emissionshandelssek-
toren auf die Paris-Ziele führt und jeden
Missbrauch des Instruments ausschließt.
Eine Ausdehnung des Systems des Emis-
sionshandels auf die Sektoren Wärme und
Verkehr lehnen wir ab.
In erneuerbare Energie investieren,
Energiekonzerne entmachten
Die Energiewende wird nur dann erfolgreich
sein, wenn sie sozial gerecht und durch
die Bürger*innen selbst gestaltet ist. Die
Vormachtstellung von Großkonzernen in der
Energieversorgung muss ein Ende haben.
Die Energieversorgung wollen wir bürger-
nah und als Teil der öffentlichen Daseins-
vorsorge organisieren. Energieversorgung
muss dem Gemeinwohl dienen und der
Profitgewinnung entzogen werden. Unge-
rechtfertigte Industrierabatte bei Ökosteuer,
Netzentgelten, Emissionshandel und im
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) müs-
sen entfallen. Sie verhindern den notwen-
digen Strukturwandel. Die erneuerbaren
Energien müssen so ausgebaut werden,
dass auf Importe von fossil erzeugten Ener-
gien verzichtet werden kann.
n Strom und Wärmenetze müssen in
die öffentliche Hand überführt und
demokratisch kontrolliert werden. Große
Energiekonzerne werden vergesellschaftet.
Wenn der Kohleausstieg beschleunigt und
eine dezentralisierte Energieversorgung
mit Speichersystemen vorangebracht wird,
ist ein deutlich geringerer Netzausbau
erforderlich, als er jetzt – getrieben von den
Profitinteressen der Übertragungsnetz- und
Kohlekraftwerksbetreiber – geplant ist.
n Wir wollen eine strukturelle Reform des
EEG. Der Ökostromanteil muss so schnell
wie möglich auf 100 Prozent erhöht werden.
Ausschreibungssysteme sind für Bürger-
energieprojekte teuer, riskant und aufwendig,
wir lehnen sie für Projekte bis 18 Megawatt
bzw. fünf Anlagen ab.
n Der Zubau an erneuerbaren Energien muss
in der nächsten Legislaturperiode und in
den Folgejahren stetig gesteigert werden.
In den Jahren bis 2025 wollen wir pro Jahr
mindestens 10 Gigawatt (GW) Fotovoltaik
installieren, sowie 7 GW Windenergie an
Land und 2 GW auf See.
70
n DIE LINKE unterstützt eine regional aus-
gerichtete und in der Bevölkerung verankerte
Energiewende, zum Beispiel Energiegenos-
senschaften und Bioenergiedörfer. Institu-
tionen, Einrichtungen, Betriebe, Städte und
Kommunen sollen das gesetzliche Recht
zum Kauf der von ihnen für die Energieerzeu-
gung und -eigenversorgung genutzten Netze
erhalten. In kommunalen Stadtwerken unter
direkter demokratischer Mitgestaltung der
Bevölkerung können ökologische Energiege-
winnung und bezahlbare Energiepreise am
besten erreicht werden. Gleichzeitig werden
damit Grundlagen zur Förderung regionaler
Wirtschaftsstrukturen geschaffen.
n Investoren müssen verpflichtet werden,
den Standortgemeinden eine Beteiligung an
neuen Windkraftanlagen, Fotovoltaikkraft-
werken und Energiespeichern anzubieten.
Die Kommunen werden dadurch Mitbesitz-
erinnen. Sie müssen so oder durch Betrei-
berabgaben an Standortkommunen an
finanziellen Erträgen der Ökostrombetreiber
beteiligt werden.
n Um die Energiewende voranzubringen,
wollen wir die gesetzlichen Rahmenbedin-
gungen für Hauseigentümer, Mieterver-
einigungen, Betriebe und Kommunen
verbessern, die ihre Energieversorgung in
die eigene Hand nehmen wollen. DIE LINKE
unterstützt Mieterstromkonzepte einer
hauseigenen Stromversorgung durch Foto-
voltaikanlagen auf dem Dach. Wir wollen
eine Solarpflicht für Neubauten sowie für
Bestandsbauten nach einer umfassenden
Dachsanierung und wenn eine technische
Eignung zur Solarstromerzeugung besteht.
n Bioenergie aus eigens hierzu angebauten
Energiepflanzen oder neu geschlagenem
Holz sollte nicht mehr generell als öko-
logisch gelten und keine staatliche Förde-
rung als erneuerbare Energie erhalten.
Atomausstieg sofort: Der Ausstieg aus
der Atomkraft muss im Grundgesetz fest-
geschrieben und alle in Betrieb befind-
lichen Atomkraftwerke müssen unverzüg-
lich abgeschaltet werden. Atomexporte
müssen verboten werden. Die Konzerne
müssen die Langzeitkosten der Atom-
wirtschaft tragen.
n Wir setzen uns für den Atomausstieg in
Europa und überall auf der Welt ein. Es
braucht einen gesamteuropäischen Plan
zur Stilllegung von Atomkraftwerken.
Die staatliche deutsche Förderbank KfW
(Kreditanstalt für Wiederaufbau) darf keine
Atomkraftwerke im Ausland fördern.
n Den Im- und Export von Uranbrennstof-
fen wollen wir verbieten. Die Fertigung von
Uranbrennstoff in den vom Atomausstieg
bislang ausgenommenen Anlagen in Gronau
und Lingen muss beendet werden.
n Keine Lagerung im »Endlager« Schacht
Konrad in Salzgitter. Für den zu bergen-
den Atommüll aus dem Skandalatommüll-
lager Asse II im Landkreis Wolfenbüttel
braucht es eine faire Standortsuche für ein
Zwischenlager mit größerem Abstand zur
Wohnbebauung als bislang geplant. Atom-
mülllagerung kann nicht von oben und ohne
Beteiligung der Betroffenen und der Aktiven
in der Antiatombewegung durchgesetzt
werden. Dafür braucht es umfassende Mit-
sprache und Klagerechte in allen Phasen des
zu entwickelnden Suchverfahrens.
n Die Kosten für die Stilllegung und den
Rückbau von Atomanlagen müssen die Atom-
konzerne tragen. Dabei muss ein Höchstmaß
an Strahlenschutz und Sicherheit gelten
sowie eine umfassende Öffentlichkeitsbetei-
ligung ermöglicht werden, die über das
bestehende Atomrecht hinausgeht.
n Öffentliche Gelder, inklusive der Pensions-
rücklagen und Rentenkassen, müssen
umgehend aus Anlagen in Unternehmen der
fossil-atomaren Energiebranche abgezogen
werden. Öffentliche Institutionen dürfen
nicht in fossile und nukleare Energieunter-
nehmen investieren.
Mit ihrem Fracking-Erlaubnisgesetz vom Juni
2016 haben CDU / CSU und SPD Fracking
im Sandgestein (sogenannten Tight Gas
Reservoirs) zugelassen. Wir wollen Fracking
ohne Ausnahmen verbieten. Nachdem
Kohle- und Atomausstieg beschlossen sind,
gilt es nun, einen Fahrplan für einen öko-
logischen und sozialverträglichen Erdgas-
ausstieg auf den Weg zu bringen, um die
Klimaneutralität 2035 zu erreichen.
71
n Wir setzen uns dafür ein, dass auch die
unterirdische Verpressung von CO2 (Carbon
Capture and Storage, CCS) verboten wird.
n CCS darf nicht für die Grünfärbung
(Greenwashing) von Erdgas oder Wasser-
stoff zur Verfügung stehen. Für Restemis-
sionen (das sind CO2-Emissionen, die auch
in Zukunft und dauerhaft nicht verhindert
werden können, wie in der Landwirtschaft
oder Zementindustrie) werden Senken
zur Kompensation gefördert, zum Beispiel
durch Moor- und Forstmanagement.
Strompreise stärker kontrollieren,
Energie für alle bezahlbar machen
Der Zugang zu Energie ist ein Grundrecht.
DIE LINKE will Energiearmut verhindern.
Zahlungsschwierigkeiten dürfen nicht dazu
führen, dass Menschen im Dunkeln sitzen
oder frieren müssen.
n Für den durchschnittlichen Verbrauch
von elektrischem Strom, Wasser und Heiz-
energie wollen wir preisgünstige Sockel-
tarife schaffen. Was über den durchschnitt-
lichen Verbrauch hinausgeht, wird teurer.
Damit werden Anreize zum Stromsparen
geschaffen.
n Die Strompreise müssen stärker über-
wacht und sozial gerechter gestaltet werden.
Der zuständigen staatlichen Behörde soll
daher ein Beirat zur Seite gestellt werden,
in dem Verbraucher*innen, Umwelt- und
Sozialverbände sowie Gewerkschaften
vertreten sind.
n Wir wollen ein bundeseinheitliches Netz-
entgelt über alle Spannungsebenen einfüh-
ren, damit die Netzentgelte in Regionen mit
vielen Ökostromanlagen nicht höher sind als
in Regionen mit wenigen Ökostromanlagen.
n Wir fordern ein schärferes Wettbewerbs-
und Kartellrecht für Strom-, Gas- und
Mineralölkonzerne.
Wir wollen den Strompreis für Endkunden
senken, indem wir:
n die Förderung erneuerbarer Energien zu
wesentlichen Teilen über den Bundeshaus-
halt statt über die jetzige Ökostromumlage
(EEG-Umlage) finanzieren und die Strom-
steuer für private Verbraucher*innen senken.
n Wohngeld soll auf der Basis der Brutto-
warmmiete gezahlt und um eine Komponen-
te für Stromkosten erweitert werden. Die
Heiz-, Warmwasser- und Stromkostenkom-
ponente soll im Wohngeld zu einer Ener-
giekostenkomponente (»Klimawohngeld«)
zusammengeführt werden. So wird Energie-
armut verhindert.
n Wir wollen eine Öko-Abwrackprämie
für Haushaltsgeräte auflegen. Die zu
ersetzenden Elektrogeräte müssen
mindestens zehn Jahre alt sein und die
Neugeräte die beste Stromeffizienz
auf weisen. Die Förderprämie für den
Austausch von Kühlschränken in einkom-
mensschwachen Haushalten wird von
100 auf 200 Euro erhöht, für Wasch-
und Spülmaschinen werden zusätzliche
Förderprämien gezahlt.
Am preiswertesten und umweltfreund-
lichsten ist immer noch die Kilowattstunde,
die nicht bereitgestellt werden muss. Es
braucht Standards, die den maximalen
Energieverbrauch von Produkten, Produk-
tionsweisen und Gebäuden vorgeben. Es
dürfen nur langlebige, reparaturfreund-
liche, material- und energiesparende
Produkte hergestellt werden. Ein Energie-
effizienzfonds kann den Umstieg auf eine
effiziente Wirtschaftsweise unterstützen
und sozial begleiten. Der Altbaubestand
muss bis 2035 nahezu vollständig ener-
getisch saniert werden. Dafür wollen
wir sozial gerechte Förderprogramme
ausbauen (vgl. Kapitel »Keine Profite
mit der Miete«).
Grüner Wasserstoff in der
Energiewende
Mithilfe von Wasserstoff können Kohle
und Erdgas auch dort ersetzt werden,
wo der direkte Einsatz von Ökostrom nicht
möglich ist. Strategien, künftig auch Autos
und Gebäudeheizungen mit Wasserstoff
zu betreiben, sind weder sozial noch öko-
logisch: Seine Herstellung verbraucht zu
viel Energie.
72
n DIE LINKE fordert, Wasserstoff und
dessen Folgeprodukte künftig nur auf Basis
von Ökostrom zu gewinnen und ausschließ-
lich dort einzusetzen, wo keine effizienteren
Alternativen dazu vorhanden sind, so etwa
bei der Dekarbonisierung der Stahlindustrie,
von Teilen der Chemiewirtschaft, im Flug-
und im Seeverkehr sowie zur Rückverstro-
mung während Dunkelflauten.
n Wo die Elektrolyseanlagen öffentlich
gefördert sind, müssen sie mindestens
anteilig öffentlich betrieben werden.
n Den Import und die Förderung von
Wasserstoff aus Atomkraft oder fossilen
Quellen lehnen wir ab.
Für eine nachhaltige Landwirtschaft.
Gesunde Nahrungsmittel für alle
Lebensmittel werden oft Hunderte oder
Tausende Kilometer transportiert, bevor
sie auf den Tisch kommen. In der Lebens-
mittelkette dominieren große Konzerne,
die ihre Gewinne auf Kosten von Menschen
und Umwelt machen. Kleine und ökolo-
gische Betriebe haben es schwer. Die
Agrarwirtschaft wird europaweit immer
stärker auf den Export ausgerichtet. Dies
trägt zur Zerstörung lokaler landwirtschaft-
licher Strukturen in vielen Ländern des
Globalen Südens, aber auch hier vor Ort
bei. Wir wollen eine sozial gerechte und
auf das Gemeinwohl orientierte Landwirt-
schaft fördern, mit dem Schwerpunkt auf
regionaler Erzeugung, Verarbeitung und
Vermarktung. Und: In Landwirtschaft und
Lebensmittelherstellung braucht es gute
Arbeitsbedingungen. Vier große Einzel-
handelskonzerne bestimmen 85 Prozent
des Lebensmittelverkaufs in Deutschland
und machen fette Profite, während viele
Landwirt*innen kaum über die Runden
kommen.
n Wir setzen uns für gute Arbeitsbedin-
gungen und Einkommen durch flächende-
ckende Tarifverträge in der Land-, Forst-
und Fischereiwirtschaft ein. Auch in der
Landwirtschaft muss man von der Arbeit
gut leben können – als Familienarbeitskraft,
in der Saisonarbeit wie auch in Vollzeit.
n Wir wollen bezahlbare und gesunde
Nahrungsmittel für alle. Wir wollen regio-
nale Verarbeitungs- und Vermarktungs-
strukturen als Gegenstrategie zur Markt-
macht von Schlachthof-, Molkerei- und
Handelskonzernen. Konzernmacht be-
schränken wir durch ein effektives, gemein-
wohlorientiertes Kartellrecht. Verbindungen
zwischen Wirtschaft und Politik müssen –
nicht nur in der Landwirtschaft – durch ein
verpflichtendes Lobbyregister offengelegt
werden. Wir fördern bäuerliche, genos-
senschaftliche und ökologische Landwirt-
schaft. Den Ökolandbau bauen wir aus auf
mindestens 25 Prozent der Agrarfläche bis
2030. Genossenschaftliche Landwirtschaft,
Formen der solidarischen Landwirtschaft
sowie Erzeuger- und Vermarktungsgemein-
schaften sind besonders zu unterstützen.
n Wir wollen Boden verfügbar machen
für regional verankerte Landwirtschafts-
betriebe und ländliche Bevölkerung. Bau-
ernland gehört nicht in die Hand landwirt-
schaftsfremder Investoren. Öffentlichen
Besitz an land- und forstwirtschaftlichen
Flächen wollen wir stärken und Flächen
der Bodenverwertungs- und- verwaltungs-
gesellschaft (BVVG) in Ostdeutschland in
Länderhand übergeben. Wir wollen einen
öffentlichen Bodenfonds einführen, der
an nachhaltig wirtschaftende, ortsansäs-
sige Agrarbetriebe zu fairen Konditionen
langfristig verpachtet. Junglandwirt*innen
und genossenschaftliche Konzepte wollen
wir fördern. Das wollen wir mit einer um-
fassenden Reform der ordnungs-, steuer-,
förder- und preisrechtlichen Regelungen
zum Boden angehen. Der Verkauf von land-
wirtschaftlichen Flächen soll grundsätzlich
an Landwirt*innen sowie gemeinnützige
Landgesellschaften erfolgen – und zwar zu
Preisen, die dem Ertragswert entsprechen.
73
n DIE LINKE setzt sich für eine grundle-
gende Reform der EU-Agrarpolitik ein. Ab
der kommenden Förderperiode sollen die
Zahlungen konsequent an wissenschaftlich
fundierte Umwelt- und Sozialkriterien und
an den Tierschutz gebunden werden. Nur
Betriebe, die diese Vorgaben umsetzen,
sollen Direktzahlungen erhalten – egal ob
groß oder klein, ökologisch oder konven-
tionell. Es darf nur noch Geld für konkret
nachweisbare öffentliche Leistungen geben.
Die Schaffung und der Erhalt sozialver-
sicherungspflichtiger Arbeitsplätze soll
unterstützt und renditeorientierte Inves-
toren müssen ausgeschlossen werden. Mit
höheren Erzeugerpreisen wollen wir die
Abhängigkeit der Landwirtschaftsbetriebe
von Fördermitteln reduzieren und über eine
gerechte Gewinnverteilung in der Wert-
schöpfungskette sichern, dass Lebens-
mittel bezahlbar bleiben.
n DIE LINKE will Patente auf Leben ver-
bieten. Zur Sicherung der genetischen
Vielfalt sollen alte Pflanzensorten und Tier-
rassen erhalten und freie Nachbaurechte
gesichert werden. Die gentechnikfreie klas-
sische und ökologische Züchtung wollen
wir mit höheren Forschungsmitteln stärken.
Wir wollen den Anbau und den Handel mit
gentechnisch veränderten Pflanzen auch
aus neuen Gentechnikverfahren verbieten.
Klonen von Tieren muss verboten bleiben.
Wir wollen eine Kennzeichnung von impor-
tierten Lebensmitteln, die aus geklonten
Tieren und ihren Nachkommen hergestellt
werden. Wir wollen den Anbau und den
Handel mit sowie den Import von gentech-
nisch veränderten Pflanzen verbieten. Wir
wollen uns für ein globales Moratorium über
die Freisetzung von Gene-Drive-Organis-
men einsetzen.
n Glyphosat und Neonikotinoide müssen
verboten werden. Wir wollen Transparenz
und ein strenges Regelwerk für die Zulas-
sung von Pflanzenschutzmitteln. In der EU
nicht zugelassene Pestizide und Pestizid-
wirkstoffe dürfen weder in Deutschland
produziert noch exportiert werden. Durch
eine ambitionierte Pestizidreduktions-
strategie sind die Agrarbetriebe beim
Umbau zu umweltfreundlichem Ackerbau
zu unterstützen.
n Die heimische Produktion von Tierfutter,
regionale Verarbeitungs- und Vermark-
tungsstrukturen wollen wir stärken.
n Wir wollen Anbausysteme fördern, die
Klima, Böden, Tiere und Pflanzen besonders
schützen (zum Beispiel Ökolandbau, Palu-
dikulturen, Permakultur, Agroforstsysteme,
tief wurzelnde Nutzpflanzen). Dazu wollen
wir ein umfassendes Förder- und Weiter-
bildungsprogramm für Landwirt*innen
entwickeln, das nicht nur finanzielle Unter-
stützung leistet, sondern Wissen für die
sozialökologische Agrarwende schafft.
n Wir wollen eine Tierhaltung, die flächen-
gebunden und auf die einheimische Nach-
frage bezogen ist. Für Regionen und
Standorte führen wir Bestandsobergrenzen
ein. Megaställe lehnen wir ab. Wir stärken
die Bürgerbeteiligung bei Genehmigungs-
verfahren für den Bau von Mastställen. Den
Umbau zu einer gesellschaftlich akzep-
tierten und klimagerechten Tierhaltung
leiten wir ein. Dabei muss eine sozial faire
Finanzierung gesichert werden. Die bisher
profitierenden Konzerne beteiligen wir
angemessen an den Umbaukosten.
n Wir wollen ein Verbot von Lebendtier-
transporten, die über das Höchstmaß von
vier Stunden hinausgehen. Der nächstge-
legene Schlachthof soll stets bevorzugt
werden. Häufigere unangekündigte Kon-
trollen und härtere Strafen bei Verstößen
sind nötig. Mehr regionale Schlachtmög-
lichkeiten einschließlich mobiler Schlach-
tung und Schlachtung auf der Weide werden
gebraucht. Schlachtverfahren müssen
schmerz- und stressärmer werden.
n Qualzucht und nicht kurative Eingriffe
an Tieren (Schnäbel, Hörner, Schwänze)
wollen wir verbieten. Das gilt auch für das
Schreddern von Küken, die Anbindehaltung
für Rinder und Käfighaltung. Zuchtsauen dür-
fen nicht im Kastenstand gehalten werden.
Schluss mit tierquälerischen Kastrations-
methoden!
n Der Einsatz von Antibiotika in der Landwirt-
schaft muss auf kranke Tiere nach ärztlicher
Verschreibung begrenzt werden, Tierschutz-
kontrollen müssen verschärft und Verstöße
74
härter bestraft werden. Um Missbrauch
vorzubeugen, sind Verschreibung und Verkauf
von Antibiotika zu trennen. Lebenswichtige
Reserveantibiotika sind nicht in der landwirt-
schaftlichen Tierhaltung einzusetzen. Die
Agrarforschung wollen wir stärken. Durch
die Verbesserung der epidemiologischen
Forschung wollen wir den Ausbruch und die
Verbreitung von Tierseuchen schneller er-
kennen und eingrenzen. Wir fordern dafür ein
interdisziplinäres epidemiologisches Zentrum,
um zum Beispiel ein Frühwarnsystem für
Pandemierisiken zu entwickeln.
n Wir wollen bundesweit eine kostenlose
Kita- und Schulverpflegung einführen, die
auf regionale und ökologisch nachhaltige
Lebensmittel setzt. Schul- und Selbsternte-
gärten wollen wir stärken. Das ist auch ein
Beitrag für kurze Wege in der Versorgung
mit Nahrungsmitteln.
n DIE LINKE setzt sich für eine Verein-
fachung der Lebensmittelkennzeichnung ein:
Ein verpflichtendes Label auf der Vorderseite
der Verpackung sollte Auskunft über den
Zucker-, Salz- und Fettgehalt des Produktes
geben. Eine verbindliche, staatliche Hal-
tungskennzeichnung hilft, damit auch Ver-
braucher*innen zu mehr Tierschutz beitra-
gen können.
n Lebensmittel müssen sicher sein und
dürfen nicht krank machen. Wir setzen uns
deshalb für mehr und unangekündigte Le-
bensmittelkontrollen ein. Die Ergebnisse der
Lebensmittelkontrollen müssen veröffentlicht
werden. Das Inverkehrbringen verunreinigter
Lebensmittel muss härter bestraft werden.
n Um Lebensmittelverschwendung zu
verringern, setzen wir uns für verbindliche
Reduktionsziele entlang der gesamten Wert-
schöpfungskette ein. Supermärkte müssen
verpflichtet werden, aussortierte, aber noch
genießbare Lebensmittel kostenfrei zur
Verfügung zu stellen.
Biologische Vielfalt,
Tiere und Ressourcen schützen
Die Vielfalt der Ökosysteme der Erde scheint
schier endlos. Sie bilden die Grundlage
für alles Leben auf unserem Planeten und
sind deshalb entschlossen und wirksam zu
schützen. Es geht schon längst nicht mehr
nur um den Schutz von einzelnen Biotopen
und Arten. Es geht um die Wiederherstel-
lung, die Entwicklung und den Schutz der
Ökosysteme des Planeten. Häufig stehen
kurzfristige Interessen von Unternehmen
und ihrer Lobby dem entgegen. Das haben
die Auseinandersetzungen um den Ham-
bacher und Dannenröder Forst prominent
gezeigt. Wälder werden zerstört, und das
mitten in der Klimakatastrophe. Umwelt,
Natur und Klima werden weltweit den
Profiten geopfert, mit drastischen Folgen.
Etwa 150 Tier- und Pflanzenarten sterben
täglich aus. Durch Wildtierhandel und das
unkontrollierte Vordringen des Menschen
in natürliche Lebensräume erhöhen wir das
Risiko, dass Viren von Tieren auf den Men-
schen überspringen. Das kann zu neuen
Pandemien führen. DIE LINKE steht für eine
schnellstmögliche Kehrtwende. Das geht
nicht ohne klare Regeln für Unternehmen
und Gesellschaft.
n Wir wollen natur- und umweltzerstörende
Subventionen abbauen und die frei werden-
den Gelder in Natur- und Umweltprogramme
investieren.
n Naturschutz- und Biodiversitätsziele müs-
sen verbindlich in andere Politikbereiche
integriert werden, um den Erhalt von Natur
und Biodiversität zu gewährleisten. Zur Kon-
trolle müssen die Umweltverwaltungen mit
mehr Fachpersonal ausgestattet werden.
Damit die EU-Naturschutzrichtlinien und
ihre nationalen Entsprechungen eingehal-
ten werden, müssen sie finanziell gestützt
werden. Das Bundesprogramm »Biologische
Vielfalt« wollen wir aufstocken.
n Wir wollen die UN-Konvention zur biolo-
gischen Vielfalt umsetzen und ein bun-
desweites, koordiniertes Programm zur
75
Überwachung der biologischen Vielfalt
realisieren (Biodiversitätsmonitoring).
Es soll den Gesamtbestand an Tier- und
Pflanzenarten und ihre Entwicklung deutsch-
landweit erfassen und die Grundlage für
mehr Naturschutz auf allen Ebenen schaffen.
n Die Landschaftsplanung ist ein zen-
trales Instrument des Naturschutzes,
aber verbesserungswürdig. Wir wollen
Naturschutz in der Fläche verwirklichen.
Landschaftsplanung werden wir verstärkt
mit finanziellen und personellen Mitteln
ausstatten. Studiengänge in Bereichen
wie Landschaftsplanung, Umweltplanung,
Landschaftsökologie sollen ausgebaut
werden.
n Wir setzen uns für die gesetzliche Veran-
kerung und vollumfängliche Ausweitung des
Verbandsklagerechts für Umwelt-, Natur-
und Tierschutzvereinigungen und Einzelne
im Sinne der Aarhus-Konvention ein.
n Naturschutzflächen gehören in öffent-
liche Hand und sollen an Naturschutz- und
Umweltverbände in Erbpacht vergeben
werden.
n Das nationale Naturerbe wollen wir sichern
und ausweiten – finanziert durch einen Natur-
erbefonds. Um das 2020-Ziel von 2 Prozent
Wildnis zu erreichen, müssen auch über
diese Flächen hinaus Gebiete zur Wildnisent-
wicklung ausgewiesen werden. Wir wollen
mehr Biotopenverbünde herstellen.
n Insekten müssen als wichtiger Teil des
Ökosystems geschützt, erhalten und die
Biodiversität muss gefördert werden. Dafür
muss der Pestizideinsatz drastisch redu-
ziert werden (vgl. Kapitel »Landwirtschaft«).
n Der Wald ist eine zentrale und wichtige
CO2-Senke und muss erhalten werden.
Das gelingt mit einer naturnahen Waldbe-
wirtschaftung, die auf Mischwälder mit
vielfältiger Altersstruktur und europäischen
Baumarten setzt.
n Wir werden Umweltkriminalität konse-
quent verfolgen und bekämpfen.
Tiere wirksam schützen:
Tierschutz als Staatsziel
Unser Umgang mit Tieren hängt oft von
Profitinteressen ab. Tiere sind unserem
Handeln unterworfen, deshalb tragen wir die
Verantwortung, ihr Leid zu vermindern und
zu vermeiden. Die aktuelle Politik und die
bestehenden Gesetze entsprechen weder
den Wünschen der Bevölkerung noch den
wissenschaftlichen Erkenntnissen über die
Empfindungsfähigkeit von Tieren.
n Wir setzen uns für eine umfassende
Reformierung des Tierschutzgesetzes im
Sinne des im Grundgesetz verankerten
Staatsziels Tierschutz und für die Beseiti-
gung des Vollzugsproblems und für seine
Durchsetzung ein.
n Wir wollen die Demokratisierung des
Tierschutzes: Entscheidungen müssen im
Parlament getroffen werden und nicht
über Verordnungen.
n Wir brauchen höhere Standards ohne
Schlupflöcher, mehr Transparenz in der
Tierindustrie (zum Beispiel durch eine Veröf-
fentlichungspflicht für Verwaltungsakte etc.)
sowie die Durchführung unabhängiger Kon-
trollen und entsprechendes Personal. Ein
Stall wird im Schnitt nur alle siebzehn Jahre
kontrolliert. Das ist auch für den Seuchen-
und Umweltschutz problematisch.
n Wir fordern das bundesweite Verbands-
klagerecht und die Einführung eine*r unab-
hängigen Bundestierschutzbeauftragte*n,
angesiedelt im Justizministerium, die an
der Gesetzgebung beteiligt wird und durch
Kampagnen die Parlamente und Öffent-
lichkeit aufklärt. Angestellte in relevanten
Behörden müssen weitergebildet und sen-
sibilisiert werden. Tierquälerei muss härter
bestraft werden.
n Qualzucht, auch bei Haustieren, und
medizinisch nicht notwendige Eingriffe
in die körperliche Unversehrtheit wollen
wir verbieten.
n Wir fordern einen verbindlichen Ausstiegs-
plan aus den Tierversuchen mit konkreten
Schritten und festgesetzten Terminen.
76
Tierversuche des Schweregrads »schwerst«
und »schwer« müssen sofort verboten wer-
den. Um Forschungsstandorte langfristig zu
sichern, sollen Steuern nur noch in tierfreie
Methoden fließen.
n Haltungsstandards in Zoos, im Gewerbe
und in Haushalten müssen auf ein Mindest -
maß an die Grundbedürfnisse der jeweili-
gen Art angepasst werden. Soziale Tiere
sollen nur noch in Ausnahmefällen einzeln
gehalten werden dürfen. Wir fordern ein so-
fortiges Verbot von Delfinarien, Wildtieren in
Zirkussen sowie ein Verbot der Tierhaltung
auf Jahrmärkten und an ähnlichen Orten.
n Der Tierhandel (insbesondere im Internet)
muss streng reguliert, Wilderei und illegaler
Wildtierhandel müssen bekämpft werden.
n Der Handel mit Pelz muss verboten werden.
n Wir brauchen echten Schutz für wilde
Tiere durch flächendeckende Biotopverbin-
dungen sowie Tierkorridore und -passagen,
auch zum Beispiel durch Zäune an Autobah-
nen und Geschwindigkeitsbegrenzung zur
Minderung von Wildunfällen.
n Natur- und Meeresschutzgebiete müssen
als Lebensräume auf ein Maximum erwei-
tert werden. Auch in den Städten sollen
Lebensräume für Tiere erhalten bleiben.
n Die Freizeitjagd wollen wir begrenzen.
Die Jagd auf Hunde und Katzen sowie Präda-
toren wie Füchse wollen wir untersagen.
Böden und Meere schützen
Naturnahe und intakte Böden sind die Basis
für einen intakten Planeten. Sie bilden das
Fundament der natürlichen Lebensgrundla-
gen und sind selbst Schätze der biologischen
Vielfalt. Böden erfüllen verschiedenste
Funktionen, von Kohlenstoffsenken, Was-
serspeichern und Schadstofffiltern über die
Grundlage für alle menschlichen Nutzungen
bis hin zum wertvollen Archiv der Erdge-
schichte. Die Meere bedecken 70 Prozent
der Erdoberfläche und haben einen enormen
Einfluss auf das Klima. Meeres-, Gewässer-
und Bodenökosysteme beherbergen eine
große Zahl an Lebewesen und Lebensräu-
men, die für das Leben auf unserem Planeten
unersetzbar sind. Die Folgen der enormen
Zerstörung und Beeinträchtigung von Böden,
Gewässern und Meeren sind bereits sichtbar
und bedrohen das Leben auf der Erde. Die
Nutzung von Böden, Gewässern und Meeren
muss endlich ökologisch nachhaltig werden,
denn Boden- und Meeresschutz ist auch
gelebter Klimaschutz.
n Die Neuversiegelung von Boden muss
deutlich verringert werden. Neuversiege-
lung darf nur genehmigt werden, wenn
sie mit einer mindestens ebenso großen
Flächenentsiegelung in der Region einher-
geht. Straßenneubau darf es nur bei einem
unabhängig ermittelten Bedarf geben. In
den Flächennutzungs- und Landschafts-
plänen müssen Entsiegelungspotenziale
festgehalten werden. Es muss ein Fonds
eingeführt werden, um belastete Flächen
von Altlasten zu befreien.
n In Deutschland sind circa 90 Prozent der
Moore degradiert und machen dadurch
bis zu 5 Prozent unserer CO2-Emissionen
aus. Der Erhalt bzw. die Renaturierung
und Wiedervernässung von Mooren kann
einen großen Beitrag zum Erreichen der
Klimaschutzziele leisten und muss deshalb
gefördert werden.
n Wir wollen Grund- und Oberflächen-
gewässer besser schützen. Das EU-Ziel,
bis 2015 alle Gewässer in einen guten
ökologischen Zustand zu bringen, wurde
verfehlt. Noch immer werden Flüsse und
Grundwasser als Müllhalde zum Beispiel
für die Kaliindustrie verwendet. Zu viele
Nährstoffe aus den Klärwerken und der
Landwirtschaft werden in Flüsse und
Grundwasser eingetragen.
n Die Meere sind stark belastet, die Klima-
katastrophe verschärft die Situation deutlich.
Gemeinsam mit Umweltschutzverbänden for-
dern wir eine Meeresoffensive: Keine Über-
fischung, effektiver Schutz mariner Arten und
Lebensräume. Meeresschutzgebiete müssen
erhalten und ausgebaut werden – mindes-
tens 50 Prozent der Schutzräume müssen
aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen
werden. Und es braucht mehr Geld und
Personal, um Maßnahmen umzusetzen.
77
n Die Privatisierung der Wasserversorgung
und des Zugangs zu See- und Meeresflächen
lehnen wir ab (vgl. Kapitel »Internationales«).
n Wir wollen die Wasserrahmenrichtlinie
vorantreiben. Dazu gehören die Erhal-
tung bzw. Wiederherstellung naturnaher
Strukturen, die Reduzierung des Schadstoff-
eintrags durch Düngemittel und Pestizide
in Flüsse und Meere und die Sicherung von
Auenflächen. Der Nationale Aktionsplan
Pflanzenschutz (NAP) soll zu einem wir-
kungsvollen Plan zur Reduktion von Pestizi-
den in Deutschland umgestaltet werden.
n Das Bundesprogramm »Blaues Band
Deutschland« wollen wir weiterführen,
umsetzen und finanziell absichern.
n Die Umweltbelastung von Gewässern durch
unsachgemäße Entsorgung von Arzneimitteln
ist gefährlich. Wir wollen das Rücknahmesys-
tem von Medikamenten (wieder) einführen.
n Wir setzen uns für den Schutz der Natura-
2000-Gebiete in Nord- und Ostsee ein. Die
Schutzgebiete sollen frei von Fischerei, mili-
tärischer Nutzung, Ressourcenabbau und
sonstigen wirtschaftlichen Eingriffen sein.
Wir wollen alternative Fangmethoden för-
dern, um auf grundberührende (Schleppnetze)
und lebensraumschädliche Methoden zu
verzichten, und eine nachhaltige Fischerei
mit Fangquoten, die auf wissenschaftlichen
Empfehlungen basieren.
n Die militärischen Altlasten an Land und
in Gewässern müssen beseitigt werden.
Insbesondere ehemalige, bisher unberäumte
Truppenübungsplätze und die Hinterlassen-
schaften zweier Weltkriege in Nord- und
Ostsee stellen Zeitbomben dar, deren Ent-
schärfung endlich mit Nachdruck angegan-
gen werden muss. Die Finanzierung ist aus
dem Etat der Bundeswehr bereitzustellen.
There is no planet B:
Ressourcen im Kreislauf führen
Die globalen Ressourcen sind begrenzt;
auch nachwachsende Rohstoffe benötigen
Zeit zur Erneuerung. Wir müssen raus aus
der Wegwerfgesellschaft, rein in eine Kreis-
laufwirtschaft.
n Um die natürlichen Ressourcen zu schüt-
zen und den Einsatz von Recyclingmaterial
zu erhöhen, wollen wir regionale Wirtschafts-
kreisläufe fördern und eine Ressourcenver-
brauchsabgabe für Primärrohstoffe und
Einwegprodukte einführen.
n Wir wollen die Ökodesignvorgaben für
Produkte erweitern, um Anforderungen an
Lebensdauer, Update-, Upgrade-, Reparier-,
Weiterverwend- und Recycelbarkeit zu
schaffen. Wir unterstützen das »Top-Runner-
Modell« für die Produktion von Geräten (das
nachhaltigste Gerät zu einem bestimmten
Zeitpunkt setzt den neuen Standard).
n Für Reparaturdienstleistungen und Demon-
tage wollen wir die Mehrwertsteuer auf
7 Prozent senken. Reparatur und Wiedernut-
zung muss Vorrang vor Recycling haben.
n Abfallbehandlung und Abfallentsorgung
muss als Bestandteil der Daseinsvorsorge
in die öffentliche Hand. Sie darf nicht
privati siert werden. Ist die Privatisierung
bereits erfolgt, kämpft DIE LINKE für
Rekommunalisierung.
n Müll soll möglichst nahe am Standort
der Entstehung entsorgt und verarbeitet
werden. Wir wollen ein Pfandsystem für
Energiesparlampen, Einwegbecher, Mobil-
telefone, Fernseher und weitere Elektro-
geräte einführen und Batterien, um die
Sammelquote zu erhöhen und die Verwer-
tung zu verbessern.
n Wir wollen quantitative Abfallvermeidungs-
ziele einführen (»Zero Waste«), einen Rück-
gang des absoluten Ressourcenverbrauchs
erreichen und die Plastikflut in den Griff
bekommen. Einen Beitrag dazu sollen stan-
dardisierte Mehrwegsysteme leisten, die min-
destens deutschlandweit in jedem Geschäft
abgebbar sein sollen, und das nicht nur im
»To go«-Bereich, sondern auch im Versand-
handel und bei Geschäften zwischen Unter-
nehmen. Die Mehrwegsysteme sind auch für
Nahrungsmittel, Reinigungsmittel, Kosmetik
etc. zu schaffen. Wo diese Systeme einsatz-
fähig sind, sind Einwegverpackungen zu
verbieten. Was noch an Plastikverpackungen
übrig bleibt, muss so gestaltet werden, dass
die Recyclingfähigkeit gewährleistet ist.
78
n Holz wird auch als Baustoff immer
wichtiger. Um einer Holzarmut vorzubeu-
gen, müssen wir auch mit der Ressource
Holz sparsam umgehen. Wir wollen ein
viel besseres Holzrecycling mit einer
Nutzungskaskade, in der die Holzverbren-
nung zur Energiegewinnung erst ganz am
Ende steht. Energie direkt aus dem Wald ist
kein Beitrag zum Klimaschutz.
Mehr Rechte für Verbraucher*innen
Unternehmen, Banken und Konzerne
sitzen gegenüber Verbraucher*innen am
längeren Hebel und nutzen ihre Macht
oft zum Nachteil der Verbraucher*innen
aus. DIE LINKE setzt hier nicht allein auf
Transparenz, sondern will die Rechte von
Verbraucher*innen stärken. Sie verbin-
det Verbraucherpolitik mit der sozialen
Frage, denn die windigen Geschäftsprak-
tiken zielen vor allem auf Menschen mit
geringem Einkommen und Senior*innen
ab – denen tut diese Abzocke im Porte-
monnaie besonders weh. Wir wollen eine
eigenständige Verbraucherschutzbehörde
mit starken Durchsetzungsbefugnissen.
Die Verbraucherschutzverbände sollen
finanziell besser ausgestattet, ihre Rechte
sollen gestärkt werden. Dazu sollen sie
auch Einnahmen des Bundes aus den
Geldbußen der Kartellstrafen erhalten.
n Inkassoabzocke muss durch klare,
gesetzlich gedeckelte Gebühren und
durch eine Erhöhung der Mahnanforde-
rungen an Unternehmen gestoppt werden.
Mehr als 15 Euro Inkassokosten bzw.
5 Euro bei Forderungen bis 50 Euro
sind unseriös.
n Wir wollen die Macht der Schufa und
anderer Wirtschaftsauskunftsdateien
auf den Lebensalltag der Menschen
stark eindämmen. Eine Schufa-Anfrage
darf nur noch bei tatsächlichen Kredit-
geschäften erlaubt sein, nicht mehr für
Verbraucher*innenverträge des täglichen
Bedarfs wie Miete, Strom- und Handy-
rechnungen. Ein negativer Schufa- Score
muss nach einem Jahr wieder gelöscht
werden. Darüber hinaus sollen in Zukunft
Bonitätsauskünfte nicht mehr durch ein
privates Unternehmen, sondern nur noch
durch die öffentliche Hand erlaubt sein.
n Unlautere Telefonwerbung muss unter-
bunden werden. Telefonisch abgeschlossene
Verträge dürfen erst wirksam werden,
wenn Verbraucher*innen den Vertrag
schriftlich bestätigen.
n Kostenfallen durch zweijährige Vertrags-
laufzeiten zum Beispiel bei Fitness- und
Handyverträgen und automatische Vertrags-
verlängerung wollen wir abschaffen.
n Wucherpreise bei Verbraucher*innen
krediten durch aufgedrängte oder unter-
geschobene Restschuldversicherungen
müssen beendet werden.
n Verbraucher*innen müssen gegen
Insolvenz von Reiseveranstaltern und
Airlines geschützt werden.
n Damit sich Verbraucher*innen gemein-
sam gegen Tricks von Unter nehmen
und Bereicherung auf Verbraucher*in-
nenkosten wehren können, machen wir
uns für Sammelklagen stark, die unmittel-
bar zu einem Schadensersatz durch die
Unternehmen führen.
n Für langlebige technische Geräte wie
Kühlschränke, Waschmaschinen und
Fahrzeuge, IT- und Elektrogeräte soll eine
gesetzlich garantierte Mindestnutzungs-
dauer von fünf Jahren Pflicht werden.
Darüber hinaus müssen IT-Produkte und
Haushaltsgeräte leicht reparierbar und
Upgrades jederzeit möglich sein. Wir fordern
eine Anpassung der Produkthaftung an das
digitale Zeitalter.
n Verbraucher*innen haben ein
Recht auf transparente Informationen
durch Behörden und Unternehmen.
Dazu brauchen wir ein starkes
Verbaucher*inneninformationsge-
setz. Wir wollen einen Anspruch der
79
Verbraucher*innen auf kurze, klare
und vergleichbare Informationen, zum
Beispiel über Kosten und Vertrags-
laufzeiten bei Krediten und Geldan-
lagen, bei Internet ver trägen und
Versicherungen. Wir wollen einen
strengeren Transparenzstandard
für Onlinemarktplätze und Online -
platt formen.
n Wir wollen eine schrittweise Einschrän-
kung der Produkt- und Markenwerbung im
öffentlichen Raum. Sofort fordern wir ein
Verbot von Werbung in Schulen und Kitas.
n Verbraucher*innen bildung muss
soziale und ökologische Auswirkungen
mit einbeziehen.
n Verbraucher*innen müssen das Recht
darauf haben, selbst zu bestimmen, was mit
ihren Daten geschieht, ohne benachteiligt
zu werden. Die Datenschutzgrundverordnung
(DSGVO) beinhaltet hierfür wichtige Rechte,
die bisher jedoch nicht ausreichend schützen
und genutzt werden.
n Guter Verbraucher*innenschutz ist auf
Hinweisgeber*innen angewiesen, die auf
Missstände in Unternehmen, Behörden
und anderen Einrichtungen aufmerksam
machen. Wir brauchen ein Whistleblower-
Schutzgesetz in Deutschland, damit diese
Personen geschützt werden und nicht aus
Angst vor Repressalien schweigen.
Verbraucher *innenschutz bei
Finanzprodukten!
n Unabhängige Beratung statt Drücker
kolonnen. Wir werden den provisions-
basierten Verkauf von Finanz- und Versicher-
ungsprodukten abschaffen. Honorar-
beratung und unabhängige Finanzberatung
durch Verbraucherzentralen müssen
gestärkt werden.
n Zusagen an Verbraucher*innen ein
halten. Wir verpflichten Versicherer und
andere Finanzdienstleister, auch unter
Niedrigzinsbedingungen die gemachten
Garantien und Zusagen ihrer Produkte
einzuhalten. Bei klassischen Lebensver-
sicherungen dürfen Bewertungsreserven
und Überschüsse, die grundsätzlich den
Verbraucher*innen zustehen, nicht
gekürzt werden.
n Den gesamten Kapitalmarkt regu
lieren und Gebühren begrenzen. Wir
unterstellen den fast unregulierten »grauen«
Kapital- bzw. Kreditmarkt einer wirksamen
einheitlichen Finanzaufsicht und regulieren
ihn strikt. Zu einem guten finanziellen
Verbraucher*innenschutz gehört auch die
Begrenzung unangemessener Gebühren
und Entgelte für Bankdienstleistungen.
Außerdem begrenzen wir die Vorfälligkeits-
entschädigungen bei vorzeitiger Rückzah-
lung von Darlehen deutlich.
Selbstbewusster Osten –
Ostdeutsche Interessen stärken
Ostdeutschland verdient mehr: mehr Selbst-
bewusstsein, mehr Sichtbarkeit, mehr
Respekt, mehr Ehrlichkeit. Doch jenseits
der Gedenkstunden zum Mauerfall er-
lischt das bundesweite Interesse immer
schnell. Dabei gibt es viel zu bereden. Die
unvollendete Einheit stellt die Frage nach
dem Zustand von Gleichberechtigung und
Zusammenhalt in der Bundesrepublik. Die
Frage nach Teilhabe – und nach Aufstiegs-
möglichkeiten, unabhängig von Herkunft
und sozialem Status. Wir müssen sprechen
über den Osten als neoliberales Versuchs-
feld der Bonner Politik, über die Folgen
eines radikalen Wirtschaftsumbaus der
Treuhand und den Verlust öffentlicher Infra-
struktur. Entscheidungen, die die Treuhand
und die Politik des sogenannten Aufbaus
Ost getroffen haben, bestimmen noch heute
die Entwicklungspfade der ostdeutschen
Gesellschaft. Deindustrialisierung, Massen-
arbeitslosigkeit und Bevölkerungsrückgang
waren und sind die Folge. Wir müssen reden
über rechte Gewalt und Organisierung und
die lange Geschichte ihrer Verharmlosung.
Reden über die schwache Verankerung
80
politischer Institutionen, Skepsis gegenüber
der Parteiendemokratie, über fehlenden
Einfluss der Ostdeutschen. Denn die Konse-
quenzen sind bis heute sichtbar. Schaut
man auf Unterschiede bei Lohn und Rente,
auf Spitzenfunktionen und Vermögen, auf
Armut oder Abwanderung – der alte Grenz-
verlauf zwischen West- und Ostdeutschland
tritt weiterhin hervor. Viele Ostdeutsche
wünschen sich, auf andere Weise sichtbar
zu sein. Mit dem, was sie erarbeitet und
geleistet haben, sowohl in der vergangenen
DDR als auch in den dreißig Jahren danach.
Ostdeutschland steht für den Lebensmut
verschiedener Generationen. Viele, gerade
unter den Jüngeren, sind nicht mehr gewillt,
die strukturellen Benachteiligungen hin-
zunehmen und die Probleme im Osten zu
beschweigen. Viele kennen das Gefühl, dass
die eigenen Fähigkeiten und Leistungen –
oder die der Eltern – nicht anerkannt werden.
Fast jede*r Zweite im Osten fühlt sich in
seiner oder ihrer Arbeit nicht wertgeschätzt.
Ostdeutsche Beschäftigte waren lang bereit,
Leistung auch unter harten Bedingungen zu
erbringen und eigene Interessen zurückzu-
stellen: im Interesse des Betriebs und mit
Blick auf die für alle schlechteren Pers-
pektiven im Osten. Die verlorenen Kämpfe
gegen die Treuhand steckten vielen lange
in den Knochen. Jetzt wächst wieder die
Bereitschaft zu streiken und zu kämpfen. Der
Kampf geht um mehr als »nur« die Lohnhöhe
und Arbeitsplätze: Streiks sind zum Symbol
geworden für Gerechtigkeit, Anerkennung,
mehr Mit- und Selbstbestimmung. Sie kämp-
fen für die eigenen Rechte, den Eigensinn
des Ostens und einen Aufbruch Ost. DIELIN-
KE ist den Erfahrungen und den Kämpfen der
Menschen in Ostdeutschland verbunden. Wir
sind die Stimme des Ostens. In den Bundes-
ländern, in denen wir Regierungsverant-
wortung tragen, setzen wir das um: mit der
Einführung beitragsfreier Kindergartenjahre
und längerem gemeinsamen Lernen für
mehr Bildungsgerechtigkeit, durch mehr
Tarifbindung und durch Vergabegesetze
mit einer Tariftreueklausel bei öffentlichen
Aufträgen für höhere Löhne. Wir kümmern
uns um bezahlbaren Wohnraum, Arbeitszeit-
verkürzung zum Beispiel durch zusätzliche
Feiertage, um Qualitätsverbesserung in der
Krankenhausversorgung. Die Demokrati-
sierung der Hochschulen, der Schulen, der
Kommunen oder generell der Landespolitik
zählt ebenso zu unserer Regierungspolitik wie
das Ziel, den Bodenausverkauf durch den
Aufkauf großer landwirtschaftlicher Betriebe
durch agrarfremde Investoren zu verhindern.
Es geht uns um eine praktische, solidarische,
gerechte und demokratische Politik. Es geht
uns um einen eigenen Aufbruch.
Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit – Was sonst?
Das Fortbestehen ungleichwertiger Lebens-
verhältnisse ist kein Betriebsunfall der
deutschen Einheit, sondern politisch gewollt.
Statt Niedriglöhne zu verhindern, warben
die Bundes- und Landesregierungen jahr-
zehntelang damit um Investoren. Heraus-
gekommen sind Konzernnebenstellen, die
die Ost-West-Unterschiede ausbeuten, aber
nicht beheben. Jeder dritte (!) Beschäftigte
in den ostdeutschen Ländern arbeitet im
Niedriglohnbereich. Im Westen sind es
16 Prozent. Das wirkt sich aus auf geringere
Kaufkraft, Vermögensbildung und Renten-
ansprüche. Der Hälfte der Vollzeitbeschäf-
tigten in den neuen Ländern droht eine
Minirente, trotz jahrzehntelanger Arbeit.
Im Vergleich der mittleren Bruttoentgelte
(2019) in Ost- und in Westdeutschland
lagen 700 Euro brutto mehr in der Lohntüte
West. In jedem Monat. In Sachsen-Anhalt
arbeiten die Menschen durchschnittlich
75 Stunden länger im Jahr und erhalten fast
3.000 Euro weniger Jahreslohn als im
Nachbarland Niedersachsen. Fast 4 Mil-
lionen Menschen sind aus dem Osten
abgewandert. Das hat die strukturelle
Überalterung im Osten massiv erhöht.
In den nächsten Jahren ist eine riesige
Pensionierungswelle in den ostdeutschen
Ländern auszugleichen. Dafür braucht es
Perspektiven, auch für Rückkehrer und
neu Zugewanderte.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei
gleicher Arbeitszeit zwischen Frau und Mann,
in Ost und West – das ist unser Anspruch:
n Der Niedriglohnsektor muss geschlossen
und der gesetzliche Mindestlohn zügig auf
13 Euro angehoben werden. Insbesondere
81
Arbeitnehmer*innen in Ostdeutschland
würden davon profitieren.
n DIE LINKE fordert eine Lohnoffensive
Ost durch mehr Tarifbindung und flächen-
deckende Tarifverträge, um die Löhne in
den neuen Ländern bis zum Ende der kom-
menden Legislaturperiode im Jahr 2025 zu
100 Prozent an das Westniveau anzugleichen.
n Wir wollen einheitliche Tarifgebiete in
Ost und West. Dass eine Lohnangleichung
möglich ist, hat die IG Bau bewiesen. Die
Ost-West-Lohnmauer lässt sich dort über-
winden, wo Gewerkschaften besonders
einflussreich sind.
n In vergleichbaren Branchen müssen
bundesweit gleiche Arbeitszeiten und
Urlaubsregelungen gelten.
n Wir wollen einen Vergabemindestlohn,
der sich an der Höhe der niedrigsten
Gehaltsklasse des Tarifvertrags für den
Öffentlichen Dienst der Länder (TVL) orien-
tiert, verbindlich für die Vergabe machen.
Lebensleistung Ost anerkennen –
Gleiche Rente für gleiche
Lebensleistung
30 Jahre nach dem Ende der DDR ist die
Arbeits- und Lebensleistung immer noch
nicht gleich viel wert. Erst im Jahr 2024 sollen
die Renten komplett angeglichen werden. Die
Angleichung der Ostrenten darf nicht zum
Nachteil der heutigen Beschäftigten führen.
Rund 20 Prozent weniger Gehalt und Lohn im
Osten bedeuten weniger Rentenanspruch
im Alter. Bei den Menschen, die in zwanzig
Jahren im Osten Rente gehen (werden), ist das
Armutsrisiko doppelt so hoch wie im Westen.
Wer beim Mauerfall 30 Jahre alt war, muss
auch dann noch mit Benachteiligungen
rechnen, wenn er selbst 2027 in Rente gehen
wird. Die Vielfalt der DDR-Alterssicherungs-
systeme passte nicht zum Rentensystem
der BRD. Bei der Überleitung ins bundesdeut-
sche Recht kam es zu Lücken oder gar Strei-
chungen. Ungerechtigkeiten, die noch immer
bestehen. Das betrifft die große Gruppe der
wissenschaftlichen, technischen, pädago-
gischen, medizinischen und künstlerischen
Intelligenz. Ebenso entfielen Rentenzusagen
für bestimmte Berufsgruppen, so für die
Beschäftigten der DDR bei der Reichsbahn,
der Post oder in der Braunkohleveredlung. Vor
allem Frauen sind betroffen, gerade wenn sie
beispielsweise im Gesundheitswesen gear-
beitet haben, mithelfende Ehefrauen waren
oder in der DDR geschieden wurden. Seit den
1990er Jahren fordern die vom bundesdeut-
schen Gesetzgeber vergessenen Gruppen die
Wiederherstellung ihrer Ansprüche. Seitdem
haben sie unsere Unterstützung.
n DIE LINKE will eine sofortige Angleichung
der Ostrenten zu 100 Prozent an das West-
niveau. Das bedeutet, der Rentenwert (Ost)
muss sofort auf das Westniveau des allge-
meinen Rentenwerts angeehoben werden.
n Rentenkürzung verhindern! Solange die
Löhne der ostdeutschen Beschäftigten
strukturell deutlich niedriger sind, muss die
Umrechnung bei der Rente erhalten bleiben.
n Eine rechtliche Korrektur der Rentenüber-
leitung bleibt notwendig. Auch angemes-
sene Entschädigungszahlungen können ein
Weg sein, diese Ansprüche wenigstens zum
Teil endlich anzuerkennen.
n Für Zeiten des Niedriglohns wollen wir
generell für alle Beschäftigten in Ost wie
West eine Hochwertung der Rente ein-
führen. Darum wollen wir die Rente nach
Mindestentgeltpunkten entfristen und
verbessern.
Mehr Posten für den Osten –
Mehr plurale Sichtbarkeit
Auch 30 Jahre nach dem Ende der DDR
sind die Führungspositionen im vereinten
Deutschland fest in westdeutscher Hand.
Im Osten und erst recht im Westen. Denn
der gesellschaftliche Umbau in den 1990er-
Jahren war mehr als ein politisch erwünsch-
ter und notwendiger Elitenwechsel. Fast
ausnahmslos rückten Menschen aus der ehe-
maligen DDR in die zweite Reihe, machten
Platz für neue Chefs aus dem Westen. Dieser
Zustand hat sich verfestigt.
Die neue Thematisierung der Benachteiligung
Ostdeutscher ist Teil eines mühsamerrungenen
82
Emanzipationsprozesses. Jahrzehntelang be-
richteten Zeitungen westdeutscher Verlage
und westdeutsche Redakteure aus ostdeut-
schen Landesfunkhäusern, und dabei meist
einseitig. Die größere Skepsis gegenüber
dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat
hier eine ihrer Ursachen. Über Jahrzehnte
hinweg war die Annäherung an die Norm des
Westens vorherrschendes Thema.
Wer Demokratie stärken will, muss alle
beteiligen. Führungspositionen müssen
Spiegelbild einer Gesellschaft sein, sonst
verletzen sie den demokratischen Grund-
satz der Gleichwertigkeit aller. Das bedeutet
mehr Frauen, mehr Ostdeutsche, mehr
Migrant*innen in die Führungsetagen bun-
desweit! Es ist Zeit für politisch gesteuerte
Verfahren, die die Benachteiligung beenden:
Wir brauchen einen Sprung in der Begabten-
förderung, um Karrieren vorzubereiten und
zu ermöglichen, statt Unterrepräsentanz zu
verschleiern.
n Wir fordern die Umsetzung des vorge-
schlagenen Transformationszentrums
in Ostdeutschland als Forschungs- und
Förderstätte für die Arbeitsgesellschaft
im digitalen und ökologischen Wandel.
n Der öffentliche Dienst muss Motor werden,
um Karrierewege Ostdeutscher zu ermög-
lichen, mit geeigneten Förderinstrumenten
zur Hebung unterrepräsentierter Gruppen.
Dafür setzen wir uns ein.
n Wir wollen Sichtbarkeit für Diskriminie-
rung herstellen, statt sie hinter der Formel
der »Einheit« zu verstecken: Wir fordern die
freiwillige Erhebung der Geburtsorte und
biografischer Daten bei Bundes- und Lan-
desbehörden, bei Hochschulförderprogram-
men, Stiftungen und Förderwerken.
n Unser Ziel ist die Verlagerung weiterer
Bereiche des öffentlich-rechtlichen Rund-
funks in die ostdeutschen Bundesländer mit
mehr Entscheider*innen mit Ostbiografie.
n Wir streiten dafür, dass Bundesbehörden
oder Unternehmen, an denen der Bund be-
teiligt ist, ihren Hauptsitz nach Ostdeutsch-
land verlegen. Neu entstehende Bundes-
behörden wollen wir im Osten ansiedeln.
Treuhand Vergangenheit aufarbeiten
Während die Ostdeutschen ihre Warte-
nummern beim Arbeitsamt zogen, gaben
sich westdeutsche und ausländische
Unternehmer*innen bei der Treuhandan-
stalt die Klinke in die Hand. Man konnte
reich werden im Osten, wenn man aus dem
Westen kam. 94 Prozent der durch die Bun-
desregierung privatisierten DDR-Betriebe
gingen in westdeutsche oder ausländische
Hände. Samt dazugehöriger Grundstücke
und Immobilien. Die Mehrzahl der Vermieter
ostdeutscher Wohnungen sitzt seitdem in
Westdeutschland, oder die Wohnungen sind
heute im Besitz von Immobilienkonzernen.
Das Wirken der Treuhand hat nicht nur bis
in die Gegenwart reichende Folgen, es war
ebenso von politischen und wirtschaftlichen
Skandalen begleitet. Tausende derjenigen,
die in Leipzig 1989 auf der Straße alles
riskierten, standen bereits 1991 wieder auf
dem Leipziger Augustusplatz. Profitinte-
ressen westdeutscher Konzerne standen
über dem Schicksal von Millionen. Diese
Enttäuschung wirkt im Osten bis heute fort.
DIE LINKE kämpft dafür, dass dieses Unrecht
aufgearbeitet wird.
n DIE LINKE will in der kommenden Legisla-
turperiode einen Untersuchungsausschuss
zur Treuhand.
n Auch den Einigungsvertrag will DIE LINKE
nochmals genauer unter die Lupe nehmen.
Seinen Gehalt und seine Wirkungen gilt es
zu untersuchen – auch im Hinblick darauf, ob
Ansprüche Ostdeutscher bei der Umsetzung
des Vertrags vernachlässigt oder ignoriert
wurden, und ob sie gegebenenfalls noch
einklagbar sind. Dazu schlagen wir eine
Enquetekommission vor.
Für einen wirtschaftlichen
Aufbruch Ost
Der Osten hat wirtschaftlich in den ver-
gangenen dreißig Jahren eine enorme
Entwicklung durchlaufen. Jedoch liegt die
Wirtschaftsleistung der Ostländer noch
immer hinter den Westländern. Vielver-
sprechende Ansätze, die es bereits gab,
wie die Solarbranche in Ostdeutschland,
83
wurden durch falsche politische Weichen-
stellung von der CDU und ihren jeweiligen
Koalitionspartnern zerstört. Zehntausende
Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche
wurden damit leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
Wir setzen auf eine regional verankerte
Wirtschaft, die sich an den Bedürfnissen
der Menschen in den jeweiligen Regionen
ausrichtet. Das gilt auch für die Landwirt-
schaft. Der Osten soll nicht mehr die
verlängerte Werkbank westdeutscher
Großkonzerne sein. DIE LINKE setzt auf
gemeinwohlorientierte und genossenschaft-
liche Wirtschaftskonzepte. Gegen die
Dominanz marktwirtschaftlicher Verwer-
tungs- und Effizienzlogik setzen wir uns
für eine gute Versorgung, öffentliche
Daseinsvorsorge und den Stopp der Priva ti-
sierung von öffentlichem Eigentum ein.
Arbeiter*innen in Ostdeutschland haben
in den letzten Jahren ein neues Selbstver-
trauen entwickelt. Viele traten für bessere
Löhne und Arbeitsbedingungen in den
Streik. Wir stehen solidarisch an der Seite
der Arbeiter*innen und Gewerkschaften,
insbesondere bei den Arbeitskämpfen in
Ostdeutschland und unterstützen sie dabei.
Nach der Wiedervereinigung brach dem
Osten die industrielle Basis weg, einschließ-
lich Verarbeitung und Vermarktung von
Lebensmitteln. Wir wollen nun eine Reindus-
trialisierung des Ostens vorantreiben, um
langfristig gut bezahlte und sichere Arbeits-
plätze dauerhaft zu schaffen. Wir wollen den
Osten zu einer Zukunftsregion machen, in
der klimagerechte Industriearbeitsplätze
entstehen.
n Wir wollen regionale Produkte, Verar-
beitungs- und Vertriebsstrukturen stärken.
Produktionsgenossenschaften und Ver-
triebsgenossenschaften aus den Regionen
sollen miteinander verbunden werden.
n Wir wollen ein Reindustrialisierungspro-
gramm Ost. Damit soll überall im Osten die
Entstehung klimagerechter Industriearbeits-
plätze gefördert werden.
Reaktivierung öffentlicher Infrastruktur
Die Geschichte des Ostens nach der Wieder-
vereinigung ist auch eine Geschichte des
Abbaus von (sozialer) Infrastruktur. Geschlos-
sene Schulen, Schwimmbäder, Sparkassen
oder stillgelegte Bahnstrecken prägen das
Bild im gesamten Osten des Landes. Diesen
Trend wollen wir umkehren. Wir wollen
soziale Zentren in den Dörfern schaffen. Die
Betreuung der sozialen Zentren findet über
tariflich bezahlte Arbeitsplätze statt.
Allein in Sachsen wurde seit 1994 knapp
ein Viertel des Schienennetzes stillgelegt.
Knapp 2 500 Kilometer Schienenstrecke
im gesamten Osten. Das war klimapolitisch
und strukturpolitisch ein schwerer Fehler.
Vielerorts werden die Bahnverbindungen
schmerzlich vermisst. Ganze Regionen
sind so dauerhaft abgehängt. Der Bund als
Eigentümer der Deutschen Bahn ist in der
Pflicht, diesen Kurs zu ändern. Die Bahn
muss zurück in die Fläche.
Auch die digitale Infrastruktur in Ostdeutsch -
land braucht einen kräftigen Schub. Schlech-
tes Mobilfunknetz und mangelnder Breit-
bandausbau sind in vielen Regionen in
Ostdeutschland leider an der Tagesordnung.
Für rein nach Profitlogik agierende Konzerne
lohnt sich der Ausbau in dünn besiedelten
Regionen nicht.
In vielen ostdeutschen Kommunen besteht
erheblicher Investitionsbedarf beim alters-
gerechten und barrierefreien Umbau von
Wohnungen. Der altersgerechte Umbau von
Wohnungen wird zu einer großen Aufgabe
für viele ostdeutsche Städte und Gemeinden.
In vielen ostdeutschen Kommunen fehlt ein
ausreichendes Angebot an barrierefreien
Wohnungen und Wohnungen für Menschen
mit Behinderung. Oft sind durch den Abriss
von Plattenbauten ganze Nachbarschaften
und Stadtteile verschwunden. Wir wollen die
soziale Durchmischung in den bestehenden
Wohnungsbeständen in industrieller Bauwei-
se generationsübergreifend fördern, etwa
durch flexible Wohnungsgrundrisse mit der
Option, Wohnungen vertikal und horizontal
zusammenzulegen, und mit Gemeinschafts-
räumen ausstatten (Fitness, Bibliothek,
Kleinkino, Co-Working-Spaces).
84
n Wir schlagen ein Förderprogramm »Jedes
Dorf braucht einen Laden!« und eine Reform
des Gewerbemietrechts zum Schutz und für
die Wiederansiedlung kleiner Läden, Hand-
werks- und Dienstleistungsbetriebe vor.
n Wir wollen ein Reaktivierungsprogramm
der Deutschen Bahn für stillgelegte Strecken
in Abstimmung mit den Bundesländern, und
eine flächendeckende Versorgung mit Bus-
sen und Bahnen.
n Wir setzen uns für ein Sanierungspro-
gramm für Bahnhöfe ein. Gerade der Osten
braucht lebendige Bahnhöfe als Orte der
Begegnung und des Austauschs.
n Funklöcher schließen und flächendecken-
des Breitbandinternet: Das ist für uns ele-
mentarer Bestandteil für einen zukunftsfä-
higen Osten.
n Ein Schwerpunkt der Förderung soll künf-
tig beim alters- und behindertengerechten
Umbau von Gebäuden und der Verbesserung
des Wohnumfelds in Stadtteilen liegen. Der
kommunale Eigenanteil bei Aufwertungs-
maßnahmen ist zu streichen. Hier muss wie
beim sogenannten Rückbau, also dem Abriss,
100 Prozent Förderung möglich sein.
n Wir wollen ein Förderprogramm für kollek-
tives Wohnen mit Mietpreisbindung für die
in Ostdeutschland weit verbreiteten Platten-
bauten einrichten.
n Kooperative Wohnformen mit Genossen-
schaftsgedanken wollen wir durch Bera-
tung für Neugründung und Finanzierung
oder beim Erwerb von Grundstücken und
Gebäuden etwa durch Konzeptvergaben
unterstützen.
Gegen alte und neue Nazis
Der Vereinigungsprozess hat eine Schatten-
seite, über die endlich mehr gesprochen wird.
Vieles ist noch immer nicht aufgearbeitet
oder einer breiten Öffentlichkeit bekannt:
Befreit von der Repression in der DDR entlud
sich rechte Gewalt in den 1990er-Jahren
in einem zuvor nicht gekannten Ausmaß.
Verbündete in Geist und Tat fanden sich
schnell, hüben wie drüben: Rostock-Lichten -
hagen, Mölln, Solingen, die Mordserie des
NSU-tödliche Gewalt überzog das Land.
Die Neonazis versuchten, den öffent-
lichen Raum zu dominieren, und übten die
Kontrolle aus – zumindest in Stadtteilen
und Wohnquartieren. Die ostdeutschen
Landesregierungen waren Vorreiter einer
beschämenden Verharmlosung und führten
damit die gängige politische Praxis des
Westens fort. Auch in der ostdeutschen
Gesellschaft blieb der Aufschrei aus. Es
oblag wenigen Aktivist*innen, Antifagrup-
pen, Journalist*innen sowie Engagierten in
linken Parteien, die Gefahren zu benennen.
Demokratiearbeit, Bildungs- und Beratungs-
stellen für Betroffene rechter Gewalt leisten
seit über zwanzig Jahren viel für ein soli-
darisches und menschenrechtsorientiertes
Gemeinwesen. Oftmals sind sie das einzige
Angebot, das Menschen nach rechten und
rassistischen Angriffen hilft, ihre Rechte
und ihre Würde zu verteidigen.
Starke Kommunen, gute Lebensqualität
Vor Ort, in den Kommunen, entscheidet
sich die Lebensqualität im Alltag. Die
Privatisierung von öffentlichem Eigentum
und öffentlicher Daseinsvorsorge hat den
Alltag in vielen Kommunen und Nachbar-
schaften erschwert. Viele Kommunen in
wirtschaftlich benachteiligten Regionen sind
überschuldet und unter Zwangsverwaltung.
Der Abstand zwischen armen und reichen
Kommunen in Deutschland wächst weiter.
Die Schuldenbremse wirkt sich verheerend
auf die Lebensqualität von Menschen mit
geringerem Einkommen und auf die kommu-
nale Demokratie aus. Wenn im Stadt- oder
Gemeinderat bisweilen nur noch über die
Verwaltung des Mangels und über vermeint-
liche Sachzwänge entschieden wird, wird die
Demokratie in der Kommune erstickt.
Wir wollen die öffentlichen Dienstleitungen
zurück in die öffentliche Hand holen und
die eigenwirtschaftliche Tätigkeit der Kom-
85
munen stärken. Kommunale Daseinsvor-
sorge darf nicht auf den Markt geworfen
werden!
n Privatisierte Bereiche der Daseinsvor-
sorge wollen wir rekommunalisieren. Wir
wollen dafür sorgen, dass der Bund den
Kommunen Mittel für die Rekommunalisie-
rung von Wohnungen, Krankenhäusern,
Wasser- und Energieversorgung zur Verfü-
gung stellt. Das kann über einen Rekommu-
nalisierungsfonds geschehen. Unterstüt-
zung und rechtliche Beratung können durch
eine Rekommunalisierungsagentur organi-
siert werden, damit nicht in jeder Kommune
das Rad neu erfunden werden muss.
n Vorhandene Einschränkungen bei der
wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen
müssen abgebaut, interkommunale Zusam-
menarbeit muss zum Vorbild gemacht und
im Bereich der kommunalen Daseinsvorsor-
ge eine Präferenz zugunsten der öffentlichen
Hand erreicht werden. Wir wollen Anreize für
den Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe.
n Um gleichwertige Lebensbedingungen
in allen Regionen und Kommunen zu schaf-
fen, soll die Mitwirkung der kommunalen
Spitzenverbände durch ein verbindliches
Anhörungs- und Mitwirkungsrecht der Kom-
munen auf Bundesebene gesichert werden.
n Verfestigte Kassenkredite der Kommunen
müssen vom Bund in einen Altschulden-
fonds übernommen und mit vom Bund
getilgt werden. Die eigentlich als kurzfris-
tige Finanzierung gedachten Kassenkredite
sind in den vergangenen zwanzig Jahren
um 40 Milliarden Euro gestiegen. Sie sind
oftmals die einzige Möglichkeit, die kommu-
nalen Pflichtaufgaben zu erfüllen.
n Die kommunalen Haushalte müssen von
den Sozialleistungen entlastet werden.
Diese müssen in vollem Umfang vom
Bund getragen werden. Kosten, die von
Bund oder Ländern verursacht werden,
müssen auch von dort finanziert werden
(Konnexität).
n DIE LINKE tritt für eine Reform der
Gewerbesteuer in eine Gemeindewirt-
schaftsteuer ein. Verbunden mit der
Umsetzung von Konnexität können die
Kommunen wieder auf verlässliche finan-
zielle Füße kommen.
n Viele kommunale Aufgabenfelder sind
inzwischen durch Gesetze und Verord-
nungen bis ins Detail »fremdbestimmt«
und örtliche Gegebenheiten finden kaum
Berücksichtigung. Das muss sich ändern.
Die Selbstverwaltung muss gestärkt und
der Spielraum der Kommunen bei Wirt-
schafts- und Bauangelegenheiten vergrö-
ßert werden.
n Die Förderung des Ehrenamts muss
gewährleistet werden, und deshalb dürfen
kommunale Aufwandsentschädigungen
nicht auf Leistungen des SGB II und des
BAföG angerechnet werden.
n Laufende Bundesprogramme für Kom-
munen müssen verstetigt, kombinierbar
und dem Bedarf angepasst werden. Eine
Vielzahl von Kommunen kann sich nicht
einmal die im Verhältnis geringen Eigen-
anteile an Bundesprogrammen leisten, um
Fördermittel für nötige und allein kaum
finanzierbare Investitionen zu bekommen.
Deshalb müssen die Eigenanteile zumindest
für Kommunen in schwieriger Haushalts-
lage abgeschafft werden.
n Für gerechte Kommunalfinanzierung
braucht es die 100-prozentige Anrechnung
der kommunalen Finanzkraft im Länder-
finanzausgleich.
Mit Steuern umsteuern
Noch nie waren Einkommen und Vermögen
so ungleich verteilt. Immer größere
Vermögen haben sich in immer weniger
Händen konzentriert: Zwei Drittel aller
Vermögen sind in der Hand der oberen
10 Prozent der Bevölkerung. Allein die
45 reichsten Haushalte besitzen so viel
wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevöl-
kerung zusammengenommen. Das reichste
Prozent der Bevölkerung vereint rund 35
86
Prozent des Vermögens auf sich, also mehr
als ein Drittel. Die reichsten 5 Prozent
haben mehr als die »restlichen« 95 Prozent.
Wer viel hat, kann es leicht vermehren. Auf
Gewinne aus Kapital und Aktien wird eine
Billigsteuer erhoben. Wer hingegen wenig
oder nichts hat, zahlt mehr und mehrfach:
Lohnsteuer kann man nicht hinterziehen,
sie wird sofort abgezogen. Die Mehrwert-
steuer belastet Menschen mit niedrigem
Einkommen stärker. Weil öffentliches
Eigentum privatisiert wurde, müssen viele
Dienstleistungen privat bezahlt werden.
Ein Großteil der Vermögen in Deutschland
wird vererbt. Hohe Einkommen werden
weniger besteuert als noch in den 1990er
Jahren. Jahrzehntelang ist in Deutschland
eine Vermögensteuer erhoben worden –
seit 1997 nicht mehr. Das wollen wir ändern,
um die skandalöse Ungleichheit in Deutsch-
land zu bekämpfen.
Dem privaten Reichtum steht eine verarmte
öffentliche Infrastruktur gegenüber: Biblio-
theken und Schwimmbäder schließen,
Personal im Krankenhaus wird entlassen,
um notwendige Reparaturen finanzieren
zu können, Bus und Bahn kommen auf dem
Land nur noch selten und sind in der Stadt
oft überfüllt, weil die Kapazitäten nicht
ausreichen. Hier würden die Einnahmen aus
einer Millionärsteuer besonders helfen:
Sie geht an die Länder und kann die öffent-
liche Infrastruktur stärken.
Noch nie war die Armutsgefahr so hoch:
Mehr als jede*r Sechste im reichen Deutsch-
land ist arm oder von Armut bedroht. Die
Reichen haben viele Verbündete in der
Politik. Sie können ihrer Stimme mehr Ge-
wicht verleihen. Wir halten dagegen! Mehr
Gerechtigkeit und eine starke öffentliche
Daseinsvorsorge gibt es nur, wenn die
Unteren entlastet werden – und die Oberen
stärker belastet. Hohe Vermögen und
Einkommen, Erbschaften und Gewinne aus
Kapital und Aktien müssen stärker besteuert
werden. Damit finanzieren wir Investitionen
in eine gute öffentliche Versorgung und
einen Sozialstaat, der alle Menschen sicher
vor Armut schützt. Wir stärken solidarische
und ökologische Formen der Wirtschaft und
schaffen Arbeitsplätze. Das ist machbar,
und wir wissen, wie wir es bezahlen werden.
Es ist genug für alle da, wenn alle genug
beisteuern:
n DIE LINKE fordert eine Vermögensteuer
mit einem progressiven Tarif und einem
Freibetrag für Privatvermögen von 1 Million
Euro pro Person (ohne Schulden). Wer
etwa mit einer Eigentumswohnung in der
Innenstadt »Papiermillionär« ist, wird nicht
belastet. Das ist insbesondere wegen der
Entwicklung der Immobilienpreise wichtig,
die zu massivem Vermögenszuwachs für
Eigenheimbesitzer führten, was aber anders
als bei großen Immobilienhaien nicht mit
hohen Renditen einhergeht. Der Freibetrag
für Betriebsvermögen liegt bei 5 Millionen
Euro. Altersvorsorge soll von der Steuer
ausgenommen werden.
Der Eingangssteuersatz der Vermögen-
steuer startet bei 1 Prozent und steigt bis
zu einem Nettovermögen von 50 Millionen
Euro stetig an. Ab 50 Millionen Euro greift
der Höchststeuersatz von 5 Prozent. Das ist
angemessen, weil große Vermögen beson-
ders hohe Renditen abwerfen. Zudem ist bei
sehr großen Vermögen auch eine Umver-
teilung zulasten von Vermögenssubstanz
erforderlich. Die geschätzten Einnahmen
liegen dann jährlich bei 58 Milliarden Euro.
n Starke Schultern tragen mehr: Für die
Bewältigung der Coronakrise wollen wir
eine Vermögensabgabe erheben. Diese
soll für Nettovermögen über 2 Millionen
Euro (für Betriebsvermögen ist der Frei-
betrag 5 Millionen Euro) erhoben werden.
Die Vermögensabgabe ist progressiv von
10 bis 30 Prozent gestaffelt und kann über
zwanzig Jahre in Raten gezahlt werden. Die
jährliche Belastung des Nettovermögens
beträgt so zwischen 0,1 und 1,5 Prozent.
Die geschätzten Einnahmen liegen bei
310 Milliarden Euro über zwanzig Jahre.
n Erbschaftsteuer: Reichtum wird vererbt, –
meist ohne dass nennenswerte Steuern
bezahlt werden. Gerade die Superreichen
können ihr Millionenvermögen in Unterneh-
mensanteilen steuerfrei vererben oder ver-
schenken. Wir werden dafür sorgen, dass
die Steuerschlupflöcher geschlossen wer-
den. Zu dem Zweck sollen die heute existie-
87
renden Privilegien für Betriebsvermögen bei
Erbschaften und Schenkungen entfallen. Wir
werden die Erbschaftsteuer auf hohe Erb-
schaften erhöhen. Normales, selbstgenutztes
Wohneigentum bleibt freigestellt. Mehrein-
nahmen im Jahr: 8 bis 10 Milliarden Euro.
n Die Unternehmensteuern wurden schon
vor Jahren massiv gesenkt. Die Körper-
schaftsteuer muss wieder auf 25 Prozent
erhöht werden. Wir wollen den Wettlauf
der Unternehmen um Steuervermeidung
unterbinden und drängen auf europaweite
und globale Mindestsätze für Unternehmen-
steuern. Wenn Gewinne in Niedrigsteuerge-
biete verschoben werden, sollen sie in den
einzelnen Ländern, in denen ein Konzern
aktiv ist, nachversteuert werden. Wir werden
sicherstellen, dass Unternehmen und
Konzerne sich nicht den Steuern entziehen.
Megakonzerne wie Amazon wurden in der
Coronakrise noch mächtiger, zahlen aber
kaum Unternehmensteuer. Wir brauchen
deshalb eine Steuerreform, die solche Kon-
zerne stärker am Ort ihrer wirtschaftlichen
Aktivitäten und der Umsätze besteuert.
n Zudem müssen außerordentliche Gewin-
ne von Unternehmen wie Amazon, die wegen
der Coronakrise erzielt wurden, mit einer
Übergewinnsteuer (Excess Profit Tax) abge-
schöpft werden, um die Marktmacht der
Krisengewinner zu begrenzen.
n Umsatzsteuer: Für arbeitsintensives
Handwerk, Produkte für Kinder sowie Arz-
neimittel wollen wir ermäßigte Steuersätze.
n Steuerhinterziehung: Geldwäsche und
Subventionsbetrug wollen wir wirksamer
bekämpfen und somit Steueroasen – auch
»made in Germany« – austrocknen. Dafür
wollen wir eine Bundesfinanzpolizei aufbau-
en und das Personal im Steuervollzug be-
darfsgerecht aufstocken. Es ist realistisch,
mit einem konsequenteren Steuervollzug
und der Bekämpfung von Steuerhinter-
ziehung in Steueroasen jährlich etwa
15 Milliarden Euro mehr einzunehmen.
n Finanztransaktionssteuer: Wir dämmen
die Spekulation auf den Finanzmärkten ein.
Bei jeder Finanztransaktion soll ein Steuer-
satz von 0,1 Prozent fällig werden. Die ein-
genommenen Gelder sollen einerseits für
nachhaltige Entwicklung in den Ländern des
Südens und für globalen Klimaschutz und
andererseits für den sozialökologischen
Umbau unserer Industriegesellschaft
genutzt werden.
n Gemeindewirtschaftsteuer: Wir wollen
die bisherige Gewerbesteuer in eine
Gemeindewirtschaftsteuer umwandeln. Die
Bemessungsgrundlage wird ausgeweitet
(Pachten, Mieten, Leasingraten und Lizenz-
gebühren werden berücksichtigt) und gut
verdienende Selbstständige und Freiberuf-
ler werden einbezogen. Dafür werden wir
den Freibetrag auf 30.000 Euro anheben
und die festgesetzte Steuer bei der Einkom-
mensteuer berücksichtigen. Die Gewerbe-
steuerumlage wird abgeschafft, was Städte
und Gemeinden finanziell entlastet.
n DIE LINKE setzt sich für die Abschaffung
der Schaumweinsteuer ein.
Was langfristig wirkt, muss auch lang
fristig finanziert werden: Die Schulden-
bremse und der Europäische Fiskalpakt
blockieren langfristige Entwicklungen und
sollen Privatisierung vorantreiben.
n Die Schuldenbremse ist volkswirtschaft-
lich unsinnig und gehört abgeschafft.
Sie befördert die Privatisierung der öffent-
lichen Infrastruktur, die häufig noch teurer für
die Steuerzahler*innen ist, da die Allgemein-
heit dann den privaten Investoren hohe Ren-
diten finanzieren muss. Stattdessen müssen
wieder Kredite im Umfang der Investitionen
möglich sein. Denn die Zinsen, die der Staat
derzeit am Kapitalmarkt aufbringen muss,
sind extrem niedrig, und eine gute Infrastruk-
tur nützt auch noch unseren Enkelkindern.
Deshalb ist es sinnvoll, die Finanzierung von
Investitionen auch über Kredite zu strecken.
Solange die Schuldenbremse existiert und
eine Tilgungsverpflichtung für die Coronakre-
dite des Bundes besteht, muss die Tilgung
auf mindestens fünfzig Jahre gestreckt wer-
den. Aufwendungen für Zinszahlungen dürfen
den Verschuldungsspielraum nicht zusätzlich
einschränken. Dadurch wird der finanzielle
Spielraum auch innerhalb der Schuldenbrem-
se erweitert.
88
n Gerechter Haushalt: Bildung, Gesund
heit und Klimaschutz statt Aufrüstung.
Der Bundeshaushalt umfasst eine Erhöhung
der Militärausgaben. Die Bundesregierung
nähert sich weiter der Marke von 2 Prozent
des BIP für Rüstungsausgaben. Diese Priori-
tätensetzung ist falsch. Wir lehnen das ent-
schieden ab und fordern eine jährliche Sen-
kung der Militärausgaben. Auch der Abbau
klimaschädlicher Subventionen kann den
Bundeshaushalt entlasten. Insgesamt sind
Einsparungen im Umfang von 12 Milliarden
Euro jährlich problemlos möglich.
n Mit diesen Mehreinnahmen können wir
den Einstieg in eine solidarische Gesell
schaft finanzieren: bessere soziale Sicher-
heit, mehr Personal in Bildung, Gesundheit
und Pflege und einen Neustart im gemein-
nützigen Wohnungsbau, Barrierefreiheit und
den Einstieg in einen sozialökologischen
Umbau der Wirtschaft. Unsere Forderungen
sind gegengerechnet und realistisch.
Einkommensteuer gerecht reformieren
Auch die Besteuerung von Einkommen wollen
wir gerechter machen. Niedrige und mittlere
Einkommen wollen wir entlasten. Hohe Ein-
kommen müssen stärker besteuert werden.
Als Faustregel gilt: Wer (als Single, Steuer
klasse I) weniger als 6.500 Euro im Monat
brutto hat, zahlt nach unserem Tarif we
niger Steuern. Alle haben Vorteile von der
verbesserten öffentlichen Daseinsvorsorge
und den geringeren Beiträgen zu unserer
solidarischen Gesundheitsversicherung.
n Alle zu versteuernden Einkommen unter
14.400 Euro im Jahr bleiben steuerfrei.
Der Steuerverlauf wird abgeflacht. Gerade
mittlere Einkommen profitieren, da ein
höherer Freibetrag bedeutet, dass nur auf
das darüberhinaus gehende Einkommen
überhaupt Steuern gezahlt werden müssen.
n Höhere Einkommen wollen wir stärker
besteuern. Ab 70.000 Euro zu versteuerndem
Einkommen im Jahr beträgt der Steuersatz 53
Prozent. Zu versteuerndes Einkommen bedeu-
tet: das, was vom Bruttoeinkommen nach den
üblichen Abzügen (pauschale Freibeträge und
Sonderausgaben) übrigbleibt. 70.000 Euro zu
versteuerndes Einkommen entspricht etwa
81.000 Euro Bruttoverdienst eines*einer Allein-
stehenden ohne Kinder. 53 Prozent Steuer-
satz gilt für das Einkommen ab 70.000 Euro.
Der durchschnittliche Steuersatz für 70.000
Euro Einkommen liegt bei circa 30 Prozent.
n Wir sehen zwei Stufen einer gesonderten
Reichensteuer vor: 60 Prozent für Einkom-
men oberhalb der aktuellen Reichensteuer-
grenze von 260.533 Euro und 75 Prozent für
Einkommen oberhalb von 1 Million Euro zu
versteuerndem Einkommen.
n Einkommen aus Kapitalerträgen sollen
nicht weiter bevorzugt werden, sondern
nach denselben Sätzen versteuert werden
wie alle Einkommen. Die Abgeltungsteu-
er von 25 Prozent werden wir abschaffen,
Einschränkungen der Verrechnung von
Verlusten aus Kapitalvermögen sowie den
Sparerpauschbetrag allerdings beibehalten.
n Das Ehegattensplitting wird mit sozialver-
träglichen Übergangsregelungen durch eine
geschlechtergerechte Individualbesteue-
rung ersetzt. Dabei muss das nicht ausge-
schöpfte steuerliche Existenzminimum zwi-
schen Eheleuten bzw. Lebenspartner*innen
übertragbar sein.
n Bei Entlassungen wollen wir Steuerfreibe-
träge für Abfindungen wieder einführen.
n Die Entfernungspauschale wird durch
ein Mobilitätsgeld ersetzt, das pro Ent-
fernungskilometer zur Arbeitsstätte allen
Arbeitnehmer*innen unabhängig von ihrem
Einkommen dieselbe Steuerbegünstigung
verschafft.
n DIE LINKE will den Solidaritätszuschlag
für hohe Einkommen erhalten und zu einem
Solidaritätspakt III umbauen. Der Soli ist die
sozial gerechteste Steuer: mit der stärks-
ten Entlastung im unteren Bereich und für
Menschen mit Kindern – und der stärksten
Belastung für die im oberen Bereich, beson-
ders Menschen ohne Kinder.
n DIE LINKE fordert einen Solidarpakt III
zur Bewältigung des Strukturwandels in
Regionen in und nach dem industriellen
Umbruch. Das finanzielle Volumen muss an
den Solidarpakt II anknüpfen, deshalb fordern
89
wir mindestens 10 Milliarden Euro jährlich
aus Bundesmitteln für den Strukturwandel
und Kohäsion zur Verfügung zu stellen.
Unser Solidarpakt III richtet sich an alle
strukturschwachen Regionen in Deutsch-
land. Wir schlagen für die Planungssicherheit
einen Zeitraum bis 2035 für den Solidarpakt
III vor und somit ein Gesamtvolumen von
mindesten 150 Milliarden Euro.
n Grunderwerbsteuer und Share Deals.
Durch steigende Immobilienpreise und die
in fast allen Bundesländern angehobenen
Steuersätze der Grunderwerbsteuer
ist die Steuerbelastung für die meisten
Immobilienerwerbe deutlich gestiegen.
Immobilienkonzerne hingegen, die große
und sehr große Immobilienpakete kaufen,
kommen durch sogenannte Share Deals
meist davon, ohne Steuern zu zahlen. Sie
kaufen formal nicht die Immobilien, son-
dern die Mehrheit (bis zu 90 Prozent) der
Anteile (englisch »shares«) an den jeweiligen
Firmen, die die Immobilien besitzen. Wir for-
dern eine Reform der Grunderwerbsteuer,
sodass auch anteilige Immobilienkäufe (ab
über 50 Prozent) dann entsprechend auch
anteilig besteuert werden. Dadurch werden
Share Deals weitgehend unattraktiv.
n Gemeinnützigkeit. In den vergangenen
Jahren wurde immer mehr politisch enga-
gierten Vereinen vom Finanzamt oder vor
Gericht die Gemeinnützigkeit aberkannt.
Die Demokratie lebt jedoch von ihrer Be-
teiligung und von einer vielfältigen Debatte.
Wir brauchen eine Reform des Gemeinnüt-
zigkeitsrechts mit einer Ausweitung der als
gemeinnützig anerkannten Zwecke (zum
Beispiel die Förderung der Menschen- und
Grundrechte, des Friedens, des Klimaschut-
zes oder der sozialen Gerechtigkeit). Die
Mitwirkung an der politischen Willensbil-
dung muss ausdrücklich als unschädlich für
die Gemeinnützigkeit benannt werden, ob
zur Verfolgung eigener Zwecke oder darüber
hinaus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit
und Menschenrechte. Dabei ist zu beachten,
dass es nicht zu einer verdeckten Partei-
enfinanzierung kommt und die Grenzen zur
Parteienfinanzierung gewahrt sind. Auch
darf die Erwähnung eines Vereins in einem
Verfassungsschutzbericht des Bundes oder
der Länder nicht mehr automatisch zur Aber-
kennung der Gemeinnützigkeit führen, wie es
zuletzt im Fall der VVN/BdA passiert ist.
n Die Nutzung gemeinnütziger Stiftungen
zur Steuervermeidung muss stärker einge-
schränkt werden.
n Steuervollzug. Die großen Probleme im
Steuervollzug müssen endlich gelöst werden.
Dazu braucht es einerseits deutlich mehr
Personal und IT-Kapazitäten der Finanzbe-
hörden, mindestens ebenso wichtig ist aber
eine bundesweit einheitliche Umsetzung
und Durchsetzung der Steuergesetze des
Bundes. Die Frequenz, mit der Großbetriebe
und reiche Einzelpersonen durch Betriebs-
und Steueraußenprüfungen kontrolliert wer-
den, variiert stark zwischen den Ländern.
Wir brauchen viel häufigere und intensivere
Steuerprüfungen für Unternehmen und reiche
Einzelpersonen. Die wirksame Lösung für
diese interessengeleitete Kleinstaaterei
wäre die Übertragung des Steuervollzugs
auf die Bundesebene (»Bundessteuerver-
waltung«). Auch bei der Verfolgung und
Bekämpfung halblegaler und verbotener
Steuergestaltungsmodelle sind die Finanz-
behörden oft untätig (vgl. folgendes Kapitel).
Die Macht der Banken und
Finanzmärkte brechen
Mehr als zehn Jahre nach der Finanz- und
Weltwirtschaftskrise sind deren Ursachen
nicht überwunden. Die Regierung hat es
versäumt, das Finanzsystem grundlegend
zu verändern und auf die Interessen der
Mehrheit der Bevölkerung auszurichten.
Dafür braucht es den Mut, sich mit den
Großbanken, Hedgefonds und den Multi-
milliardären anzulegen. Wir wollen die
Gesellschaft und die Demokratie aus dem
Würgegriff der Finanzkonzerne befreien:
n Aus kapitalgedeckter Altersvorsorge
fließen den Finanzmärkten Milliardenbe-
träge zu. Wir wollen die Rentenprivatisie-
rungen zurücknehmen und die Mittel der
Spekulation entziehen (vgl. Kapitel »Rente«).
n Gerade die hochkomplexen Finanzins-
trumente (zum Beispiel Derivate höheren
Grades), von denen im Krisenfall die größten
90
Risiken ausgehen, nutzen dem Gemeinwe-
sen kaum DIE LINKE will den Finanzsektor
deshalb auf eine dienende Funktion für Ge-
sellschaft und Realwirtschaft zurückführen.
Die Finanzmärkte sollen entschleunigt und
im Volumen geschrumpft werden.
n Wenn immer größere Teile der öffent-
lichen Daseinsvorsorge privat organisiert
werden, dann müssen Renditen erwirt-
schaftet werden, der Finanzmarkt über-
nimmt die Kontrolle. Wir wollen Kranken-
haus-, Pflege- und Immobilienkonzernen
die Börsenzulassung entziehen.
DIE LINKE will den Finanzsektor auf gesell-
schaftlich sinnvolle Kernaufgaben konzen-
trieren. Das sind vor allem Angebote im
Bereich Zahlungsverkehr und sicherer Erspar-
nisbildung sowie die Finanzierung privater
und öffentlicher Investitionen. Die Banken
sollen auf ein an den Bedürfnissen der Real-
wirtschaft und der Gesellschaft orientiertes
Geschäftsmodell zurückgeführt werden:
n Die Basis eines neuen Finanzsektors sind
Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Sie wollen wir fördern. Die Geschäfts-
banken müssen wie Sparkassen auf das
Gemeinwohl verpflichtet werden.
n Der überwiegende Teil des sogenannten
Kapitalmarktgeschäfts der Banken folgt
spekulativen Motiven. Sie dienen nicht
den Bedürfnissen der Realwirtschaft oder
der Mehrheit der Bevölkerung. Kurzfristig
ausgerichtetes Investmentbanking – das
nur in Betriebe investiert, um schnell hohe
Renditen zu erzielen – wollen wir als Ge-
schäftsfeld abwickeln. Schattenbanken,
außerbilanzielle Zweckgesellschaften,
Derivate, Hedgefonds und Private Equity
Gesellschaften müssen aufgelöst oder
streng reguliert werden. In diesem Sinne
muss Banking wieder langweilig werden.
Die Spekulation mit Agrarrohstoffen und
Nahrungsmitteln wollen wir verbieten.
n Mit einer demokratischen Kontrolle der
Banken durch Vertreter von Beschäftigten,
Gewerkschaften und öffentlicher Hand
könnten die Ressourcen der Banken dazu
genutzt werden, die Wirtschaft im Inte-
resse der Mehrheit der Bevölkerung zu
lenken. Nur so können die Einlagen der
Kleinsparer*innen geschützt und Gewer-
betreibende mit günstigen Krediten
versorgt werden. In den Kontrollgremien
müssen auch Sozialverbände, Verbraucher-
schutz- und Umweltverbände und andere
zivilgesellschaftliche Akteure vertreten sein.
n Alle Menschen müssen einen Rechts-
anspruch auf ein kostenfreies Girokonto
erhalten. Dispozinsen wollen wir auf
höchstens 5 Prozent oberhalb des Zins-
satzes der Zentralbank begrenzen.
Finanzkriminalität stoppen!
Deutschland ist ein Paradies für Finanz-
kriminalität und Geldwäsche. Die großen
privaten Wirtschaftsprüfungs- und Bera-
tungsunternehmen sind zu mächtig – das
zeigt der Wirecard-Skandal.
Bei den sogenannten Cum / Ex- und Cum-
Cum-Geschäften ließen sich kriminelle
Händler auf dem Finanzmarkt vom Staat
Steuern erstatten, die nie bezahlt wurden.
Ein Netzwerk aus Banken, Beratern,
Anwälten und Investoren bereicherte
sich so auf Kosten der Allgemeinheit. Der
Schaden in den letzten zwanzig Jahren wird
auf über 35 Milliarden Euro geschätzt.
Cum / Ex- und Cum-Cum-Geschäfte verhin-
dern: Steuerbetrug mit Cum / Ex-ähnlichen
Aktiengeschäften muss endlich wirksam
unterbunden werden. Deshalb brauchen
wir einen automatisierten und daten-
bankgestützten Abgleich zwischen jenen,
die Erstattung von Kapitalertragsteuern
beantragen, und jenen, die tatsächlich
Kapitalertragsteuern entrichtet haben.
Geldwäsche bekämpfen
n Die Strafverfolgung muss verbessert
werden. Ohne ein Strafrecht für Unter-
nehmen kommen die großen Banken in
Beihilfeverfahren oft glimpflich davon. Wir
brauchen ein solches Unternehmens-
strafrecht, um nicht nur einzelne Personen,
sondern große Konzerne zur Verantwortung
zu ziehen. Das erfordert wirksame Sanktio-
nen und Verschärfungen im Kreditwesen-
gesetz, um Banken bei wiederholter Beihilfe
zu Straftaten die Lizenz zu entziehen.
91
n Die Antigeldwäscheeinheit des Zolls (FIU)
hat im Kampf gegen Geldwäsche versagt
und verfügt nicht über kriminalistisch
geschultes Personal. Wir brauchen eine
stärkere Einbeziehung der Kriminalämter
in die Analyse von Geldwäscheverdachts-
meldungen. Insbesondere der Immobili-
en- bzw. Nichtfinanzsektor sowie die neuen
Fintech-Unternehmen, die Zahlungen im
Internet abwickeln oder Kryptotechnologie
nutzen, müssen besser beaufsichtigt werden.
n Eigentumsstrukturen müssen aufge
deckt werden: Das 2017 eingeführte
Transparenzregister zur zentralen Identi-
fikation der Eigentümer von Firmen und
Stiftungen enthält zu viele Schlupflöcher
bei den Meldepflichten und ist nicht euro-
päisch vernetzt. Wir brauchen ein Immobi-
lienregister mit den wahren Eigentümern
von Immobilien und Grundstücken.
n Finanzaufsicht reformieren, finanziellen
Verbraucherschutz stärken: Jede Geld- und
Vermögensanlage sowie jedes Kreditge-
schäft muss erfasst und durch ein laufendes
materielles Prüfungsrecht (Produktaufsicht)
der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (BaFin) unterstellt werden.
Die BaFin muss durch mehr Personal mit
Wirtschaftsprüferexamen zu einer eigen-
ständigen Bilanzkontrolle befähigt werden.
n Die Macht der großen Wirtschaftsprüfer
(»Big Four«) brechen: Wirtschaftsprüfer
dürfen nicht länger gleichzeitig prüfen und
beraten. Das Haftungsprivileg der Wirt-
schaftsprüfer und die damit verbundene
Haftungsgrenze von 4 Millionen Euro bei
Aktiengesellschaften gehören abgeschafft.
Wir brauchen ein Vieraugenprinzip (Joint
Audits) sowie eine Poolfinanzierung der Wirt-
schaftsprüfer, damit nicht das zu prüfende
Unternehmen die Prüfer direkt bezahlt.
Wirtschaftsprüfer müssen alle drei bis fünf
Jahre rotieren.
n Finanz TÜV einführen: In Zukunft
sollen nur noch solche Finanztransaktionen
und -instrumente erlaubt sein, die auch einen
gesamtwirtschaftlichen und/ oder gesell-
schaftlichen Nutzen stiften. Statt wie bisher
alle Finanzpraktiken zuzulassen, die nicht
ausdrücklich verboten sind, müssen Finan-
zinstrumente in Zukunft eine ausdrückliche
Zulassung durch einen »Finanz-TÜV« erhalten,
bevor sie in Umlauf gebracht werden dürfen.
Steueroasen trockenlegen
Durch Steueroasen und Steuertricks entzie-
hen die Reichen und Konzerne der Allge-
meinheit jedes Jahr Hunderte Milliarden Euro.
n Geldströme werden oft über Briefkasten-
firmen und andere Rechtskonstrukte ver-
schleiert. Das wollen wir unmöglich machen.
Transnationale Konzerne sollen dazu ver-
pflichtet werden, ihre Kerndaten wie ihre
Wertschöpfung, Umsätze, Gewinne und
Steuerzahlungen länderweise offenzulegen.
n Doppelbesteuerungsabkommen mit unko-
operativen Staaten müssen sofort gekündigt
und ihren Finanzinstituten muss die Lizenz in
Deutschland entzogen werden. Durch eine
Quellensteuer von 50 Prozent auf alle in nicht
kooperative Staaten abfließenden Zahlungen,
auf Dividenden, Zinsen und Lizenzabgaben
von Unternehmen wollen wir Steuer flucht
unattraktiv machen. Das ist auch im na-
tionalen Alleingang sofort möglich. Die
Beweislast muss bei den Unternehmen und
Vermögenden liegen durch eine Anrech-
nung der Quellensteuer nur bei Offenlegung
aller steuerrelevanten Informationen.
n Wir wollen die Verlagerung von Konzern-
gewinnen ins Ausland bekämpfen: Beste-
hende Steuerbefreiungen für ins Ausland
abfließende Kapitalerträge müssen abge-
schafft werden. Steuervorteile für in einem
Niedrigsteuerland erzielte Kapitaler träge
wollen wir beseitigen: Die Steuerdifferenz
muss in Deutschland erhoben werden.
n Strafverfolgungsbehörden und Finanz-
ämter müssen personell, technisch und
vom gesetzlichen Rahmen her in die Lage
versetzt werden, Steuerhinterziehung als
Geschäftsmodell konsequent zu verfolgen.
Jede*r Steuerfahnder*in bringt etwa1 Milli-
on Euro mehr ein, als sie oder er kostet.
n Banken, Wirtschaftsprüfer*innen und
Kanzleien, die Beihilfe zur Steuerhinter-
ziehung leisten, müssen empfindlich
bestraft werden – bis hin zum Entzug der
92
Bank- bzw. Geschäftslizenz. Nach dem
Vorbild des US-amerikanischen Foreign
Account Tax Compliance Act (FATCA)
werden Finanzinstitute zur Weitergabe
von steuerrelevanten Infor mationen
verpflichtet.
Für eine Digitalisierung, die den Menschen nützt
Die Digitalisierung kann Chancen eröffnen
für selbstbestimmtes Arbeiten und Leben,
für neue Formen der Demokratie, die Alltag,
Arbeit und Wirtschaft einschließen. Die
Digitalstrategie der Bundesregierung ist
jedoch eine milliardenschwere Subvention
für private Konzerne. Die Unternehmer-
verbände trommeln für weitere »Flexibili-
sierung der Arbeit«, für den Zwölfstundentag.
Sie nutzen das Schlagwort »Digitalisierung«
für die Aushöhlung von Rechten der Be-
schäftigten und als Gelegenheit, Gelder für
öffentliche Dienstleistungen in ihre privaten
auf ihre privaten Konten umzulenken. Auf
dem neoliberalen Weg wird Digitalisierung
zu mehr prekärer Arbeit führen, die soziale
Spaltung vertiefen, werden Überwachungs-
technologien und wachsende Konzernmacht
die Demokratie weiter aushöhlen. Wir wollen
die Gestaltung der Digitalisierung den Profi-
tinteressen der Konzerne entziehen, um
Wohlstandsgewinn für alle Menschen zu
nutzen. Wem die Digitalisierung nutzt, wird
jetzt entschieden.
Beschäftigte und ihre Rechte stärken
Im Betrieb genutzte Digitaltechnologien
und digitalisierte Arbeitsprozesse müssen
den Beschäftigten zugutekommen. Richtig
eingesetzt, können Sie die Vereinbarkeit von
Berufs- und Privatleben fördern und mehr
Freiheit bei der Wahl von Arbeitsort und
Arbeitszeit schaffen. Das ist einem Vorgehen
entgegenzusetzen, bei dem Unternehmen
in digitale Arbeitsabläufe investieren, um
sich Gewinnmöglichkeiten zu sichern, den
Arbeitsdruck zu erhöhen und Arbeit zu ver-
dichten. In dieser Logik ermöglicht die Arbeit
in digitalen Umgebungen eine umfassende
Leistungs- und Verhaltenssteuerung. Digitale
Plattformen werden genutzt, um Arbeits-
rechte auszuhebeln. Dass das auch anders
geht, zeigen unsere Forderungen und Ziele.
n Die Arbeitszeit in Vollzeit wollen wir
auf dreißig Stunden pro Woche mit vollem
Lohn- und notwendigem Personalaus
gleich verkürzen. Dabei unterstützen wir
die Gewerkschaften in ihrem Kampf (vgl.
Kapitel »Gute Arbeit«).
n Das Mitbestimmungsrecht von
Betriebs und Personalräten muss bei
der Einführung von Digitaltechnologien und
digitalen Arbeitsprozessen gestärkt und er-
weitert werden, damit Betriebs- und Dienst-
vereinbarungen im Interesse der Beschäftig-
ten getroffen werden können. Betriebs- und
Personalräte müssen über Personalbemes-
sung, Leistungsanforderungen und Weiter-
bildungsbedarf mitbestimmen können und
Initiativrecht erhalten. Die Auslagerungs
möglichkeit auf Subunternehmen muss
eng begrenzt werden und an die Fortgel-
tung der bestehenden Tarifverträge gebun-
den werden (vgl. Kapitel »Gute Arbeit«).
n Über Plattformen Beschäftigten
müssen die vollen Arbeits und Mitbe
stimmungsrechte sowie Sozialver
sicherungsschutz zustehen. Das betrifft
auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
sowie die Pflicht der Arbeitgeber*innen, die
Arbeitsgeräte zu stellen. Der Betriebsbegriff
muss angepasst und die Beschäftigten-
eigenschaft klargestellt werden. Beschäf-
tigte müssen das Recht haben, für mehrere
Plattformen gleichzeitig zu arbeiten. Gewerk-
schaften brauchen ein digitales Zugangs-
recht zu Betrieben, insbesondere wenn sie
über digitale Plattformen organisiert sind.
n Wir brauchen ein Beschäftigtendaten
schutzgesetz, das die Verwertung der im
Arbeitsprozess digital anfallenden personen-
bezogenen Daten sowie die Überwachung
von Beschäftigten verbietet und Verstöße
hart sanktioniert.
n Wir wollen die Rechte von Beschäftigten
bei mobilem Arbeiten stärken (vgl. Kapitel
»Gute Arbeit«).
93
Die Macht der Internetkonzerne
und Plattformen begrenzen
Technologische, wirtschaftliche und poli-
tische Macht ist extrem konzentriert in den
Händen einiger weniger Digitalkonzerne.
Die »Big Five«, Google, Amazon, Facebook,
Apple und Microsoft vereinen enormes
Vermögen, Markt- und Monopolmacht: über
6,4 Billionen US-Dollar (Juli 2020).
In der Pandemie haben sie ihre Profite
weiter gesteigert.
Wir brauchen ein Kartellrecht, das auch
online scharfe Zähne hat: Monopole müssen
zerschlagen werden. Wir setzen auf com-
monsbasierte öffentliche Alternativen.
Nur so haben alternative Plattformen
eine Überlebensmöglichkeit und können
für viele Menschen attraktiv werden. Auf
europäischer Ebene setzen wir uns für
Richtlinien und Vorgaben zur Entflechtung
marktbeherrschender Monopole ein. Es
darf nicht den Profitinteressen dieser
Konzerne überlassen bleiben, über Inhalte
und Zugang zum Internet zu entscheiden.
n Digitalkonzerne müssen in den Ländern
Steuern zahlen, in denen sie wirtschaft
lich aktiv sind. Dazu fordern wir eine stär-
kere Quellenbesteuerung der Gewinne am
Ort der Umsätze und die Einschränkung
der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben
(zum Beispiel Lizenzgebühren), die einzig
der Gewinnverlagerung dienen. Das Konzept
der virtuellen Betriebsstätte muss auch im
Steuerrecht verankert werden.
n Wir wollen Plattformgenossenschaften
und öffentlich-rechtlich betriebene Platt-
formen als Alternativen fördern. Durch ein
Plattformstrukturgesetz wollen wir
Selbstbegünstigung der IT-Unternehmen
verbieten, Datenschutz sicherstellen und
die Interoperabilität und Portabilität der
Nutzerdaten sanktionsbewehrt garantieren.
Alle kommerziellen Dienste und Software-
hersteller müssen verpflichtet werden,
den Import und Export aller persönlichen
Inhalte in offenen Formaten anzubieten.
Diese Hersteller müssen auch verpflichtet
werden, auf ihren Plattformen die Nutzung
auf ihre privaten Konten mit ihren Diensten
konkurrierenden Angeboten zu ermöglichen.
n Kommerzielle Softwarehersteller müssen
verpflichtet werden, alle gängigen und
insbesondere freie Betriebssysteme und
Plattformen zu unterstützen, um fairen
Wettbewerb zwischen Betriebssystemen
zu ermöglichen und Nutzer*innen die freie
Wahl zwischen Betriebssystemen zu lassen.
Auch kommerzielle Software muss ihren
Quellcode mitliefern.
n Plattformen wie Airbnb müssen ver-
pflichtet werden, ihre Daten mit öffent-
lichen Behörden zu teilen. Wettbewerber
sollen ein Zugriffsrecht auf Daten
von Plattformen bekommen, die auf
Datenmonopolen basieren. Das kann
über Treuhänder organisiert werden.
Airbnb wollen wir durch eine gemein-
wohlorientierte Alternative für rein
privaten Wohnungstausch ersetzen (vgl.
Kapitel »Keine Profite mit der Miete«).
n Den Einsatz von Uploadfiltern und Netz-
sperren lehnen wir ab. Plattformbetreiber
dürfen weder verpflichtet werden, ohne
richterlichen Beschluss Inhalte zu löschen,
noch dürfen große Plattformen sich ihr eige-
nes Parallelrecht ohne öffentliche Kontrolle
schaffen. Gegen Desinformation brauchen
wir eine stärkere Medienbildung statt Zensur.
Digitale Infrastruktur für alle ausbauen
Die profitorientierten Mobilfunkbetreiber
haben kein Interesse an einem flächen-
deckenden Netzausbau. Zahlreiche Men-
schen leben immer noch in Regionen mit
schlechtem Internet. Der Netzausbau muss
am Ziel zuverlässiger Versorgung und am
Gemeinwohl orientiert erfolgen. Dazu
müssen die Breitband- und Mobilfunknetze
in öffentliche Hand.
n Wir fördern den Glasfaserausbau mit
Investitionen von 10 Milliarden Euro jährlich
in ganz Deutschland. Die Kommunen sollen
94
die Netze dauerhaft in öffentlicher Hand
betreiben können. Alle Wohnungen sollen
Glasfaseranschluss (FFTH) erhalten. Wir
wollen ein einheitliches Mobilfunknetz
aus einer Hand, das eine Abdeckung der
gesamten Fläche sichert. Ein einziges Netz
ist kostengünstiger als parallele Netze und
mindert die Strahlenbelastung. Die Konkur-
renz der Anbieter führt zu unnötigen Mehr-
fachstrukturen und an vielen Stellen zu
gar keinem Netz. Netzausbau und -betrieb
sollen deswegen durch die öffentliche Hand
erfolgen. Das sichert eine flächendeckend
gute Netzqualität sowie die Arbeitsbedin-
gungen der Beschäftigten. Eine bundes-
eigene Gesellschaft betreibt das öffentliche
Mobilfunknetz. Die Telekommunikations-
unternehmen können ihre Dienstleistungen
über das öffentliche Netz anbieten.
DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass alle
Menschen digitale und andere öffentliche
Dienstleistungen nutzen können, unab-
hängig vom Geldbeutel. Internet muss zur
Grundversorgung zählen. Telefonanschluss
und Internet dürfen (wie Strom und Wasser)
nicht abgestellt werden, auch nicht bei
Zahlungsrückstand.
n Die Kosten dafür müssen in der Mindest-
sicherung berücksichtigt werden, ebenso
für die Endgeräte.
n Jedes Kind braucht von der Schule ein
kostenfreies Leihgerät für die gesamte
Schulzeit. Die Leihgeräte sind mit quell-
offenen Betriebssystemen und freier
Software sowie jugendgerecht auszustatten
(vgl. Kapitel »Eine Schule für alle«).
n Wir wollen wohnortnahe soziale Zentren
in den Dörfern schaffen, die als Orte der
Begegnung dienen und grundlegende Dienst-
leistungen wie Post, Bank und öffentlichen
Internetzugang anbieten.
n Die öffentliche Hand einschließlich öffent-
licher Unternehmen soll Ende-zu-Ende
verschlüsselte Kommunikationswege via
E-Mail und Chat bereitstellen, die anbieter-
unabhängig betrieben und dezentral genutzt
werden können.
n Es muss immer auch nichtdigitale Arten
geben, eine Karte fürs Schwimmbad und
einen Termin beim Amt etc. zu bekommen,
um sicherzustellen, dass niemand ausge-
schlossen wird. Digitale Angebote dürfen
nicht zum Personalabbau im öffentlichen
Dienst genutzt werden.
n Netzneutralität muss grundgesetzlich
gesichert werden.
Digitale Infrastruktur für alle
barrierefrei ausbauen
Die beschleunigte Digitalisierung der Gesell-
schaft und die damit in Zusammenhang
stehende wachsende mediale Abhängigkeit
von profitorientierten Unternehmen bergen
hohe Risiken für das gleichberechtigte Zu-
sammenleben der Menschen. Immer mehr
Menschen werden ausgegrenzt – Menschen
mit Behinderung, alte Menschen und Men-
schen – darunter viele Kinder und Jugen-
dliche – aus armen Verhältnissen. DIE LINKE
macht sich gegen den immer stärkeren
Trend stark, Menschen auszugrenzen,
und will stattdessen Chancen nutzen, die
digitalen Beteiligungsmöglichkeiten in allen
Lebensbereichen zu erhöhen.
Allerdings gibt es vielfältige Barrieren, die
es Anwender*innen erschweren oder gar
unmöglich machen, das Internet, digitale
Systeme und Software umfassend zu
nutzen. Gerade in den letzten Monaten
ist ein deutliches Ungleichgewicht bei
der Sicherstellung des alltäglichen Lebens
deutlich geworden, vor allem bei der
Gesundheitsversorgung, der Teilhabe an
digitaler Bildung, Arbeit, im sozialen Leben
und bei politischer Partizipation sowie bei
der Befriedigung elementarer Grundbe-
dürfnisse, zum Beispiel bei der Erledigung
von Bankgeschäften, beim Onlineeinkauf
oder bei der Nutzung von Mobiltelefonen.
DIE LINKE will die digitalen Beteiligungs-
möglichkeiten der Menschen in allen
Lebensbereichen erhöhen, um der zuneh-
menden Ausgrenzung insbesondere von
Menschen mit Behinderung, alten Menschen
sowie Menschen aus armen Verhältnissen
entgegenzuwirken. Dazu braucht es inklu-
sive digitale Formate und die ausreichende
95
Bereitstellung der dafür benötigten finanz-
iellen Mittel, um den gleichberechtigten und
chancengerechten Zugang zu Produkten
und Dienstleistungen für alle sicherzustellen.
Datensicherheit und Datenschutz
Wenn künftig Autos, Kühlschränke und
Stromzähler digital gesteuert und ans Inter-
net angeschlossen sein sollen, muss schon
bei der Herstellung ausgeschlossen werden,
dass Unberechtigte sich Zugriff zu diesen
Systemen, den Daten der Nutzer*innen und
die Kontrolle über diese Geräte verschaffen
können. Dies betrifft besonders IT- und IoT-
Geräte in Haushalten und kleinen Betrieben.
Die Verantwortung für Sicherheit der Daten
muss »by Design« gewährleistet sein und
darf nicht auf die Nutzenden abgeschoben
werden. Wir müssen darauf vertrauen
können, dass unser Onlinebanking, unsere
elektronische Krankenakte, unsere Daten
bei allen Ämtern sicher sind und nicht in
falsche Hände geraten. Anbieter der Techno-
logien müssen die Sicherheit wirksam
gewährleisten.
n Die Haftung der Hersteller für IT
Sicherheit muss ausgeweitet werden.
Wir brauchen gesetzliche Vorgaben zur
Produktlebensdauer, die den verpflichtenden
Support und Sicherheitsupdates für diese
Zeit vorsehen. Per Verordnung muss Secu-
rity by Design und by Default vorgeschrieben
werden. Das sollte auf europäischer Ebene
als Regelung für den Binnenmarkt umgesetzt
werden. Eine Sicherheitszertifizierung muss
obligatorisch für den Marktzugang werden.
n Der Aufkauf von Informationen über
und Beauftragung von Sicherheits
lücken in IT Systemen durch Geheim
dienste muss verboten und unterbunden
werden. Sie gefährden die Datensicherheit
für alle, da diese Sicherheitslücken nicht
nur vom Staat, sondern auch von Kriminellen
ausgenutzt werden. Es muss eine Verpflich-
tung zur Meldung von Sicherheitslücken
geben. Forschung zur IT-Sicherheit muss
stärker gefördert werden und darf nicht
kriminalisiert werden.
n Im Bereich der Abwehr von Angriffen auf
die IT-Sicherheit haben Bundeswehr und Ge-
heimdienste nichts zu suchen, stattdessen
werden wir die Unabhängigkeit des Bun
desamts für die Sicherheit in der Informa
tionstechnologie (BSI) stärken und dessen
Beratungs- und Hilfsangebote ausbauen.
n Wir setzen uns gegen die Bestrebungen
der EU-Kommission ein, Ende-zu-Ende-Ver-
schlüsselung zu kriminalisieren. Die Mög-
lichkeit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
ist essenzieller Bestandteil des Grundrechts
auf informationelle Selbstbestimmung.
n Wir wollen Entwicklung und Betrieb von
Open Source Betriebssystemen und
Anwendungen staatlich fördern, um die
Nachvollziehbarkeit, Kontrolle und Verbes-
serung der Systeme zu ermöglichen. Die
Möglichkeit der Überprüfung hilft, Fehler zu
finden und auszubessern, auch ehrenamtlich
und nicht nur über Verträge und Geldfluss
mit Softwarefirmen. Mit der Förderung von
Open-Source-Technologien lässt sich auch
die Entwicklung von Privacy-by-Design-
Standards verbinden. Öffentliche Stellen
müssen zur Anwendung von Open-Source-
Technologie verpflichtet werden, um die
vollständige Kontrolle der Behörden und
der Gesellschaft über die eingesetzte
Technologie zu gewährleisten. Der Bund
soll Geld zur Verfügung stellen, um auch
die Instandhaltung von freien Betriebssys-
temen zu unterstützen. Die Interessen von
Nutzer*innen und Beschäftigten am Schutz
ihrer Daten und Persönlichkeitsrechte
bei der Nutzung digitaler Systeme müssen
gegenüber dem Interesse von Unternehmen,
durch Aus- und Verwertung möglichst
großer Datenmengen neue Geschäftsmo-
delle zu entwickeln, verteidigt werden.
n Die Nutzung öffentlich zugänglicher
Angebote muss möglich sein, ohne dass die
dabei entstehenden Daten wirtschaftlich
verwertet werden, wie derzeit durch Tracking,
Profilbildung und personalisierte Werbung.
Geschäftsbedingungen müssen allgemeinver-
ständlich sein und die Möglichkeit beinhalten,
die Weiterverwendung der anfallenden Daten
auszuschließen. Den Geschäftsbedingungen
muss eine vereinfachte und barrierefreie
Fassung beigefügt sein.
96
n Die Datenschutzgrundverordnung muss
gefestigt und erweitert werden. Unterneh-
men, die gegen Datenschutzauflagen ver-
stoßen, sind konsequent zu sanktionieren.
Dazu gehört eine Stärkung der Daten-
schutzbehörden.
n Es muss möglich sein, Daten zwischen
verschiedenen sozialen Netzwerken zu
teilen. Wir wollen eine Wahlfreiheit durch
Interoperabilität und Datenportabilität
zwischen den Diensten. Das darf nicht
zulasten von Sicherheitsstandards gehen.
n Verträge müssen auf die gleiche Art künd-
bar sein, in der sie abgeschlossen wurden.
Grundrechte schützen
DIE LINKE steht für eine lebendige Demo-
kratie. Die digitalen technischen Möglich-
keiten dürfen nicht zur Überwachung der
Bürger*innen und zur Einschränkung der
Demokratie genutzt werden.
n Videoüberwachung im öffentlichen
Raum muss beendet werden. Automa-
tisierte Gesichtserkennung wollen wir
verbieten. Wir brauchen stattdessen mehr
Personal im öffentlichen Raum und auf
Bahnhöfen, das Unterstützung, Auskunft
und Hilfe bieten kann. Eine Kamera verhin-
dert keine Gewalt und leistet keine Hilfe.
n Wir lehnen die anlasslose Vorhaltung und
zentrale Speicherung von biometrischen
Daten wie Fotos von Gesichtern und Finger-
abdrücken ab. Entsprechende Speicherun-
gen in Registern und in Ausweisdokumenten
wollen wir rückgängig machen.
n Quellen Telekommunikationsüber
wachung und Onlinedurchsuchung
(Staatstrojaner) müssen verboten werden.
Wir wollen das Recht auf Privatsphäre,
sichere Kommunikation und Verschlüsselung
gesetzlich verankern. Spyware aller Art
muss verboten werden.
n Die Vorratsdatenspeicherung von IP-
Verbindungen, Mobilfunkverbindungen
und -standorten muss verboten werden.
Eine Ausweispflicht für E-Mail-, Messen-
gerdienste und Ähnliches lehnen wir ab.
n Den Export von Überwachungstechno
logie und den Einsatz autonomer Waffen-
systeme und bewaffneter Drohnen wollen
wir verbieten.
n Die behördliche Speicherung personen-
bezogener Daten muss auch für Geflüchtete
der Verhältnismäßigkeit und dem Grund-
recht auf informationelle Selbstbestimmung
entsprechen. Das Ausländerzentralregister
ist zum Instrument der Totalerfassung
geworden, das Zugriff auf nahezu sämtliche
persönliche Daten zahlreicher Behörden
erlaubt. Mobiltelefone Schutzsuchender
werden für Asylentscheidungen system-
atisch ausgelesen und analysiert. Das
schafft gefährliche Präzedenzfälle und
bedroht die Grundrechte aller Menschen.
n Digitale Gewalt im Netz muss juris
tisch anerkannt und verfolgt werden.
Dazu muss auch Kompetenz in den Straf-
verfolgungsbehörden aufgebaut werden.
Das betrifft besonders digitale Gewalt
gegen Frauen, Kinder / Jugendliche und
Angehörige von Minderheiten.
n Die Impressumspflicht wollen wir
überarbeiten, um die Privatsphäre von
Websitebetreiber*innen zu sichern.
n Das Fernmeldegeheimnis und der Schutz
gespeicherter Daten muss auch für Jugend-
liche gelten: Eltern dürfen sich zu offen-
sichtlich geschützten Daten keinen Zugang
verschaffen. Apps zur Überwachung bei-
spielsweise des Standorts lehnen wir ab.
n Nicht kommerzielle Vervielfältigung und
Nutzung urheberrechtlich geschützten
Materials darf nicht kriminalisiert werden.
n Ein modernes Urheberrecht muss
den neuen Nutzungsmöglichkeiten im
Netz gerecht werden und gleichzeitig den
Urheber*innen den Rücken stärken (vgl.
Kapitel »Kultur«). Für eine gerechte Ver-
gütung müssen keine Nutzer*innenrechte
eingeschränkt werden. Wir werden uns
auch auf europäischer Ebene dafür einset-
zen, dass Alltagsnutzungen flexibler erlaubt
werden. Leistungsschutzrecht und Daten-
bankschutzrecht sollen für Presseverlage
abgeschafft werden.
97
n Der Einsatz sogenannter künstlicher
Intelligenz (KI) muss gesetzlich reguliert
werden, um gemeinwohlorientierte An-
wendung sicherzustellen.
n Sämtliche für Entscheidungen eingesetzte
Algorithmen müssen von unabhängigen
Stellen auf Diskriminierungsfreiheit
geprüft werden. Wir wollen ethische Richt-
linien für die Schaffung von Algorithmen.
n Bei Anwendung von KI auf personenbezo-
gene Daten müssen demokratische Gestal-
tungsmöglichkeiten, weitgehender Daten-
schutz und freie Meinungsbildung in digitalen
Medien gewährleistet sein. KI muss hierbei so-
zialer Spaltung, Monopolisierungstendenzen
in der Wirtschaft durch wenige Technologie-
konzerne und Überwachung entgegenwirken.
Auf dieser Grundlage sollen Potenzial und Re-
gulierungsansätze von KI weiter erforscht und
genutzt werden. Entscheidungen beispiels-
weise über Sozialleistungsansprüche, Kredit-
würdigkeit oder Prognosen über Straffälligkeit
sind deshalb bis auf Weiteres abzulehnen.
Wir wollen Whistleblower schützen. Perso-
nen und Strukturen, die Missstände und
Verbrechen in der Wirtschaft und in demo-
kratischen Institutionen öffentlich machen,
sind für eine Demokratie lebensnotwendig.
Digitale Zahlungssysteme regulieren
Internetkonzerne entwickeln für ihre Hard-
und Softwareprodukte eigene Bezahlsys-
teme (zum Beispiel ApplePay, AmazonPay,
PayPal) oder denken über die Etablierung
eigener Parallelwährungen nach (beispiels-
weise Facebooks Pläne für die Komplemen-
tärwährung Diem).
n Digitale Zahlungen ermöglichen die
Erstellung von persönlichen Profilen und
Rückschlüsse auf sensible persönliche
Informationen. Deshalb wollen wir das
Recht auf Bargeldzahlung unterhalb von
Obergrenzen zur Verhinderung von Geld-
wäsche gesetzlich verankern. Digitales
Bezahlen muss mindestens bei kleineren
Beträgen auch anonym möglich sein.
n Den Datenschutz bei digitalen Zahlungs-
diensten regulieren wir streng. Wir setzen
eine strikte Trennung zwischen Bezahl- und
anderen Diensten der Konzerne durch.
n Geld und Währung müssen Teil staatlicher
Souveränität bleiben, eine schleichende
Privatisierung lehnen wir ab. Innovative
Finanztechnologieunternehmen (Fintech)
bzw. ihre Plattformen müssen mit ihren
Finanzdienstleistungen denselben Regeln
und Gesetzen unterworfen sein, wie sie heute
für konventionelle Finanzdienstleister (zum
Beispiel Banken und Versicherungen) gelten.
Öffentliche Verwaltung demokratisch
und digital
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwal-
tung erleichtert neue Beteiligungsformate
für demokratische Entscheidungen, trans-
parente Entscheidungen und schnellere
Bearbeitung von Bürgeranliegen. Das darf
aber nicht dazu führen, dass die Abhängi -
keit von externen Dienstleistern und der
Einsatz externer »Berater« noch zunimmt.
Vielmehr brauchen die öffentlichen Verwal-
tungen ausreichend kompetentes Personal,
um die digitalen Systeme zu warten,
Bürger*innen bei der Benutzung zu unter-
stützen und die persönliche Ansprech-
barkeit für alle Anliegen sicherzustellen.
n Wir wollen neue digitale Beteiligungs-
formate für demokratische Entscheidungen
entwickeln.
n Das Informationsfreiheitsgesetz wollen
wir zu einem Transparenzgesetz ausbauen.
Mit öffentlichen Mitteln erstellte Informa-
tionen müssen im Sinne von Open Data
kostenlos öffentlich zugänglich sein. Insbe-
sondere sollten Daten, die demokratische
Kontrolle ermöglichen, wie Verträge für
steuerfinanzierte Aufträge, Plenarprotokolle
und Dokumente, maschinenlesbar und mit
offenen Schnittstellen automatisiert abrufbar
sein. Im Rahmen kommerzieller Smart-
City-Projekte gesammelte Daten müssen
der Allgemeinheit kostenfrei zur Verfügung
gestellt werden.
n In der öffentlichen Verwaltung müssen
freie Software und offene Datenformate
eingesetzt werden. Das dient sowohl der
Datensicherheit als auch dem Schutz öffent-
98
licher und demokratischer Handlungs- und
Entscheidungsfähigkeit. Das Vergaberecht
muss entsprechend angepasst werden.
Durch öffentliche Gelder finanzierte Soft-
ware muss als freie Software veröffentlicht
werden und zur Wiederverwendung in ande-
ren Städten und Verwaltungen sowie durch
die Allgemeinheit zur Verfügung stehen.
Ebenso sollte das für öffentlich finanzierte
Hardware und andere Technologien gelten:
Sie werden öffentlich dokumentiert und
kommen damit auch anderen Anwendungs-
feldern zugute.
n Öffentliches WLAN in den Kommunen
und öffentlichen Gebäuden wollen wir durch
Freifunk ausbauen, statt durch kommerzielle
Anbieter.
n Öffentliche Verwaltungen und Melde-
ämter dürfen keine persönlichen Daten
von Menschen ohne deren ausdrückliche
Zustimmung an Dritte weitergeben.
Schule und Lernen digital unterstützen
Digitale Anwendungen können sowohl
bei z. B. Erstellen des Schulbetriebs, wie
der Organisation von Stundenplänen oder
Abhalten von Fernunterricht, als auch beim
Lernen selbst helfen. Allerdings können und
sollen die besten Programme keine Lehr-
personen ersetzen, sondern sie und ihre
Schüler*innen beim Lernen unterstützen.
Die Anwendung von Lernsoftware muss
deshalb immer in ein pädagogisches Konzept
eingebettet sein. Gesundheitliche und lern-
psychologische Aspekte sind dabei zu be-
rücksichtigen. Die Auseinandersetzung mit
verbreiteten Technologien ist darüber hinaus
ein wichtiger Teil des Erlernens gesellschaft-
licher Handlungsfähigkeit. Digitalisierung in
der Bildung darf jedoch nicht zum Einfallstor
der Profitinteressen von Unternehmen wer-
den (vgl. Kapitel »Gute Bildung«).
Die Lehr- und Lernmittelfreiheit muss an
allen Schulen auch für digitale Geräte
sichergestellt sein. In den Schulen muss
eine ausreichende Netzwerkinfrastruktur
geschaffen werden.
n Die Lehrer*innen müssen fortgebildet
werden in der Benutzung dieser Techno-
logien und in Datenschutz- und Daten-
sicherheitsfragen. Sie müssen die Technik
anwenden und verstehen können, um
sie mit den Schüler*innen zu benutzen
und sie ihnen erklären zu können. Die
sichere Nutzung und Bedienung digi-
taler Lehr- und Lernmittel sowie digitaler
Konzepte muss zwingend Bestandteil der
Lehrer*innenausbildung sein. Sie muss
entsprechend umgestaltet werden.
n Keinesfalls darf Lernsoftware als Ersatz
für fehlendes Lehrpersonal eingesetzt
werden. Der Einsatz von Digitaltechnologie
in Schulen erfordert einen höheren Personal-
schlüssel für die Betreuung der Schüler*innen
wie der Software und Geräte. Dafür müssen
zusätzliche Lehrer*innen und Fachpersonal
für die Technik eingestellt werden.
n Bildungspläne, Unterrichtskonzeptionen
und Medieneinsatz müssen vom Menschen,
von Lernprozessen und von den konkreten
Fächern her konzipiert werden. Medien und
Digitaltechnik sind Hilfsmittel im Unterricht
und kein Selbstzweck. Die Frage ist nicht,
was man mit der neuesten Digitaltechnik
alles machen kann, sondern was die Lehr-
kraft an medialer und technischer Unter-
stützung braucht.
n Eingesetzte Lernsoftware darf keine per
sonenbezogenen Daten der Schüler*in
nen (wie Lernfortschritte) außerhalb der
Schule speichern. Sämtliche erhobenen
Daten müssen transparent und für alle
nachweislich auf den Geräten verbleiben
oder im Rahmen der Schule gespeichert
werden. Aus den von eingesetzter Lernsoft-
ware gespeicherten Daten dürfen keine
Prognosen zum Lernerfolg oder der
weiteren schulischen Entwicklung erstellt
werden. Die Datenspeicherung muss
datenschutzkonform und dezentral erfol-
gen. Schüler*innen haben darüber hinaus
ein »Recht auf Vergessenwerden«, zumal
es sich um Minderjährige und Heranwach-
sende handelt. Die Erhebung von biome-
trischen Daten von Lernenden sowie KI-
basierte Prognosesysteme, die Lernerfolge
voraussagen, lehnen wir ab.
n Die Abhängigkeit von bestimmten
IT Unternehmen und Produkten muss
99
von vornherein vermieden werden. Die
verwendete Software soll den Standards
quelloffener freier Software entsprechen.
Lernprogramme müssen öffentlich erstellt,
verwaltet und gewartet werden. Sogenannte
Open Educational Resources (OER), das
heißt freie Lehr- und Lernmaterialien mit
einer offenen Lizenz, sind stets vorzuziehen.
n Technikfolgenabschätzung in der
Bildungsforschung muss gefördert wer
den, um Erfahrungen, Chancen und Risiken
beim Lernen mit digitalen Technologien
offenzulegen.
n Die Medien- und Datenschutzkompetenz
der Kinder und Jugendlichen muss mög-
lichst früh gefördert werden.
Auch in der Erwachsenenbildung muss
der digitale Kompetenzaufbau gefördert
werden. Digitale Bildung sollte vorran-
gig über freie Bildungsmaterialen (OER)
erfolgen, die gemeinsam weiterentwickelt,
geteilt und weiterverwendet werden können.
Das schließt Open Hardware ein. In der
Wissenschaft wollen wir Open Access für
Forschungsergebnisse standardmäßig
durchsetzen. Was mit öffentlichen Geldern
gefördert wurde, muss der Öffentlichkeit
kostenfrei zur Verfügung stehen.
Digitalisierung im Gesundheitswesen
Den Einsatz digitaler Anwendungen und
Methoden zur bloßen Kostenreduzierung
unter Inkaufnahme der Verschlechterung der
medizinischen Versorgung lehnen wir ab.
Der Schwerpunkt muss auf einer sinnvollen,
die Pflegekräfte entlastenden Digitalisie-
rung liegen. Staatliche Gelder sollen zuerst
in die Bekämpfung des Pflegenotstands und
die Verbesserung der Gesundheitsinfra-
struktur fließen, statt sie für die Subven-
tionierung von IT-Konzernen zu nutzen.
n Ein Umlegen der Kosten von digitalen
Anwendungen auf die Bewohner*innen von
Pflegeeinrichtungen lehnen wir ab. Nur ein
radikaler Richtungswechsel bei der Finan-
zierung von Gesundheit und Pflege durch
eine Pflegevollversicherung verhindert,
dass die Digitalisierung für einen Stellen-
abbau genutzt wird.
n Krankenkassen dürfen die von den Ver-
sicherten eingezahlten Rücklagen nicht für
die Spekulation auf Erfolge von IT-Konzer-
nen nutzen!
n Für E-Health-Anwendungen brauchen
wir evidenzbasierte Bewertungsverfahren
analog zu anderen medizinischen Behand-
lungsmethoden. Routinedaten der Kranken-
kassen, Registerdaten oder andere Daten,
die direkt im Behandlungsalltag anfallen
(Real World Data) sind dafür nicht geeignet.
Für Gesundheits-Apps braucht es eine Zer-
tifizierung nach staatlichen Vorgaben.
n Die informationelle Selbstbestimmung
von Patient*innen und Versicherten muss
jederzeit gewahrt werden. Die Weitergabe
der sensiblen Daten darf nur erfolgen, wenn
eine Zustimmung entsprechend der DSGVO
vorliegt.
n Daten, die mit der elektronischen Ge-
sundheitskarte erhoben werden, dürfen
nicht zentral gespeichert oder für wirt-
schaftliche Zwecke missbraucht werden.
Die Erlaubnis zur Einsicht Dritter muss
entsprechend der DSGVO vorliegen.
n Digitale Gesundheitstechnologien sollen
barrierefrei gestaltet und allen Menschen
diskriminierungsfrei zugänglich sein, dies
geht Hand in Hand mit angemessenen Wei-
terbildungs- und Informationsmöglichkeiten
für die Versicherten, Patient*innen und
Heilmittelerbringer*innen. Die Mitsprache
der betroffenen Menschen mit Pflegebedarf,
einschließlich eines Vetorechts für zum Bei-
spiel den Robotereinsatz, ist zu definieren.
n Möglichkeiten zu Onlinesprechstunden,
gerade im ländlichen Raum, sollten als
Ergänzungsangebot ausgebaut werden.
ÖPNV für alle durch Digitalisierung
verbessern
Die Auto- und IT-Konzerne sind dabei, sich
mit digitalen Mobilitätsangeboten neue
Profitquellen zu erschließen. Sie wollen
ihre Angebote als Teil des ÖPNV definieren
und Gelder für den öffentlichen Nahver-
kehr in ihre Kassen umleiten. Dabei kann
der öffentliche Verkehr durch eine digitale
100
Verkehrssteuerung attraktiver werden. Die
Übersicht und Buchbarkeit aller Verkehrs-
angebote in einer App sind überfällig. Der
Einsatz geteilter Kleinfahrzeuge (Ridesharing)
kann eine sinnvolle Ergänzung des öffent-
lichen Nahverkehrs sein.
Wirklicher Klimaschutz im Verkehr lässt sich
nicht mit digitalen Pkw-Flotten erreichen.
Entscheidend ist der Wille, öffentliche
Mobilität für alle verfügbar zu machen und
aus Steuermitteln so zu finanzieren, dass
es nicht auf den Geldbeutel des Einzelnen
ankommt, ob ökologische Alternativen
erschwinglich sind. Und dass Kommunen
nicht aufgrund leerer Kassen auf profit-
orientierte Angebote der Konzerne zurück-
greifen müssen.
n Wir setzen uns ein für eine öffentliche
Mobilitätsplattform, auf der alle Angebote
aus allen Verkehrsverbünden sichtbar und
buchbar sind. Perspektivisch muss diese
Plattform alle europäischen Regionen
einbeziehen.
n Die dabei anfallenden Daten dürfen
nur aggregiert öffentlich gemacht
werden. Keinesfalls dürfen anonymisierte
Daten der Nutzer*innen öffentlich gemacht
werden, da auch anonymisierte Bewegungs-
profile Rückschlüsse auf konkrete Personen
erlauben. Die Pflicht zur Bereitstellung von
aggregierten Verkehrsdaten betrifft selbst-
verständlich auch alle privaten Anbieter von
Verkehrsdienstleistungen.
n Die Zugänglichkeit zu allen Verkehrs
angeboten auch ohne Smartphone
und App muss möglich bleiben, um nicht
Menschen auszuschließen, die Smart-
phones und Computer nicht nutzen können
oder möchten. In zu regelmäßigen Zeiten
verkehrende Straßenbahnen und Busse
können auch Kinder und Menschen mit
Behinderung selbstständig einsteigen.
Das muss auch in einer digitalisierten Ver-
kehrswelt erhalten bleiben.
n Preissysteme, die im ÖPNV nach gefah-
renen Kilometern und Tageszeit abrechnen,
lehnen wir ab. Sie ermöglichen gewinn-
orientierten und (teil)privaten Anbietern
höhere Profite, aber machen die Nutzung
für die meisten Menschen teurer. Auch die
sogenannte letzte Meile muss im ÖPNV-
Ticket inbegriffen sein. Ticketpreise
müssen sinken, perspektivisch für alle
kostenlos sein.
n Bei Ausschreibungen bzw. Vergabe
öffentlichen Verkehrs an private Anbieter
sind zwingend geltende Tarifverträge
einzuhalten, um gute Arbeitsbedingungen
zu sichern. DIE LINKE setzt sich für bun-
desweit gültige Flächentarifverträge im
Nahverkehr ein.
n Soweit selbstfahrende Fahrzeuge
eingesetzt werden, muss die Begleitung
durch menschliches Personal zwingend
sichergestellt werden, das in Notsituati-
onen unmittelbar Hilfe leisten kann und
Menschen mit Behinderung beim Besteigen
und Verlassen des Fahrzeugs helfen kann.
Wir brauchen auch endlich wieder Personal
auf allen Bahnhöfen. Kameras und Infor-
mationssäulen bieten keine Unterstützung
und keinen Schutz in Notfällen!
Nachhaltige Digitalisierung:
ökologisch und sozial
Die ökologischen Kosten neuer Anwen-
dungen müssen gegen den gesellschaft-
lichen Nutzen abgewogen werden. Die
Digitalisierung erfordert einen hohen
Energie- und Ressourcenverbrauch für
Rechenzentren und Endgeräte. Das betrifft
sowohl den benötigten Strom als auch
die erforderlichen Rohstoffe. Zudem sind
die Arbeitsbedingungen in vielen Ländern
im Rohstoffabbau, bei der Herstellung der
Geräte und auch im IT-Service oft schlecht.
Viele neue Technologien sind zwar energie-
effizient, doch werden die Einsparungen
durch größere Endgeräte, höhere Auflösung,
stärkere Nutzung und kürzere Lebensdauer
der Geräte wieder aufgefressen. Durch
diesen »Reboundeffekt« steigen sowohl
der Rohstoffbedarf als auch der Stromver-
brauch deutlich. Soll dieser zunehmende
Stromverbrauch ökologisch erzeugt werden,
um das Klima nicht weiter zu schädigen,
werden umso mehr Windkraftanlagen,
Solarfelder und Wasserkraftwerke gebaut
werden müssen – die ihrerseits Flächen,
Material, seltene Metalle und Energie für
101
ihre Herstellung verbrauchen. Ein zuneh-
mender Bedarf an Rohstoffen, die aus
anderen Ländern kommen, erhöht in einer
kapitalistischen Welt auch die Kriegsge-
fahr. DIE LINKE setzt sich deshalb für eine
gesellschaftliche Diskussion darüber ein, in
welchen Bereichen wir digitale Anwendun-
gen nutzen wollen, und wo das im Sinne des
Umweltschutzes, des Schutzes der Arbeits-
und Menschenrechte sowie im Rahmen
einer international gerechten Handelspolitik
neu geregelt werden muss.
n Für die öffentliche Beschaffung müssen
strenge sozialökologische Vorgaben gelten
in Bezug auf Arbeits- und Umweltschutz in
den Herstellerländern, Langlebigkeit und
Reparierbarkeit. Unternehmen, die gegen
ihre Sorgfaltspflicht in der Lieferkette ver-
stoßen, müssen von öffentlichen Aufträgen
und der Außenwirtschaftsförderung ausge-
schlossen werden (vgl. Abschnitt »Liefer-
kettengesetz« im Kapitel »Global gerecht«).
n Für digitale Endgeräte brauchen wir
gesetzliche Vorgaben zu Mindestlebens-
dauer, Energieeffizienz, modularem Auf-
bau, Reparierbarkeit durch Nutzer*innen
und Werkstätten sowie verpflichtenden
Software-Updates und zur Ersatzteilverfüg-
barkeit (vgl. Ökodesignvorgaben im Kapitel
»Verbraucherschutz«). Hersteller müssen
Reparaturanleitungen mitliefern. Spätes-
tens wenn Hersteller den Support beenden
und keine Sicherheitsupdates mehr liefern,
muss der Quellcode veröffentlicht werden,
damit andere Sicherheitsupdates schreiben
und bereitstellen können.
n Für Batterien und Elektrogeräte soll durch
Einführung eines Pfandsystems die wirk-
same Rückführung der Rohstoffe in den
Produktionskreislauf und Wiederverwer-
tung der Bestandteile ermöglicht werden.
Reparatur und Wiedernutzung müssen
Vorrang vor Recycling der Materialien haben
(vgl. Kapitel »Klima- und Umweltschutz«).
n Die Abwärme von Rechenzentren muss
verpflichtend zur Gebäudeheizung (Nah-
und Fernwärmeversorgung) eingesetzt
werden. Alle Rechenzentren müssen in ein
Kataster mit Energieausweis.
n Wir streben ein Verbot der energie- und
ressourcenverschwendenden Erzeugung
sogenannter Kryptowährungen an.
n Auch für Rechenzentren und Software
muss das »Top-Runner-Modell« (vgl. Öko-
designvorgaben im Kapitel »Verbraucher-
schutz«) gelten. Der CO2-Fußabdruck von
IT-Produkten, Rechenzentren oder Software
muss transparent und vergleichbar sein.
n Für die Softwareprogrammierung
müssen Vorgaben zur energiesparenden
Programmierung erfolgen. Das Prinzip
der Datensparsamkeit muss gesetzlich
wirksam verankert werden. Neben der
Erfüllung des Datenschutzes senkt das
auch den Stromverbrauch digitaler
Anwendungen. Bei Streaming- und Video-
on-Demand-Diensten müssen Vorgaben
für energiesparende Standardeinstel-
lungen gemacht werden.
Für Gerechtigkeit, Selbstbestimmung
und Vielfalt der Geschlechter
Geld, Zeit, Anerkennung und Macht sind
zwischen den Geschlechtern ungleich
verteilt. Wir wollen nicht länger zulassen,
dass Menschen aufgrund ihres Ge-
schlechts oder ihrer sexuellen Orientie-
rung abgewertet werden – auch nicht,
dass Menschen gezwungen werden, einer
bestimmten Norm zu entsprechen. Jeder
Mensch ist gleich viel wert und »All gen-
ders are beautiful«.
Linker Feminismus – Zeit für ein
selbstbestimmtes, sicheres und
gerechtes Leben
Als LINKE stehen wir für einen Feminismus,
der an die Wurzeln geht. Das heißt zualler-
erst, Geld, Arbeit und Zeit zwischen den
Geschlechtern gerecht zu verteilen. Wir
wollen eine Gesellschaft, in der alle frei,
sicher und selbstbestimmt leben können,
102
Zeit für Familie und Freund*innen haben
und gleichzeitig einer sinnvollen und gut
bezahlten Arbeit nachgehen können. Damit
wirken wir einer Retraditionalisierung der
Geschlechterrollen entgegen, nach der
Frauen die Hauptverantwortung für die
Sorgearbeit in Familien tragen. Wir wollen
eine Gesellschaft, in der Frauen genauso
an politischen Entscheidungen mitwirken
können wie Männer. In der sich das Leben
nicht nur um die Lohnarbeit dreht. Der
Kapitalismus ist mit der einhergehenden
Entwertung unbezahlter (Care-)Arbeit eine
maßgebliche Stütze des Patriarchats – und
andersherum. Da patriarchale Strukturen
ohne einen Systemwechsel nicht endgültig
abgeschafft werden können, kämpfen wir
neben unseren kurz- und mittelfristigen For-
derungen für die Aufwertung von Frauen und
ihrer Arbeit auch für die Überwindung des
Kapitalismus als systematisierten Sexismus.
(Sorge-)Arbeit und Zeit umverteilen
Frauen und queere Menschen erhalten im
Durchschnitt niedrigere Löhne und dann
auch weniger Rente. Und sie verfügen
über ein geringeres Vermögen als Männer
(Gender-Pay-Gap). Sorgearbeit, die als
Frauensache gilt, wird in der kapitalis-
tischen Ökonomie systematisch abgewertet.
Frauen machen den Großteil der ent-
lohnten und der nicht entlohnten Pflege-
und Erziehungsarbeit, sie arbeiten häufiger
in Teilzeit oder in weniger gut bezahlten
Jobs. Wer wegen Elternzeit länger ausfällt
und im Job zurücksteckt, findet seltener
eine gute und sichere Anstellung und kann
schlechter aufsteigen. Auch deshalb ist
der Großteil der Arbeiter*innen im Niedrig-
lohnsektor weiblich. Viele von ihnen haben
eine Migrationsgeschichte. In Ostdeutsch-
land sind die Lohnunterschiede zwar
geringer, aber die Löhne insgesamt viel
niedriger – mehr als jede*r Dritte arbeitet
für Niedriglohn.
In Deutschland leisten Frauen 50 Prozent
mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer
(Gender-Care-Gap). Entsprechend haben
Frauen weniger Zeit für andere Tätigkeiten
oder sind gezwungen, sich zwischen
Familie, Job und Freizeit aufzureiben. Nicht
selten endet diese Vielfachbelastung in
Burn-out und anderen Krankheiten. Es geht
nicht nur um eine bessere Vereinbarkeit
von Familie und Beruf, damit Frauen ihre
Kinder und Karriere noch schneller jonglieren
können. Wir brauchen neue Arbeitszeitmo-
delle – und zwar für alle! Deshalb streiten
wir für eine Gesellschaft, in der alle Tätig-
keiten und Bedürfnisse zu ihrem Recht kom-
men und nicht die Erwerbsarbeit den Takt
vorgibt. DIE LINKE unterstützt die Gewerk-
schaften in ihrem Kampf für eine deutliche
Arbeitszeitverkürzung in Richtung eines
neuen Normalarbeitsverhältnisses mit einer
30 -Stunden -Woche, die zum Beispiel auch
in Form einer Viertagewoche ausgestaltet
werden könnte (vgl. Kapitel »Gute Arbeit«).
So bleibt allen mehr Zeit für Familie, für
sich selbst und für die Beteiligung an Politik
und Gesellschaft. Dazu gehören auch die
Begrenzung von Überstunden, ein Anspruch
auf familienfreundliche Schichtzeiten und
ein Mindestlohn von 13 Euro. Insbesondere
Pflege-, Sorge- und Dienstleistungsberufe,
in denen besonders viele Frauen arbeiten,
wollen wir aufwerten und endlich anständig
bezahlen. Den Niedriglohnsektor schaffen
wir ab, sodass alle von ihrer Arbeit leben
können (vgl. Kapitel »Gute Arbeit«). Das
nützt vor allem Frauen.
Wir wollen unsere Wirtschaft grundsätzlich
umstrukturieren. Sie soll nicht nur nach-
haltiger und demokratischer werden,
sondern die Sorgearbeit (Care Arbeit)
muss ins Zentrum gestellt werden. Denn
dass Kranken- oder Altenpfleger*innen,
Erzieher*innen oder Beschäftigte in haus-
haltsnahen Dienstleistungen häufig
schlecht entlohnt und unter miserablen
Bedingungen arbeiten, hat System. Wir
brauchen nicht nur besser bezahlte
Pflegekräfte und Erzieher*innen, sondern
auch mehr von ihnen! 100 000 Pflegekräfte
werden jeweils in den Krankenhäusern und
Altenheimen gebraucht, damit die Pflegenden
endlich wieder Zeit für die von ihnen ge-
pflegten Menschen haben. Durch eine Soli-
darische Gesundheitsversicherung und eine
Solidarische Pflegevollversicherung können
wir das finanzieren. Fallpauschalen schaffen
wir ab und überführen Krankenhäuser und
Pflegeheime wieder in gemeinnützige Hand,
jenseits von Markt und Profitmacherei (vgl.
Kapitel »Pflegenotstand stoppen! System-
103
wechsel in Gesundheit und Pflege«). Wir
wollen die Kindertagesbetreuung flächen
deckend ausbauen, die Qualität verbes
sern und mehr Erzieher*innen einstellen.
Und natürlich müssen Erzieher*innen gut
bezahlt werden, damit der Beruf attraktiv
für viele ist. Denn nur mit flächendeckender
Ganztagsbetreuung müssen Eltern sich
nicht zwischen der Betreuung ihrer Kinder
und ihrem Beruf entscheiden (vgl. Kapitel
»Gute Bildung«).
n Mit würdigen Löhnen für alle beenden wir
auch endlich die unwürdigen Renten, von
denen vor allem viele Frauen leben müssen.
Durch die bessere Anrechnung von Kinder-
erziehungs- und Pflegezeiten wird auch
unbezahlte Sorgearbeit entsprechend
wertgeschätzt (vgl. Kapitel »Gute Rente«).
Aktuell gibt es keine echten Lohnersatz-
leistungen für pflegende Angehörige, die
noch im Beruf stehen. Wir wollen sechs
Wochen Freistellung bei vollem, arbeitge-
berfinanziertem Lohnausgleich (vgl. Kapitel
»Pflegenotstand stoppen!«) und unabhängig
vom Verwandtschaftsgrad.
n Im Einzelhandel oder im Reinigungs-
gewerbe sind mehrheitlich Frauen
beschäftigt und besonders häufig in
prekärer Beschäftigung gefangen. Wir
fordern die Abschaffung sachgrundloser
Befristung und die Überführung von
Minijobs in sozial voll abgesicherte Be-
schäftigungsverhältnisse. Unfreiwillige
Teilzeit wollen wir beenden: Alle Beschäf-
tigten müssen einen Rechtsanspruch
auf eine Vollzeitstelle bekommen.
n Wir wollen gleichen Lohn für gleiche
und gleichwertige Arbeit! Dafür werden
wir ein verbindliches Entgeltgleichheits-
gesetz samt Verbandsklagerecht einführen,
damit Frauen nicht mehr allein vor Gericht
ziehen müssen. Auch private Unternehmen
dürfen sich dem nicht länger entziehen.
Wir unterstützen den gewerkschaftlichen
Einsatz für flächendeckende Tarifverträge,
damit Frauen gar nicht erst in solch eine
Situation geraten. Unsere Forderung, die
Grundgehälter in der Pflege um 500 Euro
anzuheben, ist ein Beitrag zur Aufwertung
dieser Arbeit.
n Um die partnerschaftliche Aufteilung von
Sorge- und Erwerbsarbeit in den Familien zu
fördern, wollen wir den Elterngeldanspruch
auf zwölf Monate pro Elternteil verlängern.
Der Elterngeldanspruch gilt individuell und
ist nicht auf den anderen Elternteil übertrag-
bar. Zudem braucht es einen zusätzlichen
Elternschutz von zehn Tagen bezahlter Frei-
stellung für den zweiten Elternteil nach der
Geburt des Kindes.
n In Wirtschaft, Wissenschaft und Politik
sind Frauen seltener in Führungspositionen
vertreten. Das muss sich ändern. Deshalb
fordern wir eine Frauenquote in Führungs
positionen von 50 Prozent und einestärkere
Teilung von Führungsaufgaben und -posi-
tionen durch Jobsharing oder andere Arbeits-
modelle (im Gegensatz zur 30-Prozent-
Quote der Großen Koalition).
n Gesellschaftliche Machtverhältnisse
schlagen sich auch in der Sexarbeit nieder.
In der LINKEN werden unterschiedliche
Wege diskutiert, mit Prostitution politisch
umzugehen. Einig sind wir uns darin, dass
wir die Kriminalisierung und Stigmatisierung
von Sexarbeiter*innen ablehnen. Gestärkt
werden müssen die Selbstorganisation,
freiwillige Beratungs-, Umschulungs- und
Fortbildungsangebote, eine angemessene
Gesundheitsversorgung sowie die sozialen
Rechte von Sexarbeiter*innen insgesamt,
die auch als Selbstständige vielen Benach-
teiligungen ausgesetzt sind. Wir fordern
auch einen Anspruch auf Sozialleistungen
und sozialversicherte Beschäftigung
sowiedie Einbeziehung in eine Solidarische
Erwerbstätigenversicherung.
Niemals am Leben sparen –
keine Kürzungen zulasten von Frauen
und Familien
Privatisierung und Kürzungsmaßnahmen
treffen insbesondere Erziehung, Pflege,
soziale Arbeit und Bildung. Darunter
leiden Frauen doppelt: als Beschäftigte
und als unbezahlte Care Arbeiterinnen
in den Familien, wo sie die Kürzungen durch
Mehrarbeit auffangen müssen. Das führt zu
Mehrbelastung und verstärkt alte Rollenbilder.
Die milliardenschweren Rettungspakete für
104
Unternehmen in der Coronakrise dürfen
nicht durch Kürzungen im Sozialbereich auf-
gefangen werden. Im Gegenteil: Wir treten
für einen sozialökologischen Systemwechsel
ein, der die Bereiche in Wirtschaft und
Beschäftigung stärkt, die klimafreundlich
sind und das Leben für alle besser machen:
personennahe Dienstleistungen, Bildung,
Erziehung, eine Ausweitung des Schienen-
und öffentlichen Nahverkehrs. Unser Umbau
von Wirtschaft und Sozialstaat macht
unsere Gesellschaft in Zukunft krisenfest
und befördert die Lebensmöglichkeiten
(nicht nur) von Frauen:
n Die Schuldenbremse schaffen wir ab.
Stattdessen fördern wir Investitionen in
den Ausbau sozialer Dienstleistungen
in öffentlicher Hand, jenseits von Markt
und Profit. Die notwendigen Mittel dafür
nehmen wir durch die Wiedereinführung
der Vermögensteuer ein (vgl. Kapitel »Mit
Steuern umsteuern«). Von guten und
kostenfreien sozialen Infrastrukturen profi-
tieren Frauen, Alleinerziehende und Kinder
am meisten – und Menschen mit geringem
Einkommen.
n Die Sozial- und Haushaltspolitik muss auf
ihre Geschlechtergerechtigkeit geprüft und
entsprechend verändert werden im Sinne
eines Gender-Budgeting.
Gewalt an Frauen beenden
Wir wollen, dass jeder Mensch – unabhängig
von Geschlecht, sexueller Orientierung und
Lebensentwurf – ohne Angst vor Gewalt
leben kann. Durch das Grundgesetz und
durch internationale Abkommen muss der
Staat dafür Sorge tragen, tut es aber nicht
ausreichend. Gewalt gegen Frauen ist Aus-
druck und Folge einer gesellschaftlichen
Abwertung und Unterdrückung von Frauen,
von hierarchischen und patriarchalen
Geschlechterverhältnissen. Sie hat viele
Formen und kommt in Familien genauso
vor wie im öffentlichen Raum. Gewalt
gegen Frauen hängt nicht vom sozialen
Status ab, es gibt sie in der digitalen Welt
wie im analogen Leben. Viel zu oft endet
sie für Frauen tödlich. Jeden dritten Tag
wird in Deutschland eine Frau von ihrem
Partner oder Ex-Partner getötet. Diese
Gewalt als »eskalierten Beziehungsstreit«
oder Privatangelegenheit abzutun, ver-
kennt das strukturelle Problem: Den Mord
an Frauen, weil sie Frauen sind, nennen wir
Femizid. Um Frauen effektiv vor Gewalt zu
schützen, brauchen wir gesellschaftliche
Verhältnisse, in denen Frauen unabhängig
und selbstbestimmt leben können – dazu
gehört auch ökonomische Unabhängigkeit.
Wenn Frauen Gewalt erleben, brauchen
sie schnellen sowie bedarfsgerechten
Schutz und qualifizierte Hilfe in Frauen-
häusern und anderen Schutzräumen.
Beratungsstellen müssen leicht zugänglich
sein – unabhängig von körperlicher Beein-
trächtigung, dem Aufenthaltsstatus oder
der Lebenssituation der Betroffenen. Wir
wollen die patriarchalen Strukturen ver-
ändern, nur so kann Gewalt gegen Frauen
nachhaltig verhindert werden:
n Die Istanbul-Konvention, das Überein-
kommen des Europarats zur Verhütung und
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen
und häuslicher Gewalt, muss konsequent
und vollständig umgesetzt werden. Die
durch die Bundesregierung bei der Ratifi-
zierung vorgenommenen Einschränkungen
wollen wir zurücknehmen, damit zahlreichen
geflüchteten oder migrierten Frauen nicht
der Zugang zu Schutz verweigert wird.
n Strukturen des Gewaltschutzes und
Hilfesysteme wollen wir ausbauen und
mit ausreichenden finanziellen Mitteln
ausstatten. Die Finanzierung von Frauen-
häusern und Fachberatungsstellen darf
nicht länger eine freiwillige Leistung sein.
Hier brauchen wir eine bundeseinheitliche
Pauschalfinanzierung, an der sich der
Bund beteiligt.
n Gewalt gegen die Mutter gefährdet massiv
das Kindeswohl und kann für Mütter und
Kinder lebensgefährlich sein. Bei Entschei-
dungen zum Sorge- und Umgangsrecht
muss Gewaltschutz oberste Priorität haben.
n Staatliche Behörden wie Polizei, Gerichte
und Ämter sowie medizinisches Personal
müssen für geschlechtsspezifische Gewalt –
auch in digitaler Form – sensibilisiert
werden. Es müssen explizit alternative
(Erst-)Anlaufstellen zur Polizei in Form von
105
Nichtregierungsorganisationen geschaffen
und finanziert werden, an die sich Betrof-
fene wenden können.
n Geflüchtete Frauen erleben häufig sexua-
lisierte Gewalt, nicht nur im Herkunftsland
und auf der Flucht, sondern auch im Zu-
fluchtsland. Im Fall von Gewalt in der Part-
nerschaft muss das bisher vom Ehemann
abhängige Aufenthaltsrecht aufgehoben
und in einen eigenständigen Aufenthaltstitel
umgewandelt werden. Auch Massenunter-
künfte sind Orte, die Gewalt gegen Frauen
begünstigen und müssen aufgelöst werden.
n Auf der Flucht, nach Zurückweisung und
Pushbacks an der europäischen Grenze
und in den Lagern sind Frauen oft massiver
sexueller Gewalt und Vergewaltigungen
ausgesetzt. Eine offene, solidarische und
humane Flüchtlingspolitik ist die einzig wirk-
same Maßnahme gegen die systematische
Gewalt gegen Frauen.
n Es muss bekämpft werden, dass Men-
schenhandel zum Zweck der sexuellen Aus-
beutung und Menschenhandel zum Zweck
der Ausbeutung der Arbeitskraft müssen
bekämpft werden, ohne die Betroffenen
zu kriminalisieren und zu stigmatisieren!
Solange die Betroffenen keinen sicheren
und eigenständigen Aufenthaltsstatus
erhalten, sind die Täter durch die Angst der
Opfer geschützt. Aufenthaltstitel, Schutz
und Entschädigung müssen unabhängig von
der Bereitschaft des Opfers, als Zeug*in in
einem Strafverfahren auszusagen, gewährt
werden. Für die Betroffenen fordern wir
Therapiemittel, medizinische sowie psycho-
logische Betreuung, Rechtsbeistand und
Rechtshilfe, Zugang zu sozialen Leistungen
und Bildungsangeboten.
n Alle Formen von Gewalt und Gewaltver-
herrlichung gegen Frauen, Kinder und
LSBTIQA* (lesbische, schwule, bisexuelle,
trans*, intergeschlechtliche, queere und
asexuelle Personen) müssen konsequent
geahndet werden.
n Die öffentliche Filmförderung braucht
eine Geschlechterquotierung und die Ein-
richtung einer wirksamen wie unabhängigen
Kontrolle außerhalb des Deutschen Werbe-
rats zur Unterbindung sexistischer Werbung.
n Frauen müssen Zugang zu gesellschaft-
lichen Positionen haben, ohne dass ihnen
Lebensformen aufgedrängt werden. Sowohl
das Verbot von Kopftüchern wie der Zwang
dazu wären eine Einschränkung der Ent-
faltungsmöglichkeiten von Frauen. Es gilt,
Frauen in ihrer persönlichen Entscheidung,
wie sie sich kleiden, nicht zu bevormunden
und keinen Druck auf sie auszuüben –
weder in die eine noch die andere Richtung.
Unser Feminismus: Solidarisch
und international
In Brasilien und Polen, Indien und Nigeria,
Deutschland und Irland gehen Frauen für
ihre Rechte auf die Straße. Sie prangern
Gewalt gegen Frauen an, sie streiten für ihr
Recht auf Abtreibung und gegen Rassismus.
Sie eint die gemeinsame Erfahrung von
sexistischen Strukturen und Gewalt – und
sie vereinen sich im Kampf dagegen: im
Netz, auf der Straße, im Arbeitsalltag, vor
Gericht, zu Hause, in den Mühen der Ebene.
Frauen und Kinder weltweit sind besonders
vom Klimawandel betroffen und machen
den Großteil der Menschen auf der Flucht
aus. Aber sie sind nicht nur Opfer, sondern
auch wichtige klimapolitische Akteurinnen
und kämpfen gegen die Ausbeutung von
Mensch und Natur. LINKER Feminismus ist
immer konkret vor Ort und ist sich gleich-
zeitig internationaler Verantwortung und
Solidarität bewusst
n Bei wirtschaftlichen und politischen
Entscheidungen müssen Werte wie Für-
sorge, Nachhaltigkeit und Gesundheit im
Zentrum stehen.
n Wir fordern die Anwendung ziviler Maß -
nahmen der Gewaltprävention und Konflikt-
lösung. Deutsche Außen-, Entwicklungs-
und Menschenrechtspolitik muss Friedens-
politik und Geschlechtergerechtigkeit
weltweit voranbringen. Die UN-Resolution
1.325 »Frauen, Frieden und Sicherheit«
muss umgesetzt werden – weder die
Beteiligung von Frauen an Friedens -
prozessen noch an Konflikten darf aus-
geblendet werden.
106
n Die Zustände in den Unterbringungen
für Geflüchtete sind menschenunwürdig.
Wir fordern funktonierende und abschließ-
bare sanitäre Einrichtungen, Schutzzonen
sowie gute Gesundheits-
und Lebensmittelversorgung.
n Zu einer gendergerechten Klimapolitik
gehört es, die besondere Gefährdung von
Frauen durch die Klimakatastrophe einzu-
beziehen.
n Wir wollen den Internationalen Frauentag
am 8. März bundesweit zum Feiertag machen,
um der weltweiten Kämpfe von Frauen an
unterschiedlichsten Orten, bei unterschied-
lichsten Voraussetzungen zu gedenken und
den gemeinsamen Kampf für die Überwin-
dung von Abwertung, Ausgrenzung und Ge-
walt zu würdigen – Berlin hat es vorgemacht.
Reproduktive Gerechtigkeit: Freie
Entscheidung für ein Leben mit und
ohne Kinder für alle
Um selbstbestimmt leben zu können, müssen
Frauen und queere Menschen echte Wahl-
möglichkeit haben. Wir wollen, dass alle
Menschen entscheiden können, ob und wie
sie mit Kindern leben möchten. Erst dann
können wir reproduktive, körperliche und
sexuelle Selbstbestimmung für Frauen und
queere Menschen erreichen. Dazu gehören
umfassende Aufklärung, der Zugang zu
Verhütungsmitteln und die freie Entschei-
dung über einen Schwangerschaftsabbruch.
Nur wenn Frauen sich ohne Zwänge für
oder gegen eine Schwangerschaft und
Elternschaft entscheiden können, ist eine
selbstbestimmte Familienplanung möglich.
Aber auch ein Leben mit Kindern muss
gesellschaftlich abgesichert werden: Das
beginnt mit einer guten gesundheitlichen
Versorgung und Aufklärung während einer
Schwangerschaft und Geburt. Mit Kindern
zu leben, darf kein Armutsrisiko sein. Eltern
und Alleinerziehende müssen Kinder unter
sicheren und gesunden Bedingungen
aufziehen können (vgl. Kapitel »Familien
dort unterstützen, wo sie es brauchen«).
n Wir wollen für Frauen, Trans* und nicht
binäre Menschen einen legalen Zugang zu
Schwangerschaftsabbruch. Die Paragrafen
218 bis 219 b Strafgesetzbuch (StGB) wollen
wir streichen. Laufende Verfahren nach
219 a müssen umgehend eingestellt werden.
Öffentliche Krankenhäuser müssen in ihrer
Planung dafür sorgen, dass die Durchfüh-
rung von Schwangerschaftsabbrüchen ge-
sichert ist. Schwangerschaftsabbrüche sind
Teil der Gesundheitsversorgung und müssen,
wie andere medizinische Leistungen, ge-
regelt werden. Die nötige fachliche Ausbil-
dung dafür muss zum Teil des Medizinstu-
diums werden.
n Sämtliche Verhütungsmethoden müssen
von ausnahmslos allen Krankenkassen
bezahlt werden.
n Es müssen Mittel zur Forschung an neuen
Verhütungsmethoden zur Verfügung gestellt
werden, um auch für Männer zusätzliche
Methoden zu entwickeln und Verhütungs-
methoden für alle verträglicher zu machen.
n Hygieneprodukte für Menstruation müssen
von öffentlichen Gesundheitsstellen und
in öffentlichen Einrichtungen kostenfrei zur
Verfügung gestellt werden.
n Künstliche Befruchtung muss allen
Menschen kostenfrei durch Kostenüber-
nahme der Krankenkasse zur Verfügung
stehen, auch nicht-verheirateten, lesbi-
schen, Singlefrauen, Trans* und queeren
Menschen.
n Frauen mit Behinderung haben ein Recht
auf reproduktive Selbstbestimmung und
Elternschaft. Dazu gehören das Recht auf
Erhalt und Förderung ihrer Fruchtbarkeit so-
wie der Zugang zu Unterstützungsangebo-
ten, zum Beispiel Assistenz zur Elternschaft,
und der barrierefreie Zugang zu umfassen-
der, unabhängiger Beratung. Zur Umset-
zung des Rechts auf Elternschaft müssen
flächendeckend Wohn- und Unterstüt-
zungsleistungen im Rahmen der begleiteten
Elternschaft zur Verfügung gestellt werden.
Für körperliche und sexuelle Selbst-
bestimmung und Gleichstellung aller
Lebensweisen
Wir wollen, dass die vielfältigen Lebens-
weisen rechtlich gleichgestellt werden.
107
Der besondere Schutz und die Förderung
durch Staat und Gesellschaft sollen in
Zukunft nicht Ehepaaren vorbehalten sein,
sondern denjenigen zugutekommen, die
mit Kindern oder Pflegebedürftigen leben –
unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung
und geschlechtlichen Identität. Wir wollen
die Gleichberechtigung aller Lebensweisen,
bei denen Verantwortung für andere über-
nommen wird.
n Wir fordern ein Wahlverwandtschafts
recht, in dem nicht nur (heterosexuelle)
Paare Verantwortung füreinander überneh-
men dürfen, sondern jede Gemeinschaft,
die sich einander verbunden fühlt. Das kann
auch eine mehr als zwei Personen umfas-
sende Beziehung sein (zum Beispiel eine
Mehrelternfamilie mit zwei lesbischen
Müttern und zwei schwulen Vätern). Diesen
Menschen ist ein umfangreiches Besuchs-
recht im Krankheitsfall, Adoptionsrecht
und Aussageverweigerungsrecht einzu-
räumen. Gleichzeitig werden besondere
Zuwendungen fällig, wenn ein Angehöriger
(nach dem Wahlverwandtschaftsrecht)
gepflegt werden muss oder sich Kinder in
einer Wahlverwandtschaft befinden.
n Das Abstammungsrecht wollen wir so
reformieren, dass bestehende Benachtei-
ligungen von lesbischen und schwulen Ehen
und Lebensgemeinschaften gegenüber
heterosexuellen Ehen und Lebensgemein-
schaften beseitigt werden. Das beinhaltet
auch die rechtliche Anerkennung der
Co-Elternschaft sowie von Trans*, inter-
geschlechtlichen und nicht binären Eltern.
Dies muss auch rückwirkend gelten.
n Das Ehegattensplitting werden wir durch
familien und geschlechtergerechte
Steuermodelle und frei übertragbares
Existenzminimum ersetzen (vgl. Kapitel »Mit
Steuern umsteuern«).
In den Lehrplänen der Schulen muss die
real existierende Vielfalt an Lebensent-
würfen sowie geschlechtlichen und sexu-
ellen Identitäten umfassend abgebildet
werden. Aufklärungsinitiativen zu sexueller
Gesundheit in Schulen, Arbeitswelt, Gesell-
schaft und den queeren Szenen müssen
gestärkt werden. Auf die Bewertung ver-
schiedener Lebensentwürfe im schulischen
Unterricht muss verzichtet werden. Erzieh-
ungsberechtigten darf nicht die Möglichkeit
zum Ausschluss ihrer Kinder vom Aufklä-
rungsunterricht angeboten werden.
Offensiv und sozial für LSBTIQA*
Die Rechte von lesbischen, schwulen, bisex-
uellen, trans*, intergeschlechtlichen, queeren
und asexuellen Personen (LSBTIQA*) sind
für uns nicht verhandelbar. Wir wollen, dass
LSBTIQA* als selbstverständlicher Teil ge-
sellschaftlicher Realität anerkannt im Alter.
Deshalb wollen wir mehr queere Bildungsan-
gebote in allen gesellschaftlichen Bereichen.
Wir treten für eine diskriminierungsfreie
Sprache ein, die der Vielfalt geschlechtlicher
und sexueller Identitäten gerecht wird.
Queere Communitys stärken:
Rettungsschirm gegen die Coronafolgen
Corona hat auch die Einrichtungen und
Strukturen der queeren Communities
getroffen: Viele Vereinsräume, Clubs, Bars
und Cafés mussten schließen. In Zeiten leerer
Kassen wird zuerst bei queeren Projekten
gespart. Das wollen wir verhindern. Wir
fordern einen queeren Rettungsschirm
zum Schutz der Strukturen und Einrichtungen
der Communities.
Bei der Vergabe von öffentlichen Fördermit-
teln wollen wir strukturelle Diskriminierungen
von lesbischen, trans* und inter* Initiativen
und Projekten abbauen: Lesbische und
schwule Projekte sollen in gleichem Umfang
gefördert werden. Lesbische Communities
sollen sichtbarer werden! Insbesondere in
den ländlichen Regionen und kleineren
Städten wollen wir queere Strukturen
aufbauen.
Gegen Armut und soziale Ausgrenzung
Jede dritte queere Person in Europa kommt
finanziell nur mit Mühe über die Runden. Für
intergeschlechtliche und trans* Personen ist
die Situation noch prekärer. Queere Jugend-
liche sind nach dem Coming-out häufig von
Wohnungslosigkeit betroffen.
108
n Wir wollen Zufluchts und Wohnorte für
junge queere Menschen, die von Obdach-
losigkeit bedroht sind. Die aufsuchende
Jugendarbeit und Wohnungslosenhilfe
müssen die spezifischen (Not-)Lagen von
LSBTIQA* im Blick haben.
n Strukturelle Ausschlüsse und Problem-
lagen von Lesben (zum Beispiel mangelnde
Sichtbarkeit, Altersarmut) wollen wir be-
seitigen. Gleiches gilt für die strukturellen
Ausschlüsse und Probleme von trans* und
inter* Personen.
n Für queere Menschen wollen wir mehr
Angebote für selbstbestimmtes Wohnen
im Alter mit entsprechenden Pflege- und
Unterstützungsmöglichkeiten. Vor allem
nicht kommerzielle gemeinwirtschaftliche
und alternative Wohn- und Hausprojekte wie
Mehrgenerationenhäuser oder Wohngenos-
senschaften sollen gefördert werden.
Diskriminierung bekämpfen
Der Kampf gegen LSBTIQA*-Feindlichkeit
ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Wir wollen deshalb einen Nationalen
Aktionsplan gegen LSBTIQA*-Feindlichkeit
und für die Akzeptanz sexueller und
geschlechtlicher Vielfalt. Zur Erforschung
intersektionaler Diskriminierungsformen
und geschlechtsspezifischer Gewalt gegen
LSBTIQA* wollen wir Studien öffentlich
beauftragen und finanzieren.
Diskriminierungen und gewalttätige
Übergriffe gehören für queere Menschen
weiterhin zum Alltag. Die offizielle Kriminal-
statistik bildet nur einen Bruchteil davon ab.
n DIE LINKE setzt sich für die umfassende
Unterstützung von Präventionsprojekten
und Organisationen ein, die sich mit der
Hilfe für Gewaltopfer beschäftigen. Die
Strafverfolgung von queerfeindlicher
Gewalt muss stärker verfolgt und geahn-
det werden als bisher.
n Hasskriminalität gegen queere Menschen,
Communities oder ihre Unterstützer*innen
muss bundesweit erfasst und strafrechtlich
verfolgt werden.
n Die Selbsthilfe und Aufklärungspro
jekte der LSBTIQA*-Communities müssen
unterstützt und gefördert werden, um die
gesellschaftliche Akzeptanz zu erhöhen.
Queere Menschen erleben noch immer
Diskriminierung am Arbeitsplatz. Trans*
Personen sind überdurchschnittlich häufig
von Erwerbslosigkeit betroffen. Auch
Menschen mit HIV erleben Diskriminierung
im Beruf. Die strukturellen Ausschlüsse
verstärken sich für Menschen, die Mehr-
fachdiskriminierung erleben, etwa Rassis-
mus oder Behindertenfeindlichkeit.
n Die Antidiskriminierungsstelle des
Bundes soll finanziell so ausgestattet
werden, dass sie Beratungsangebote
zielgruppengerecht, mehrsprachig und
barrierefrei in die Arbeitswelt hinein-
tragen kann. Wir wollen den Diskrimi
nierungsschutz für trans* und inter
geschlechtliche Personen stärken.
Ein wichtiger Schlüssel im Kampf gegen
Diskriminierung am
n Arbeitsplatz ist die Selbstorganisation
der Beschäftigten. Wir wollen mehr queere
Bildungsangebote, die Impulse zur Selbst-
organisation in der Arbeitswelt geben. Initia-
tiven, die sich für einen offenen, angst- und
diskriminierungsfreien Arbeitsplatz in den Be-
trieben einsetzen, müssen gefördert werden.
n Die Blutspenderichtlinie muss dem Stand
der Wissenschaft angepasst werden. Aus-
schlusskriterien und -zeiten, die schwule und
bisexuelle Männer sowie trans* Personen
diskriminieren, müssen entsprechend abge-
schafft bzw. verkürzt werden.
n Wir wollen den Schutz vor Diskriminierung
aufgrund der geschlechtlichen Identität,
sexuellen Orientierung und Lebensweise
in Artikel 3 des Grundgesetzes aufnehmen.
Um dieses erweiterte Grundrecht zu garan-
tieren, braucht es Antidiskriminierungs-
stellen und ein Verbandsklagerecht im All-
gemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
109
Selbstbestimmung für trans*- und
intergeschlechtliche Menschen
Wir wollen einen selbstbestimmten Ge-
schlechtseintrag für alle. Eine Vornamens-
und Personenstandsänderung muss mit
einer einfachen Erklärung beim Standesamt
möglich werden – ohne die bisherigen
Zwangsberatungen, Gutachten, ärztlichen
Atteste und Gerichtsverfahren.
n Das Transsexuellengesetz (TSG) patholo-
gisiert. Wir wollen es abschaffen und durch
ein Selbstbestimmungsrecht ersetzen.
n Die fremdbestimmten Operationen an
trans* Personen und intergeschlechtlichen
Menschen aufgrund der gesetzlichen OP-
und Sterilisationspflicht im TSG in den
Jahren 1981 bis 2011 müssen historisch
aufgearbeitet werden. Die davon betroffenen
Menschen müssen angemessen entschädigt
werden. Wir wollen einen Entschädigungs
fonds einrichten.
n Wir wollen die Rechte von trans* und
intergeschlechtlichen Kindern und
Jugendlichen stärken. Der Anspruch auf
körperliche Unversehrtheit ist ein Grund-
und Menschenrecht. Alle medizinisch
nicht notwendigen Eingriffe an den inneren
oder äußeren Geschlechtsmerkmalen von
Kindern verbieten wir. Dazu gehört die
Anerkennung der von ihnen selbst benannten
Geschlechtszugehörigkeit.
n Wir setzen uns für geschlechtsneutrale
Toiletten und Waschräume, insbesondere
in öffentlichen Gebäuden ein, um Diskri-
minierung aufgrund der geschlechtlichen
Identität abzubauen.
n Trans* Personen brauchen freien Zugang
zu allen notwendigen medizinischen
Leistungen (medikamentöse Therapien,
Psychotherapie, falls gewünscht Operationen)
und die Übernahme der dafür anfallenden
Kosten durch die Krankenkassen – auch
wenn sie keine Krankenversicherung haben
und unabhängig von dem aktuellen Aufent-
haltsstatus.
n Konversionsbehandlungen müssen kom-
plett verboten werden, auch an Erwachse-
nen. Fürsorge- oder Erziehungsberechtigte
müssen zukünftig rechtlich belangt werden
können, wenn sie dennoch Konversions-
behandlungen hinnehmen oder veranlassen.
n Wir setzen uns für queere Gesund
heitszentren mit Schwerpunkt trans*
und inter* auch in Kleinstädten und
ländlichen Gebieten ein.
n Die Rechte und besonderen Belange von
trans* und intergeschlechtlichen Personen
müssen auch im Strafvollzug und bei polizei-
licher Durchsuchung gewahrt bleiben.
Queere Geflüchtete absichern
und stärken!
Menschen, die nach Deutschland flüchten,
sind mit vielen Schwierigkeiten konfron-
tiert. Die Covid-19-Pandemie hat das Recht
auf Asyl noch mehr eingeschränkt und
die prekäre Situation vieler Geflüchteter
verschärft. Die Forderung nach physischer
Distanz in Zeiten einer Pandemie stellt
sich für Massenunterkünfte als besonders
problematisch heraus. Die noch verstärkte
Isolation setzt die psychische Gesundheit
vieler Geflüchteter aufs Spiel (vgl. Kapitel
»Solidarische Einwanderungsgesellschaft«).
n Wir fordern dezentrale Unterbringung
von queeren Geflüchteten (wie insgesamt
von geflüchteten Menschen), Zugang zum
Internet, Recht auf barrierefreie, gesund-
heitliche Versorgung unabhängig vom Auf-
enthaltsstatus und den Ausbau spezifischer
Vernetzungs- und Hilfsangebote für queere
Geflüchtete.
n Queeren Menschen, die verfolgt werden,
muss uneingeschränkt Asyl bzw. Schutz
gewährt werden. Sie dürfen nicht abge-
schoben werden – auch nicht in sogenannte
sichere Herkunftsländer. Wir wollen flächen-
deckend Fachstellen für LSBTIQA*
Geflüchtete einrichten. Dort können sich
queere Geflüchtete zum Asylverfahren
sowie zum Aufenthalts- und Migrations-
recht beraten lassen. Außerdem braucht
es Möglichkeiten der psychologischen
Beratung für LSBTIQA*-Geflüchtete.
110
Selbstbestimmt leben in einer inklusiven
und barrierefreien Gesellschaft
Wir wollen ein Land, in dem alle Menschen
gleichberechtigt zusammenleben und
an den demokratischen Entscheidungen
beteiligt werden – unabhängig von ihren
individuellen Fähigkeiten, ihrer körperlichen
Verfassung, ihrer Herkunft und sozialen
Stellung, ihrem Geschlecht, Alter oder ihrer
sexuellen Orientierung. Eine inklusive Gesell-
schaft, in der niemand ausgegrenzt wird.
Die Realität sieht anders aus. Rund16 Pro-
zent der Bevölkerung leben mit anerkannten
Behinderungen und chronischen Erkran-
kungen. Durch vielfältige Barrieren im Alltag –
zum Beispiel in Verkehrsmitteln, Arbeits-
stätten, Bildungseinrichtungen, Arztpraxen,
Behörden oder im digitalen Bereich – ist
Teilhabe für sie nur eingeschränkt möglich.
Der allgemeine Arbeitsmarkt ist auch über
zehn Jahre nach Ratifizierung der UN-
Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)
nicht barrierefrei und inklusiv. Vielmehr
droht den Betroffenen eine Armutsspirale.
Menschen mit Behinderung und chro-
nischer Erkrankung sind überproportional
oft erwerbslos, von Sozialhilfe abhängig
und in Heimen untergebracht.
DIE LINKE tritt für die volle und wirksame
Teilhabe aller Menschen auch mit Behin-
derung ein. Grundvoraussetzung dafür ist
Barrierefreiheit – in baulicher, kommuni-
kativer und struktureller Hinsicht. Barrie-
refreiheit nützt allen Menschen. Sie muss
deshalb sowohl für den öffentlichen als
auch den privatwirtschaftlichen Bereich als
bindende Verpflichtung gelten.
Wir verstehen Inklusion als einen Prozess
zum Abbau von gesellschaftlichen Ungleich-
heiten. Er bezieht sich auf all die Menschen,
die von Teilhabe ausgeschlossen und an
den Rand der Gesellschaft gedrängt werden:
Menschen mit Behinderung, alte Men-
schen, Geflüchtete, Sinti*zze und Rom*nja,
sprachliche und kulturelle Minderheiten,
Menschen mit anderen Glaubensbekennt-
nissen und anderer sexueller Orientierung
und viele mehr. Inklusion eröffnet allen
Menschen die Möglichkeit, überall im
politischen, sozialen und kulturellen Leben
nicht nur dabei zu sein, sondern es selbst-
bestimmt aktiv mitgestalten zu können.
Politik für Menschen mit Behinderung und
chronischer Erkrankung muss als men-
schenrechtliche Aufgabe gestaltet werden –
die Konvention der Vereinten Nationen
macht hier klare Vorgaben. Die sind auch
für Deutschland verbindlich und müssen
umgesetzt werden. Menschenrechte dürfen
nicht unter Kostenvorbehalt gestellt werden.
Deshalb wollen wir Selbstbestimmung als
wichtigstes Prinzip in der Behindertenpolitik
verankern und einklagbar machen. Men-
schen mit Behinderung und chronischer
Erkrankung haben einen Anspruch auf
Selbstverwirklichung. Barrieren müssen
abgebaut werden – auch in den Köpfen und
in der digitalen Welt. Barrierefreiheit ist
Grundlage für gleiche Teilhabe und fördert
den solidarischen Zusammenhalt.
n Wir wollen ein garantiertes Recht auf
persönliche Assistenz in allen Lebensbe
reichen für ein selbstbestimmtes Leben in
Arbeit, Bildung, Wohnen, Freizeit, Familie
und Elternschaft sowie im Ehrenamt. Auch
für diejenigen, die ihre persönliche Assis-
tenz- / Unterstützungskräfte nicht über das
Arbeitgebermodell selbst organisieren,
muss es möglich sein, die persönlichen
Assistent*innen bei einem notwendigen
Aufenthalt im Krankenhaus sowie in Vor-
sorge- und Rehabilitationseinrichtungen
mitzunehmen.
n Wir wollen die Arbeitsbedingungen
der Assistenz und Unterstützungskräfte
verbessern. Ihre Arbeit soll tariflich
entlohnt werden, auch wenn sie im soge-
nannten Arbeitgebermodell direkt bei den
Assistenznehmer*innen beschäftigt sind.
Damit das funktionieren kann, müssen die
kommunalen Kostenträger dazu verpflichtet
werden, die Tariflöhne zu refinanzieren.
Die Tariflöhne sollen mindestens auf dem
Niveau der Tarifverträge für den öffentlichen
Dienst sein. Zudem soll für öffentliche
Aufträge eine Tariftreueregelung gelten.
111
n Wir wollen die bundesweit circa 500 Be
ratungsstellen der ergänzenden unabhän
gigen Teilhabeberatung (EUTB), finanziell
und personell so ausstatten, dass sie ihre
Beratungsdienste langfristig und barriere-
frei anbieten können. Die dort tätigen Be-
schäftigten wollen wir nach Tarif entlohnen.
Insbesondere Menschen mit Behinderung
und chronischer Erkrankung sollen als
sozialversicherungspflichtig beschäftigte
Berater*innen tätig sein. Die Antragsver-
fahren zur Mittelbewilligung müssen verein-
facht werden.
n Die gesundheitliche und pflegerische
Versorgung muss wohnort und patien ten
nah sichergestellt und zur kommunalen
Pflichtaufgabe gemacht werden.
n Gute Arbeit und Einkommen, von dem
man leben kann, müssen auch für Men-
schen mit Behinderung auf einem inklusiven
Arbeitsmarkt stärker gefördert werden. Das
schließt die Beschäftigten in Werkstätten
ein! Menschen mit Behinderungen sind
überdurchschnittlich von Erwerbslosigkeit
betroffen: Weil es zu viele Barrieren gibt
und aufgrund anderer Diskriminierungen.
Wir brauchen einen inklusiven Arbeitsmarkt.
Die gesetzliche Beschäftigungspflicht
von Unternehmen muss wieder auf sechs
Prozent angehoben und konsequent – unter
der Maßgabe von Sanktionen – umgesetzt
werden. Initiativen zum Abbau von Lang-
zeitarbeitslosigkeit müssen gezielt auch
Menschen mit Behinderungen einschlie-
ßen. Dabei sind Frauen mit Behinderungen
besonders zu berücksichtigen.
n Die Ausgleichsabgabe wollen wir deutlich
anheben. Alle Regelungen sollen beseitigt
werden, die es Unternehmen ermöglichen,
die Zahlung der Ausgleichsabgabe zu redu-
zieren und so die Beschäftigungspflicht
faktisch auszuhebeln. Wir stellen sicher,
dass die Mittel der Ausgleichsabgabe nur
für die Schaffung und Sicherung inklusiver
Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeits-
markt und nicht für institutionelle Förde-
rungen verwendet werden.
n Inklusionsunternehmen mit sozialver-
sicherungspflichtiger Beschäftigung für
Menschen mit Behinderungen und chro-
nischen Erkrankungen wollen wir deutlich
stärker fördern und ausweiten.
n Sonderarbeitswelten (Werkstätten für
behinderte Menschen) wollen wir Schritt für
Schritt überflüssig machen – mithilfe von
sofort durchsetzbaren Ausstiegsstrategien
und Zeitplänen sowie durch Anreize für die
Beschäftigung bei öffentlichen und privaten
Arbeitgebern im allgemeinen Arbeitsmarkt.
Dabei wollen wir sicherstellen, dass Men-
schen mit Behinderungen keine Minderung
ihres sozialen Schutzes bzw. der Alters-
sicherung erfahren, die gegenwärtig an
die Werkstätten für behinderte Menschen
geknüpft sind. Als einen Zwischenschritt für
Beschäftigte der Werkstätten für behinderte
Menschen betrachten wir die sofortige
Einführung des Tarif- bzw. des gesetzlichen
Mindestlohnes.
n Zur Umsetzung dieser Forderungen
wollen wir die Rechte der Schwerbehinder-
tenvertretungen und der Werkstatträte an
die Rechte der Betriebs- und Personalräte
angleichen. Menschen mit Behinderungen
müssen für ihre politische Arbeit eine
Arbeitsassistenz bereitgestellt bekommen.
Die Tätigkeiten der Frauenbeauftragten
und der Werkstatträte müssen bedarfs-
deckend finanziert und abgesichert werden.
n Öffentliche Investitionen und Fördergelder
müssen an das Kriterium der Barrierefreiheit
gebunden werden, unter anderem in Arzt-
praxen, medizinischen Einrichtungen und
bei Umbaumaßnahmen.
n Auch die Privatwirtschaft muss um
fassende Barrierefreiheit ermöglichen.
Wir wollen dazu verbindliche und wirksame
Regelungen in das Allgemeine Gleichbe-
handlungsgesetz (AGG) und in das Behinder-
tengleichstellungsgesetz (BGG) sowie in
alle Gesetze aufnehmen, mit denen private
Anbieter*innen von öffentlich zugänglichen
Gütern und Dienstleistungen zur Herstel-
lung von Barrierefreiheit gemäß UN-BRK
verpflichtet werden. Wir wollen ein Ver-
bandsklagerecht einführen, damit Antidis-
kriminierungsverbände klagen können.
n Für den Wohnungsbau gilt zukünftig ein
grundsätzliches Gebot der Barrierefreiheit.
112
Für die Umsetzung eines sozialen, gemein-
nützigen Wohnungsbaus mit barrierefreien
Wohnungen und inklusiven Wohnange-
boten – auch im Bestand – bedarf es einer
Investitionsoffensive. Vermieter*innen
dürfen die Zustimmung zu einem behinder-
tengerechten Umbau ihrer Wohnung nicht
mehr verweigern können.
n Die Städtebauförderung muss auf die
Entwicklung von inklusiven und umfassend
barrierefreien Lebensräumen und Stadt-
quartieren ausgerichtet werden, in denen
ein gleichberechtigtes, am Sozialraum
orientiertes Zusammenleben aller Men-
schen mit und ohne Behinderung erreicht
wird: ein universelles Design (Design für
alle bzw. Nutzen-für-alle-Konzept) gemäß
Artikel 2 der Behindertenrechtskonvention
der Vereinten Nationen.
n Eine Schule für alle! Wir wollen inklu-
sive Bildung und Erziehung von Kindern
und Jugendlichen mit und ohne Behin-
derung in allen Entwicklungsphasen mit
entsprechender Qualifizierung des Per-
sonals und ausreichender Personal- und
Sachausstattung der Einrichtungen
(vgl. Kapitel »Gute Bildung«).
n Alle Gesetze und Verordnungen
müssen überprüft werden, ob sie der
UN-BRK entsprechen und bei Bedarf
entsprechend geändert werden. Dabei
soll auch die Stellung von Menschen
mit schwerer sogenannter geistiger und
Mehrfachbehinderung, psychischer Be-
einträchtigung und chronischer Erkran-
kung verbessert werden.
n Ein menschenrechtskonformes Bundes-
teilhabegesetz, das keine Kostenvorbe-
halte, Einkommens- sowie Vermögensan-
rechnungen und Zumutbarkeitsprüfungen
vorsieht und so tatsächliche Chancen-
gerechtigkeit schafft. Wir wollen, dass
die Teilhabeleistungen für Menschen
mit Behinderung und chronischer Erkran-
kung bedarfsdeckend sowie einkom
mens und vermögensunabhängig in
allen Lebensbereichen nach bundesweit
einheitlichen Kriterien und durch Bundes-
mittel finanziert werden. Auch wollen wir
ein Teilhabegeld einführen.
Eine solidarische
Einwanderungsgesellschaft
Einwanderung ist keine Bedrohung, son-
dern Alltag für viele, Bestandteil unserer
Gesellschaft und Recht jedes einzelnen
Menschen. Deutschland ist Heimat für
Menschen aus verschiedensten Orten, mit
unterschiedlichen Geschichten und so
vielfältig wie noch nie. Wir leben, lieben
und arbeiten zusammen. Wir machen nicht
mit, wenn Beschäftigte und Rentner*innen
in Deutschland ausgespielt werden gegen
Menschen, die vor Armut, Unterdrückung,
den Folgen der Klimakatastrophe und Krieg
fliehen. Würde der Reichtum gerechter
verteilt, gäbe es genug für gutes Leben,
Wohnen und Arbeiten – für alle.
Die Wirtschaft basiert vielfach auf der
Ausbeutung und auf schlechten Arbeits-
bedingungen von Migrant*innen mit oft
prekärem Aufenthaltsstatus und teilweise
eingeschränkter gesundheitlicher Ver-
sorgung, zum Beispiel in Schlachthöfen,
auf Spargelfeldern und in der Pflege.
Menschen mit Migrationsgeschichte sind
nach Generationen noch häufiger von
Armut, Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit
betroffen. Ihre Kinder werden im Bildungs-
system systematisch benachteiligt, wer
einen migrantisch klingenden Nachnamen
trägt, hat häufiger Probleme bei der Woh-
nungs- und Jobsuche. Diese rechtlichen
und sozialen Diskriminierungen müssen
abgebaut werden.
Doch die Bundesregierung setzt statt-
dessen weiter auf Abschreckung, Spaltung
und Abschottung. Das Ergebnis: wach-
sender Rassismus in Gesellschaft und
staatlichen Institutionen wie der Polizei,
wo extrem rechte Netzwerke (Stichwort
NSU 2.0!) ihr Unwesen treiben. Und immer
wieder rechter Terror.
113
Unsere Agenda gegen Rassismus:
Soziale Offensive und
gleiche Rechte für alle
Um Rassismus und Diskriminierung zu über-
winden, braucht es eine gerechte Verteilung
von Rechten, Reichtum und Ressourcen.
Wir wollen Teilhabe statt Integration. Denn
Demokratie setzt Teilhabe im Alltag voraus.
Wir wollen, dass alle Menschen, die hier
leben, im Rahmen einer Teilhabeagenda
rechtlich, politisch und sozial gleichgestellt
werden. Zusammen mit zahlreichen Bewe-
gungen und antirassistischen Initiativen wie
Seebrücke, Aufstehen gegen Rassismus
und Black Lives Matter stehen wir #unteilbar
gegen soziale Spaltung, Rassismus und
rechte Hetze. Antirassismus ist für uns viel
mehr als Symbolpolitik. Es braucht Inves-
titionen in Zusammenhalt und Partizipation
statt in Ausgrenzung und Abschottung.
Und gleiche Rechte für alle.
Unser Ziel ist ein grundlegender Politik-
wechsel – in Richtung globale Bewegungs-
freiheit, gleiche Rechte für alle und einer
solidarischen Einwanderungsgesellschaft.
Wir stellen uns Alltagsrassismus und struk-
turellem Rassismus in Staat und Gesell-
schaft entgegen. DIE LINKE steht für offene
Grenzen für alle Menschen in einem solida-
rischen Europa, das sich nicht abschottet.
Wir streiten für sichere Fluchtwege und
eine Gesellschaft, die Menschenrechte
verwirklicht – statt Mauern zu bauen und
Grundrechte der aktuellen Haushalts- und
Stimmungslage anzupassen.
n Es braucht Aufenthalts und Arbeitser
laubnisse unabhängig von Beschäftigungs-
dauer und Arbeitgeber sowie flächen-
deckende Kontrollen zur Durchsetzung
des Mindestlohns von 13 Euro für alle Men-
schen (vgl. Kapitel »Arbeit«). Gegen einen
eventuellen Fachkräftemangel braucht es
keine gezielte Abwerbung von qualifizierten
Menschen im Ausland, sondern anständige
Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Bezah-
lung für alle Menschen hierzulande.
n Es braucht eine bessere Anerkennung
der Qualifikationen und Abschlüsse
von Nicht-EU-Bürger*innen, damit sie ihre
Berufe weiter ausüben können.
n Der Einschränkung sozialer Sicherheiten
für Migrant*innen aus EU Ländern und
anderen Staaten durch die Bundesregie-
rung stellen wir uns entgegen. Gesundheits-
schutz darf nicht eingeschränkt werden: Es
braucht einen bundesweiten Härtefallfonds
und einen anonymen Krankenschein für die
Behandlung von Menschen ohne Absiche-
rung, Ausnahmen von der Versicherungs-
pflicht wollen wir aufheben (vgl. Kapitel
»Gesundheit«).
n Auf Dolmetscher*innen-Leistungen soll es
im Rahmen medizinischer Leistungen einen
gesetzlichen Anspruch geben. Auch Inklu-
sion, Teilhabe und Barrierefreiheit dürfen
keine Frage des Aufenthaltstitels mehr sein.
n Wir wollen das aktive und passive
Wahlrecht auf allen Ebenen für alle lang-
fristig in Deutschland lebenden Menschen
mit Migrationsgeschichte, damit sie gleich-
berechtigt die Gesellschaft mitgestalten
können. Alle hier geborenen Kinder und
Jugendlichen, deren Eltern dauerhaft im
Land wohnen, sollen die deutsche Staats-
angehörigkeit erhalten und ein Recht auf
Mehrstaatlichkeit haben – ohne die Staats-
bürgerschaft der Eltern ablegen zu müssen.
Migrant*innen sollen nach fünf Jahren
Aufenthalt in der Bundesrepublik einen
Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben.
n Wir fordern Legalisierungsmöglichkeiten
für Menschen ohne Aufenthaltsstatus und
effektive Bleiberechtsregelungen für Men-
schen, die in einem unsicheren Aufent-
haltsstatus oder mit Kettenduldung leben
müssen. Für sie wollen wir einen sicheren
Zugang zu Bildung, Gesundheit und arbeits-
rechtlichem Schutz vor Ausbeutung schaffen.
n Abschiebungen, insbesondere in Krieg,
Ver folgung und Elend oder als Form der
Doppelbestrafung, lehnen wir ab – im
Gegensatz zu allen anderen im Bundestag
vertretenen Parteien. Wir haben hier
immer dagegen gestimmt und werden das
auch in Zukunft tun.
n Antirassismus ins Gesetz: Es braucht,
wie in Thüringen, eine klare Arbeitsdefini-
tion von institutionellem und strukturellem
Rassismus. Zudem fordern wir eine grund-
114
legende Reform des Allgemeinen Gleich-
behandlungsgesetzes (AGG) und ein
Verbandsklagerecht. Es braucht einen
Diskriminierungsschutz, der auch staat-
liches Handeln einbezieht. Wir fordern
ein Bundesantidiskriminierungsgesetz
(BADG) zum Schutz vor Diskriminierung
durch staatliche Stellen. Es braucht
eine*n Antirassismus-Beauftragte*n mit
echten Befugnissen.
n Es braucht institutionalisierte Hilfs
und Beratungsstrukturen für Menschen
mit Rassismuserfahrungen, die niedrig-
schwellig und angemessen sind. Diese
Strukturen sollen flächendeckend regel-
finanziert werden.
n DIE LINKE fordert, in Artikel 3 des Grundge-
setzes eine Schutz- und Förderklausel gegen
rassistische Diskriminierung aufzunehmen.
n Rassismus und Korpsgeist in den Behör-
den müssen endlich angegangen werden!
Dafür braucht es eine Organisationsent-
wicklung in der Verwaltung, die für Diskri-
minierungen sensibel ist und eine Polizei
reform (vgl. Kapitel »Sicherheit für alle«).
n Wir wollen ein Partizipationsgesetz, um
Menschen mit Rassismuserfahrung besser
einzubeziehen und mehr in der Gesellschaft
zu repräsentieren. Dazu gehören eine
Quote, um den Anteil von Menschen mit
Migrationsgeschichte in der öffentlichen
Ver waltung entsprechend ihrem Anteil
an der Bevölkerung zu erhöhen, und ein
Partizipationsrat, der in wichtige Entschei-
dungen in Wirtschaft, Wissenschaft und
Politik einbezogen wird. Hier ist es für uns
zentral, dass migrantische Selbstorgani-
sationen Teil des Partizipationsrats sind
und es eine Vertretung entsprechend einer
Gleichstellungsbeauftragten oder einem
Gleichstellungsbeauftragten ist. Wir fordern,
dass eine Enquetekommission eingesetzt
wird, die den Bundestag bei der Umsetzung
der Forderungen aus dem NSU-Ausschuss
sowie dem UN-Antirassismus-Ausschuss
(ICERD) berät.
n Wir fordern ein humanitäres Bleiberecht
für Betroffene rechter Gewalt ohne festen
Aufenthaltsstatus. Opfer von Rassismus
und ihre Angehörige müssen besser unter-
stützt werden. Es braucht eine Ausweitung
der Entschädigungsleistungen für Be
troffene von rassistisch und antisemitisch
motivierten Attacken.
n Menschen mit Rassismuserfahrungen
sind kein Sicherheitsproblem. Die Zustän-
digkeit für Migration und Integration muss
dem Bundesinnenministerium entzogen
werden. Wir fordern ein Bundesminis
terium für Migration und Partizipation.
n Zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich ge-
gen Rassismus, Antisemitismus, Homo- und
Transfeindlichkeit, Antiziganismus, religiösen
Fundamentalismus, antimuslimischen Ras-
sismus und für mehr Demokratie engagieren,
sowie Flüchtlingsräte, migrantische Verbän-
de, selbstverwaltete Beratungsangebote und
die Selbstorganisation von Migrant*innen
wollen wir durch ein Demokratieförder
gesetz stärker und endlich dauerhaft fördern
(vgl. Kapitel »Gegen rechte Gewalt«).
n Antirassistische Initiativen sollen
mehr finanzielle Unterstützung erhalten.
Trainer*innen, Betreuer*innen und ehren-
amtliche Verantwortliche in Vereinen und
(Fan-) Projekten, die Partizipationsarbeit
leisten, müssen stärker unterstützt werden.
Es braucht deutlich mehr Investitionen
in die öffentliche Infrastruktur und den
sozialen Zusammenhalt, d. h. eine bessere
Ausstattung, bessere Arbeitsbedingun-
gen und mehr Personal in Schulen, Kitas,
Verwaltung, Jugend- und Kulturzentren (vgl.
Kapitel »Investitionen«). Niedrigschwellige
Angebote, insbesondere für Migrant*innen
und geflüchtete Frauen sowie queere
Geflüchtete und Migrant*innen, wollen wir
ausbauen und sie unterstützen.
n Wir wollen einen Fonds für Willkom
mens kommunen, der Geflüchteten Bewe-
gungsfreiheit sichert und aufnahmebereiten
Kommunen und solidarischen Städten hilft.
Kommunen, die die Bedingungen für Will-
kommenskultur verbessern wollen, können
damit Mittel für Versorgung und Integration
von Geflüchteten beantragen. Diese Inves-
titionsmittel können dann allgemein für die
öffentliche Daseinsvorsorge genutzt werden.
115
n Wir werden ein Sofortprogramm auflegen,
um zusätzliche Schulsozialarbeiter*innen
und Lehrkräfte auszubilden und einzustellen,
die Deutsch als Zweitsprache unterrichten.
Das Recht auf schulische Bildung muss für
alle Kinder bundesweit und unabhängig
vom Aufenthaltsstatus gelten, auch der
Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und
Ganztagesplätze. Qualifikationen für die
Berufsausbildung müssen unabhängig vom
Alter angeboten werden. Bildungs- und Integ-
rationsangebote wollen wir unabhängig vom
aufenthaltsrechtlichen Status gewähren.
n Geflüchtete wollen wir bundesweit
dezentral und in Wohnungen unterbringen
und ihnen flächendeckend kostenlose
Sprachkurse anbieten. Statt diskriminie-
render Sachleistungen wollen wir reguläre
Geldleistungen in Höhe der solidarischen
Mindestsicherung für alle Menschen.
Menschlichkeit verteidigen: Menschen
retten, Fluchtwege frei machen,
Fluchtursachen bekämpfen
Deutsche Konzerne exportieren Waffen in
die ganze Welt, aber Menschen, die vor
diesen Waffen und den mit ihnen geführten
Kriegen fliehen, sollen ausgesperrt werden.
Viele flüchten, weil westliche Konzerne ihre
Länder zerstören. Doch ihre Einreise nach
Europa wird mit unmenschlichen Mitteln
erschwert. Mehr als 20 000 Menschen sind
in den vergangenen sieben Jahren auf dem
Weg nach Europa gestorben, ertrunken im
Mittelmeer, verdurstet in der Wüste. In den
Lagern an den Grenzen, auf dem Boden der
EU gibt es unerträgliches Elend. Deutsch-
land macht sich politisch abhängig von
Regimen, die den Job der Geflüchtetenab-
wehr an den europäischen Außengrenzen
übernehmen; im Innern macht die extreme
Rechte mobil.
Dabei würde es anders gehen. Denn Platz
und Ressourcen sind genug vorhanden.
Würde der Reichtum gerechter verteilt, gäbe
es genug für alle. Menschenleben und
Würde dürfen nicht vom Pass oder Aufent-
haltstitel abhängen. Deswegen stehen wir
auf gegen Abschottung und Abschiebungen,
für das Recht zu gehen, zu kommen und
zu bleiben. Und für eine Überwindung der
wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten und der
Ideologien der Ungleichheit wie Rassismus
und Nationalismus, die immer wieder zu
populären Waffen in der Konkurrenz um
Ressourcen, Reichtum und Lebenschancen
werden. Schluss damit! Statt uns gegen-
einander ausspielen zu lassen, wollen wir
gemeinsam für Gerechtigkeit eintreten: die
Menschen retten, soziale Gerechtigkeit
globalisieren und Fluchtursachen – nicht
die Geflüchteten – tatsächlich bekämpfen.
n Schluss mit den Ausreden: Die Menschen
retten! Die EU-Abschottungsagentur Frontex
muss aufgelöst und durch ein ziviles euro-
päisches Seenotrettungsprogramm
ersetzt werden. Bestehende Instrumente
zur Überwachung des Mittelmeers und der
Außengrenzen wollen wir in den Dienst der
Seenotrettung stellen. Die Kriminalisierung
der zivilgesellschaftlichen Seenotrettung
muss umgehend beendet werden. Alle
europäischen »Hotspots«, wie das Elends-
lager Moria und seine Nachfolger, müssen
aufgelöst werden. Es braucht ein humani-
täres Sofortprogramm zur Aufnahme der
Menschen. Solange eine europäische
Lösung nicht durchsetzbar ist, muss die
Bundesregierung mit einer Koalition der
Willigen vorangehen.
n Wir wollen legale und sichere Einreise
möglichkeiten in die EU. Das entzieht
Schleppern die Geschäftsgrundlage. Die
Genfer Flüchtlingskonvention, die UN-Kinder-
rechtskonvention und die Europäische
Menschenrechtskonvention müssen ein-
gehalten werden. Das UN-Flüchtlings-
kommissariat hat im Januar 2021 die Praxis
der Zurückweisung an Europas Grenzen
angeprangert und sieht das Asylrecht in
Gefahr. Der Grundsatz der Nichtzurück-
weisung an den EU-Außengrenzen und
auf hoher See muss ohne Einschränkung
befolgt werden! Der Flüchtlingsdeal mit
der Türkei und ähnliche Abkommen oder
Formen der Zusammenarbeit mit Milizen
und Diktatoren in Staaten wie Libyen,
Ägypten, Sudan und Marokko müssen
aufgekündigt werden.
n Flucht ist kein Verbrechen! Der indivi
duelle Zugang zu Asylverfahren und Rechts-
schutz muss für Asylsuchende an den EU-
116
Außengrenzen sichergestellt werden. Frauen,
Kranke, Alte, Kinder, religiöse und ethnische
Minderheiten sowie Menschen mit Behinde-
rung und queere Menschen sind besonders
schutzbedürftige Personen. Sie müssen
vor Gewalt, Elend und Ausbeutung sicher
sein. Schnellverfahren und Inhaftierung
von Schutzsuchenden (ob in sogenannten
Rückkehr-, Transit-, kontrollierten Zentren
oder »Hotspots«) lehnen wir ab.
n Asylrecht ausweiten und durchsetzen!
Wir wollen einheitliche Schutzstandards auf
hohem Niveau; die Verlagerung der Verant-
wortung auf andere Staaten mithilfe von
sicheren Drittstaaten- oder Herkunfts-
länderregelungen wollen wir beenden.
Verfolgung wegen sexueller Orientierung
und von trans* und intergeschlechtlichen
Menschen (LSBTIQA*) muss in der Praxis
als Fluchtgrund anerkannt werden. Der
Negativwettbewerb durch abgesenkte
Standards bei Unterbringung, Versorgung
und Rechten gehört abgeschafft!
n Die Bundesregierung muss endlich darauf
drängen, dass die EU gegen Mitgliedstaaten
vorgeht, die ihre menschenrechtlichen
Verpflichtungen systematisch missachten.
n Wir fordern eine flächendeckende
unabhängige Asylverfahrensberatung
durch Wohlfahrtsverbände und Vereine, die
öffentlich finanziert sein muss; pauschale
Asylwiderrufsprüfungen soll es nicht geben;
die Qualität der Asylprüfung und internen
Kontrolle muss deutlich verbessert werden,
um die Vielzahl der rechtswidrigen und
fehlerhaften Bescheide des BAMF wirksam
zu reduzieren
n Es gibt keine »Wirtschaftsflüchtlinge« –
niemand flieht freiwillig! Wir fordern die
Ausweitung verbindlicher Flüchtlings
rechte auf Armuts-, Umwelt- und Klima-
flüchtlinge sowie eine entsprechende
humanitäre Visavergabe. Es braucht
umfassende Aufnahmekontingente über
das Resettlement-Programm des UNHCR
und die Aufhebung des Visumszwangs
für Schutzsuchende.
n Das Dublin System muss überwunden
werden: Wir wollen eine europäische
Fluchtumlage zur Verantwortungsteilung,
die an den Wünschen und Interessen der
Geflüchteten anknüpft und bestehende
Familienbindungen, sprachliche Kenntnis-
se und individuelle Umstände maßgeblich
berücksichtigt. Ungleiche Verteilung kann
dann durch Ausgleichszahlungen der Länder
mit geringen Aufnahmezahlen ausgeglichen
werden; Länder, Regionen und Städte, die
bereit sind, mehr Flüchtlinge aufzunehmen,
werden mit EU-Mitteln finanziell unterstützt.
n Das Recht auf Familiennachzug muss
uneingeschränkt gelten – auch für »subsi-
diär« Schutzberechtigte. Bei unbegleiteten
minderjährigen Geflüchteten muss es ein
Recht auf Nachzug der Geschwisterkinder
geben.
n Wir fordern, dass die Kommunen selbst
entscheiden dürfen, ob sie über die ihnen
zugeteilten Menschen hinaus weitere
Geflüchtete aufnehmen. Auch kommu-
nal verankerte Gremien sollen künftig
Härtefallerlaubnisse anordnen können.
n Kein Mensch ist illegal! Das Recht auf
Bewegungsfreiheit darf nicht vom Zufall des
Geburtsorts oder der ökonomischen Ver-
wertbarkeit abhängig sein. DIE LINKE setzt
sich für eine umfassende Visaliberalisierung
sowie ein offenes und solidarisches Ein
wanderungsrecht ein, das sich nicht mehr
am Maßstab von Herkunft oder ökono-
mischer Verwertbarkeit orientiert.
Wer Fluchtursachen wirklich bekämpfen
will, muss endlich die Verhältnisse verän-
dern, die immer wieder zur Flucht zwingen
und Hilfe notwendig machen. Statt weiter
systematisch Fluchtursachen wie Waffen,
Umwelt- und Klimazerstörung sowie Armut
zu exportieren, wollen wir deshalb globale
Ungerechtigkeiten überwinden, Demo-
kratie und soziale Bewegungen von unten
unterstützen und Menschen in Not effektiv
helfen (vgl. Kapitel »Soziale Gerechtigkeit
weltweit«).
117
Die Demokratie stärken
Rechten Terror und Gewalt stoppen
Die extreme Rechte hat die Schwelle
zum Terror längst überschritten. Die Liste
rechter Attentate allein aus den letzten
zwei Jahren ist lang. Wir erinnern beson -
ders an die Anschläge in Kassel und Halle
im Jahr 2019 und Hanau im Jahr 2020 mit
mehreren Toten. Rechte begehen Mord-
anschläge auf Migrant*innen, Menschen
jüdischen und muslimischen Glaubens,
Linke und andere Andersdenkende; die
Sicherheitsbehörden erweisen sich immer
wieder als unfähig, die Täter*innen zu
fassen. Das hat in der Bundesrepublik
eine schreckliche Tradition, vom Attentat
auf das Münchner Oktoberfest bis zu
den Morden des NSU. Deutschland hat
spätestens seit den Achtzigerjahren
eine erschreckende rechtsterroristische
Kontinuität. Die Täter*innen werden
durch ein gesellschaftliches Klima ermutigt,
in dem der Wert von Menschenlebenin -
frage gestellt wird. Der Weg zu Bluttaten
beginnt mit Hetze im Alltag.
Rechte Gruppen und Parteien versuchen,
Ängste und Nöte der Menschen angesichts
der Folgen neoliberaler Politik zu bedienen.
Sie lenken ab von sozialen Kämpfen für
bessere Löhne und Umverteilung des gesel-
lschaftlichen Reichtums und deuten sie in
ethnische, religiöse und kulturelle Konflikte
um, bekämpfen die Gleichberechtigung der
Geschlechter und sexuelle Vielfalt. Und sie
verbreiten – gerade angesichts der Corona-
pandemie – antisemitische Verschwörungs-
theorien. Weil die Verfassungsschutz-
behörde dem Schutz von Informanten*in-
nen Vorrang einräumt, behindert sie immer
wieder polizeiliche Ermittlungen und juris-
tische Aufklärung – und baut extrem rechte
Strukturen sogar mit auf. Aufklärung und
Widerstand gegen rechts wird von anderen
geleistet: Meist sind es ehrenamtlich orga-
nisierte Projekte der Zivilgesellschaft und
Antifa-Initiativen, die Aufklärungsarbeit
betreiben, Solidarität praktisch erlebbar
machen und dahin gehen, wo es weh tut.
Dafür werden sie von Konservativen als
»Nestbeschmutzer« beschimpft, ihnen
werden öffentliche Gelder entzogen und sie
werden als »Linksextremisten« kriminali-
siert. Die AfD versucht, missliebige Vereine
und Akteure der Zivilgesellschaft bis hin
zu Landeszentralen für politische Bildung zu
diskreditieren. Konservative fordern, Grund-
rechte einzuschränken, und (noch) mehr
Befugnisse für die Sicherheitsbehörden.
Offensichtlich gibt es dort aber kein Defizit
an Informationen, Ausrüstung und Befugnis-
sen – wohl aber ein Haltungsproblem.
DIE LINKE hält dagegen – auf der Straße, in
den Betrieben, in den Parlamenten. Zusam-
men mit breiten Bündnissen blockieren wir
Naziaufmärsche und kämpfen gegen rechte
Angriffe und für die gesellschaftliche Äch-
tung von rechtem Gedankengut. Wir stellen
uns gegen jede Form von Menschenfeind-
lichkeit, egal ob vom rechten Rand oder
aus der vermeintlich seriösen Mitte der
Gesellschaft. Ziviler Ungehorsam gehört
zum demokratischen Protest und darf nicht
kriminalisiert werden. Die Große Koalition
hat mit ihrer Politik den Nährboden bereitet,
auf dem Rassismus und Ideologien der Aus-
grenzung gedeihen. Der Aufstieg und die
Radikalisierung der AfD sind Ergebnis dieser
verfehlten Politik sowie der erfolgreichen
rassistischen Umdeutung der Ursachen der
sozialen Spaltung. Mit dem Erstarken der
AfD besteht die Gefahr des Wiederentste-
hens einer faschistischen Partei mit bun-
desweitem Masseneinfluss. Es ist deshalb
notwendig, die AfD auf der Straße und in
den Parlamenten zu stoppen. Eine wirksame
Politik muss Ursachen bekämpfen und auf-
klären: Armut und Niedriglöhne überwinden,
die extreme Rechte zurückdrängen, die
Demokratisierung der Gesellschaft voran-
treiben, soziale Sicherheit schaffen und
die antifaschistischen Grundwerte mit allen
demokratischen Mitteln verteidigen.
n Die Gegenkräfte in der Zivilgesell
schaft stärken! Protest und Aufklärung
gegen rechts sind eine Bedingung von
Demokratie und dürfen nicht mehr krimi-
nalisiert werden. Projekte der mobilen
Beratung gegen Rechtsextremismus,
Opferberatungen und zivilgesellschaftliche
Demokratiebündnisse sowie Antifa-
Initiativen müssen mit einem echten
118
Demokratiefördergesetz stärker und
langfristig finanziell unterstützt werden.
Dabei darf es kein strukturelles Misstrauen
und keinen Kooperationszwang mit Polizei
und Inlandsgeheimdienst geben. Zivilge
sellschaftliche Vereine wie Change.org,
Campact und Attac müssen durch eine
Reform der Abgabenordnung wieder als
gemeinnützig gelten.
n Verfassungsschutz durch eine unab
hängige Beobachtungsstelle ersetzen!
Die Verfassungsschutzbehörde ist ein
Inlandsgeheimdienst. Er ist nicht Teil der
Lösung, sondern Teil des Problems. Er muss
durch eine unabhängige »Beobachtungs-
stelle Autoritarismus und gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit« ersetzt werden. Sie
soll Rechtsextremismus, Antisemitismus,
Antiziganismus, Rassismus, religiösen
Fundamentalismus und andere Formen
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
beobachten und darüber aufklären (vgl.
Kapitel »Sicherheit für alle«). Als erster
Schritt muss das V-Leute-System des
Inlandsgeheimdienstes und seine Ver-
strickungen mit der extremen Rechten
aufgedeckt und beendet werden.
n Den Rechten den sozialen Nährboden
entziehen! Die Zustimmung zu rechter
Politik baut auf Rassismus und der Erfah-
rung auf, dass Interessen nur gegen andere
durchgesetzt werden können. Dass die
Regierung den rechten Forderungen bei
Flucht und Asylrecht nachgegeben hat, hat
die extreme Rechte stärker gemacht, nicht
schwächer. Die Spaltung der Gesellschaft
stärkt zudem religiöse Fundamentalisten.
Dagegen braucht es eine soziale Politik für
alle Menschen. Mit gleichen Rechten für
alle und massiven Investitionen in die öffent-
liche Infrastruktur, die eine Gesellschaft
zusammenhält – bezahlbarer Wohnraum,
kostenfreier ÖPNV, gute Gesundheitsver-
sorgung, Arbeit und Bildung (vgl. Kapitel
»Solidarische Einwanderungsgesellschaft«).
n Entwaffnung der extremen Rechten
und Ermittlungsschwerpunkte für
rechten Terror! Ermittlungsschwerpunkte
bei BKA und Bundesanwaltschaft müssen
die Vernetzung der militanten Naziszene,
insbesondere entsprechende Netzwerke bei
Polizei, Bundeswehr und Spezialeinheiten
stärker in den Blick nehmen. Sie dürfen Fälle
rechter Gewalt nicht mehr als Einzelfälle
verharmlosen. Reichsbürgern und Neonazis
muss endlich die waffenrechtliche Erlaub
nis entzogen werden.
n Wir wollen ein Bleiberecht für die Opfer
rechter Gewalt, um der auf Vertreibung
gerichteten Intention der Täter*innen entge-
genzutreten, und verurteilen die Angriffe
auf Moscheen, Synagogen sowie andere
sakrale oder symbolische Orte. Auch linke
Menschen und Strukturen geraten immer
wieder in den Fokus rechter Angriffe. Wir
stehen zusammen und sind solidarisch mit
Opfern rechter Gewalt und ihren Ange
hörigen. Sie müssen besser und langfristig
unterstützt werden.
n Demokratisierung der Sicherheitsbe
hörden! Es braucht eine wissenschaftliche
Untersuchung extrem rechter Einstellun-
gen und rassistischer Praktiken bei Polizei
und Bundeswehr. Gegen Rassismus und
Korpsgeist bei der Polizei sind eine unab-
hängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle
auf Bundesebene, eine Kennzeichnungs-
pflicht, eine Überarbeitung der Ausbildung
sowie Rotationsmodelle für geschlossene
Einheiten nötig. Rassistische, antisemi-
tische, homo- und transfeindliche, sowie
sexistische Ansichten müssen auch in
den Behörden aktiv bekämpft werden (vgl.
Kapitel »Sicherheit für alle!«).
n Wir fordern die Einsetzung eines Unter
suchungsausschusses zum Rechtsterro-
rismus, um die Aufklärung fortzusetzen und
die lange Geschichte rechtsterroristischer
Strukturen in der Bundesrepublik sowie die
Verantwortung staatlicher Stellen aufzuar-
beiten. Alle NSU-Akten müssen endlich der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
n Wir werden die parlamentarische Auf-
klärung des Rechtsterrors im Bundestag
vorantreiben, Druck machen für die Freiga
be der Akten der Geheimdienste u. a. zum
Oktoberfest-Attentat und zum NSU-Kom-
plex und unabhängige Recherche weiterhin
nach Kräften unterstützen. Wir fordern das
Verbot militanter, bewaffneter, neonazisti-
scher Organisationen.
119
n Wir setzen uns für eine antifaschis
tische Erinnerungskultur ein, um das
Gedenken an die Opfer von damals und
heute zu bewahren. Der 8. Mai soll als Tag
der Befreiung vom Faschismus endlich ein
bundeseinheitlicher Feiertag werden. Die
politische Bildung an den Schulen sowie
kritische Sozialwissenschaften an den
Hochschulen wollen wir stärken.
Deutschland hat wegen der beispiellosen
Verbrechen der Deutschen an jüdischen
Menschen und an Sinti*zze und Rom*nja
wegen der Entfesselung des Zweiten
Weltkriegs und der Verbrechen an den
Völkern Europas – besonders an Polen
und den Völkern der Sowjetunion – an
politisch Andersdenkenden, behinderten
Menschen und Homosexuellen – eine
besondere Verantwortung und muss
jeder Art von Menschenfeindlichkeit,
Antisemitismus, Antiziganismus, antimusli-
mischem und anderem Rassismus und
Sexismus entgegentreten.
Die Rechte von Minderheiten stärken
Dän*innen, Fries*innen, Sinti*zze und
Rom*nja sowie Sorb*innen / Wend*innen
leben seit Jahrhunderten in Deutsch-
land, die Regionalsprache Niederdeutsch
wird bis heute gesprochen. Zur Schaffung
kultureller und sprachlicher Vielfalt gehört
deshalb die Förderung von Regional- und
Minderheitensprachen, die entsprechend
der Europäischen Minderheitencharta
(Europäische Charta der Regional oder
Minderheitensprachen) anerkannt sind.
n Wir fordern bundespolitische Grundsätze
zur Wahrung und Weiterentwicklung der
Identität, Sprache und Kultur der ethnischen
Minderheiten sowie Minderheitenschutz im
Grundgesetz.
n Bei der Strukturförderung von Regionen
sind die Bedürfnisse der ethnischen Min-
derheiten angemessen zu berücksichtigen.
In ganz besonderer Weise betrifft das
die erneut vor einem Umbruch stehende
Lausitz/Łužyca/Łužica.
n Wir stehen dafür, Institutionen und
Projekte zu Erhalt, Pflege und Entwicklung
der Minderheitensprachen und -kulturen
finanziell gemäß den gewachsenen Aufga-
ben auszustatten.
n Wir setzen uns dafür ein, die Sinti*zze
und Rom*nja zu schützen und zu fördern.
Wir setzen uns für die Fortsetzung der
gesellschaftlichen Aufarbeitung der Verfol-
gungsgeschichte der Sinti*zze und Rom*nja
während der NS-Zeit ein. Wir unterstützen
Maßnahmen gegen Antiziganismus sowie
zur Stärkung der Teilhabe von Sinti*zze und
Rom*nja und wollen den gesellschaftlichen
Beitrag der Minderheit in Deutschland um-
fassender vermitteln, um der strukturellen
Ungleichheit und der tief sitzenden Ableh-
nung gegenüber der Minderheit entgegen-
zuwirken. Die Empfehlungen der unabhän-
gigen Expertenkommission Antiziganismus
müssen schnell umgesetzt werden.
Wir unterstützen die europaweiten Bemü-
hungen um die Schaffung von verlässlichen
minderheitenpolitischen Instrumenten auf
der Ebene der Europäischen Union – die
Ablehnung der Minority-Safepack-Initiative
durch die EU-Kommission darf nicht das
letzte Wort sein.
Sicherheit für alle statt
Über wachungsstaat
Die Gewaltkriminalität geht seit Jahren
zurück. Aber das Gefühl der Verunsicherung
wächst. Bei jedem Bericht über Straftaten
fordern Innenpolitiker der Regierung Geset-
zesverschärfungen und die Einschränkung
von Grundrechten. Diese Sicherheitspolitik
verwaltet die Probleme, anstatt sie zu lösen.
Genützt hat das vor allem dem Machtstre-
ben der Konservativen und den Profiten der
Sicherheitsbranche.
Die herrschende Sicherheitspolitik ist
ungerecht. Sie trifft Menschen mit wenig
Geld und ohne Lobby härter. Ersatzfreiheits-
strafen für kleine Delikte wie Fahren ohne
Fahrschein bringen jedes Jahr Tausende
Menschen ins Gefängnis. Kontrollen von
Wirtschaftskriminalität und Steuerhinter-
ziehung werden hingegen heruntergefahren –
die Großen lässt man laufen. Für viele
Menschen bedeutet die Einschränkung
von Grundrechten und die Aufrüstung der
120
Polizei neue Unsicherheiten. So werden
Spaltung und Aggression im Alltag ver-
stärkt. Umso mehr, als immer mehr extrem
rechte Netzwerke in Polizei und Justiz
aufgedeckt werden. Auch das Vorgehen der
Bundesregierung in der Coronapandemie
entsprach viel zu oft falschen Maßstäben.
Die Einschränkung von Bürgerrechten und
der Versammlungsfreiheit war schwerwie-
gend, oft wurde die Verhältnismäßigkeit
nicht gewahrt. Der Arbeitsschutz bei großen
Konzernen wie Tönnies und Amazon wurde
nur mangelhaft durchgesetzt, dagegen wur-
den Menschen im Park polizeilich schikaniert.
Menschen mit niedrigen Einkommen und in
kleinen Wohnungen waren von dieser Schief-
lage der Krisenpolitik besonders betroffen.
Mehr Sicherheit gibt es nicht durch die
Aufrüstung von Polizei und Geheimdiensten,
sondern durch Bekämpfung der sozialen
Ursachen von Kriminalität, Verunsicherung
und Gewalt. Der Vollzug bestehenden
Rechts und die Abwendung von Gefah-
ren müssen ebenso gewährleistet sein
wie der Schutz der Freiheits- und Bürger-
rechte – für alle! Wir wollen deshalb einen
Politikwechsel – weg von der einseitigen
Fokussierung auf repressive Maßnahmen
und Symbolpolitik hin zum umfassenden
Ansatz einer demokratischen Sicherheits-
politik, die Grundrechte schützt, Prävention
stärkt, soziale Sicherheiten ausbaut, in das
Öffentliche investiert und die Sicherheits-
behörden demokratisiert. Staatliche Gewalt
wollen wir als Mittel zur Konfliktlösung
langfristig zurückdrängen und durch zivil-
gesellschaftliche Prävention und Koope-
ration ersetzen.
n Grundrechte umfassend durchsetzen! Es
braucht ein bundesweit wirksames Antidis
kriminierungsrecht, das sich am Berliner
Antidiskriminierungsgesetz orientiert. Wir
stellen uns gegen rechte Kampagnen, die
Minderheiten zu kriminalisieren versuchen
und soziale Probleme in ethnische bzw.
kulturelle Konflikte umdeuten wollen.
n Mehr Sicherheit durch mehr Beteili
gung! Wir wollen eine Sicherheitspolitik, die
keine autoritäre Schlagseite hat, sondern alle
Betroffenen miteinbezieht. Im Pandemiefall
braucht es in Zukunft etwa Pandemie- und
Gesundheitsräte, die bundesweit und
kommunal die Zivilgesellschaft in all ihrer
Vielfalt in Umsetzung und Konzeption von
Infektionsschutzmaßnahmen einbeziehen.
n Die Verhältnismäßigkeit wahren! Baga-
telldelikte wie »Fahren ohne Fahrschein«
und »Containern« sowie opferlose Vergehen
wie Verstöße gegen das Betäubungsmit-
telgesetz oder »illegale Einreise« müssen
endlich entkriminalisiert werden. Ersatz-
freiheitsstrafen für Geldstrafen sind sozial
ungerecht, sie gehören abgeschafft!
n Rechtsstaat stärken! Geheimdienste
sind Fremdkörper in der Demokratie. Durch
ihre Intransparenz und den Vorrang des
Informant*innen-Schutzes behindern sie
polizeiliche Ermittlungen und juristische
Aufklärung. Dabei ist Abwehr von Gefahren
Aufgabe einer demokratisch kontrollierten
Polizei. Deshalb wollen wir den Verfassungs-
schutz und perspektivisch alle Geheimdiens-
te abschaffen und ihn durch eine Beob
achtungsstelle »Autoritarismus und
gruppenbezogene Menschenfeindlich
keit« ersetzen. Als Erstes muss der Einsatz
von V-Leuten beendet werden (vgl. Kapitel
»Rechten Terror und Gewalt stoppen«).
n Datenschutz wirksam machen! Wir wollen
das Recht auf informationelle Selbstbe
stimmung sichern: gegen Vorratsdaten-
speicherung, Bestandsdatenauskunft und
Onlinedurchsuchungen (»Staatstrojaner«),
nichtindividualisierte Funkzellenabfrage,
allgegenwärtige Videoüberwachung, Späh-
und Lauschangriffe und Rasterfahndung.
n Gerade in Krisenzeiten: Kein Lockdown
für die Demokratie – Bürgerrechte sind
systemrelevant! Es darf keine Entmachtung
der Parlamente geben, keine (Selbst-)Er-
mächtigung der Exekutive. Politische Betäti-
gung und Versammlungen müssen möglich
bleiben. Allgemeine Versammlungsverbote
sind Gift für die Demokratie. Auch das
Arbeitsrecht darf nicht ausgehebelt werden.
n Das Recht auf Privatsphäre und informa-
tionelle Selbstbestimmung gilt auch für
Beschäftigte. Das fängt schon beim Schutz
gegen Videoüberwachung am Arbeitsplatz
an, beim Einsatz von Detektiven oder der
121
Überwachung des E-Mail-Verkehrs. Ange-
sichts neuer Möglichkeiten zur digitalen
Leistungsüberwachung fordern wir ein
Beschäftigtendatenschutzgesetz.
n Sicherheit ist eine öffentliche Aufgabe! Die
Privatisierung von Sicherheit durch private
Sicherheitsdienste, »Schwarze Sheriffs« usw.
wollen wir verhindern bzw. rückgängig ma-
chen. Es ist schon schwierig genug, staatliche
Sicherheitsbehörden zu überwachen, bei
privaten Diensten ist das unmöglich.
n Sonderstrafrecht stoppen! Die Antiter-
rorgesetzgebung der Bundesregierungen
der vergangenen 20 Jahre gehört auf den
bürgerrechtlichen Prüfstand. Verbrechen
zu bekämpfen und Gefahren abzuwehren
ist Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden.
Hierfür braucht es kein politisches Sonder-
strafrecht (wie die Paragrafen 129 a und
129 b StGB), wir wollen diese Paragrafen
abschaffen. Wir fordern die Aufhebung des
PKK-Verbots.
n Staatliche und zivile Organisationen
dürfen nicht militarisiert werden. Wir wollen
die zivil-militärische Zusammenarbeit
(ZMZ) zugunsten einer Stärkung des Tech-
nischen Hilfswerks und des Katastrophen-
schutzes beenden. Die schon bestehenden
Strukturen der ZMZ sowie die in Aufbau
befindlichen Strukturen der Reservekräfte
der Bundeswehr müssen aufgelöst werden.
n Gewalt stoppen – Opfer schützen! Um die
Gewalt gegen Frauen und Kinder zu be-
kämpfen braucht es endlich eine Vollfinan
zierung von Frauenberatungsstellen und
notrufen, ausreichend Frauenhausplätze
und Präventionsprogramme für gewalttä-
tige Männer (vgl. Kapitel »Feminismus«).
n Waffenbesitz erschweren! Waffen- und
Munitionsbesitz sollen strenger reglementiert
werden. Gewalttäter*innen müssen konse-
quent mit einem Waffenverbot belegt werden.
n Für eingriffsintensive Maßnahmen
wie Hausdurchsuchungen, Leibesvisitationen,
Telekommunikationsüberwachung u. ä. wollen
wir eine Entschädigung, wenn sie sich
im Nachhinein als rechtswidrig oder miss-
bräuchlich herausstellen.
Polizei im Rechtsstaat
Die Arbeitsbedingungen für viele
Polizist*innen sind von Belastungen und
Überstunden geprägt. Das liegt auch
daran, dass ihnen immer neue Aufgaben
zugewiesen werden. Das wollen wir ändern
und Arbeitsbedingungen verbessern. Im
Rechtsstaat darf die Polizei nicht als Uni-
versalmittel zur Bearbeitung von Problemen
eingesetzt werden, sie sollte auf die Kern-
aufgaben der Abwehr konkreter Gefahren
und der Straftatenbekämpfung unter strikter
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrund-
satzes beschränkt sein. Die dokumentierten
Fälle von Diskriminierung durch die Polizei
haben sich 2019 verdoppelt. Jedes Jahr gibt
es Hunderte Fälle von rechtswidriger Polizei-
gewalt, für die sich niemand verantworten
muss – eine strafrechtliche Verfolgung
findet kaum statt. Übergriffe werden selten
angezeigt und noch seltener angeklagt. Viel-
fach werden Einsatzstrategien angewandt,
die einer Demokratie widersprechen. So ent-
steht eine Polizeikultur, die missbräuchliche
Gewaltanwendung zulässt und befördert.
Hier braucht es ein Umsteuern!
Die Ausübung des staatlichen Gewaltmono-
pols muss besser kontrolliert werden. Gerade
für die vielen Polizist*innen, die rechts-
staatlich handeln und sich dem Schutz aller
Menschen verpflichtet fühlen, müssen die
Strukturen so verändert werden, dass alle
diesem Anspruch gerecht werden. Weniger
Übergriffe sind nur durch einen Wandel
des polizeilichen Selbstverständnisses, von
Einsatzformen und Polizeikultur zu erreichen.
Neben einer Aufgabenstraffung braucht die
Polizei deshalb ein modernes, menschen-
rechtsorientiertes Leitbild, das auf der
Grundlage von Verhältnismäßigkeit, Deeska-
lation und demokratischer Kontrolle aufbaut.
Eine bürgernahe Polizei muss die Rechte
von Migrant*innen und Demonstrant*innen
genauso schützen wie für die Menschen
erreichbar und ansprechbar sein. DIE LINKE
steht an der Seite von allen, die sich gegen
Polizeigewalt und Rassismus einsetzen und
für den Ausbau von Grundrechten und De-
mokratie eintreten. Die Bewegungen gegen
Polizeigewalt und Polizeigesetzverschär-
fungen, Black Lives Matter sowie die migran-
tischen Initiativen und Verbände sind unsere
122
Verbündeten (vgl. Kapitel »Solidarische
Einwanderungsgesellschaft«). DIE LINKE
wird sich an keiner Regierung beteiligen,
die Polizeibefugnisse weiter ausweitet und
demokratische Freiheitsrechte abbaut.
n Gute Arbeitsbedingungen! Polizist*innen
brauchen eine gute und moderne Ausbil-
dung. Zudem benötigen wir eine moderne
Personalmitbestimmung für die Polizei.
n Einrichtung von unabhängigen Be
schwerde und Ermittlungsstellen gegen
Polizeigewalt und Diskriminierung durch
Polizeibeamt*innen! Wirksame Kontrolle
kann nur durch eine unabhängige Instanz
erfolgen. Sie erfordert einen kritischen
Blick, institutionelle Unabhängigkeit von
Polizei und Innenverwaltung sowie eine
hinreichende Ausstattung mit Befugnissen
und Ressourcen.
n Vielfalt leben! Die Zusammensetzung der
Polizei muss die Bevölkerung widerspiegeln.
Mittel dafür können anonymisierte Bewer
bungsverfahren oder Quoten sein.
n Sicherheit durch Nachvollziehbarkeit! Zur
Aufklärung und Vermeidung von Übergriffen
sollen Einsatzprotokolle und Polizeivideos
bei Treuhandstellen aufbewahrt werden.
n Transparenz jetzt! Eine individuelle
Kennzeichnungspflicht muss sofort
und überall eingeführt werden. Es muss
selbstverständlich werden, dass Polizei-
beamt*innen den Bürger*innen individuell
erkennbar gegenübertreten.
n Rechtsstaatliche Begrenzung von
Befugnissen! Die Polizeigesetze der letzten
Jahre haben die Grenzen aufgeweicht. Die
Strafverschärfungen für Widerstandsdelikte
wollen wir rückgängig machen. Auch die
Ausweitung der Befugnisse der Bundespoli-
zei lehnen wir ab.
n Probleme angehen! In der Polizei
muss ein humanistisches Menschen
bild gestärkt und menschenfeindlichen
Einstellungen entgegengewirkt werden.
Diese müssen mithilfe von unabhängigen
Studien festgestellt, eingestanden, bewusst
gemacht und bekämpft werden.
n Klarheit schaffen! Es braucht klare
Regeln, um Racial Profiling zu verhindern:
Verdachtsunabhängige Kontrollen auf der
Basis von Gummiparagrafen wie im Bundes-
polizeigesetz müssen gestrichen werden.
n Keine Toleranz für Intoleranz im
Staatsdienst! Polizist*innen und Beamt*in-
nen, denen rassistisches, sexistisches oder
homofeindliches Verhalten nachgewiesen
wird, müssen konsequent disziplinarisch
verfolgt werden, gegebenenfalls bis zur
Entlassung aus dem Dienst.
n Deeskalation statt Aufrüstung! Die
Militarisierung der Polizei, ihre zunehmende
Ausstattung mit Maschinenpistolen und
»weniger tödlichen Waffen« wie zum Beispiel
Taser, den Einsatz von Gummigeschossen
oder bewaffnetem SEK gegen Demonstra-
tionen lehnen wir ab. Den Einsatz von
Pfefferspray durch die Polizei wollen wir
massiv einschränken; im Zusammenhang
mit Versammlungen, Ansammlungen im
öffentlichen Raum und Veranstaltungen soll
er verboten werden.
n Die Ausbildung muss sich ändern! Die
Polizeiausbildung des gehobenen Diens-
tes sollte überwiegend in den allgemeinen
Hochschulen erfolgen. Es braucht mehr
kritische Polizeiforschung und -lehre
sowie eine fortdauernde Evaluation polizei-
lichen Handelns.
n Unterstützung geben! Es braucht ver
bindliche Unterstützungsangebote wie
Supervisionen, Fortbildungen zu Vielfalt
und diskriminierungsfreiem Verhalten
sowie psychologische Betreuung. Ziel ist
es, Beamt*innen bei der Bewältigung ihrer
Erfahrungen zu unterstützen und die Ver-
festigung diskriminierender Einstellungen
zu verhindern.
n Bürgernähe statt Kasernierung!
Beamt*innen in geschlossenen Einheiten
sollen rotieren, um die Herausbildung von
Korpsgeist zu erschweren. Insgesamt wollen
wir deutlich weniger geschlossene Einheiten
und stattdessen eine bürgernahe Polizei.
123
Unabhängigkeit der Politik sichern
DIE LINKE ist die einzige Partei im Bundes-
tag, die keine Spenden von Konzernen,
Banken, Versicherungen oder Lobbyisten
erhält. Dabei bleibt es. Der Einfluss des
Lobbyismus auf die gesamte Politik muss
zurückgedrängt werden. Gesetze dürfen
nicht von denen geschrieben werden, die
davon profitieren. Korruption und Be-
stechung, Vorteilsgewährung und Vorteils-
nahme, Intransparenz und Parteienspon-
soring dürfen nicht die Politik bestimmen.
n Wir wollen ein verbindliches, maschinen-
lesbares und transparentes Lobbyregister
einführen und treten für ein Beschäftigungs-
verbot von Lobbyisten in Bundesministe-
rien und – bei Vollzeitparlamenten – von
Abgeordneten als bezahlte Interessenver-
treter für Dritte ein. Wir brauchen eine*n
unabhängige*n Lobbybeauftragte*n zur
Aufsicht und Kontrolle des Registers, der*
die vom Bundestag gewählt wird.
n Den Gesetzesvorlagen der Bundesre-
gierung muss eine Auflistung der Interes-
senvertreter*innen sowie der Sachver-
ständigen beigefügt werden, deren
Stellungnahmen bei der Erstellung und
Erarbeitung berücksichtigt wurden oder
die sonst mitgewirkt haben (legislative
Fußspur).
n Kein Lobbyismus an Schulen! Soweit
Forschung und Einrichtungen oder auch
einzelne Studien von Lobbyisten bezahlt wer-
den, muss das transparent gemacht werden.
n Auch nachträgliche »Dankeschön-
Spenden« und Bestechung mit dem Ziel der
Imagepflege des Lobbyisten müssen unein-
geschränkt als Abgeordnetenbestechung
strafbar sein.
n Abgeordneten muss es verboten sein,
Spenden anzunehmen. Die Nebenverdienste
von Abgeordneten sind auf Euro und Cent
zeitnah zu veröffentlichen. Unternehmens-
und Lobbyistenspenden an Parteien sowie
das Parteiensponsoring wie Unterneh-
mensstände auf Parteitagen wollen wir
verbieten und Spenden von Privatpersonen
auf 25.000 Euro im Jahr begrenzen.
n Der Vermengung von politischen und wirt-
schaftlichen Interessen wollen wir Einhalt
gebieten: Bundesminister*innen und parla-
mentarische Staatssekretär*innen müssen
nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt
mindestens drei Jahre bzw. für die Dauer
des zeitlichen Anspruchs auf Übergangsgeld
warten, bevor sie in Unternehmen wechseln,
mit deren wirtschaftlichen Interessen sie
zuvor politisch befasst waren.
n Wir wollen die Europäische Antibetrugs
behörde OLAF ausbauen und stärken.
Die Demokratie demokratisieren!
Demokratie ist mehr, als alle vier Jahre
seine Stimme abzugeben. Dafür müssen
auf allen Ebenen und in allen Bereichen –
von der europäischen, internationalen wie
kommunalen Ebene bis hin zum Betrieb, zur
Wirtschaft – mehr Mitbestimmung und Be-
teiligung geschaffen werden. Deshalb fordert
DIE LINKE seit Jahren, dass Volksinitiativen,
Volksbegehren und Volksentscheide auch
auf Bundesebene möglich sein müssen.
n Wir wollen, dass die Privatisierung von
öffentlichen Dienstleistungen ebenso
gestoppt wird wie alle öffentlich-privaten
Partnerschaften (ÖPP). Bis das durchgesetzt
ist, müssen alle Privatisierungsvorhaben
den Bürger*innen zur direkten Abstim
mung per Volksentscheid vorgelegt werden.
n Demokratie braucht Meinungs- und Presse-
freiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfrei-
heit und die Freiheit der Bürger*innen von
staatlicher Ausspähung (vgl. »Kapitel Daten-
sicherheit und Datenschutz«).
n Wir wollen Volksinitiativen, Volksbegeh
ren und Volksentscheide auf Bundesebene
einführen. Die Ausweitung der Mitbestim-
mungsrechte schließt auch die Einführung
von Referenden ein, d. h., die Bürger*innen
können gegen parlamentarische Entschei-
dungen ein Veto einlegen.
n Wir wollen verbindliche Bürger*innen
foren einrichten. Planfeststellungs- und
Raumordnungsverfahren müssen so ange-
legt werden, dass allen ausreichend Zeit
bleibt, sich zu informieren, zu überprüfen,
124
ob ihre Interessen gewahrt bleiben und
sich zu beteiligen. Eine Beschleunigung des
Planfeststellungsverfahrens zulasten von
Bürger*innenbeteiligung lehnen wir ab.
n Das von der Zivilgesellschaft entwickelte
Instrument der Bürger*innenräte, wonach
zufällig geloste Menschen aus der Mitte der
Gesellschaft Lösungen und Fragestellungen
entwerfen, wollen wir unterstützen und
fördern.
n Das Petitionsrecht wollen wir als Bürger-
recht weiter ausbauen.
n Die Oppositionsrechte in allen Parla-
menten, Plenen und Ausschüssen wollen
wir stärken. Ausschusssitzungen sollen
grundsätzlich öffentlich sein.
n DIE LINKE setzt sich für eine Absenkung
des Wahlalters in allen demokratischen
Entscheidungsprozessen auf europäischer,
Bundes-, Länder- und Kommunalebene auf
14 Jahre ein. Das schließt das Wahlrecht für
langfristig hier lebende Migrant*innen ein
(vgl. Kapitel »Solidarische Einwanderungsge-
sellschaft«).
n Die Bewegungsfreiheit ist ein essen-
zielles Recht, das niemandem pauschal
genommen werden darf. Wir wollen den
elterlichen Hausarrest verbieten. Dieser ist
ein veraltetes Erziehungsinstrument, das
den Grundrechten von Kindern und Jugend-
lichen entgegensteht.
n Eine (automatische) Mitgliedschaft von
Kindern in Religions- oder Weltanschauungs-
gemeinschaften der Eltern lehnen wir ab. Ein
Beitritt darf nur selbst und nach Erreichen
der Religionsmündigkeit erfolgen. Men-
schen, die unter Vollbetreuung stehen, dür-
fen nicht von Wahlen ausgeschlossen werden.
Die Barrierefreiheit von Wahllokalen und
Wahlvorgängen muss gewährleistet werden.
n Jugendpolitik auf Augenhöhe. DIE LINKE
bekennt sich zu einer Politik, die alle
Generationen respektvoll einbezieht und
sich für die Rechte von Rentner*innen
genauso einsetzt wie für Kinder und Jugend-
liche. Junge Menschen sollen selbstverant-
wortlich handelnde Bürger*innen werden.
Dafür wollen wir einen Paradigmenwechsel
in der Jugendpolitik: weg von Fremd-
bestimmung und Restriktion, hin zu Selbst-
bestimmung und seriöser, wertneutraler
Aufklärung auf Augenhöhe.
Bürgerschaftliches Engagement
besser unterstützen
Mehr als 30 Millionen Menschen engagie-
ren sich in diesem Land. In Vereinen, Initia-
tiven, bei Rettungsdiensten, in der Frei-
willigen Feuerwehr und an vielen anderen
Stellen sorgen Engagierte für gesellschaft-
lichen Zusammenhalt. Die Demokratie lebt
von der kritischen und mitgestaltenden
Beteiligung einer lebendigen Zivilge-
sellschaft. Wir wollen dieses vielfältige
freiwillige Engagement besser unterstützen
und die Barrieren für soziale Gruppen, die
im Engagement unterrepräsentiert sind,
senken. Das bürgerschaftliche Engage-
ment darf dabei nicht als Ersatz öffent-
licher Aufgaben in der Daseinsvorsorge
missbraucht werden.
n Ehrenamt braucht Hauptamt. Wir wollen
Strukturen ausbauen und sichern, die frei-
willig engagierte Menschen unterstützen.
n Anerkennung von freiwilligem Engage-
ment muss verbessert werden. Wir wollen
zusammen mit den Ländern und Kommunen
einen bundesweit einheitlichen Freiwil
ligenpass schaffen, der Vergünstigungen
und kostenlose Nutzung von Freizeit-, Kultur-,
und Bildungseinrichtungen ermöglicht.
n Jugendfreiwilligendienste sind wichtige
Bildungs- und Orientierungsprogramme für
junge Menschen. Wir wollen sie ausbauen
und ihre Qualität insbesondere in der päda-
gogischen Begleitung verbessern. Sozial
benachteiligte junge Menschen wollen wir
besser unterstützen, um ihnen die Teilhabe
an den Freiwilligendiensten zu erleichtern.
Wir unterstützen die Forderung vieler Frei-
willigendienstleistender nach freier Fahrt für
Freiwilligendienstleistende im ÖPNV.
n Zivilgesellschaftliche Organisationen, die
Engagement bündeln und Interessen sowie
Forderungen sichtbar machen, sind unver-
zichtbar für eine lebendige Demokratie.
125
In den letzten Jahren sind vielen Organi-
sationen mit dem Gemeinnützigkeitsrecht
Steine in den Weg gelegt worden. Das
wollen wir ändern und dazu das Gemein
nützigkeitsrecht reformieren (vgl. Kapitel
»Einkommensteuer gerecht reformieren«).
n Die neu gegründete Deutsche Stiftung
für Engagement und Ehrenamt möchten
wir stärker auf die Förderung bestehender
Engagementsstrukturen ausrichten
und die Rolle der Zivilgesellschaft
weiter stärken.
n Der Charakter von freiwilligem Engage
ment muss erhalten bleiben. Deswegen
muss eine Monetarisierung verhindert
werden, und Engagement darf keine sozial-
versicherungspflichtigen Arbeitsplätze
ersetzen oder verhindern.
n Freiwilliges Engagement muss in der poli-
tischen Debatte einen höheren Stellenwert
erhalten. Daher setzen wir uns für einen
Hauptausschuss zum bürgerschaftlichen
Engagement im Deutschen Bundestag ein.
Kultur: Krisenfest, vielfältig
und für alle zugänglich
Kultur und Kunst in ihren vielfältigen Formen
sind für uns alle unverzichtbar und demo-
kratierelevant. Die Freiheit der Kunst wird in
Art. 5, Abs. 3 des Grundgesetzes geschützt
und stellt damit ein Grundrecht dar. Kunst
und Kultur können aber nur frei sein und
ihre gesellschaftlichen Aufgaben erfüllen,
wenn die Kulturförderung in weiten Teilen
nicht als freiwillige Aufgabe der Länder und
Kommunen betrachtet wird. DIE LINKE tritt
dafür ein, dass Kulturförderung als Pflicht-
aufgabe angesehen wird, d. h. der Staat
schützt nicht nur Kunst und Kultur, sondern
er fördert sie. Kunst und Kultur helfen uns,
unterschiedliche Perspektiven auf unser
gesellschaftliches Miteinander sowie auf
Missstände zu werfen, deren Ursachen zu
ergründen und sie zu hinterfragen – um uns
in die Lage zu versetzen, solidarisch die
Bedingungen für alle Menschen zu verbes-
sern. An der Überwindung der sozialen
Ungleichheit und aller kulturellen Unter-
drückung mitzuwirken ist Aufgabe fort-
schrittlicher, aufklärerischer Kultur, deren
Inhalt und Ziel ein humanistisches Men-
schenbild und die umfassende solidarische
Entfaltung der assoziierten Individuen ist.
DIE LINKE tritt für eine vielfältige, emanzi-
patorische und partizipative Kultur ein, die
allen zugänglich und für alle erschwinglich
ist. In Metropolen wie in ländlichen Räumen,
in Kulturinstitutionen und freier Szene.
Kulturelle Vielfalt lebt von einem breiten
Kulturbegriff. Hierzu gehören partizipa-
tive Freiräume für Kinder und Jugendliche,
soziokulturelle Zentren, urbane Clubkultur,
Vereinskultur, kommunale Kinos und Theater,
Orchester, inter- und transkulturelle Orte
kultureller Bildung, Bibliotheken ebenso wie
Räume für experimentelle Künste, museale
Einrichtungen und eine lebendige Gedenk-
kultur. Dabei verstehen wir Kulturförderung
weitergehend auch als Infrastrukturförde-
rung. In diesem Sinne wollen wir die
kul turelle Infrastruktur in Stadt und Land
erhalten, auf- und ausbauen.
DIE LINKE stellt sich gegen die Ökonomi-
sierung und Privatisierung von Aufgaben
der Daseinsvorsorge. Kultur liegt vorran-
gig im Aufgabenbereich der Länder und
Kommunen. Bereits vielerorts stattfindende
Kürzungen im Kulturbereich auf kommu-
naler und Länderebene sind Vorboten von
Verteilungskämpfen, die mit der veränder-
ten Haushaltslage nach der Coronakrise
anstehen. Die Coronakrise konfrontiert
die Länder und Kommunen mit erheblichen
finanziellen Problemen, die sie nicht aus ei-
gener Kraft lösen können. Vor diesem Hin-
tergrund fordert DIE LINKE u. a. eine Ver-
mögensteuer sowie eine Vermögensabgabe
zur Bewältigung der Krisenkosten und
zur Finanzierung von dauerhaften Förder-
programmen (vgl. Kapitel »Mit Steuern um-
steuern«). Kommunale Verschuldung und
Sparzwang würden Kultur – als sogenan-
nte freiwillige Aufgabe – nicht nur zuerst
treffen, sondern auch die finanzielle Krise
126
weiter verschärfen. Deshalb muss Kultur zur
Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern
und Kommunen werden.
Die ineffektive Pandemiebekämpfung der
Bundesregierung wird auch auf dem Rücken
der in der Kulturbranche tätigen Menschen
ausgetragen, die sich über Monate hinweg
im Dauer-Lockdown befanden. Die Regie-
rung hat dabei versagt, für die Kulturschaf-
fenden eine soziale Lösung aufzuzeigen.
Zum einen greifen die Coronasoforthilfen
nicht die Lebens- und Arbeitsrealität vieler
Kulturschaffender auf. Zum anderen weisen
viele Hilfsprogramme große Hürden für
kleine und mittlere Kulturbetriebe auf. Die
Coronakrise verstärkt jedoch auch Prob-
lemlagen, die bereits vor der Krise bestan-
den haben, denn Kultur ist nicht ausrei-
chend finanziert. Wir stehen deshalb für den
kontinuierlichen Dialog mit Akteur*innen
der Kulturszene und unterstützen Proteste
von Kulturschaffenden und Beschäftigten
in der Veranstaltungsbranche. DIE LINKE
will Selbstständige, Freiberufler*innen und
dem Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativ-
bereich eine gute Wiederaufnahme ihrer
Tätigkeiten ermöglichen. In diesem Sinne
soll für die Dauer der Coronapandemie der
Zugang zu einer monatlichen Pauschale in
Höhe von mindestens 1.200 Euro – auch
rückwirkend ab März 2020 – ermöglicht
werden. DIE LINKE will Kultur krisenfest
gestalten und streitet für gute, existenz-
sichernde Arbeit und soziale Sicherung im
Kulturbereich. Befristete, niedrig vergütete
Arbeitsverhältnisse und der hohe Anteil
von Projektförderung – insbesondere in der
freien Szene – lassen keine Rücklagenbil-
dung zu. Die damit einhergehenden instabi-
len Lebens- und Arbeitsverhältnisse stellen
sich als wenig krisenfest dar. Durch den
krisenbedingten Wandel bietet sich zudem
die Möglichkeit, nachhaltigere, geschlech-
tergerechte und krisenfeste Fördersysteme
zu etablieren.
n Wir fordern die Einbeziehung aller in
die gesetzlichen Sozialsicherungssysteme
(Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeits-
losenversicherung), um die soziale Absi-
cherung von unstetig Beschäftigten und
Soloselbstständigen zu verbessern.
n Die Künstlersozialkasse muss für weitere
Berufsgruppen geöffnet und der Bundes-
zuschuss erhöht werden.
n Wir fordern verbindliche Mindeststan-
dards der Honorierung in der freien Kunst-
und Kulturarbeit, branchenspezifische
Honoraruntergrenzen und eine rechtlich
abgesicherte Ausstellungsvergütung für
bildende Künstler*innen.
n Die Verhandlungsposition von Kreativen
muss im Urhebervertragsrecht gestärkt
und ihre Mitbestimmungsrechte müssen
gegenüber Verwertungsgesellschaften
ausgebaut werden.
n Den Trend von Hochschulen, zunehmend
Verwertungsgesellschaften zu gründen,
lehnen wir ab. Sie sind intransparent,
schwer zu kontrollieren und richten
Forschung an Profitorientierung statt an
Erkenntnisgewinn und Allgemeinwohl aus.
DIE LINKE kämpft für eine Wissenschaft,
die dem Allgemeinwohl und nicht der
Profitorientierung dient. DIE LINKE
will die Bundeskulturförderung auf eine
neue Grundlage stellen und Fördersys-
teme reformieren.
n Die Bundeskulturförderung muss ins-
gesamt nachhaltiger, prozesshafter, unbüro-
kratischer und weniger projektorientiert
gestaltet werden. In diesem Sinne sind
langfristige Stipendienprogramme sinnvoll,
die eine Rücklagenbildung ermöglichen,
wie auch die Weiterführung der Flexibili-
sierung des Zuwendungsrechts von
Fördermitteln.
n Bei der Vergabe von Bundesfördermit-
teln sollen soziale Standards, Ge-
schlechtergerechtigkeit und Diversität als
Kriterien etabliert werden. Wir wollen die
Kulturförderfonds bedarfsgerecht ausstatten
und sie als zentrales Instrument der freien
Szene stärken.
n Das Kooperationsverbot zwischen Bund
und Ländern muss beendet werden. Wir
wollen Kultur als Gemeinschaftsaufgabe und
ein Staatsziel Kultur im Grundgesetz, um den
kooperativen Kulturföderalismus zu stärken.
127
n Wir wollen eine*n Bundeskul turminister*in
mit Kabinettsrang und ein Kulturminis-
terium, um die Belange der Kultur gegenüber
anderen Ressorts sowie auf europäischer
Ebene wirksamer vertreten zu können.
n Länder und Kommunen müssen aus-
reichend Mittel erhalten, damit sie ihren
Aufgaben in der Kulturpflege und Kultur-
förderung nachkommen, um Tarifflucht
zu vermeiden und eine große Vielfalt der
kulturellen Angebote im Bestand samt
den notwendigen Investitionen dafür
sichern können. DIE LINKE will »Kultur für
alle« und kulturelle Teilhabegerechtigkeit
realisieren. Um Chancengleichheit, Inklu-
sion und Vielfalt zu stärken, muss sich ein
diversitätsorientierter Strukturwandel
im Kulturbereich an macht- und diskrimi-
nierungskritischen Kriterien orientieren.
Vielfalt im Kulturbereich wirkt sich auf das
Programm aus, sodass neue Perspekti-
ven und Zugänge zu Kultur eröffnet und
Besucher*innen dazugewonnen werden.
n Hierfür müssen flächendeckend Antidis-
kriminierungsstrategien wirksam werden.
Strukturelle Benachteiligung aufgrund
der sozialen und ethnischen Herkunft, der
Klasse, des Geschlechts, der sexuellen
Identität, einer Behinderung, einer Religion
oder Weltanschauung muss abgebaut werden.
n Kulturelle Bildung schafft Zugänge zu
Kunst und Kultur, um Menschen eine krea-
tive Auseinandersetzung mit sich und ihrer
Umgebung zu ermöglichen. Orte kulturel-
ler Bildung dienen deshalb als Räume der
Selbstbildung und Selbstermächtigung. Aus
diesem Grund wollen wir eine Fortführung
und Verstetigung des Bundesprogramms
»Kultur macht stark« mit erhöhten Mitteln.
n Bundesregularien sollen es Stadtplaner*in -
nen ermöglichen, verstärkt »Freiräume« zu
berücksichtigen, die für eine partizipative
und experimentelle Nutzung dienen sollen.
Clubkultur ist ein wichtiger und wertvoller
Teil unserer Kultur, Freiräume, in denen
Menschen Musik genießen, tanzen und
feiern können. Deshalb wollen wir die Club-
und Festivalkultur fördern und erhalten.
Das Clubsterben ist Teil des Ausverkaufs
der Städte, wir wollen es stoppen. Clubs
sind deshalb als Kultur anzuerkennen und
mit anderen Kulturstätten gleichzustellen,
insbesondere im Steuer- und Baurecht.
n »Kunst am Bau«: 3 Prozent der Kosten
öffentlicher Bauten sollen für Kunstwerke
verwendet werden.
n Wir bestehen auf der Einhaltung der
UNESCO-Konvention für kulturelle Vielfalt
bei internationalen Handelsabkommen.
DIE LINKE steht für einen barrierefreien
und gleichberechtigten Zugang zur Kultur. Wir
wollen Räume für Dialog und Austausch schaf-
fen und einen Perspektivwechsel befördern.
n Der Eintritt in vom Bund geförderte Museen
und Sammlungen muss perspektivisch
kostenfrei sein und das kulturpädagogische
Personal aufgestockt werden.
n Kultureinrichtungen müssen barrierefrei
sein und inklusive Angebote unterbreiten.
n Die Erfahrungen von Kultureinrichtungen
und Projekten mit inter- bzw. transkulturel-
len Vermittlungskonzepten gilt es zu nutzen
und zu verbreiten.
n Wir fördern und fordern die Produktion
und den Schutz von temporären und nicht-
institutionellen, frei zugänglichen Künsten,
wie Street Art und Kunst im öffentlichen
Raum, in soziokulturellen und selbstverwal-
teten Zentren.
n Wir setzen uns für flächendecken-
de Kooperationen zwischen Schulen
und Kunstinstitutionen sowie freien
Künstler*innen ein.
DIE LINKE will Kulturgüter digital sichern
und für alle zugänglich machen. Dafür
brauchen wir eine gesamtstaatliche Digi-
talisierungsstrategie.
n Wir setzen uns für eine Open-Access-
Strategie auch im Kulturbereich ein. Wir
schaffen Möglichkeiten und Anreize
für Kultureinrichtungen, ihre digitalen
Veröffentlichungen unter freie Lizenzen zu
stellen. Die Kooperation mit der Deutschen
Digitalen Bibliothek wollen wir ausbauen.
128
n Für öffentliche Bibliotheken wollen wir
den Verleih digitaler Medien vereinfachen.
n Auch das filmische Erbe wollen wir dauer-
haft bewahren und zugänglich machen.
DIE LINKE steht für eine lebendige und
plurale Geschichts- und Erinnerungspolitik.
Wir wollen zur kritischen Auseinanderset-
zung mit der Geschichte Deutschlands im
19. und 20. Jahrhundert anregen, insbeson-
dere zur Aufarbeitung der Verbrechen des
Nationalsozialismus. Die Aufarbeitung und
Erinnerung an den Kolonialismus und damit
verbunden Sklavenhandel und die Sklaverei
muss präsenter werden. DIE LINKE steht für
eine lebendige und plurale Geschichts- und
Erinnerungspolitik. Wir wollen zur kritischen
Auseinandersetzung mit der Geschichte
Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert
anregen, insbesondere zur Aufarbeitung der
Verbrechen des Nationalsozialismus sowie
der Geschichte beider deutscher Gesell-
schaften und Staaten nach dem Zweiten
Weltkrieg. Die Aufarbeitung und Erinnerung
an den Kolonialismus und damit verbunden
Sklavenhandel und die Sklaverei muss
präsenter werden. Wir wollen Gedenkstät-
ten als Gedenk- und Lernorte sowie als
Dokumentationsstätten stärken.
n Ehrenamtlich geführte Gedenkarbeit soll
flächendeckend unterstützt werden.
n Die Arbeitsbedingungen vor allem des
pädagogischen Personals in Museen und
Gedenkstätten müssen verbessert werden.
n Gemeinsam mit lokalen Initiativen aus der
Zivilgesellschaft wollen wir postkoloniale
Kontinuitäten aufarbeiten und reflektieren,
um zu einer demokratischen, antifaschis-
tischen Kultur beizutragen, denn erinnern
heißt handeln.
n Wir wollen eine lebendige Erinnerungs-
kultur fördern, die sich an den Realitäten
der Einwanderungsgesellschaft orientiert.
n Halle 2019 und Hanau 2020: Wir wollen
das Gedenken und die Erinnerung an die
Opfer von rassistischer und antisemitischer
Gewalt in der jüngeren Geschichte Deutsch-
land stärker verankern.
Es soll eine gesetzliche Grundlage für die
Rückgabe von NS-Raubkunst geschaffen und
die Provenienzforschung ausgebaut werden.
Ebenso muss die Restitution von unrecht-
mäßig erworbenen Kulturgütern aus kolonia-
len Kontexten gesetzlich geregelt werden.
Medienvielfalt, unabhängigen Journa
lismus und Pressefreiheit stärken
Vielfältiger und unabhängiger Journalismus
ist Voraussetzung einer demokratischen
Meinungs- und Willensbildung und daher
unerlässlich. Digitalisierung, Konzentrations-
prozesse bei Zeitungen und Redaktionen,
private Meinungs- und Marktmacht von
Plattformen wie Facebook und Youtube, die
Zunahme von Hassbotschaften und Fake
News: Die Medienwelt befindet sich im radi-
kalen Wandel. DIE LINKE will eine vielfältige
Medienlandschaft, zu der neben privaten
Anbietern ein starker öffentlich-rechtlicher
Rundfunk und nicht kommerzielle Medien
gehören. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk
steht für mediale Teilhabe und Grundversor-
gung. Er muss auf veränderte Mediennut-
zungen reagieren können, journalistische
Qualität sowie neben Nachrichten und
Informationen auch umfassende Perspek-
tiven, Bildung, Unterhaltung und kulturelle
Vielfalt bieten.
DIE LINKE will, dass eine breite gesell-
schaftliche Debatte sowohl über die
Reformen und den Auftrag des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks wie auch über
journalistische Standards in der Medien-
landschaft geführt wird.
Unsere zentralen Anliegen zum öffentlich-
rechtlichen Rundfunk sind:
n Die Beitragsbefreiungen für Berechtigte
wollen wir mit öffentlichen Mitteln kompen-
sieren und automatisieren sowie auf soziale
Einrichtungen und Menschen mit Behinde-
rungen umfassend ausweiten. Das leidige
Mahnwesen gehört zurückgefahren.
n DIE LINKE will von der Rundfunkfreiheit
geschützte Programmautonomie der An-
stalten bewahren und eine aufgabengerech-
te Finanzierung des öffentlich-rechtlichen
Rundfunks gewährleisten.
129
n Die Rechte der freien und arbeitneh-
merähnlichen Mitarbeiter*innen müssen
gestärkt und ihnen müssen sichere Einkom-
mens- und Beschäftigungsperspektiven
ermöglicht werden,
n Wir wollen Regionalität ausbauen statt
kürzen: Neue Gemeinschaftseinrichtungen
der ARD sollten auch in ostdeutschen Bun-
desländern angesiedelt werden. Eine starke
regionale und lokale Berichterstattung aller
bestehenden Rundfunkanstalten muss
dauerhaft gewährleistet sein.
n Bei Dritten in Auftrag gegebene Produk-
tionen sollen angemessen und fair vergütet
und die Vergabe von Aufträgen an externe
Produktionsfirmen an die Einhaltung von
sozialen Standards wie Tariflöhnen, Mindest-
lohn und branchenspezifischen Mindest-
honoraren gekoppelt werden.
n Öffentlich-rechtliche Angebote sollen
im Sinne einer unabhängigen Plattform
ausgebaut werden; vollfinanzierte Auftrags-
produktionen sollen unbegrenzt in den
Mediatheken bleiben,
n Die Vielfalt des Sports muss Programm
abgebildet werden, weil Sport mehr ist als
Fußball, Skisport und Großereignisse wie
Olympia. Sportrechte demokratisieren:
Gegenüber den Rechteinhabern, u. a. der
Deutschen Fußballliga sollten finanzielle
Verhältnismäßigkeit der Übertragungsrech-
te und eine gerechtere Verteilung unter
den Vereinen (auch geschlechtergerecht!)
geltend gemacht werden.
n Wir setzen uns für transparente und
diskriminierungsfreie Algorithmen ein.
Ob bei privaten oder öffentlich-rechtlichen
Medienhäusern: für DIE LINKE muss sich
die Vielfalt der Gesellschaft in der Personal-
struktur und im Programm wiederfinden,
damit mehr Lebensrealitäten widergespiegelt
werden. Journalismus und Medienarbeit
dürfen nicht zu einem Berufsfeld werden, das
man sich leisten können muss. Wir wollen
daher gute Arbeitsbedingungen, Geschlech-
tergerechtigkeit und Diversität in der Medi-
en- und Filmbranche schaffen. Medienarbeit
und -bildung müssen inklusiv sein und die
Mediennutzungsmöglichkeiten vielfältig und
barrierefrei.
Pressefreiheit und journalistische Arbeit
muss gewährleistet sein.
n Daher fordern wir, Medienschaffende
besser vor Übergriffen, Verfolgung und
Gewalt zu schützen.
n Journalist*innen als Berufsgeheimnis-
träger*innen wie auch ihre Quellen müssen
unter Schutz zu gestellt werden (Whistle-
blower-Schutzgesetz).
n Informationsrechte der Öffentlichkeit
stärken: DIE LINKE setzt sich für ein
Presseauskunftsrecht ein, das die verfas-
sungsrechtlich zugesicherten Auskunftsan-
sprüche der Medien gegenüber Bundesbe-
hörden sicherstellt.
n Kollektive Verhandlungen und Honorar-
vereinbarungen für Selbstständige müssen
gesetzlich verankert werden, Urheber*innen
müssen gesetzlich verankert werden und
müssen möglich sein.
Der Medienmarkt wird zunehmend,
beschleunigt durch die Coronakrise, von
Monopolen beherrscht. Die Markt- und
Monopolmacht großer Digitalkonzerne und
Plattformen muss zurückgedrängt und zum
Beispiel durch staatsferne Aufsichtsstruk-
turen demokratisch kontrolliert werden
(vgl. Kapitel »Digitalisierung«). Während
einige Medienunternehmen von den aktu-
ellen Entwicklungen profitieren, kämpfen
andere aufgrund des drastischen Rück-
gangs der Werbeeinahmen.
DIE LINKE fordert einen bundesweiten
Bericht zum Stand der Medienvielfalt und
Pressefreiheit, in dem regelmäßig auch
die Entwicklungen auf dem Medienmarkt
untersucht und daraus Handlungsempfeh-
lungen abgeleitet werden, die die Medien-
und Meinungsvielfalt sichern. Um Wettbe-
werbsnachteile auszugleichen, setzt sich
DIE LINKE für eine Förderung der Presse ein,
die journalistische Medienvielfalt mit guten
Arbeitsbedingungen auf lokaler, regionaler,
landesweiter und europäischer Ebene
staatsfern stärkt und neben Printmedien
130
auch angemessene Rechercheformate des
Onlinejournalismus sowie nicht kommer-
zielle Angebote unterstützt.
DIE LINKE will Jugendschutz im Internet
verbessern. Effektiver Jugendschutz besteht
für uns insbesondere in flächendeckenden
medienpädagogischen Angeboten für Eltern,
Lehrkräfte, Kinder und Jugendliche. Medi-
enbildung gehört in allen Bildungseinrich-
tungen – generationenübergreifend – auf die
Tagesordnung. Medienkompetenzvermitt-
lung spielt aber auch im Alter eine zentrale
Rolle. Die Rolle der Landesmedienanstalten
wollen wir stärken.
Der vereinfachte Zugang zu europäischer
Förderung aus den Konjunkturprogrammen
und den Investitionsprogrammen über die bis-
herige Medienförderung hinaus sollte sowohl
der Überwindung der Folgen der Pandemie als
auch den Bedarfen einer demokratischen Me-
dienlandschaft gelten sowie verstärkt gemein-
nützige Medienfreiheitsinitiativen fördern.
Wir verteidigen die Freiheit zur und
von der Religion und die Trennung von
Staat und Kirche
Wir verteidigen das Recht auf Religionsfrei-
heit: Es ist das Recht der Freiheit des Glau-
bens, des Gewissens und die Freiheit des
religiösen und weltanschaulichen Bekennt-
nisses. Wir unterstützen den Kampf von
Menschen für globale soziale Gerechtigkeit,
Demokratie und Frieden unabhängig von
ihrer Weltanschauung und Religion. Wir
treten für die institutionelle Trennung von
Staat und Religion ein.
Das Recht auf Religionsfreiheit ist ein
Schutz gerade für Minderheiten. Des-
halb verteidigen wir jüdische Menschen,
Muslim*innen und alle anderen religiösen
Minderheiten, wenn sie wegen ihrer Reli-
gion diskriminiert werden. Drohungen,
Übergriffe und Anschläge richten sich
gegen Muslim*innen und jüdische Menschen
und gegen Synagogen und Moscheen. Sie
sind alltäglich geworden.
Antisemitismus und antimuslimischer Ras-
sismus, wie jede andere Form des Rassis-
mus, dürfen keinen Platz in der Gesellschaft
haben. Wir treten für die Gleichbehandlung
aller Religionen und Weltanschauungen mit
den christlichen Kirchen ein.
n DIE LINKE unterstützt den Kampf der
Gewerkschaften und Kirchen für den
erwerbsarbeitsfreien Sonntag.
n Wir fordern die Abschaffung des kirchli-
chen Sonderarbeitsrechts für die Beschäftig-
ten in den Kirchen, in Diakonie und Caritas.
n Das Menschenrecht auf freie Religions-
ausübung schließt das Recht auf öffent-
liches Bekenntnis zu einer Religion ein.
DIE LINKE verteidigt das Selbstbestim-
mungsrecht von muslimischen Frauen,
spricht sich gegen ein Verbot religiös
motivierter Bekleidung aus und lehnt eine
Einschränkung von Beschäftigtenrechten
auf dieser Grundlage ab.
n Wir wollen einen Ethikunterricht, in dem
alle Schüler*innen mit ihren unterschied-
lichen weltanschaulichen, kulturellen und
religiösen Hintergründen gemeinsam über
ethische Fragen diskutieren können. Im
Rahmen des Bildungsauftrages sollen Schu-
len auch weiterhin Wissen über Religionen
vermitteln. Soweit bekenntnisorientierter
Religionsunterricht an Schulen als Wahlfach
angeboten wird, sollten sich alle Religions-
gemeinschaften beteiligen können. Die
Militärseelsorge in der jetzigen Form wollen
wir abschaffen. Sie ist auch innerhalb der
Kirchen umstritten. Sie muss durch einen
Seelsorgevertrag für alle Angehörigen
der Bundeswehr ersetzt werden, der eine
gleichberechtigte Betreuung durch alle
Religions- und Weltanschauungsgemein-
schaften garantiert. Die kirchlichen oder
weltanschaulichen Betreuungspersonen
sollen bei der Bundeswehr weder angestellt
noch verbeamtet sein.
n DIE LINKE fordert, dass die Kirchen in
Zukunft ihre Steuern bzw. Beiträge selbst-
ständig einziehen. Wir treten für den seit
1919 bestehenden Verfassungsauftrag
zur Ablösung der Staatsleistungen an die
Kirchen ein. In einer weltanschaulich und
religiös vielfältigen Gesellschaft müssen
alle die gleichen Möglichkeiten der Finan-
zierung haben.
131
n DIE LINKE ist gegen ein Bauverbot
für Sakralbauten.
n Wir fordern die Einführung staatlich
geschützter Feiertage für jüdische und
muslimische Religionsgemeinschaften.
n DIE LINKE tritt für die rechtliche Gleich-
stellung aller Religions- und Weltanschau-
ungsgemeinschaften ein.
Sport ist kein Luxus
Sport ist für alle da. Dafür müssen wir die
Zugangsbedingungen zum Sport verbessern.
Sport treiben zu können, soll nicht vom
Einkommen und sozialen Status abhängen.
Sportvereine sind auch Orte erfolgreicher
Integration. Wir fördern inklusiven, integra-
tiven, natur- und umweltverträglichen Sport.
Sportangebote und die Sportförderung
müssen geschlechtergerecht sein und alle
Altersgruppen angemessen berücksichtigen.
n Viele Sporthallen, Sportplätze und
Schwimmbäder sind baufällig, teilweise
bereits gesperrt. Der Sanierungsbedarf
beträgt rund 31 Milliarden Euro. Unser
Zukunftsprogramm sieht ausreichende
Investitionen vor, um die Einrichtungen
barrierefrei und ökologisch sinnvoll zu
sanieren. Die Eintrittspreise für Schwimm-
bäder müssen für alle erschwinglich sein.
n Anerkannte Sportorganisationen,
Schulen und Hochschulen sollen das Recht
bekommen, Spiel- und Sportanlagen öffent-
licher Träger unentgeltlich zu nutzen, wie es
etwa im neuen Thüringer Sportfördergesetz
geregelt ist.
n Allen Schüler*innen soll die Teilnahme am
Schwimmunterricht ermöglicht werden. Bis
zum Ende der Primarstufe sollen alle Kinder
sicher schwimmen können. DIE LINKE sieht
Breitensport und Spitzensport als wech-
selseitiges Verhältnis. Sie will sowohl den
Breitensport mit seiner positiven sozialen
und gesundheitlichen Wirkung fördern als
auch mögliche Sportkarrieren unterstützen.
Die Spitzensportreform des Bundes wie
auch das Konzept zur Förderung von Sport-
großveranstaltungen gehören auf den
Prüfstand. Wir wollen eine offene Diskus-
sion über die Rolle des Sports in der
Gesellschaft – auch unter Berücksichtigung
der Folgen der Coronapandemie.
n Sport muss kommunale Pflichtaufgabe
werden.
n Die Rechte von Athlet*innen müssen
weiter gestärkt, bestehende Ungleichheiten
bei der Förderung des Sports von Men-
schen mit Behinderungen beseitigt werden.
n Doping, alle Formen von Gewalt, Korrup-
tion und andere Manipulationen müssen
bekämpft werden. Die Kommerzialisierung
des Sports zum Zwecke der Profitmaximie-
rung muss zurückgedrängt und die Vermitt-
lung von Werten wie Toleranz, Respekt und
Fairness gestärkt werden. Der Erhalt und
die Förderung der Gesundheit müssen im
Breiten- wie auch im Leistungssport einen
höheren Stellenwert erhalten.
n Die Mittel für Fanprojekte, Initiativen und
Projekte gegen extreme Rechte, Diskrimi-
nierung und Gewalt sowie für die integrative
Wirkung der Sportvereine sollen erhöht und
nachhaltig festgeschrieben werden.
Schluss mit der Kriminalisierung
der Drogen
DIE LINKE setzt sich für einen Paradigmen-
wechsel ein: weg von der Strafverfolgung,
hin zu Prävention, Beratung und Hilfe. Wir
sehen es nicht als Aufgabe der Politik an,
Menschen zu erziehen, sondern ihnen eine
informierte und risikobewusste Konsument-
scheidung zu ermöglichen. Wir wollen den
Wunsch nach Rausch nicht moralisch wer-
ten. Er ist ein Bestandteil der Kultur, auch
wenn damit Risiken und mögliche Schäden
verbunden sind.
Nur durch eine gute Gesundheits- und Sozial-
politik ist eine Schadensreduzierung möglich.
Mit dem Verbot von Drogen werden die
Risiken für Konsumierende und Gesell-
schaft nicht wirksam reduziert. Es verhin-
dert weder den Drogenhandel noch senkt
es wirksam den Konsum. Die Gesund-
heitsgefährdung durch Streckmittel, die
Finanzierung der organisierten Kriminalität,
Beschaffungskriminalität, sozialer Abstieg
132
von Abhängigen, Begleiterkrankungen wie
HIV/Aids und Hepatitis – viele drogenbe-
zogene Probleme werden mehr durch die
Repression verursacht als durch die Drogen
selbst. Zugleich bindet die Repression
große finanzielle Mittel: Mehrere Milliar-
den Euro werden für die Strafverfolgung
ausgegeben, für Hilfe und Prävention nur
ein Bruchteil davon. Drogen und Sucht sind
ein Spiegel der Gesellschaft: Abhängig
sein kann man nicht nur von illegalen oder
legalen Substanzen, Tabak oder Alkohol,
sondern zum Beispiel auch von Glücksspiel,
Medikamenten und Energydrinks. Sucht
hat vielfältige soziale und psychologische
Ursachen und sollte – wie andere Erkran-
kungen auch – nicht als Versagen einzelner
Menschen interpretiert werden.
n Wir wollen Cannabis legalisieren. Wir
wollen eine vorrangig nichtkommerzielle
Bezugsmöglichkeit schaffen und den Besitz
sowie Anbau zum eigenen Bedarf erlauben.
Als zeitlich befristete Übergangslösung
schlagen wir Modellprojekte zur legalen
Verfügbarkeit in den Bundesländern bei
gleichzeitiger bundesweiter Entkriminali-
sierung der Konsumierenden vor.
n Die gesetzlichen Regeln zur medizini-
schen Verwendung von Cannabis müssen
im Sinne der Patient*innen geändert werden.
Der Zugang muss entbürokratisiert werden.
Der Einsatz von Cannabis als Medizin muss
auch bei weniger schweren Erkrankungen
ermöglicht und der Genehmigungsvorbehalt
der Krankenkassen abgeschafft werden.
Wir wollen die Versorgungssicherheit ver-
bessern, indem mehr Cannabis als Medizin
in Deutschland angebaut wird. Die Bestim-
mungen zum Fahren von Fahrzeugen bei
medizinischer Verwendung von Cannabis
müssen endlich klar geregelt werden.
n Substitutionstherapie muss allen Opioid-
abhängigen offenstehen. Der Zugang
und die Behandlung müssen vereinfacht
werden, vor allem auch in Haftanstalten.
Dazu brauchen wir unter anderem mehr
Substitutionsärzte. Auch die diamorphin-
gestützte Behandlung (Heroinvergabe) und
die Take-Home-Regelung sollen ausgebaut
werden. DIE LINKE fordert eine unabhän-
gige wissenschaftliche Überprüfung, ob
die bisherige repressive Drogenpolitik ihre
Ziele erreicht und welche Nebenwirkungen
sie entfaltet hat.
n Wir wollen die Kriminalisierung von
Konsumierenden beenden. Dafür sollen für
häufig gebrauchte Drogen bundesein-
heitliche Höchstmengen festgelegt werden,
bei deren Besitz keine Strafverfolgung
erfolgt. In diesen Fällen muss die Strafver-
folgung durch Beratungs- und Hilfsan-
gebote ersetzt werden. Zudem werden
so Mittel frei, die Organisierte Kriminalität
zu bekämpfen.
n Im Vordergrund muss stehen: Schaden
reduzieren und Leben retten. Deshalb
wollen wir schadensminimierende Maßnah-
men ausbauen. Wir wollen einen flächende-
ckenden Zugang zu Drogenkonsumräumen,
zu sterilen Konsumutensilien und zur
Take-home-Vergabe von Naloxon, das bei
Opioidüberdosierung lebensrettend ist. Wir
wollen, dass analysegestützte Präventions-
programme (Drug Checking) ausdrücklich
ermöglicht und von den Ländern durchgef-
ührt werden. Wir wollen die Regelungen über
Drogen im Straßenverkehr anpassen. Für
alle Drogen werden Grenzwerte für die
Blutkonzentration festgelegt, bei denen eine
Einschränkung der Fahrtüchtigkeit praktisch
ausgeschlossen werden kann. Dabei soll
das Nüchternheitsgebot nicht angetastet
werden. Cannabis- und alkoholkonsumie-
rende Führerscheininhaber*innen wollen
wir rechtlich gleichstellen.
n Werbung und Sponsoring für Tabak- und
Alkoholprodukte in der Öffentlichkeit
wollen wir verbieten. Wir plädieren für die
Einhaltung der Vorgaben der WHO-Tabak-
rahmenkonvention. Tabakprodukte sollten
in einheitlichen Verpackungen angeboten
werden wie beispielsweise in Australien.
Wir wollen den Nichtraucher- und Jugend-
schutz weiter ausbauen. Der Konsum von
E-Zigaretten sollte als weniger schädliche
Alternative zum Tabakkonsum angesehen
und daher auch in steuerlicher Hinsicht
günstiger gehalten werden.
n Wir wollen die Gefahren der Spielsucht
verringern. Für das Automatenspiel muss
ein staatlich lizenziertes Angebot einge-
133
führt werden, das die Minimierung von
gesundheitlichen und sozialen Folgen des
Automatenspiels zum Ziel hat. Gleiches
gilt für Onlineglücksspiele. Für gastrono-
mische Einrichtungen wollen wir ein Auto-
matenverbot. Die Glücksspielelemente
im E-Gaming-Bereich müssen reguliert
und eingedämmt werden.
Ohne Frieden ist alles nichts: Für Frieden und
Abrüstung. Waffenexporte verbieten
DIE LINKE verteidigt das Prinzip des Friedens
als Modus internationaler Politik. Die
Kriegsgefahr war seit Jahrzehnten nicht so
groß wie heute. Ein Blick auf die globalen
Verhältnisse zeigt, in welche Richtungen
es gehen kann: Verschärfte Konkurrenz
und autoritärer Staat, auch innerhalb der
Europäischen Union. Geopolitische Rivali-
täten und Wirtschaftskriege nehmen zu. Wir
setzen auf Entspannungspolitik und gerech-
te Wirtschaftsstrukturen. Die Achtung des
Völkerrechts und der Menschenrechte sind
für uns nicht verhandelbar. Darum kann es
für DIE LINKE in diesen Fragen auch kein
Messen mit zweierlei Maß geben.
»Ohne Gerechtigkeit gib es keinen Frieden.
Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie
die Wolke den Regen.« (Jean Jaures) Doch
die Bundesregierung setzt weiter auf die
einseitige Durchsetzung wirtschaftlicher
und geopolitischer Interessen in der Stand-
ortkonkurrenz. Das verstärkt die weltweite
Ungleichheit und schwächt ausgerechnet
in Zeiten der Klimakatastrophe Formen und
Foren grenzübergreifender Kooperation.
Die US-Regierung setzt auch mit neuem
Präsidenten den Konfrontationskurs zum
Erhalt der eigenen Vormachtstellung durch
Sanktionen und militärische Interventionen
fort. USA und EU versuchen, ihre Vormacht-
stellung gegen Russland und China durch-
zusetzen. Das droht in einen neuen Kalten
Krieg zu eskalieren. In Strategiepapieren
der NATO und EU werden Russland und
China als Feindbilder beschrieben, das
lehnen wir ab. Wir stellen uns gegen alle
Formen des Imperialismus. Den Rüstungs-
ausgaben der NATO in Höhe von 1,1 Billi-
onen Dollar stehen 61 Mrd. von Russland
gegenüber. Es geht also nicht um Gefah-
renabwehr. Aber die Bundesregierung und
die Europäische Union rüsten auf – und
verschärfen so die Konflikte.
DIE LINKE ist sich der Geschichte des
deutschen kriegerischen Hegemonial-
strebens in Europa und der Welt bewusst.
Wir sind der Überzeugung, dass der
Bundesrepublik aus den Verbrechen, die
durch Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg
verursacht wurden, eine besondere Ver-
antwortung zum Frieden gegenüber allen
Ländern und ihren Menschen erwächst,
die Opfer dieser Kriege wurden. Im Jahr,
in dem sich der Beginn des Raub- und
Vernichtungskriegs der faschistischen
Wehrmacht im Osten zum 80. Mal jährt,
erneuern wir gegenüber Russland und
den anderen Ländern der ehemaligen
Sowjetunion die Verpflichtung: Nie wie-
der Faschismus, nie wieder Krieg von
deutschem Boden!
Wir wollen einen Paradigmenwechsel
in der Außenpolitik und stehen für ge -
waltfreie Konfliktlösung und grenzüber-
greifende Kooperation, statt Rüstungs-
exporte und Auslandseinsätze der
Bundeswehr. Für Frieden und Stabilität
brauchen wir in der internationalen
Politik ein verbindliches Regelwerk, das
immer gilt. Die Basis hierfür ist das
Völkerrecht. Die Bundesregierung und
die sie tragenden Parteien CDU / CSU und
SPD haben einen Aufrüstungs- und Kon-
frontationskurs gefahren, den DIE LINKE
ablehnt. DIE LINKE ist die Friedenspartei
und verlässliche Stimme der Friedens-
bewegung im Bundestag.
Wir wollen einen sofortigen Stopp aller
Waffenexporte. Investitionen in Militarisie-
rung und Aufrüstung lehnen wir ab. Wir
stehen für gerechte Wirtschaftsbeziehungen,
nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit
und einen solidarischen Multilateralismus.
An einer Regierung, die Kriege führt und
Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland
134
zulässt, die Aufrüstung und Militarisierung
vorantreibt, werden wir uns nicht beteiligen.
Langfristig halten wir an der Vision einer
Welt ohne Armeen fest.
Keine Auslandseinsätze der
Bundeswehr
Die Bundeswehr muss aus allen Auslands-
einsätzen abgezogen werden. Vor 20 Jahren
wurde erstmals eine Beteiligung der Bun-
deswehr am Krieg in Afghanistan beschlos-
sen und seitdem von allen Bundesregie-
rungen Jahr für Jahr verlängert. DIE LINKE
hat die Bundeswehreinsätze in Afghanistan
stets abgelehnt. Der Abzug aus Afghanis-
tan ist zu begrüßen. Aber er offenbart
das Desaster, das der Krieg angerichtet
hat. Über 200 000 Afghan*innen haben
ihr Leben verloren, darunter die mehr als
100 Opfer von Kundus. Millionen Menschen
sind auf der Flucht. 3 600 westliche
Soldat*innen verloren ihr Leben, darunter
59 Bundeswehrsoldaten. Der Krieg wurde
damit begründet, Sicherheit, Demokratie
und Frauenrechte zu schaffen. Keines der
erklärten Ziele wurde erreicht, im Gegen-
teil. Die Taliban sind stark wie lange nicht
mehr, die soziale und die wirtschaftliche
Situation im Land sind katastrophal. Die
Lehre aus der afghanischen Katastrophe
ist die gleiche, wie die aus der syrischen,
libyschen und irakischen: Demokratie
und gesellschaftlicher Fortschritt können
nicht mit Kriegen von außen aufgezwungen
werden. Die Konsequenz muss sein, die
ausländischen Truppen, Spezialkräfte und
Geheimdienste dauerhaft zurückzuziehen.
Aus Afghanistan, Mali und allen anderen
Auslandseinsätzen. Derzeit befinden sich
circa 3 000 Soldat*innen mit Mandaten des
Deutschen Bundestages im Auslands-
einsatz. Darüber hinaus sind über10 000
Bundeswehrsoldat*innen ohne Mandat im
Ausland aktiv, aktuell zum Beispiel
in Litauen.
n Die Bundeswehr muss aus allen Auslands-
einsätzen zurückgeholt werden und darf
nicht in neue entsendet werden. Wir wollen
die Mittel, die bisher für Auslandseinsätze
ausgegeben werden, in ein ziviles Aufbau- und
Friedenssicherungsprogramm investieren.
n Wir lehnen die vom Bundestag manda-
tierten Auslandseinsätze der Bundeswehr
ab. Ebenso stellen wir uns gegen die Prä-
senz deutscher Soldaten im Ausland unter
Verantwortung der NATO, wie derzeit etwa
in Litauen.
n Wir lehnen Ausbildungsmissionen für
Soldat*innen und Sicherheitskräfte ab.
n Wir fordern ein Verbot des Einsatzes mili-
tärischer Sicherheits und Söldner firmen.
n Wir wollen keine Beteiligung an internatio-
nalen Polizei und Geheimdiensteinsätzen
oder Ausbildungsmissionen, die der Unter-
stützung autoritärer Regime dienen.
n Wir lehnen zivil militärische Koopera
tionen ab. Wichtige zivile Hilfe darf nicht
mit militärischen Maßnahmen verknüpft
werden. Wir fordern, dass zivile Strukturen
für internationalen Katastrophenschutz
aufgebaut werden.
Bundeswehr abrüsten statt aufrüsten –
Keine Bundeswehr als weltweite
Einsatzarmee
Die Ausgaben der Bundesregierung für
Rüstung und die Bundeswehr steigen
stetig an. Die Bundesregierung steuert
weiter auf das Ziel der NATO zu, 2 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung
auszugeben. Wir setzen auf Abrüstung,
Demokratie und friedliche Außenpolitik,
die Ausgaben für Rüstung müssen dras-
tisch gesenkt werden. Wir werden eine
Steigerung der Militär- und Rüstungsaus-
gaben ablehnen.
Der Militärhaushalt der Bundesregierung
ist in den letzten Jahren massiv gestiegen
und beträgt derzeit 47 Milliarden Euro, das
entspricht mehr als 500 Euro aus Steuer-
geldern je Bürger*in. Der Preis für eine
hochgerüstete Bundeswehr: Steuermilli-
arden fehlen beim Ausbau des Gesund-
heitssystems, der sozialen Infrastruktur,
Bildung und Klimaschutz.
Der Verteidigungshaushalt des Bundes muss
und kann deutlich reduziert werden, denn
wir wollen die Bundeswehr verkleinern und
135
auf große Rüstungsprojekte, wie das Future
Combat Air System (FCAS) oder das Main
Ground Combat System (MGCS) zur Entwick-
lung eines Kampfpanzers verzichten.
Wir rufen dazu auf, im kommenden Jahr in
allen Staaten weltweit die Militärausgaben
um 10 Prozent zu senken. Wenn alle Staa-
ten das gleichzeitig tun, bleibt die relative
Sicherheit für jedes Land gleich – und es
würde auf einen Schlag183 Milliarden Dollar
freisetzen, um Soziales wie die Bekämp-
fung von Hunger, Armut und die Folgen der
Coronakrise zu finanzieren.
Der Umbau der Bundeswehr zu einer welt-
weit agierenden Einsatzarmee dient nicht
unserer Sicherheit, sondern den Interessen
von Großkonzernen und Eliten im globalen
Kampf um Rohstoffe, Einflusssphären und
Absatzmärkte. Die Aufrüstung der Bun-
deswehr wird von einer Militarisierung der
Gesellschaft begleitet.
n Die Ausrichtung der Bundeswehr als Ein
satzarmee lehnen wir ab. DIE LINKE setzt
sich für eine schrittweise Abrüstung der Bun-
deswehr ein. Material und Truppenteile, die
ausschließlich für Auslandseinsätze konzi-
piert sind, müssen zuerst abgebaut werden.
n Der Cyber- und Informationsraum der
Bundeswehr muss aufgelöst werden. Den
Paradigmenwechsel in der Militärtech-
nologie und -strategie zu »Revolution in
militärischen Angelegenheiten« (RMA) und
Cyberwar lehnt DIE LINKE strikt ab.
n Bekämpfung von Kriminalität im Netz und
Schutz kritischer Infrastruktur sind Aufgabe
der Sicherheitsbehörden im Inneren,
nicht der Bundeswehr (vgl. Kapitel »Digi-
talisierung«).
n Extrem rechtes, rassistisches und demo-
kratiegefährdendes Gedankengut in der
Bundeswehr sowie in für die Bundesrepublik
tätigen Sicherheitsunternehmen muss
aufgedeckt und bekämpft werden. Daher
fordern wir auch eine Studie zu Rassismus
und rechtem Gedankengut in der Bundes-
wehr (vgl. Kapitel »Sicherheit für alle«).
n Wir wollen die Spezialeinheit Kommando
Spezialkräfte (KSK) auflösen. Es ist öffent-
lich geworden, dass es in der Bundeswehr
und speziell in der Elitekampftruppe KSK
rechte, neonazistische Akteure und Netz-
werke gibt. Darüber hinaus gab es beim KSK
umfangreiche Munitionsverluste. DIE LINKE
hat einen Anteil an der Aufklärung dieses
Skandals. Gegen rechte Akteure und Netz-
werke in der Bundeswehr und in anderen
Sicherheitsbehörden muss entschieden
vorgegangen werden. Der Skandal um die
rechten Netzwerke in der Bundeswehr zeigt,
welche Gefahr für die Demokratie aus der
Ausrichtung der Bundeswehr auf Kriegsein-
sätze erwächst.
n Kein Werben fürs Sterben! Wir lehnen
Werbung der Bundeswehr in Jobcentern,
Schulen, auf Bildungs- und Ausbildungs-
messen und in Hochschulen sowie die
Reklame in der Öffentlichkeit ab.
n Die Bundeswehr darf keine Minder
jährigen aufnehmen – auch nicht im
Rahmen des sogenannten freiwilligen
Heimatschutzes. DIE LINKE lehnt den
freiwilligen Heimatschutz als Form der
Militarisierung der Gesellschaft ab.
n Den Einsatz der Bundeswehr im Inneren
lehnen wir ab. Der Katastrophenschutz
muss für Notlagen besser ausgestattet
werden, die Bundeswehr darf nicht als plan-
mäßige Kompensation für den Katastrophen-
schutz herangezogen werden. Insbesondere
darf die Bundeswehr niemals polizeiliche
Befugnisse bekommen.
Rüstungsexporte stoppen:
Kein Geschäft mit dem Krieg!
Deutschland ist die Nummer vier unter den
weltweit führenden Ländern im Bereich der
Rüstungsexporte. Selbst in Krieg führende
Staaten wurden Waffen geliefert, so führen
die Türkei oder Saudi-Arabien ihre Kriege
auch mit Waffen aus Deutschland. Wir
wollen auch alle Möglichkeiten beseitigen,
mit denen Rüstungsfirmen die Kontrollen in
Deutschland umgehen wollen. So müssen
auch Produktionsstätten deutscher Firmen
im Ausland unter die deutschen Rüstungs-
exportkontrollen fallen. Spezielle Koopera-
136
tionsregelungen mit befreundeten Staaten
wie mit Frankreich zur Erleichterung von
Rüstungsexporten lehnt DIE LINKE ab, denn
über diesen Umweg könnten deutsche
Waffen in die ganze Welt gelangen.
n Wir fordern einen sofortigen Stopp
aller Rüstungsexporte, insbesondere
den Export von Waffenfabriken, Klein- und
Leichtwaffen, da deren Endverbleib nicht
kontrolliert werden kann.
n Wir unterstützen ein Rüstungsexport
kontrollgesetz für ein gesetzliches Verbot
aller Rüstungsexporte.
n Rüstungsexporte dürfen nicht mehr mit
Steuergeldern unterstützt werden. Wir for-
dern ein Ende der Hermes Bürgschaften.
n Wir unterstützen die Hamburger Volksini
tiative gegen Rüstungsexporte.
n Europäische Rüstungskonzerne wie Airbus
oder Rheinmetall müssen gezwungen wer-
den, ihre Rüstungsproduktion für autori-
täre Regime einzustellen. Gleiches muss
für digitale Technik gelten, die in Konflikten
als Waffe eingesetzt werden kann oder die
Überwachung und Kontrolle von Telekom-
munikation und Endgeräten ermöglicht. Wir
wollen Gesetzeslücken schließen, die es
deutschen Unternehmen ermöglichen, die
deutschen Gesetze zu umgehen.
n Exporte von Dual Use Gütern, die zur
Herstellung chemischer oder biologischer
Waffen verwendbar sind, dürfen nicht an
Staaten genehmigt werden, die die Chemie-
waffen- bzw. Biowaffenkonvention nicht
ratifiziert haben.
n Das Verbot von Biowaffen und Chemie
waffen muss wirksam kontrolliert werden.
Die Ausfuhr von Stoffen, die zur Herstellung
von Chemiewaffen geeignet sind, muss
stärker kontrolliert werden.
n Wir wollen mit gesellschaftlichen
Partner*innen aus Gewerkschaften,
Friedensbewegung und Kirchen Konversi-
onsprogramme für die und mit den Beschäf-
tigten in der Rüstungsindustrie entwickeln,
um neue, zivile Arbeitsplätze zu schaffen.
n Förderprogramme in der Wirtschaft
sowie für Forschung an den Hochschulen
sollen nur noch der zivilen Produktion
dienen.
Keine Drohnen für den Krieg
Die Bundesregierung plant, die Heron-TP-
Drohnen der Bundeswehr zu bewaffnen.
Parallel dazu wird am Bau und Einsatz der
sogenannten Eurodrohne gearbeitet, die
neben Raketen auch Lenkbomben abwerfen
soll. Der Bewaffnung der Drohnen wurde
auf Druck von Zivilgesellschaft, Friedens-
bewegung und DIE LINKE vonseiten der SPD
in der vergangenen Legislaturperiode noch
nicht zugestimmt.
Wer Maschinen für sich kämpfen lässt, ent-
scheidet sich schneller, Gewalt einzusetzen
und Menschen anderswo zu töten. Und sie
können überall auf der Welt ohne Kriegser-
klärung, eingesetzt werden, so wie die USA
es seit Jahren machen.
n Die Bewaffnung der Bundeswehr mit
Kampfdrohnen muss verhindert werden. Wir
sagen Nein zu Kampfdrohnen, auch nach
der Wahl!
n Deutschland muss einen ersten Schritt
tun und generell auf die Bewaffnung von
Drohnen verzichten und sich international
für eine völkerrechtlich bindende Äch
tung von bewaffneten Drohnen einsetzen.
n Einsatz und Steuerung von Kampfdroh-
nen aus der Militärbasis in Ramstein durch
die US-Armee wollen wir endlich stoppen.
Kein Drohnenkrieg von deutschem Boden!
Ramstein und die anderen US-Militärbasen
in Deutschland müssen geschlossen werden.
n Die Bewaffnung von Drohnen kann der
erste Schritt auf dem Weg zu autonomen
Waffensystemen sein. So sind bei dem
milliardenschweren Rüstungsprojekt Future
Combat Air System (FCAS) durch künstliche
Intelligenz gesteuerte Drohnenschwärme
geplant. Wir lehnen das ab.
n Wir fordern eine weltweite Ächtung
von autonomen Waffensystemen. Die
Bundesregierung muss eine internationale
137
Initiative dafür starten. In Deutschland
soll es keine Forschung mehr für autonome
Waffensysteme geben.
Für eine atomwaffenfreie Welt
Unser Ziel bleibt eine Welt ohne Atomwaf-
fen. Aber die Atomwaffenmächte kommen
ihrer Abrüstungsverpflichtung aus dem
Nichtverbreitungsvertrag nicht nach. Die
UN-Vollversammlung hat für einen Atom-
waffenverbotsvertrag (AVV) gestimmt,
der Anfang 2021 in Kraft getreten ist. Die
Bundesregierung hat nicht einmal an den
Verhandlungen teilgenommen. Das war
falsch. Das gefährliche Konzept der nukle-
aren Abschreckung lehnen wir ab. Auch
wenn die Verlängerung des Atomwaffen-
reduktions-Vertrages, durch die Präsiden-
ten Biden und Putin in letzter Minute der
Weltgemeinschaft eine kurze Atempause
verschafft hat, braucht es dringend neue
Initiativen für Abrüstung und mehr Rüs-
tungskontrolle.
In Deutschland lagern im Rahmen der nukle-
aren Teilhabe der NATO noch immer Atom-
waffen. Das Verteidigungsministerium hat
beschlossen,138 neue Kampfflugzeuge
anzuschaffen, davon 93 Eurofighter und
45 F-18-Kampfflugzeuge. 30 von ihnen
sollen für die sogenannte nukleare Teilhabe
innerhalb der NATO genutzt werden. Mit
»nuklearer Teilhabe« ist gemeint, dass die
Bundeswehr Kampfflugzeuge als Träger-
systeme für die 20 US-Atomwaffen im
rheinland-pfälzischen Büchel stellt.
n Die US-Atomwaffen müssen sofort
abgezogen und vernichtet werden. Es
dürfen keine Atomwaffen in Deutsch
land stationiert sein und werden. Die
Bundesregierung darf keine Trägersys-
teme und Pilot*innen dafür bereitstellen.
Der Einsatz von Uran angereicherter
Munition muss geächtet werden.
n Die nukleare Teilhabe innerhalb der NATO
muss beendet werden. Es dürfen dafür keine
Kampfflugzeug-Trägersysteme zur Verfügung
gestellt und neu angeschafft werden.
n Deutschland muss endlich den Atomwaf-
fenverbotsvertrag der UN unterzeichnen.
n In Deutschland haben sich mehr als 700
Städte und Gemeinden – darunter die drei
Stadtstaaten und alle Hauptstädte der
Bundesländer – der Kampagne Mayors for
Peace angeschlossen, die zum Ziel hat,
Atomwaffen weltweit abzuschaffen. Diesen
Appell muss die Bundesregierung ernst
nehmen und die weltweite Ächtung von
Atomwaffen vorantreiben.
n Deutschland soll sich dafür einsetzen,
dass die USA dem Atomabkommen mit
dem Iran wieder beitreten, und sich alle
Beteiligten an das Abkommen halten.
n Deutschland soll sich für eine Wiederauf-
lage des Vertrags zur Ächtung von Mittel
streckenraketen zwischen den USA und
Russland einsetzen.
Kooperation statt Konfrontation:
Für ein inklusives Sicherheitssystem
Die NATO ist ein Relikt des Kalten Kriegs
und so agiert sie auch heute noch. Für
DIE LINKE ist Krieg kein Mittel der Politik.
Wir brauchen eine Politik der Entspannung
gegenüber Russland statt weiterer Eskala-
tion und Truppenaufmärsche oder Manöver
an dessen Westgrenze. Das ist eine der
großen Lehren und Verpflichtung aus dem
Zweiten Weltkrieg. Konfrontation ist keine
Grundlage für Sicherheit. Auch der »Krieg
gegen den Terror« der NATO-Staaten hat
keine Sicherheit geschaffen – im Gegenteil.
Zeit, endlich umzusteuern.
n Wir fordern die Auflösung der NATO und
ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicher-
heitssystem unter Beteiligung Russlands,
das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat.
Wir fordern, Verhandlungen über einen
deutsch-Russischen Vertrag aufzunehmen,
um Versöhnung und Freundschaft zwischen
Deutschland und Russland zu erreichen
und zu verstetigen.
n Unabhängig von einer Entscheidung über
den Verbleib Deutschlands in der NATO wird
DIE LINKE in jeder politischen Konstellation
dafür eintreten, dass Deutschland aus den
militärischen Strukturen des Militärbünd-
nisses austritt und die Bundeswehr dem
Oberkommando der NATO entzogen wird.
138
n Manöver wie Defender 2021 lehnt
DIE LINKE ab. Vor dem Hintergrund der
deutschen Geschichte wenden wir uns ins-
besondere gegen jede Präsenz deutscher
Soldaten östlich der Oder-Neiße-Grenze.
Die Pläne, den Truppenübungsplatz Ober-
lausitz für die Eskalationspolitik in Ost-
europa weiter auszubauen und dort auch
autonome Waffen zu entwickeln und zu
erproben, müssen gestoppt werden.
n Jede Unterstützung für NATO Staaten,
die – wie die Türkei unter dem Erdoğan-
Regime – das Völkerrecht missachten,
muss umgehend gestoppt werden.
n Statt weitere 500 US- Soldaten im Head-
quarter US-Army Europe and Africa in
Wiesbaden zu stationieren, müssen alle aus
ländischen Militärbasen in Deutschland
geschlossen werden. Entsprechende Verträ-
ge, auch mit den USA im Rahmen von Aufent-
haltsvertrag und dem Zusatzabkommen zum
NATO-Truppenstatut, werden gekündigt.
n Auf dem NATO-Stützpunkt Ramstein
wird derzeit ein Weltraumcenter der NATO
aufgebaut. Damit sollen nicht nur Satelliten
verteidigt werden, die für unser Alltagsle-
ben unentbehrlich geworden sind, sondern
die militärische Handlungs- und Angriffs-
fähigkeit abgesichert werden. Die scheinbar
passive Komponente der »Verteidigung im
Weltall« hat einen offensiven Hintergrund.
Damit soll die militärische Handlungs- und
Angriffsfähigkeit abgesichert werden.
DIE LINKE lehnt die Militarisierung des
Alls ab. Auch die Pläne anderer Staaten für
eine militärische Nutzung des Weltraums
lehnt DIE LINKE ab. Die USA haben mithilfe
des Stützpunkts Ramstein einen Drohnen-
krieg geführt und damit von deutschem
Territorium aus das Völkerrecht gebrochen.
Die Konsequenz daraus kann nur sein, den
Aufenthaltsvertrag zu kündigen bzw. dessen
faktischen Bruch durch die USA festzustellen.
Zivile Konfliktbearbeitung und
Krisenprävention
Frieden ist mehr als die Abwesenheit von
Krieg. Frieden zu schaffen und zu bewahren
bedeutet, die Bedingungen herzustellen,
in denen ein Leben in Würde und Sicherheit
möglich ist. Dabei umfasst Sicherheit mehr
als die Abwesenheit von Gewalt. Sicherheit
bedeutet auch, dass die Versorgung mit
Lebensmitteln gewährleistet ist und es Zu-
gang zu medizinischer Versorgung, zu Wohn-
raum, Kultur, Bildung und Ausbildung gibt.
n Wir fordern ein Menschenrecht auf
Frieden. Wir wollen, dass die Bundesregie-
rung sich innerhalb der UN-Gremien für die
Umsetzung des Rechts auf Frieden im Sinne
der Santiago-Deklaration durch Veran-
kerung in einem völkerrechtlichen Vertrag
einsetzt und ihn in allem politischen Handeln
konsequent umsetzt.
n DIE LINKE lehnt eine Vermischung von
zivilen und militärischen Maßnahmen ab.
Internationale Hilfe darf niemals Teil einer
militärischen Strategie sein, sondern muss
sich am Gebot der Hilfe für von Hunger,
Klimakatastrophen und Krieg betroffene
Bevölkerungen orientieren.
n Die Bundesregierung muss den Fokus auf
zivile Friedensmaßnahmen richten wie die
Einbindung von Fraueninitiativen, Ausbil-
dungsprogramme, Abgabe von Schusswaf-
fen und zivile Vermittler. Die für den zivilen
Friedensdienst zur Verfügung gestellten
Mittel müssen systematisch erhöht werden.
International bereits bewährte Instrumente,
wie unbewaffnetes ziviles Peacekeeping,
müssen unkompliziert gefördert werden.
n Wir wollen diese Ansätze im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit fördern
und die Ausbildung dafür stärken. Auch
ausländischen Friedenskräften wollen wir
die Möglichkeit eröffnen, ihre Ausbildung
in Deutschland zu absolvieren. Entspre-
chende Hochschulen und Ausbildungsstät-
ten wollen wir auch im Ausland aufbauen.
139
Soziale Gerechtigkeit weltweit
Die Coronapandemie wirkt wie ein Brenn-
glas: Soziale Ungleichheit nimmt weltweit
zu. Etwa ein Prozent der Menschheit besitzt
45 Prozent des globalen Vermögens. Die
ärmere Hälfte der Weltbevölkerung hat so
gut wie nichts, während die Reichen immer
reicher werden. Dieser Trend beschleunigt
sich in der Coronakrise dramatisch. Die UN
rechneten das erste Mal seit 1990 wieder
mit einem weltweiten Anstieg der Armut.
Bundesregierung und EU verschärften
mit ihrer Handelspolitik und Standortkon-
kurrenz die internationalen Gegensätze,
schwächen internationale Abkommen und
Institutionen. Längst gibt es einen neuen
Rüstungswettlauf: Die Rüstungsexporte in
aller Welt haben den höchsten Stand seit
dem Ende des Kalten Krieges erreicht. Die
Militarisierung der Außenpolitik hat weder
den Terror nachhaltig bekämpft noch mehr
Sicherheit geschaffen. Demokratie und
Menschenrechte ruft die Bundesregierung
zwar gerne an, im politischen Alltag zählen
andere Ziele: wirtschaftliche Interessen
durchzusetzen oder Europa gegen Geflüch-
tete abzuschotten.
Wir wollen soziale Gerechtigkeit – weltweit!
Wir wollen die Krise nicht nur für Deutsch-
land oder Europa überwinden, sondern
global. Niemand ist sicher, bevor nicht alle
sicher sind. Den neoliberalen Kapitalismus,
der von Deregulierung, Privatisierung und
Sozialabbau gekennzeichnet ist, wollen wir
überwinden. Wir wollen Fluchtursachen be-
kämpfen und nicht Geflüchtete. Wir wollen
dazu beitragen, dass aus passivem Unmut
aktive Gegenwehr wird. Wir wollen die gesell-
schaftlichen Kräfteverhältnisse verändern.
Wir kämpfen für einen Systemwechsel.
Unsere Außenpolitik muss Demokratie,
Menschenrechte und Frieden fördern sowie
die Zivilgesellschaft unterstützen, statt nur
Wirtschaftsinteressen zu dienen und Deals
mit Diktatoren zu machen. Sie muss femi-
nistisch, sozial und ökologisch werden – also
Frauenorganisationen, Gewerkschaften
und soziale Bewegungen einbeziehen. Wir
kämpfen gemeinsam mit Partnerparteien,
mit Gewerkschafter*innen und sozialen
Bewegungen für soziale Gerechtigkeit, Frie-
den, Klimaschutz, Demokratie und gegen
Rassismus. Starke Bewegungen geben uns
Hoffnung, wie Fridays for Future oder die
Black-Lives-Matter-Bewegung in den USA.
Gemeinsam können wir die Welt verändern.
Sozialökologisch gerechte
Weltwirtschaft
Gerechte Handelspolitik ist eine Vorausset-
zung für eine friedliche Welt und für globale
soziale Gerechtigkeit. Deutsche und euro-
päische Außenwirtschaftspolitik darf nicht
länger von dem bornierten Ziel geprägt sein,
kurzfristige Eigeninteressen nach vorne zu
stellen: Wer andere arm macht und blei-
ben lässt, kann nicht gewinnen. Und wer
Fluchtursachen wirklich bekämpfen will,
muss aufhören, sie immer wieder neu zu
schaffen – und zu exportieren. Partnerländer
müssen eigene Volkswirtschaften und
Wertschöpfungsketten aufbauen und die
Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen
(SDGs) bis 2030 erreichen können. Wo es
möglich ist, wollen wir regionale Wirt-
schaftskreisläufe stärken, um die teilweise
absurden Auswüchse globalisierter Liefer-
und Produktionsketten zurückzudrängen.
Wir wollen die Handelspolitik endlich zu
einem Instrument der weltweiten Koopera-
tion, des sozialökologischen Fortschritts
und der Demokratisierung machen. Wir
wenden uns gegen eine heuchlerische
Politik, die die Kosten der »ökologischen
Modernisierung« hierzulande einfach
Mensch und Natur in anderen Weltregionen
aufbürdet sowie deren Umwelt und
Rohstoffe gnadenlos ausbeutet.
Neben gerechter Handelspolitik brauchen
wir eine globale soziale Grundversorgung.
Die können wir nur aufbauen und finanzieren,
wenn der Reichtum weltweit umverteilt wird.
n Handelskonflikte beenden! Handels-
konflikte wie die zwischen den USA und
China bzw. der EU haben wirtschaftliche
und soziale Schäden angerichtet und die
Standortkonkurrenz verschärft. Handels-
politik darf nicht mehr zur politischen
Erpressung benutzt werden.
140
n Kooperations statt Freihandelsab
kommen! Wirtschaftsabkommen müssen
ein Regelwerk für die Produktionsbedingun-
gen enthalten. So wollen wir gute Arbeit und
Umweltschutz entlang der globalen Produk-
tions- und Lieferketten sicherstellen. Die
europäischen Wirtschaftspartnerschaftsab-
kommen (EPA) zementieren Abhängigkeiten
des Globalen Südens als Rohstofflieferant
und müssen durch faire Handelsabkommen
ersetzt werden.
n Wir fordern ein Lieferkettengesetz, das
seinen Namen verdient. Das Gesetz der
Bundesregierung lässt zu viele Lücken.
Unternehmen ab 250 Mitarbeiter*innen
sowie kleine und mittlere Unternehmen in
Risikobranchen müssen verpflichtet wer-
den, entlang ihrer gesamten Wertschöp-
fungsketten Menschenrechtsverletzungen,
Kinderarbeit und Umweltzerstörungen
auszuschließen. Das beinhaltet eine
wirksame zivilrechtliche Haftungsregel,
um die Rechte von Betroffenen zu stärken
und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Eigenständige umweltbezogene Sorgfalts-
pflichten, der Einbezug von betroffenen
Personengruppen in Entscheidungspro-
zesse sowie Maßnahmen zur Herstellung
von Geschlechtergerechtigkeit müssen
viel stärker gefördert werden.
n Die Einfuhr von Rohstoffen, die Konflikte
und schwere Menschenrechtsverletzungen
auslösen, wollen wir beenden. Deshalb
fordern wir eine Überarbeitung der
Konfliktmineralien Verordnung, deren
Erweiterung um weitere Rohstoffe sowie
auf die gesamte Wertschöpfungskette und
wollen Schlupflöcher schließen.
n Arbeitsrecht globalisieren! Wir unter-
stützen das Abkommen (UN-Treaty), das
Unternehmen in die Pflicht nimmt, die
Rechte und die Würde der Beschäftigten
zu beachten. Beschäftigte erhalten dadurch
die Möglichkeit, überall auf der Welt am
Ort ihrer Tätigkeit ihre Rechte einklagen
zu können. Fairer Handel soll die normale
Form von Handel werden, international wie
auf lokalen Wochenmärkten.
n Der UN-Migrationspakt will die
Rechte von Geflüchteten und Arbeits
migrant*innen stärken. Als Land mit
dem weltweit größten Überschuss im
Warenhandel und Kapitalverkehr muss
sich Deutschland für die Rechtsver-
bindlichkeit des internationalen ILO-
Übereinkommens zum Schutz der globalen
Wanderarbeitnehmer*innen einsetzen. Wir
fordern, dass die globalen Rekrutierungs-
agenturen für Arbeitsmigration nur noch
lizenziert arbeiten dürfen, ihre Gebühren
und Verträge müssen transparent sein
und Anwerbegebühren von Arbeitgebern
getragen werden.
n Weltweit sichere Arbeitsplätze!
Wir fordern einheitliche und weltweit
gültige Mindestvoraussetzungen, die
Arbeiter*innen am Arbeitsplatz schützen
sollen. Einsturzgefährdete Fabrikgebäude,
der Einsatz gefährlicher Chemikalien ohne
entsprechende Schutzausrüstung und
andere lebensbedrohliche Arbeitsbedin-
gungen müssen vermieden werden. Damit
die Superreichen noch reicher werden,
produzieren Menschen unter Lebensgefahr.
Wir fordern ein Ende dieser gefährlichen
Billigproduktion!
n Nachhaltige Wirtschaftspolitik
statt nationaler Standortkonkurrenz!
Es braucht einen internationalen Aus-
gleichsmechanismus, der die Staaten mit
Exportüberschüssen auf ausgeglichene
Handelsbilanzen verpflichtet. So wird die
Wirtschaft stärker auf Nachfrage im Inneren
ausgerichtet. Dafür braucht es ein Ende der
Kürzungspolitik, die den Niedriglohnsektor
befördert und Löhne in Europa künstlich
niedrig hält. Das exportiert weltweit Armut
und ist volkswirtschaftlich schädlich.
n Nicht schon wieder! Hunderttausen-
de wehrten sich gegen das geplante
Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP,
weil es vor allem den Interessen der export-
orientierten Unternehmen auf beiden
Seiten des Atlantiks diente. Wir wollen, dass
TTIP endgültig aufgegeben wird. Auch das
Abkommen mit Kanada (CETA) und mit
südamerikanischen Staaten (Mercosur)
lehnen wir ab. Ökologische und soziale
Standards dürfen nicht mehr zu kurz kom-
141
men. Sonderklagerechte, die Demokratie
und Grundrechte den Profitinteressen
unterordnen, lehnen wir ab.
n Wir wollen den Energiecharta Vertrag
stoppen, denn er verhindert die Energie-
wende: Fossile Konzerne nutzen ihn, um
Staaten zu verklagen, wenn sie aus Kohle,
Öl und Gas aussteigen wollen. In ganz
Europa sind fast 350 Milliarden Euro fossiler
Investitionen durch den Vertrag geschützt.
Das heizt den Klimawandel an und lässt
die Kosten für seine Bekämpfung extrem
steigen. Derzeit gibt es eine Chance, aus
dem Vertrag auszusteigen. Italien ist bereits
2016 ausgetreten, Frankreich und Spanien
ziehen einen Austritt in Erwägung.
n Zugang zu einer universellen und
öffentlichen Gesundheitsversorgung
und Stärkung des Menschenrechts auf
Gesundheit! Medikamente, die über mit
Steuergeldern finanzierte Forschung
entwickelt werden, müssen lizenzfrei zur
Nachproduktion zur Verfügung gestellt
werden. Die Forschung und Entwicklung
zur Bekämpfung der tödlichsten Infektions-
krankheiten und häufig vernachlässigten
Krankheiten wie HIV / Aids, Malaria und
Tuberkulose wollen wir ausbauen. Wir
fordern den Aufbau einer globalen medizi-
nischen Grundversorgung mit Zugang zu
den besten vorhandenen Therapien.
n Wir fordern eine solidarische Pande
miebekämpfung für alle Menschen statt
Impfnationalismus und Bevorteilung des
Globalen Nordens! Die Entwicklung von
Impfstoffen kann nur gemeinschaftlich
entstehen und darf nicht von Pharmakon-
zernen zur Profitmaximierung oder nur
auf nationaler Ebene gedacht werden. Der
Weltgesundheitsorganisation WHO muss
eine breite finanzielle Basis zur Verfügung
gestellt werden. Wir brauchen Impfstoffe,
die überall einsetzbar sind, schnell produ-
ziert werden können und hinter denen keine
wirtschaftlichen Interessen stehen – dafür
ist der weltweite Aufbau einer öffentlichen
Impfstoffproduktion nötig (vgl. Kapitel
»Die Macht der Pharmaindustrie brechen!«).
n Spekulation mit Nahrungsmitteln verbie-
ten! Seit 2014 steigt die Zahl der hungernden
Menschen weltweit wieder, diese Krise wird
durch die Coronapandemie noch verschärft.
Unser Ziel ist: Recht auf Nahrung und Ernäh-
rungssouveränität für alle sowie ein Verbot
von Patenten auf Saatgut! Für Nahrungs-
mittelhandel sollte nicht mehr die Welthan-
delsorganisation zuständig sein, sondern
die Welternährungsorganisation der UN.
n Überwindung von Hunger und Armut
heißt: Existenzsicherung für bäuerliche
Betriebe und Landarbeiter*innen weltweit!
Wir wollen Regionen darin unterstützen,
Landwirtschaft nicht vorrangig für den
Export zu betreiben. Es muss Schluss damit
sein, dass Nahrungsmittelmärkte von
außen mit Lebensmitteln – wie durch in der
EU subventionierte Lebensmittel – über-
schwemmt werden. Wir wollen die ökolo-
gische Produktion in aller Welt fördern und
dafür international Systeme vereinbaren,
die vor Preisverfall schützen.
n Landraub effektiv bekämpfen! Wir wollen
großen Agrarkonzernen, die mit Massen-
tierhaltung oder dem Anbau von Monokul-
turen viel Geld verdiene, das Handwerk
legen. Die Einfuhr von Lebensmitteln, die
auf gestohlenem Land produziert wurden,
wollen wir verbieten. Wir fordern eine
internationale Aufarbeitung und ein Verbot
des Landraubes. Gestohlenes Land muss
an die ursprünglichen Besitzer zurückge-
geben werden. Zur Förderung von ökologi-
scher und regionaler Landwirtschaft sollen
deutsche Konzerne und ihre internationalen
Partner, die am Landraub beteiligt sind,
Entschädigungen zahlen.
n Die von der Bundesregierung vorgelegte
Rohstoffstrategie folgt vor allem den Inte-
ressen der Industrie. Es braucht aber eine
Senkung des Rohstoffverbrauches. Dafür
fordern wir eine neue europäische Roh-
stoffstrategie. Die Abhängigkeit der Länder
des Südens von Rohstoffexporten muss
beendet werden.
n Eigenständige Entwicklung ermöglichen!
Internationale Kooperation kann Armut
durch Technologietransfer und gezielten
Aufbau von Unternehmen vor Ort über-
142
winden helfen. Rohstoffe sollen dort
weiterverarbeitet werden, wo sie aus
der Erde geholt werden. Es gibt kein
Anrecht europäischer Konzerne auf Zugang
zu Rohstoffen. Wertschöpfung muss in den
Ländern des Globalen Südens ermöglicht
und gefördert werden.
n Wir wollen Datenschutz und Trans
parenz weltweit! In allen Technologiebe-
reichen brauchen wir globale Kooperation,
um ein Regelwerk zu schaffen, das verbind-
liche Datenschutzregeln für Robotik, Daten-
flüsse und künstliche Intelligenz festlegt
und die Algorithmen transparent macht.
n Wir unterstützen transnationale Orga
nisationen von Beschäftigten und die
Bildung internationaler gewerkschaftlicher
Kooperationen mit dem Ziel, die Situation
der Beschäftigten deutlich zu verbessern.
n Wir lehnen die Bestrebungen großer
Digitalkonzerne ab, ihre Interessen in
internationalen Handelsverträgen zu
E-Commerce bzw. im Rahmen der WTO
festzuschreiben. So soll den Staaten die
Möglichkeiten genommen werden, Tätig-
keiten der Konzerne zu regulieren und zu
besteuern. Wir wollen Regulierungs- und
Besteuerungsmöglichkeiten sichern und
Mindeststandards durchsetzen.
Entwicklung durch Gerechtigkeit
Die Ungleichheit nimmt – trotz Jahrzehnten
westlicher »Entwicklungspolitik« – weltweit
zu und hemmt wirtschaftliche wie soziale
Entwicklung. Die bisherige Entwicklungs-
politik ist nicht einfach gescheitert. Sie
ist ein Instrument (post-)kolonialer Unter-
drückung und Ausbeutung. Entwicklungs-
zusammenarbeit muss endlich Würde und
Solidarität in den Mittelpunkt stellen, nicht
eigene wirtschaftliche Interessen, – und die
zerstörerische Dynamik der grenzenlosen
Kapitalverwertung durchbrechen. Dafür
wollen wir öffentliche und zivilgesellschaft-
liche Strukturen stärken. Entwicklungs-
zusammenarbeit muss sich an den Zielen
der Partnerländer und ihrer Gesellschaften
orientieren und sie dabei unterstützen,
eigenständige Entwicklungswege zu be-
schreiten. Die ungleiche Einbindung der
Länder in den Weltmarkt verstärkt die
wirtschaftlichen Krisen und schwächt die
Länder des Globalen Südens auch politisch.
Unser Plan für eine solidarische Entwick-
lungsarbeit:
n Frauen und Mädchenrechte stärken –
Gesundheit und Bildung für alle weltweit!
Wir wollen den universellen Zugang zu einer
effektiven, hochwertigen und bedürfnis-
orientierten Gesundheitsversorgung, inklu-
sive dem Zugang zu den eigenen sexuellen
und reproduktiven Rechten, zu einem Ziel
der deutschen und europäischen Entwick-
lungszusammenarbeit machen. Wir wollen
eine flächendeckende öffentliche, kosten-
freie und qualitativ hochwertige Grundbil-
dung für alle Menschen.
n Recht auf Nahrung und sauberes
Wasser für alle! Ernährungssouveränität
und soziale Sicherheit sind das Fundament
von Sicherheit und Stabilität. Dazu müs-
sen Nahrungsmittelmärkte vor Ort und
agrarökologische Anbaumethoden gestärkt
werden, die die bäuerliche Vielfalt erhalten
und die Pflanzen- und Tierwelt schützen.
Der Missbrauch von Agrarentwicklungspro-
grammen durch transnationale Konzerne
muss beendet werden. Der Export von
hochgefährlichen Pestiziden muss ver-
boten werden.
n Schluss mit Ausbeutung im Gewand der
Entwicklungszusammenarbeit! Entwick-
lungsgelder dürfen nicht mehr als Investiti-
onsanreize für deutsches oder internationa-
les Kapital missbraucht werden. Initiativen
wie den Marshallplan mit Afrika oder
Compact with Africa wollen wir einstellen.
n Entwicklungsfinanzierung aus öffentlicher
Hand! Das Geld für Entwicklungszusam-
menarbeit muss aus öffentlichen Mitteln
stammen. Den undemokratischen Einfluss
privater Stiftungen und großer Kapitalgeber
wollen wir ebenso beenden wie öffentlich-
private Partnerschaften. Das Instrument der
Budgethilfe wollen wir stärken. Die Gelder
für Entwicklungszusammenarbeit wollen wir
auf die zugesagten Summen anheben.
143
n Nicht nur mehr, sondern anders! Wir
wollen, dass sich Entwicklungszusammen-
arbeit an den Bedürfnissen der Menschen
in den ärmeren Ländern orientiert – anstatt
weiter vor allem den Interessen euro-
päischer Unternehmen zu dienen! Die
Verzahnung von Entwicklungs- und Sicher-
heitspolitik im Sinne des sogenannten
Grenzschutzes und der Migrationskontrolle
lehnen wir ab. Abschottung ist keine
Entwicklungspolitik! Geld soll denLändern
des Globalen Südens zur Verfügung gestellt
werden, um eine eigenständige Entwicklung
zu ermöglichen. Wir kritisieren die Einstel-
lung der entwicklungspolitischen Koope-
ration mit Kuba und setzen uns für eine
Wiederaufnahme ein.
Klimagerechtigkeit global
Die Länder des Globalen Südens sind
von der Klima- und Umweltzerstörung
besonders stark betroffen, obwohl die
Hauptverursacher*innen im Globalen
Norden liegen. Dabei verursachen, laut
Oxfam, die reichsten 10 Prozent der
Weltbevölkerung genauso viele CO2-Emis-
sionen, wie die ärmeren 50 Prozent der
Bevölkerung. Die weltweiten Folgen des
Klimawandels sind bereits jetzt katastro-
phal. Besonders betroffen sind Frauen
und Kinder, denen oft die rechtlichen oder
finanziellen Ressourcen fehlen, sich gegen
Klimafolgen zu schützen. Frauen sind
weit überdurchschnittlich von Umwelt-
katastrophen betroffen. Wassermangel,
Dürre, Überschwemmungen nehmen
Menschen ihre Lebensgrundlage, die Folge
sind Verteilungskämpfe um schwindende
Ressourcen, die immer mehr Menschen
zur Flucht zwingen. Damit muss Schluss
sein: Die Reichen müssen zur Verant-
wortung gezogen werden. Wir brauchen
einen Kurswechsel in der Handelspolitik
und beim Rohstoffverbrauch. Das Pariser
Klimaabkommen war ein Minimalkonsens
zwischen den Staaten. Die bislang von
den einzelnen Ländern zugesagten Min-
derungsvolumen sind aber längst nicht
ausreichend, um diese Ziele zu erreichen
(vgl. Kapitel »Klima«).
n Auch Deutschland muss nachlegen
und – als einer der Hauptverursacher für
den Klimawandel – mehr Mittel für den
Globalen Süden bereitstellen, damit dieser
seine Entwicklung klimaneutral und gerecht
gestalten kann.
n Auf UN-Ebene wollen wir einen Kompen-
sationsfonds für die Folgen von Klima-
wandel und Kolonialismus einrichten,
der von den Industriestaaten finanziert
wird. In diesen Fonds sollten ehemalige
Kolonialmächte mehr einzahlen als andere
Staaten. Die entsprechenden Klimafinanz-
transfers wollen wir jährlich erhöhen.
n Solange die Länder im Globalen Süden
ihren Eigenbedarf nicht aus Ökostrom
decken können, lehnen wir deshalb Wasser-
stoffimporte aus diesen Ländern ab (vgl.
Kapitel »Energiewende«).
n Klimagerechtigkeit statt Greenwashing
und Ablasshandel! Immer häufiger lagern
Industrieländer Klima- und Umweltschutz-
maßnahmen, zum Beispiel Waldschutz-
initiativen, in den Globalen Süden aus und
entziehen sich so ihrer Verantwortung.
n Die gezielte Zerstörung natürlicher
Lebensgrundlagen wie Ozeane, Regen-
wälder und Klima bleibt weiter größtenteils
ohne rechtliche Folgen. DIE LINKE will die
Zerstörer von Umwelt, Klima und Arten-
vielfalt vor Gericht stellen. Dafür wollen
wir die Einführung des Straftatbestandes
des Ökozids als Verbrechen ins deutsche
Strafrecht und ins Römische Statut des
Internationalen Strafgerichtshofes in inter-
nationales Recht.
n Klimageflüchteten darf das Recht auf
Asyl nicht weiter verweigert werden. Um
der historischen Verantwortung west-
licher Staaten als Hauptverursacher
klimaschädigender Treibhausgase gerecht
zu werden, wollen wir zudem, dass die
EU-Bewohner*innen von bedrohten Staa-
ten, die durch die Klimakrise unbewohn-
bar werden, Klimapässe anbietet. Sie
sollen zusätzlich und nicht alternativ zu
bestehenden Initiativen und Forderungen
etabliert werden.
144
Gerechte Steuern weltweit
Reiche und Konzerne müssen an den
globalen Kosten von Krisen und Klima-
wandel beteiligt werden. Es braucht ein
gerechtes internationales Steuersystem
mit einer Finanztransaktionssteuer. Steuer-
oasen müssen trockengelegt werden, um
transnationale Konzerne endlich stärker an
der Entwicklung der Länder zu beteiligen,
von deren Ausbeutung und Ressourcen sie
profitieren (vgl. Kapitel »Gerechte Steuern«
und Kapitel »Banken und Finanzen«).
n Doppelbesteuerungsabkommen, die
Deutschland mit vielen Ländern des Globa-
len Südens abgeschlossen hat, verhindern
oft eine faire Besteuerung vor Ort, und das
meiste Geld fließt nach Deutschland. Das
muss beendet werden!
n Wir fordern einen Schuldenschnitt und
eine nachhaltige Entschuldungsinitiative
für alle Länder des Globalen Südens, deren
Schuldenlast nicht tragfähig ist. Private
Gläubiger müssen gezwungen werden, sich
an dieser Schuldeninitiative zu beteiligen.
Wir fordern die Einführung eines Staaten-
insolvenzverfahrens.
UN und internationale
Zusammenarbeit stärken
Es braucht auf der internationalen Ebene ein
System stärkerer Zusammenarbeit, doch
der Multilateralismus ist in der Krise. In den
internationalen Beziehungen gibt es eine
Eiszeit. Die USA und ihre Verbündeten
auf der einen, China und Russland auf der
anderen Seite haben den Sicherheitsrat
und die Vereinten Nationen (UN) in den
vergangenen Jahren blockiert.
Zum Fundament der UN gehören die
Friedenssicherung und Verhinderung von
Konflikten, die Wahrung von Menschen-
rechten, Förderung gesellschaftlichen
Fortschritts und sozialer Entwicklung
sowie die internationale Zusammenarbeit.
Die Ziele der Vereinten Nationen zu fördern,
bedeutet die friedliche Schlichtung aller
Streitigkeiten und Verzicht auf Gewaltanwen-
dung zu gewährleisten sowie die Gleichheit
und nationale Souveränität aller Staaten
zu achten. Die UN soll den Rahmen für
Staaten geben, indem sie die Regeln
festlegt. Ihre 17 Entwicklungsziele (SDG),
darunter Armutsbekämpfung, Gleichbe-
rechtigung, Bildung und Gesundheit, sollen
bis zum Jahr 2030 erreicht werden. Doch
davon ist die Welt heute weit entfernt.
Armut und Hunger wachsen durch die
Coronapandemie rasant: Bis zu 235 Milli-
onen Menschen werden im Jahr 2021 laut
Schätzungen der UN keinen ausreichenden
Zugang zu Nahrung und Trinkwasser haben.
Während sich auf den Finanzmärkten der
Reichtum ballt, fehlt es der UN überall
an Geld. Das macht sie abhängig von der
Unterstützung durch private Unternehmen
und Stiftungen, die vor allem ihre eigenen
Interessen verfolgen. Die Unabhängigkeit
und Neutralität der UN wird so unterlaufen.
n Rückbesinnung auf die Charta der Ver
einten Nationen: »Die Organisation beruht
auf dem Grundsatz der souveränen Gleich-
heit aller ihrer Mitglieder. (…) Jeder Staat hat
das Recht, seine politische, gesellschaftli-
che, wirtschaftliche und kulturelle Ordnung
frei zu wählen und zu entwickeln. (…) Alle
Mitglieder unterlassen in ihren internationa-
len Beziehungen jede gegen die territoriale
Unversehrtheit oder die politische Unab-
hängigkeit eines Staates gerichtete oder
sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen
unvereinbare Androhung oder Anwendung
von Gewalt.«
n Stärkung und Demokratisierung der
UN! Die Generalversammlung muss gegen-
über dem Sicherheitsrat gestärkt werden.
Die Forderung nach einem ständigen Sitz
Deutschlands im Sicherheitsrat lehnen wir
deshalb ab.
n Die Länder des Globalen Südens
brauchen mehr Einfluss! Die sozial- und
wirtschaftspolitischen Kompetenzen, wie im
Wirtschafts- und Sozialrat der UN (ECOSOC),
müssen gestärkt werden. Exklusive Foren
wie die G 7 sollen darin aufgehen. Die Konfe-
renz der Vereinten Nationen für Handel
und Entwicklung (UNCTAD) soll gegen-
über der Welthandelsorganisation (WTO)
gestärkt werden, um die Interessen des
Globalen Südens in Handels- und Entwick-
lungspolitik zu stärken.
145
n Die Sonderorganisationen der UN,
wie das Welternährungsprogramm (WFP),
die Weltgesundheitsorganisation (WHO),
die Internationale Arbeitsorganisation (ILO)
oder das Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind
aufgrund von Unterfinanzierung nicht in der
Lage, den Krisen angemessen zu begegnen.
Die reichen Mitgliedsländer müssen endlich
ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen
und die Finanzierungslücke schließen. Im
Fall des UNHCR geht es um knapp 4 Mil-
liarden Euro, also nur einen Bruchteil der
deutschen Rüstungsausgaben.
n Um den Einfluss privater Akteure zurück-
zudrängen, wollen wir die Basisbeiträge
anheben. Die Ausgaben der UN für Militä-
reinsätze müssen zugunsten der Mittel für
Hungerbekämpfung, friedlicher Konflikt-
bearbeitung und ziviler Krisenprävention
umverteilt werden.
n Wir unterstützen den Appell des UN-
Generalsekretärs António Guterres für
einen globalen Waffenstillstand.
n Wirtschaftssanktionen treffen vor
allem die einfache Bevölkerung und müssen
beendet werden. Unilaterale Sanktionen der
USA und EU, wie beispielsweise gegen Iran,
Kuba, Syrien oder Russland, sind völker-
rechtswidrig und drehen die Eskalations-
spirale immer weiter.
n Wir verurteilen die Blockade Kubas durch
die Biden-Administration und alle Versuche
von USA und EU, unliebsame Regierungen
in Lateinamerika, wie in Venezuela und
Bolivien, wegzuputschen und durch Wirt-
schaftssanktionen zu destabilisieren. Im Fall
Kubas ist ein ganzes Land in seiner wirt-
schaftlichen Entwicklung blockiert. Sogar
die Bundesregierung stimmt regelmäßig
in der UN gegen die US-Blockade. Daher
fordern wir von einer neuen Bundesregie-
rung, dass sie endlich ihren Worten Taten
folgen lässt und die EU-Blocking-Regulation
von 1996 konsequent umsetzt.
n DIE LINKE unterstützt den Vorschlag,
den kubanischen Ärztemissionen den
Friedensnobelpreis zu verleihen. Sie
haben in bislang 40 Ländern 260 000
Patient*innen behandelt und die medi-
zinische Versorgung der Bevölkerung
in armen Ländern gewährleistet – auch
gegen Corona und andere Viren.
n Wir treten für eine friedliche Lösung
des Nahostkonflikts auf der Basis zweier
unabhängiger Staaten Israel und Palästina
und der Grenzen von 1967 ein.
n Die Zusammenarbeit mit Organisationen
und Zusammenschlüssen von Staaten
des Globalen Südens, die sich für die sozialen
Belange der Menschen, eine gerechte
wirtschaftliche Entwicklung, die Rechte der
Indigenen, friedliche Zusammenarbeit und
regionaler Integration bemühen, wollen wir
durch politische Zusammenarbeit stärken.
Menschenrechte durchsetzen
Menschenrechte sind universell und ver-
pflichten zu politischem Handeln. Alle
Menschenrechte sind für uns gleich wichtig:
soziale, wirtschaftliche, kulturelle und
politische. Den Bruch des Menschenrechts
kritisieren wir als LINKE überall. Den doppel-
ten Standards der Bundesregierung stellen
wir uns entgegen.
n Wir wollen Menschenrechte global
durchsetzen, dafür muss die internationale
Gerichtsbarkeit gestärkt werden.
n Frieden ist eine unabdingbare Voraus-
setzung für die Verwirklichung der Men-
schenrechte und umfassende menschliche
Entwicklung. Wir wollen, dass im Völker-
recht das Recht auf Frieden verankert wird.
Menschenrechte dürfen nicht zur Kriegs-
führung instrumentalisiert werden.
n Wir wollen, dass die Bundesregierung
das Zusatzprotokoll zum Internationalen
Pakt über Menschenrechte unterzeichnet,
damit Einzelpersonen die Möglichkeit des
Beschwerdewegs bei den UN haben.
n Die Grundrechte sollen für alle in Deutsch-
land lebenden Menschen gelten und nicht
vom deutschen Pass abhängig sein.
n Wir wollen die Kräfte für Demo
kratie, Gleichberechtigung und soziale
Gerechtigkeit fördern, statt Deals mit
146
Diktatoren zu schließen! Deswegen unter-
stützen wir die fortschrittlichen sozialen
Bewegungen von Kurdistan über die West-
sahara bis nach Kolumbien in ihrem Kampf.
n Deutschland muss sich aktiv für die
Freilassung politischer Gefangener
einsetzen. Die willkürliche Kriminalisierung
fortschrittlicher Bewegungen, auch durch
NATO-Verbündete und Behörden hierzu-
lande wollen wir beenden. Wir sind solida-
risch mit verfolgten Whistleblowern wie
Chelsea Manning oder Edward Snowden
und Journalisten wie Julian Assange, die
Kriegsverbrechen und millionenfache
rechtswidrige weltweite Überwachung
durch die USA öffentlich gemacht haben
und deshalb verfolgt werden.
n Die Menschenrechte sind als Gesamtes
erkämpft und unteilbar. Als diese Einheit
müssen sie auch verwirklicht werden. Das
Recht auf Arbeit und auf gleichen Lohn,
bei gleicher Arbeit, muss mit Leben gefüllt
werden. Recht auf sauberes Trinkwasser
und auf ein gesundes Ökosystem müssen
als Menschenrechte verstanden werden.
Lasst uns die Menschenrechte gemeinsam
verbessern.
Deutschen und europäischen
Kolonialismus aufarbeiten
DIE LINKE fordert, dass der deutsche
Kolonialismus und seine Wirkung in den
internationalen Beziehungen bis heute
aufgearbeitet werden. Kolonialismus
muss endlich als Unrechtsherrschaft
anerkannt werden.
n Wir wollen eine öffentliche Debatte
innerhalb bundesdeutscher Einrichtungen
sowie eine Unterstützung der antikoloni-
alen Erinnerungskultur in den ehemaligen
Kolonien. Dazu fordern wir die Einsetzung
einer Enquetekommission des Bundestags
und unterstützen die Initiative zur Errich-
tung eines zentralen Denk und Mahnmals
für die Opfer des deutschen Kolonialismus
am Ort der sogenannten Afrika-Konferenz
in Berlin. Der Bund soll unter Einbezie-
hung von Wissenschaftler*innen aus den
ehemaligen Kolonien eine Institution zur
Geschichte des Kolonialismus aufbauen.
Sie soll insbesondere die deutsche Rolle
in den afrikanischen, asiatischen und süd-
pazifischen Kolonien beleuchten.
n Bundesregierung und Bundestag müs-
sen den Genozid an den Herero und Nama
vollumfänglich als Völkermord anerken-
nen. Die im Mai 2021 angekündigte Bitte
um Entschuldigung für den Völkermord in
der ehemaligen deutschen Kolonie Süd-
westafrika ist nur ein erster Schritt in der
Aufarbeitung. Das über einen Zeitraum
von 30 Jahren angekündigte Programm
zum Wiederaufbau und zur Entwicklung
ist keine Entschädigungsleistung, sondern
muss als technische Entwicklungshilfe
bewertet werden. Es ersetzt keine Politik
der Versöhnung und Entschädigung für das
Leid, das Generationen von Herero und
Nama entstanden ist. In den gleichberech-
tigten Dialog über einen angemessenen
Umgang mit der Schuld und über Entschädi-
gungen müssen die Vertreter*innen der
betroffenen Gemeinschaften in Namibia
neben der namibischen Regierung einbe-
zogen werden.
n Kultur und Naturobjekte müssen in
die Herkunftsländer zurückgeführt werden.
Nur nach offizieller Genehmigung dürfen
Artefakte als Leihgaben in der Bundes-
republik ausgestellt werden. Sterbliche
Überreste müssen an die Herkunfts-
Communitys übergeben werden. For-
schungen an unrechtmäßig erworbenen
Sammlungen müssen gestoppt werden.
147
Für ein solidarisches Europa!
Wir kämpfen für ein soziales, demo-
kratisches und friedliches Europa, für eine
andere Europäische Union, in der alle
gut leben und arbeiten können. Ein soli-
darisches Europa, in dem alle Menschen
vor Armut geschützt sind. In dem nicht
Standortkonkurrenz und Profit, sondern
Demokratie und Solidarität an erster Stelle
stehen. Ein Europa, in dem Konzerne und
Reiche endlich ihren Anteil zur Finanzierung
des Gemeinwohls leisten. Für eine EU, die
keine Deals mit Diktator*innen und multi-
nationalen Konzernen macht, die Krieg
als Mittel der Politik ächtet und verhindert,
dass Menschen auf der Flucht im Mittel-
meer ertrinken. Wir wollen eine Union, die
Klimaschutz und eine Energie- und Ver-
kehrswende endlich voranbringt, anstatt
sie zu blockieren. Wir wollen ein friedliches
Europa ohne Rüstungswettlauf. Wir fordern
soziale Mindeststandards, gute Gesund-
heitsversorgung und Bildung für alle.
Wir müssen die ökologischen Herausforde-
rungen mit einer Antwort auf die sozialen
Probleme verbinden. Doch die EU-Kommis-
sion hat einen »Green Deal« aufgelegt, mit
dem die EU nicht mal in der Lage ist, ihre
Klimaziele zu erreichen. Deshalb wollen wir
umsteuern – mit einem sozialökologischen
Systemwechsel in Europa. Der muss den
Umbau der Wirtschaft mit massiven öffent-
lichen Investitionen in gute Jobs, Innovation
für klimaneutrale Produktion und Infrastruk-
tur schaffen. Die natürlichen Lebensgrund-
lagen und Gemeinschaftsgüter wie Wasser,
Energie, Luft, eine saubere Umwelt und
unsere Gesundheit dürfen nicht mehr den
Profitinteressen einiger weniger untergeord-
net werden. Wir streiten für eine sinnvolle
Regionalisierung der Warenströme.
Es braucht in Europa endlich höhere Steuern
für Reiche und Konzerne. Gelder aus dem
EU-Haushalt müssen umgewidmet werden:
Statt in militärische Aufrüstung muss in
solidarische und ökologische Zukunftspro-
jekte investiert werden. Denn wir brau-
chen eine historische Kraftanstrengung,
um die Klimakatstrophe aufzuhalten und
gleichzeitig alle Menschen mitzunehmen. Wir
streiten für Umverteilung des Reichtums,
für Geschlechtergerechtigkeit und Demo-
kratie, für eine neue Industriestrategie und
eine tragfähige öffentliche Infrastruktur in
Europa – für eine gute Zukunft für alle.
Für die EU ist die Coronapandemie der
zweite schwere Schock nach der Finanzkrise.
Für zahllose Menschen bedeutet er erneut
Einkommensverlust, Existenzangst und
zerstörte Lebensplanung. Die Mitgliedsländer
haben versucht, die Krise durch wirtschaft-
liche Maßnahmen in Schach zu halten und
sozial abzufedern. Die EU-Kommission setzte
die Defizitbeschränkungen des Stabilitäts-
und Wachstumspakts der EU aus. Doch auf-
grund der Kürzungspolitik der vergangenen
Jahre ist die öffentliche Daseinsvorsorge un-
terfinanziert. Banken wurden mit Milliarden
gerettet, aber Krankenhäuser kaputtgespart.
Hunderttausende Menschen sind gestorben,
auch weil sie nicht ausreichend behandelt
werden konnten.
Die Spaltung zwischen Nord- und Süd-, Ost-
und Westeuropa wächst. Die deutsche Politik
von Niedriglöhnen und Exporterfolgen um
jeden Preis hat die Krise mitverursacht und
auch innerhalb der EU Ungleichheit und
Konkurrenz verstärkt. Austerität, Privatisie-
rung, Sozialabbau und Deindustrialisierung
haben Arbeitsplätze vernichtet, Armut
geschaffen und damit dem Rechtspopulis-
mus Auftrieb gegeben. Die Herausforde-
rungen von Klimawandel und globaler
sozialer Gerechtigkeit kann kein Land allein
stemmen. Wir müssen grenzübergrei-
fende – globale – Lösungen finden. All das
zeigt: Es ist höchste Zeit für ein soziales
und solidarisches Europa!
Anders als noch in der Finanzkrise
2008 / 2009 reagierte die EU bisher nicht
mit einem Kürzungsdiktat auf die Krise.
Aber die Gefahr ist groß, dass die EU nach
der Krise wieder in die alte Kürzungspolitik
zurückfällt. Denn das Diktat der schwarzen
Null ist nur ausgesetzt. Klar ist deshalb:
Wir brauchen einen Paradigmenwechsel,
weg von Kürzungen, Freihandelsabkommen
und Marktradikalismus, hin zu öffentlichen
Investitionen, grenzübergreifender Koope-
ration und Solidarität. Weg von Aufrüstung,
148
hin zu sinnvollen Investitionen und konse-
quenter Entspannungs- und Friedenspolitik.
Dieser Politikwechsel muss in
Berlin beginnen.
Wir wollen eine EU, die sich für ein System
der internationalen Zusammenarbeit auf
Augenhöhe einsetzt. Wir wollen eine EU,
deren Außenpolitik von friedlicher Koope-
ration geprägt ist und nicht von der gewalt-
tätigen Durchsetzung wirtschaftlicher Inte-
ressen. Die Verträge von Maastricht und
Lissabon haben den Neoliberalismus in die
Grundlagen der Union eingeschrieben. Wir
wollen neue Verträge, um die EU sozialer,
gerechter und ökologischer zu machen. Nur
so hat die Union eine gemeinsame Zukunft.
Für diese Zukunft setzen wir uns zusammen
mit sozialen Bewegungen, mit Gewerk-
schaften, mit der Europäischen Linken und
anderen Parteien ein. Gewerkschaften
und Bewegungen, der Einsatz für das Klima,
für Demokratie und Frauenrechte und gegen
Rassismus überall zeigen: Gemeinsam
können wir Europa verändern.
Investieren statt
Zukunft blockieren!
Der EU-Haushalt und die Wiederaufbau-
mittel und Hilfsgelder bleiben weit hinter
dem zurück, was notwendig wäre, um die
Folgen der Pandemie zu bewältigen und für
eine gerechte und klimaneutrale Zukunft
umzusteuern. Teile des EU-Haushalts sind
versteckte Subventionen für Großkonzerne.
Profitiert haben davon vor allem die Rei-
chen. Besonders fahrlässig ist, dass Inves-
titionen und Gesundheitsausgaben aus
dem Wiederaufbaupaket gekürzt wurden.
Denn die Wirtschaft lahmt, viele Länder
sind von Massenerwerbslosigkeit geplagt,
und die Infrastruktur wird schon lange auf
Verschleiß gefahren. Wir wollen Geld für
Zukunftsinvestitionen statt für Aufrüstung.
Was einzelne Staaten überfordern könnte,
ist für die europäische Staatengemein-
schaft insgesamt gut leistbar, denn mit ihrer
großen Wirtschaftskraft und der Europäi-
schen Zentralbank (EZB) im Rücken verfügt
sie über ausreichend wirtschaftliche Stärke.
n Der Stabilitäts und Wachstumspakt
beschneidet die Demokratie in den einzel-
nen Mitgliedstaaten und legt sie auf eine
neoliberale Finanzpolitik fest. Wir wollen
das ändern: Die EU braucht eine Inves-
titionsoffensive ohne Handbremse.
n Die Defizit und Schuldenregeln
müssen angepasst werden. Damit die EU
eine Zukunft hat, müssen wir uns um die
Defizite kümmern, die wirklich zählen:
Den Investitionsstau im Sozialstaat, in der
Bildung, der Infrastruktur, auf dem Arbeits-
markt und beim Klimaschutz.
n Angesichts der Herausforderungen durch
Corona und Klimakatastrophe muss der
EU Haushalt durch die Ausgabe europä-
ischer Anleihen ausgeweitet werden. In
Anbetracht des größten Einbruchs der Welt-
wirtschaft seit Jahrzehnten ist ein Umfang
von 1 bis 2 Billionen Euro für das europäi-
sche Investitions- und Ausgabenprogramm
erforderlich.
n Es braucht ein sozialökologisches
Investitionsprogramm! Die finanziellen
Mittel der EU müssen ausgeweitet und
gezielt für die wirtschaftlich schwächeren
Länder, Regionen, Branchen und für Zu-
kunftsaufgaben wie eine sozialökologische
Industriepolitik, das Gesundheitswesen, die
digitale Infrastruktur, Bildung und For-
schung sowie die Energie- und Verkehrs-
wende eingesetzt werden.
n Troika und Austerität sind Ausdrücke für
die unsolidarische EU. Die Kompetenzen der
EU-Kommission zur Kontrolle und Lenkung
der Mittelvergabe müssen beschränkt und
das Europäische Parlament muss stärker
einbezogen werden. Die demokratische
Kontrolle der Verwendung von EU-Mitteln
muss auf europäischer Ebene erfolgen.
Dabei dürfen keine Kürzungsauflagen mehr
verhängt werden, wie etwa der Abbau von
Arbeitsrechten.
n Wir fordern Schuldenschnitte und
sinnvolle Investitionsprogramme für die
ärmeren Regionen Europas. Wir lehnen
es ab, dass die Vergabe von Mitteln aus
dem EU-Wiederaufbaufonds an Konditio-
nen geknüpft wird, mit denen die Empfeh-
149
lungen der EU-Kommission im Rahmen
des Europäischen Semesters faktisch zu
Vorschriften gemacht werden.
n Ohne Ausgleichsmaßnahmen verstärkt
der Euro als gemeinsame Währung von
stark unterschiedlichen Wirtschaftsräumen
die Schieflage zwischen den reichen Staaten
in Nord- und Westeuropa gegenüber den
Staaten in Südeuropa. Wir müssen eine
gerechte und gemeinsame europäische
Wirtschaft aufbauen, statt den Konkur-
renzkampf fortzuführen.
Europaweit: Reichtum von oben nach
unten verteilen
Investitionen für die Zukunft kosten Geld.
Aber die gute Nachricht ist: Geld ist da – es
ist nur falsch verteilt. Denn die Unterneh-
men, die die größten Gewinne machen,
zahlen in Europa immer noch die wenigsten
Steuern. Auch große Vermögen werden
kaum besteuert. Steuervermeidung und
Steueroasen boomen. Das Ergebnis: Wäh-
rend gerade in der Coronakrise die Reichen
immer reicher werden, wächst die Armut
der Mehrheit der Menschen. Schluss damit!
n Es braucht einen EU-weiten Mindest
steuersatz für Unternehmen mit breiten
und einheitlichen Bemessungsgrundlagen.
n Wir fordern gemeinsame Mindest
standards für die Besteuerung großer
Vermögen und Spitzeneinkommen.
n Der Kampf gegen Steuerflucht muss ver-
schärft werden. Banken, die in Steueroasen
operieren, werden wir die Lizenz entziehen.
n Es braucht europäische Eigenmittel,
etwa aus einer Finanztransaktionssteuer.
n Digitalkonzerne wie Google und Amazon
machen Milliardengewinne und zahlen
kaum Steuern. Wir werden sie endlich zur
Kasse bitten!
Europäische Zentralbank demo
kratisch kontrollieren und sozial
und ökologisch nutzen
Die Europäische Zentralbank (EZB) muss
endlich am Gemeinwohl statt am Kriterium
der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet
werden. Die EZB muss sozialökologische
Investitionen der Mitgliedstaaten ermögli-
chen und diese vom Wohlwollen der Finanz-
märkte unabhängig machen. Dafür würde
es schon ausreichen, wenn die EZB die
Solvenz der Mitgliedstaaten garantiert,
indem sie verpflichtet wird, Kreditgeber
in letzter Instanz zu sein. Ein inflationäres
Risiko gibt es nicht, weil die EZB weiterhin
ihrem Inflationsziel verpflichtet ist.
n Die EU-Verträge müssen geändert
werden, um der EZB die Staatsfinan
zierung zu ermöglichen.
n Wir wollen, dass die EZB demokratisch
vom Europäischen Parlament kontrol-
liert wird – anstatt weiter dem Einfluss von
Finanzlobbyisten ausgeliefert zu sein.
n Die EZB darf nicht weiter Anleihen von
Unternehmen mit hohen CO2-Emissionen
aufkaufen und dadurch den Klimaschutz
unterlaufen. Sie braucht starke soziale und
ökologische Standards. Das gilt auch für
die Coronahilfen.
Die Wirtschaft umbauen
Wir dürfen nach der Krise nicht weiterma-
chen wie bisher. Wir wollen Europa gerechter
machen und einen sozialökologischen
Systemwechsel voranbringen. Wir wollen,
dass der sozial-ökologische Umbau in allen
Mitgliedstaaten möglich ist. Unser Ziel ist
es, Stromerzeugung, Industrie, Verkehr,
Gebäude und Landwirtschaft klimaneutral
zu machen, ohne Menschen oder Regionen
abzuhängen (vgl. Kapitel »Für einen sozial-
ökologischen Systemwechsel«). Die jüngste
Anhebung des Treibhausgasminderungs-
ziels der EU von 40 auf 55 Prozent gegen-
über 1990 ist immer noch zu niedrig, um die
Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens
zu erreichen. Wir wollen die EU bis spätes-
tens 2035 klimaneutral machen.
150
n Investitionen: Die EU hat die Pro-
gramme für einen gerechten Umbau von
40 Milliarden Euro auf 17,5 Milliarden
Euro drückt – so kann der Umbau nicht
gelingen. Wir wollen den Just Transition
Fund – den Fonds für einen gerechten
Übergang – stärken. Er soll Menschen,
die in Bereichen wie Bergbau und kli-
maschädlichen Industrien tätig sind, vor
allem in benachteiligten Regionen, sozial
absichern und ihnen neue berufliche Pers -
pektiven eröffnen.
n Um Massenerwerbslosigkeit, Armut und
Perspektivlosigkeit zu bekämpfen, braucht
es eine konsequente europäische Vollbe-
schäftigungspolitik und eine echte Indus-
triestrategie. Sie muss Klimaneutralität
zum Ziel haben und vor allem deindustriali-
sierten Regionen eine Zukunft geben.
n Energiewende: Der Kohleausstieg muss
europaweit sofort beginnen und 2030
abgeschlossen sein. Wir wollen keine neue
fossile Infrastruktur. Erneuerbare Energien
müssen ausgebaut werden – bürgernah und
in öffentlichem oder genossenschaftlichem
Eigentum. Wir setzen uns für die Einrichtung
einer alternativen »Europäischen Gemein-
schaft zur Förderung von erneuerbaren
Energien und Energieeinsparung« ein.
Atomkraft und Fracking erteilen wir eine
Absage.
n Verkehrswende: Es braucht eine euro-
päische Mobilitätsrevolution. Das geht,
wenn wir Bus und Bahn ausbauen und die
Preise drastisch senken, vernetzte Mobilität
schaffen und kurze Wege fördern. Statt
Flugstrecken wollen wir Bahnverbindungen
ausbauen. Ein Großteil des Güterverkehrs
und des innereuropäischen Flugverkehrs
muss auf die Schiene verlagert werden.
n Agrarwende: Wir setzen auf nachhaltige
Landwirtschaft und regionale Kreisläufe
statt langer Transportwege und industrielle
Massenproduktion. Das System der EU-
Agrarsubventionen ist nicht nachhaltig, wir
wollen Subventionen an sozialen und öko-
logischen Kriterien orientieren und nicht
mehr an der Fläche. Exportsubventionen
für landwirtschaftliche Produkte wollen
wir beenden.
Soziale Absicherung und Gute Arbeit
Alle Menschen müssen von ihrer Arbeit leben
können. Doch die Politik in der EU stellt die
Interessen der Unternehmen vor die der
meisten Menschen. Das Ergebnis ist Armut,
Lohndumping und Ausbeutung. Dramatisch
ist der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit,
in Spanien und Griechenland droht sie in
Folge der Coronakrise auf 40 Prozent zu
steigen. Fast jede*r zweite Jugendliche,
der*die einen Job sucht, geht leer aus. Die
Profite der Unternehmen dürfen nicht mehr
über den Arbeitsrechten der Beschäftigten
und den sozialen Grundrechten der Men-
schen stehen.
n Wir fordern für alle Bürger*innen in der
EU soziale Rechte und Mindestlöhne, die
die Existenz sichern.
n Das Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit am gleichen Ort« muss rechtlich
verankert werden, um Lohndumping zu
unterbinden.
n Saisonarbeiter*innen können ohne
Sozialversicherung für 100 Tage in Deutschl-
and arbeiten. Wir wollen, dass alle Men-
schen, die in Deutschland und Europa arbei-
ten, gut versichert sind und wollen Sozialver-
sicherungen für alle und vom ersten Tag an.
n Wir wollen gesetzliche Mindestlöhne in
Höhe von mindestens 60 Prozent des mitt-
leren Lohns des jeweiligen Landes. Zudem
sind Mindestregelungen erforderlich, um
Tarifverträge und gewerkschaftliche Rechte
zu schützen und zu fördern.
n Wir wollen, dass Mitbestimmungs
rechte und Rechte von Gewerkschaften
wie Beschäftigten wiederhergestellt und
ausgebaut werden.
n Wir fordern deshalb mit dem Euro-
päischen Gewerkschaftsbund die
Einführung einer europäischen
Rahmenrichtlinie zur Sicherung der
Unternehmensmitbestimmung.
n Soziale Sicherheit durchsetzen! Wir
wollen soziale Sicherheit mit verbindlicher
sozialer Mindestsicherung und sozialen
151
Mindeststandards – im Zweifel gilt der bes-
sere Standard (Günstigkeitsklausel).
n Freizügigkeit für alle! Ungleiche Lebens-
verhältnisse zwingen vor allem junge
Menschen zur Abwanderung. Niemand darf
deswegen von Sozialleistungen ausge-
schlossen werden, Menschenrechte sind
unteilbar, und das Existenzminimum ist
nicht verhandelbar. Wir wollen die Men-
schen dabei unterstützen, Gute Arbeit
zu finden.
Demokratie statt Herrschaft
der Lobbyisten
Wir brauchen mehr Demokratie in Europa.
Viele Menschen haben sich in den letzten
Jahren enttäuscht von der EU abgewandt.
Es fehlt an Vertrauen, für viele Menschen ist
die EU weit weg. Denn Demokratie ist mehr
als eine Wahl alle fünf Jahre. Wir wollen
eine Europäische Union, die Grundrechte
ernst nimmt und verteidigt. Die Demokratie
darf nicht mehr den Finanzmärkten unter-
geordnet werden. Wir weisen alle Angriffe
auf die Demokratie in Europa, etwa durch
die Etablierung von Durchgriffsrechten auf
nationale Haushalte, zurück. Wir brauchen
eine friedliche, soziale, demokratische
und ökologische EU – mit neuen Verträgen,
neuen Strukturen, neuen Hoffnungen. Das
bedeutet ein starkes Europaparlament und
umfassende Beteiligungsmöglichkeiten.
Deshalb wollen wir eine neue Verfassung für
Europa, die von den Bürger*innen mitge-
staltet wird und über die sie gleichzeitig in
allen EU-Mitgliedstaaten in Volksabstim-
mungen entscheiden können.
n Wir wollen, dass das Europäische
Parlament das Initiativrecht bekommt und
eigene Gesetzesvorschläge einbringen kann.
Grundlegende Entscheidungen müssen
vom Europaparlament getroffen werden –
statt von exekutiven Gremien wie Kommis-
sion, Eurogruppe oder Rat. Außerdem
sollen die Abgeordneten den Kommissions-
präsidenten und die Kommissare wählen
und abwählen können.
n Der Europäische Rat bestimmt maß-
geblich die Gesetzgebungsverfahren in der
EU, arbeitet aber intransparent, im Ergebnis
agieren nationale Regierungen hier oft ohne
demokratische Kontrolle. Wir wollen den
Rat endlich zur Transparenz verpflichten.
n Wir wollen, dass Entscheidungen auf
den Ebenen getroffen werden, die am
stärksten davon betroffen sind: kommunale
Angelegenheiten in den Kommunen, bun-
desweite Angelegenheiten in den nationalen
Parlamenten, europäische Angelegenheiten
im EU-Parlament.
n Keine Grenzen für die Demokratie! Die
hohen Hürden für europäische Bürgeriniti-
ativen müssen gesenkt werden: Wir wollen
EU weite Volksbegehren und Volksent
scheide ermöglichen. Alle Menschen sollen
in den EU-Staaten, in denen sie leben, die
gleichen Rechte haben.
n Wir wollen, dass die Lage von Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten
der EU regelmäßig evaluiert und Verstöße
sanktioniert werden. Es braucht mehr
Verbindlichkeit für die Einhaltung von
Demokratie und Menschenrechten in allen
Mitgliedstaaten.
n Wir wollen, dass sich aktuelle und
kommende EU-Beitrittskandidaten
ohne Vorbehalt zu Demokratie und
Menschenrechten bekennen. Das gilt
insbesondere für den Beitrittskandi-
daten Türkei. Die aktuelle Regierung der
Türkei muss die Urteile des Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte umset-
zen, Demokratie und Meinungsfreiheit
garantieren, die Verfolgung der demokra-
tischen Opposition beenden sowie alle
inhaftierten Parlamentarier*innen und
Bürgermeister*innen der oppositionellen
kurdischen Partei HDP freilassen.
n Wir wollen, dass die EU der Euro
päischen Menschenrechtskonvention
beitritt. Auch die gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik muss vom Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte kontrolliert
werden. Soziale Grundrechte müssen für
einzelne Personen beim Europäischen
Gerichtshof einklagbar werden.
n Wir wollen, dass alle Entscheidungen und
die dahin führenden Prozesse transparent
152
gemacht werden. Bisher nehmen Lobby-
isten oft Einfluss auf politische Entschei-
dungen in der EU, ohne dass die Bürgerinnen
davon erfahren können. Wir fordern ein
EU Transparenzregister und eine Trans-
parenzverordnung.
Europäische Entspannungspolitik
statt Aufrüstung
Auf die Krisen reagiert die EU ausgerechnet
mit Aufrüstung. Wirtschaftliche Entwick-
lung wird als Rüstungsförderung betrieben.
Diktatoren sind Geschäftspartner bei
Rüstungsdeals und werden zu Stabilität-
sankern verklärt. Der Ausbau einer »Militär-
union«, die Schaffung einer zusätzlichen
europäischen Armee und Rüstungsexporte,
führen aber nicht zu mehr Sicherheit für
die Menschen. Die sogenannte Ständige
Strukturierte (militärische) Zusammenar-
beit (engl. kurz: PESCO) soll dafür sorgen,
dass Milliarden für Rüstung ausgegeben
werden, während es einen enormen
Mangel an Rüstungskontrolle und zivilem
Konfliktmanagement gibt. Die beteiligten
Staaten werden zur ständigen Steigerung
ihres Verteidigungshaushalts und ihrer
Rüstungsinvestitionen, einer Beteiligung
an Rüstungsgroßprojekten und der
Aufstellung europäischer Truppenverbän-
de verpflichtet. Mit der Europäischen
Friedensfazilität (EFF) wird die Europäische
Union selbst zum Waffen- und Munitions-
lieferanten.
Wir wollen ein friedliches Europa und eine
Union der Abrüstung, die Demokratie
fördert, statt mit Diktatoren Geschäfte zu
machen. Wir treten für eine europäische
Friedens- und Entspannungspolitik ein und
wollen die Militarisierung der EU beenden.
Sicherheit gibt es nur mit konsequenter
Friedenspolitik und Förderung globaler
Gerechtigkeit statt Standortkonkurrenz.
n Wir wollen die EU-Rüstungsagentur ab-
schaffen und setzen uns für ein EU weites
Verbot von Rüstungsexporten ein. Expor-
te in autoritäre Regime wie Ägypten und die
Türkei müssen sofort gestoppt werden.
n Wir lehnen die Pläne zu einer europäi-
schen Verteidigungsunion und einer Koope-
ration von EU und NATO ab. Der Ausbau einer
»Verteidigungsunion« oder »Militärunion«
mit eigenständiger Militärpolitik, eine
europäische Armee und andere Vorhaben
der Militarisierung führen nicht zu mehr
Sicherheit für die Menschen in Europa,
sondern sichern nur Konzerninteressen
militärisch ab.
n Wir wollen den Euratom Vertrag auf-
lösen und von den vertraglichen Grund-
lagen der EU abkoppeln, denn er blockiert
eine nachhaltige, sozial und demokratisch
gestaltete Energiewende.
n Wir lehnen den Europäischen Vertei
digungsfonds ab. Durch ihn sollen Milliar-
denbeträge aus dem gemeinsamen EU-
Haushalt in Rüstungsforschung und -ent-
wicklung fließen. Das nützt nur der Rüs-
tungsindustrie und fördert weder Sicherheit
noch Frieden.
n Statt einer geplanten Ausweitung durch
Beteiligung von Drittstaaten fordern wir die
Beendigung von PESCO und aller militär-
bezogenen EU-Programme und Fonds, wie
der Europäischen Friedensfazilität (EFF).
Die Gelder wollen wir in sozialen Zusam-
menhalt, Klimaschutz und globale Gerech-
tigkeit investieren.
Menschenrechte
statt Festung Europa
Die EU-Kommission will einen »Migrations-
pakt« durchsetzen, der weiter auf Abschot-
tung, Abschiebung und Entrechtung zielt.
Die Bundesregierung unterstützt dieses
Vorgehen. Wir stellen uns dagegen. Es ist
mit einem solidarischen und menschlichen
Europa nicht vereinbar, dass Tausende von
Menschen auf der Flucht im Mittelmeer er-
trinken oder in rechtsfreien Räumen in Auf-
fanglagern und Abschiebezentren an und
vor den Grenzen der EU gefangen gehalten
werden. Kooperationen zum Zweck der Ab-
schottung mit autoritären Regimen der EU,
wie beim unmenschlichen EU-Türkei-Deal
oder dem Abkommen mit der libyschen
Küstenwache, stellen wir uns entgegen: Sie
sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des
Problems. DIE LINKE will Menschen retten,
Fluchtwege frei machen und Fluchtursa-
153
chen bekämpfen (vgl. Kapitel »Solidarische
Einwanderungsgesellschaft«): Ohne die
Grenzschutzagentur und Küstenwache
Frontex, mit legalen Fluchtwegen. Mit
Rechtssicherheit und Durchsetzung von
Flüchtlings-, Kinderrechts- und Euro-
päischer Menschenrechtskonvention.
Ohne Freiheitsberaubung und Pushbacks
in Folter und Tod (vgl. Kapitel »Menschlich-
keit verteidigen«).
Wie wir das Land verändern
DIE LINKE kämpft für soziale Gerechtigkeit
und Frieden, wir streiten für einen Umbau
von Wirtschaft und Gesellschaft, der die
Menschen überall auf dieser Welt in den Mit-
telpunkt stellt: die Beschäftigten, Rentner*in-
nen, die Erwerbslosen – und die Menschen
von morgen, unsere Kinder und Enkel. Ihnen
wollen wir eine lebenswerte, inklusive und
klimagerechte Gesellschaft übergeben.
Mit einer gut ausgestatteten öffentlichen
Daseinsvorsorge, in der das, was für alle
da ist, auch allen gehört. Mit Orten, die
den demokratischen Austausch befördern,
gesellschaftlichen Zusammenhalt erfahrbar
machen und die allen Zugang und Teilhabe
am gesellschaftlichen Reichtum eröffnen.
Auf einem lebensfähigen Planeten, mit
guter Luft zum Atmen. Wir werden alles in
unserer Macht Stehende tun, um das Ziel
zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad
zu begrenzen – und die Wirtschaft und
Gesellschaft sozial- und klimagerecht zu
verändern.
Wir wollen Menschen Mut machen. Wir
wollen für fünf Punkte gesellschaftliche
Mehrheiten gewinnen. Sie sind realistisch
und radikal. Sie verbessern das Leben der
Mehrheit – und sind zugleich Weichenstel-
lungen für eine andere Gesellschaft. Es
sind entschiedene Schritte in eine soziale
und ökologische Zukunft.
Wir werden uns nur an einer Regierung
beteiligen, die sich an folgenden Punkten
messen lässt:
1. In der Pandemie wurde viel Beifall ge-
klatscht, aber an den Löhnen hat sich kaum
etwas geändert. Notwendig sind höhere
Löhne und sichere statt prekäre Arbeit.
Gegen den Niedriglohnsektor brauchen
wir einen Mindestlohn, der jetzt und im
Alter vor Armut schützt, die Umwandlung
von Minijobs in sozialversicherte Arbeit
und flächendeckende Tarifverträge. Die
gesetzliche Rente muss so gestaltet sein,
dass niemand unterhalb der Armutsgren
ze leben muss, und das Renteneintrittsalter
muss wieder abgesenkt werden. Hartz IV
muss armuts- und sanktionsfrei sein. Ohne
eine Besteuerung der Millionär*innen gibt es
keinen Politikwechsel. Ohne eine Vermö
gensteuer lassen sich die notwendigen
Investitionen in bezahlbares Wohnen, Bil-
dungsgerechtigkeit und Klimaschutz nicht
gerecht finanzieren.
2. Statt warmer Worte bekommen die
Kolleg*innen in der Pflege endlich eine
bessere Bezahlung, mehr Personal und
eine gesetzliche bedarfsorientierte
Personalbemessung. Krankenhäuser
und Pflegeeinrichtungen gehören flächen-
deckend wieder in öffentliche und gemein-
wohlorientierte Hand. Die Fallpauschalen
müssen abgeschafft werden.
3. Der Mietendeckel in Berlin hat gezeigt,
dass die Mieten nicht immer weiter steigen
müssen. Der Mietendeckel wurde kassiert,
weil das Bundesverfassungsgericht der
Auffassung ist, das sei nicht Aufgabe eines
Bundeslandes, sondern des Bundestages
für das ganze Land. Das sehen wir als Auf-
trag. Mit uns wird es einen Mietendeckel
für alle Kommunen mit angespanntem
Wohnungsmarkt geben. Außerdem braucht
es ein Programm für den Bau von dauerhaft
bezahlbaren Wohnungen – in öffentlicher
und genossenschaftlicher Hand.
4. Für uns gehören konsequenter Klima
schutz und soziale Gerechtigkeit zusam-
men – denn gerade die Armen werden am
meisten unter dem Klimawandel leiden.
Es braucht eine Wende hin zu Zukunfts
investitionen für eine klimaneutrale
Wirtschaft und Gute Arbeit für alle. In
154
Schulen, Kitas, Gesundheitsversorgung,
durch die Energiewende und den sozial-
ökologischen Umbau der Industrie können
Hunderttausende gut bezahlte, zukunfts-
feste Arbeitsplätze geschaffen werden. Wir
werden die Investitionen in Busse und
Bahnen massiv steigern und die Tickets
deutlich günstiger machen.
5. Die Aufrüstungsspirale verschlingt Steu-
ergelder, die für Soziales und Klimaschutz
benötigt werden und heizt die Gefahr neuer
Kriege weiter an. Wir brauchen eine friedens
politische Wende: Weg vom 2-Prozent-Ziel
der NATO-Staaten, hin zu Entspannungspoli-
tik. Die Rüstungsausgaben müssen gesenkt,
die Rüstungsexporte gestoppt und die Aus-
landseinsätze der Bundeswehr beendet wer-
den. Wir werden die Fluchtursachen, nicht
die Geflüchteten bekämpfen. Alle Menschen,
die dauerhaft hier leben, sollen die gleichen
sozialen Rechte erhalten.
Wir wollen Veränderung für soziale Sicher-
heit, Frieden und Klimagerechtigkeit. Diese
Veränderung werden wir als rebellischer
Teil einer Mitte-links-Regierung voran-
treiben oder aus der Opposition heraus
die politische Agenda bestimmen.
DIE LINKE will diese Bundestagswahl zur
Richtungsentscheidung machen. Endlich
scheint die Mehrheit für eine fortschrittliche
Regierung in Deutschland möglich. Diese
Mehrheit und alle Verbesserungen, die
sie verspricht, gibt es nur mit der LINKEN.
Dafür stehen wir bereit. Für einen sozialöko-
logischen Politikwechsel in Deutschland
wollen wir Verantwortung übernehmen.
Wir wollen regieren, um zu verändern! Eine
andere Politik wird nicht maßgeblich im
Parlament gemacht. Sie braucht Druck
aus der Gesellschaft, von Gewerkschaften,
sozialen und Klimabewegungen, von NGOs,
Sozial- und Umweltverbänden und der
Friedensbewegung. Druck von unten und
Druck von der Straße. DIE LINKE ist in
diesen Bewegungen verankert. Gemeinsam
können wir die Kräfteverhältnisse in der
Gesellschaft nach links verschieben. Wir
sind die Adresse im Parlament, die frei von
Konzern- und Lobbyinteressen ist. Wir geben
denen eine Stimme, die von den anderen
Parteien überhört werden.
Wir versprechen: DIE LINKE akzeptiert
keine Unternehmensspenden, kein
Parteiensponsoring und keine privaten
Großspenden. Die Abgeordneten der
LINKEN stehen für die hier vorgestellten
Ziele und Projekte. Sie erklären,
n dass sie keine Spenden oder Geschen-
ke von Lobbygruppen oder Großunter-
nehmen annehmen. Bürger*innenwille
und Gemeinwohl gehen vor Einzelinte-
resse! Nebeneinkünfte werden alle
offengelegt;
n dass sie nicht mit Geheimdiensten
zusammenarbeiten und gegen Demo-
kratieabbau stehen;
n dass sie Informationen und Wissen aus
ihrer parlamentarischen Tätigkeit zum allge-
meinen Interesse einsetzen. Wir sind keine
Partei der Hinterzimmer. Informationsfrei-
heit statt Geheimniskrämerei!
n dass sie Mittel und Infrastruktur der
Abgeordnetenbüros der lokalen Bevölkerung,
sozialen Bewegungen oder Solidaritäts- und
Hilfsprojekten zur Verfügung stellen.
n dass sie in allen Politikbereichen Klima-
schutz und soziale Gerechtigkeit zusammen
denken und priorisieren.
n Die Abgeordneten werden sich dafür
einsetzen, dass sie in Zukunft mit Selbst-
ständigen und Beamt*innen in die gesetz-
liche Rentenkasse einzahlen und in eine
solidarische Gesundheits- und Pflegevoll-
versicherung und dass die Beitragsbemes-
sungsgrenzen – soweit verfassungsrecht-
lich zulässig – abgeschafft werden.
Fridays for Future hat weltweit Klimage-
rechtigkeit und den Umbau der Wirtschaft
eingefordert. Die Proteste der Pflege-
kräfte haben den Pflegenotstand auf die
Tagesordnung gesetzt. Beschäftigte orga-
nisieren sich unter widrigen Bedingungen
und streiken für ihre Interessen, für Gute
Arbeit, die zum Leben passt, und eine
planbare Zukunft. An vielen Orten wehren
sich Mieter*innen gegen steigende Mieten
und Wohnungsnot. Diese Anliegen sind
unser Programm.
155
Wir wollen Verbesserungen im Alltag der
großen Mehrheit der Menschen durch-
setzen und uns gemeinsam mit ihnen auf
den Weg zu einer sozialen, klimagerechten
Gesellschaft machen.
Lassen Sie uns gemeinsam das Land ver-
ändern. Geben Sie der LINKEN Ihre Stimme:
Gemeinsam sind wir stark, um die Interes-
sen der Vielen gegen die Profitinteressen
der Wenigen durchzusetzen. Kämpfen
wir gemeinsam für neue gesellschaftliche
Mehrheiten. Für einen sozialen, ökologi-
schen und friedenspolitischen Aufbruch!
156
Stichwortverzeichnis
24-Stunden-Pflege 21, 35
A
Abgabenordnung 118
Abgeltungsteuer 88
Abrüstung 13,133 –135, 137, 152
Abschiebung 53, 152
Abschläge, abschlagsfrei 24
Altersvorsorge, betriebliche 23, 86, 89
Altersvorsorge, gesetzliche 23, 86, 89
Altersvorsorge, kapitalgedeckte 23, 86, 89
Altschulden 45
Amazon 87, 93, 120, 149
Antisemitismus 13, 15, 114, 118, 119, 130
Anti-Spekulations-Gesetz 43
Antistressverordnung 16, 18
Antiterrorgesetzgebung 121
Antiziganismus 13, 15, 114, 118, 119
Arbeit auf Abruf 18, 21
Arbeitnehmerbegriff 17, 21
Arbeitnehmerentsendegesetz 16
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 16
Arbeitslosengeld 20, 26, 59
Arbeitslosenversicherung 25, 26, 126
Arbeitsschutz 18 –20, 34, 120
Arbeitszeiterfassung 16
Arbeitszeitmodelle,
Arbeitszeitverkürzung 29, 102
Artensterben 56
Assistenz 34, 36, 106, 110
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) 27
Asyl, -recht, -verfahren 13, 109, 143
Atomausstieg, Atommüll 70
Atomwaffen 137
Aufrüstung 13, 15, 88, 119, 120, 122, 133 – 135,
147, 148, 152
Ausbeutung 20, 21, 31, 34, 35, 53, 56, 105,
112, 113, 116, 142, 144, 150
Ausbildung 33, 42, 47, 48, 50, 51– 53, 55, 62,
106, 113, 118, 122, 138
Ausbildungsumlage 20
Ausbildungsvergütung 50
Ausgliederungen 31, 63
Auslandseinsätze
der Bundeswehr 13, 133, 134, 154
Außenwerbung 45
Ausstellungsvergütung 126
Austerität 147, 148
Autobahn, Ausbaustopp (Moratorium) 64
autonome Waffensysteme 137
B
BaFin (Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht) 91
BAföG 52, 53, 85
Bagatelldelikte 120
Bahn, Deutsche Bahn, DB 12, 58, 59, 62, 63,
64, 65, 83, 84, 86, 150
Barrierefreiheit 19, 37, 59, 88, 110, 111,
113, 124
Baukindergeld 39
Befristungen, sachgrundlose 9, 15, 17, 21
Befruchtung, künstliche 106
Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) 111
Beitragsbemessungsgrenze 23, 33, 34
Beratungshilfe, Beratungsstellen 28
Berufsausbildung 50, 51, 115
Berufsbildungsgesetz 51
Berufsbildungspakt 51
Berufskrankheiten, Anerkennung von 19
Beschäftigte in Privathaushalten 20
Beschäftigtendatenschutzgesetz 92, 121
Betäubungsmittelgesetz 120
Betreuungsschlüssel 29, 47
Betriebsbegriff 17, 21, 92
Betriebskosten 32
Betriebsratswahlen 21
Betriebsverfassung, -sgesetz 17, 21
Betriebsvermögen 86, 87
Bewegungsfreiheit 113, 114, 116, 124
Bibliotheken 25, 28, 86, 125, 128
Bilanztricks 44
Bildung 7, 9, 10, 11, 14, 29, 36, 39, 41, 46 –52,
55, 58, 59, 88, 94, 98, 99, 103, 104, 110, 112,
113, 115, 117 –119, 125, 127, 128, 134, 138, 142,
144, 147, 148
Bildungsfreistellung 52
Biowaffen 136
BKA 118
Black Lives Matter 15, 113, 121
Bleiberecht 13, 53, 114, 118
Bodenwertzuwachssteuer 43
Börsenzulassung (Krankenhaus-, Pflege- und
Immobilienkonzerne) 90
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht (BaFin) 91
Bundesantidiskriminierungsgesetz 114
Bundeshaushalt 71, 88
Bundesteilhabegesetz 112
Bundesurlaubsgesetz 18
Bundeswehr 13, 15, 35, 50, 77, 95, 118, 121,
130, 133, 134, 135, 136, 137, 154
157
C
Cannabis 132
Care-Arbeit 102
CCS 71
CETA 140
Chemiewaffen 136
Clubs, Clubkultur, Clubsterben 107, 127
Corona, -Pandemie 10, 11, 25, 31, 38, 39, 45,
62, 107, 145, 148
Cum-Cum-Geschäfte, Cum/
Ex-Geschäfte 90
Cyberwar 135
D
Datenportabilität 96
Datenschutz 93, 95, 97, 98, 120, 123, 142
Deindustrialisierung 79, 147
Demokratiefördergesetz 13, 114, 118
Derivate 89, 90
Dienstwagenprivileg 64
Digitale Gewalt 96
Digitale Infrastruktur 55, 93, 94
Digitale Zahlungen 97
Digitalisierung 10, 19, 21, 56, 59, 63, 92, 94,
97 – 100, 128, 129, 135
Digitalkonzerne 93, 129, 142, 149
Diskriminierung 13, 82, 108, 109, 113, 114,
121, 122, 131
Doping 131
Doppelbesteuerung 23
Doppelverbeitragung 23
Drittmittel 52
Drogen 131, 132
Drug Checking 132
Durchschnittsrente 10, 22
E
E-Gaming 133
Ehegattensplitting 30, 88, 107
Ehrenamt 110, 124, 125
Eigenanteile 10, 32, 33, 85
Eingangssteuersatz 86
Einheit, deutsche 79, 80, 82, 146
Einkommensteuer 11, 87, 88, 125
Eintritt (Museen und Sammlungen) 127, 164
Einwanderung 112
Elektromobilität 65
Elternbeitragsfreiheit 47
Elterngeld 29
Emissionshandel 68, 69
Entfernungspauschale 88
Entgeltpunkte 24
Entlassungen, betriebsbedingte 9, 15, 19,
26, 88
Entschuldungsinitiative 144
Entspannungspolitik 13, 133, 152, 154
Entwicklungsziele 144
Entwicklungszusammenarbeit 133, 138,
142, 143
Erbschaftsteuer 86, 87
Erderwärmung 12, 56, 67, 153
Erdgas, -ausstieg 67, 71
Erinnerungspolitik 128
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 58, 69
Erwerbslose 16, 25, 26
Erwerbslosenversicherung 26
Erwerbsminderung, Erwerbs-
minderungsrenten 22, 24
Erwerbstätigenversicherung,
Solidarische 22 –24, 103
Ethikunterricht 130
Euratom 152
Euro 9 –12, 16, 17, 22 –29, 31, 33, 38, 40, 42,
43, 46, 49, 58, 60, 62, 65, 66, 68, 71, 78, 80,
85 –91, 93, 102, 103, 113, 123, 126, 131, 132, 134,
141, 145, 148, 149, 150
Europäische Menschenrechts-
konvention 115
Europäische Zentralbank (EZB) 59, 149
Existenzminimum, steuerfreies 23, 27, 30,
88, 107, 151
extreme Rechte 115, 117, 118, 131
Exzellenzstrategie 54
E-Zigaretten 132
F
Fachhochschulen 54, 59
Fallpauschalen 10, 32, 102, 153
Familiennachzug 116
Familienpflegezeitgesetz 35
Feiertage 18, 80, 131
Feminismus 11, 18, 35, 101, 105, 121
Femizid 104
Fernmeldegeheimnis 96
Festung Europa 152
Finanzaufsicht 79, 91
Finanzkriminalität 90
Finanztransaktionssteuer 87, 144, 149
Fiskalpakt, europäischer 87
Flächenfraß 45
Flexibilitätszulage 16
Flüchtlingskonvention 13, 115
Fluchtumlage, europäische 116
Fluchtursachen 13, 115, 116, 139, 152, 154
158
Fluchtwege 113, 115, 152
Flugverkehr 65
Foreign Account Tax Compliance Act
(FATCA) 92
Forschung 36 –39, 52, 53, 55, 61, 65, 74, 95,
106, 123, 126, 136, 137, 141, 148
Forschungsförderung 54, 55
Fracking 70, 150
Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser 121
Frauen mit Behinderung 106
Frauenquote 54, 103
Frauentag, Frauenkampftag,
internationaler 106
Freibetrag 44, 86, 87, 88
Freihandelsabkommen 140, 147
Funklöcher 84
G
Ganztagsbetreuung 47, 48, 58, 103
Gebrauchsgüter, langlebige 27
Gedenkstätten 128
Geflüchtete 13, 48, 53, 96, 105, 106, 109, 110,
114 –116, 139
Geflüchtete Frauen 105
Geldwäsche 87, 90, 91, 97
Gemeindewirtschaftsteuer 85, 87
Gemeinnützigkeit 89
Gemeinschaftsschule 48
Gender-Care-Gap 102
Gender-Pay-Gap 102
Genossenschaften,
genossenschaftlich 12, 40, 61
Genossenschaftsbanken 90
Geschlechterquotierung 105
Gesundheitliche Ungleichheit 36
Gesundheitsversicherung,
solidarische 10, 26, 33, 88, 102
Gesundheitsversorgung 8, 10, 13, 36 –38,
59, 94, 103, 106, 118, 141, 142, 147, 154
Gewerbemietverträge 41
Gewerbesteuer, Reform der 85, 87
Girokonto, Recht auf kostenfreies 90
Glasfaserausbau 93
Gleichbehandlungsgesetz 108, 111
gleiche Rechte 13, 14, 113
Glyphosat, Pestizide 73
Grundeinkommen,
bedingungsloses 28
Grunderwerbsteuer 89
Grundrechte 7, 9, 11, 31, 68, 89, 96, 113, 117,
120, 141, 145, 151
Grundrente (sogenannte) 24
Grundsicherungsleistungen 27
Gute Arbeit 9, 15, 19, 25, 26, 53, 57, 62, 63,
92, 102, 111, 150, 151, 153, 154
Güterverkehr 64, 66
H
Härtefallfonds 113
Hartz-IV 15, 25, 26, 29, 49
Hasskriminalität 108
Hedgefonds 43, 89, 90
Herero und Nama 146
Hermes-Bürgschaften 136
HIV 108, 132, 141
Hochschule 52, 53
Höchstarbeitszeit, gesetzliche 10, 17
Honorare, Mindest- 54
Housing First 44
Hygieneprodukte 35, 106
I
Immobilienlobby,
Immobilienkonzerne 40
Immobilienregister 44, 91
Immobilienwirtschaft 40
Impfstoffe, Impfstoffproduktion 141
informationelle
Selbstbestimmung 95, 96, 99, 120
Informationsfreiheitsgesetz 97
Infrastrukturen, öffentliche 25, 29, 45, 55,
59, 104
Initiativrecht 19, 68, 92, 151
Inkassoabzocke 78
Inklusion, inklusive 48, 58, 110, 113, 127
Internationale
Arbeitsorganisation (ILO) 145
Investitionen 11, 12, 45, 48, 51, 54, 57, 58,
63, 65, 68, 85, 86, 87, 90, 93, 104, 111, 113, 114,
118, 127, 131, 133, 141, 147 –150, 153, 154
Investmentbanking 90
Istanbul-Konvention 104
IT-Zuschlag 27
J
Journalismus, Journalist*innen 128, 129
Jugendämter 30
Jugendpolitik 124
K
Kassenkredite 85
Katastrophenschutz 24, 134, 135
Kennzeichnungspflicht 118, 122
159
Kettenduldung 113
Kinderbetreuung,
Kindertageseinrichtungen, Kitas 20, 29, 115
Kindergeld 28, 29
Kindergrundsicherung 27, 28, 29
Kinderkrankentage 30
Kinderrechte, Kinderrechtskonvention 30
Kinder- und Jugendarmut 28, 29
Kinos, kommunale 125
Kitaqualitätsgesetz 47
Klimagerechtigkeit 14, 42, 57, 58, 62, 67,
143, 154
Kohleausstieg 67, 68, 69, 150
Kolonialismus, deutscher 128, 143, 146
Kommando Spezialkräfte (KSK) 135
Konfliktlösung, gewaltfrei 13, 105, 120, 133
Konfliktmineralien 140
Königsteiner Schlüssel 49
Konnexität 85
Kontingentflüchtlinge 24
Kontrolle, demokratische 32, 38, 61, 74, 84,
90, 93, 95, 97, 105, 116, 121 –123, 136, 148, 151
Konversionsbehandlungen 109
Kooperationsverbot 47, 126
Körperschaftsteuer 87
Korruption 14, 38, 123, 131
Kosten der Unterkunft und Heizung 27, 42
Krankenversicherung,
gesetzliche 32, 33, 109
Krankenversicherung, private 32, 33, 109
Kredite 28, 87
Kreditwesengesetz (KWG) 90
Kreislaufwirtschaft 77
Kriegsgefahr 101, 133
Kriminalisierung 69, 103, 115, 131, 132, 146
Kuba 143, 145
Kultur 7 –9, 14, 29, 96, 119, 124 – 128, 131,
138, 146
Kulturbetriebe, -branche 126
Kultureinrichtungen 127
Kulturförderung 125, 127
Kündigung 20, 41
Kündigungsschutz 21, 30, 41
Künstlersozialkasse 126
Kurzarbeit, Kurzarbeitergeld 26, 28, 39
L
Länderfinanzausgleich 85
Landraub 13, 141
Langzeiterwerbslose 24, 26
Lärmschutz 65
Lebensmittelkennzeichnung,
Lebensmittelverschwendung 74
Leiharbeit 9, 16, 21
Leistungssport 131
Lernmittelfreiheit 47, 51, 98
Liegenschaftspolitik 43
Lizenzen 10, 127
Lkw-Maut 66
Lobbyismus, Lobbyregister 49, 123
Lohndumping 16, 150
M
Mediatheken 129
Medien, -bildung, -förderung 55, 97, 98, 99,
126, 128, 129
Mehrsprachigkeit 48
Menschenhandel 105
Menschenrechte, Menschenrechts-
konvention 13, 89, 101, 110, 113, 133, 139, 145,
146, 151, 152
Menstruation 35, 106
Mercosur 140
Mieten 11, 14, 28, 39, 40, 41, 43 –45, 58, 87,
153, 154
Mietendeckel 11, 12, 40, 41, 153
Mietenstopp 40
Mietpreisbremse 39 –41
Mietwucher 41, 44
Milieuschutz 41
Minderheiten 96, 110, 116, 119, 120, 130
Mindesteinkommen, garantiertes 10, 25, 28
Mindestlohn, gesetzlicher 9, 16, 35, 80, 102,
129, 153
Mindestrente, Solidarische 22, 23
Mindestsicherung 10, 26, 27, 94, 115, 150
Mindeststeuersatz 149
Mindesturlaubsanspruch, gesetzlicher 18
Mini- und Midijobs 9, 17, 30
Mitbestimmung,
Mitbestimmungsrechte 11, 12, 16, 19, 21, 48,
51, 60, 61, 123
Mobilfunknetz 83, 94
Mobilitätsgeld 64, 88
Modernisierungsumlage 42
Mütterrente (sogenannte) 24
N
Nachtflugverbot 66
Nahverkehr 9, 12, 25, 27, 31, 54, 58, 59, 62,
64, 99, 100
NATO 13, 133, 134, 137, 138, 146, 152, 154
Netzentgelt 71
160
Netzneutralität 94
Neubau 54, 68
Niedriglohn, Niedriglohnsektor 16, 24, 102
Normalarbeitsverhältnis, neues 17, 25
O
Obdachlosigkeit 44, 108
Onlinedurchsuchung 96
Open Access, Open Source 99
ÖPNV 12, 28, 29, 37, 62, 64 –66, 99, 100,
118, 124
Ostdeutschland, Aufbruch Ost 24, 72, 79,
80 –84, 102
Ostrenten 11, 81
P
Pandemie 8 –4, 35, 50, 93, 109, 120,
130, 148, 153
Parteiensponsoring 123, 154
Partizipationsgesetz 114
Patientenverfügung 36
Personalbemessung,
gesetzliche 16, 18, 21, 31, 32, 92, 153
Petitionsrecht 124
Pflegeleistung,
Pflegesachleistungen 34
Pflegende Angehörige 34
Pflege, Pflegenotstand 8 –10, 18, 20, 21,
24, 25, 31 –36, 58, 88, 90, 99, 102, 103, 108,
112, 119, 126, 153
Pflegeversicherung, gesetzliche, private,
solidarische 10, 33, 34
Pharmaindustrie, -konzerne 38, 141
politische Bildung 117, 119
Polizei 104, 112, 118, 120 –122, 134
Polizeigesetze 122
Polizeigewalt 121, 122
Prävention 18, 35, 120, 131, 132
Presseauskunftsrecht 129
Pressefreiheit 123, 128, 129
Private-Equity-Gesellschaften 90
Privatisierung 15, 32, 43, 55, 64, 77, 83, 84,
87, 97, 103, 121, 123, 125, 139, 147
Prozesskostenhilfe 28
Psychiatrie 37
Psychotherapie 109
Public Health 39
Pushbacks 105, 153
Q
Queer, queere 15,102,105 –109,116
Quellenbesteuerung, Quellensteuer 93
Quote 103, 114
R
Racial Profiling 122
Rassismus 13 –15, 105, 108, 112 –115,
117 –119, 121, 130, 135, 139, 148
Raubkunst 128
Regelaltersgrenze 10, 24
Regionalpolitik 45
Reichensteuer 88
Rekommunalisierung,
Rekommunalisierungsfonds 32, 77, 85
Religionsfreiheit 130
Rentenniveau 10, 22, 24
Rentenversicherung, gesetzliche 22 –24
Rentenwert (Ost) 11, 81
Repression 84, 132
Reproduktive Gerechtigkeit 29, 106
Rettungsschirm für Industrie-
arbeitsplätze 59, 60
Rohstoffverbrauch 143
Ruhezeiten, gesetzliche 17, 66
Rüstungsausgaben 88, 133, 134, 145, 154
Rüstungsexporte,
Rüstungsexportkontrollgesetz 13, 133, 135,
136, 139, 152, 154
S
Sanktionen, Abschaffung der 21, 25 –27, 90,
111, 133, 145
Schufa, Schulden, Auskünfte über,
Schuldnerberatung 28, 78
Schuldenbremse 11, 46, 84, 87, 104
Schulreinigung 46, 50
Schwangerschaftsabbruch 106
Schwarzarbeit, Finanzkontrolle des Zolls 16
Schwimmbäder, Schwimmunterricht 25, 49,
83, 86, 131
Seebrücke, Seenotrettung 15, 113
Selbstbestimmung,
Selbstbestimmungsrecht 30, 31, 34, 36, 80,
95, 96, 99, 101, 106, 109, 110, 120, 124
Selbstverwaltung, kommunale 50, 85
Sexarbeit 103
Sexismus 102, 119
Share Deals 44, 89
Smart City 45
solidarische Ökonomie 61
161
Solidaritätszuschlag, Solidaritätspakt III 88
Sonntag, erwerbsarbeitsfreier 130
Sorge- und Umgangsrecht 30, 104
Sozialeigentum 25
Sozialversicherungsschutz 20, 92
Sozialwohnungen 39, 40, 41
Sparkassen 83, 90
Spekulation 39, 43, 44, 87, 89, 90, 99, 141
Sperrzeiten, Abschaffung der 26
Spielstraßen 45
Spielsucht 132
Sport 9, 129, 131
Staatsbürgerschaft 113
Staatstrojaner 96, 120
Stabilitäts- und Wachstumspakt 148
Stadtentwicklungspolitik 40
Steuerflucht, Steueroasen 91, 149
Steuerfreibeträge 11, 88
Steuerschlupflöcher, -tricks,
-vermeidung 86
Steuervollzug 87, 89
Stiftungen 55, 82, 89, 91, 142, 144
Streik, Solidaritätsstreik, Streikrecht 21, 83
Strompreis 71
Strukturförderung, Strukturwandel 119
Studiengebühren 52
Studierende, Studium 52 –55, 62
Substitutionstherapie 132
Subventionen, klimaschädliche 12, 23, 57,
58, 60, 61, 68, 74, 88, 148, 150
Sucht 132
T
Tarifbindung 12, 15, 16, 80, 81
Tarifeinheitsgesetz 22
Tarifgebiete, einheitliche 11, 81
Tariftreue, Tariftreueklausel 12
Technikfolgenabschätzung 99
Teilhabegesetz 29, 31
Teilzeit- und Befristungsgesetz 17, 18
Tierschutz 73, 74, 75
Transformationsräte 12, 61, 68
Transparenzregister 91, 152
Transsexuellengesetz (TSG) 109
Treuhand 79, 80, 82
Troika 148
TTIP 140
Türkei 115, 135, 138, 151, 152
TVStud 54
U
Übergewinnsteuer (Excess Profit Tax) 87
Übertragungsrechte 129
Überwachungstechnologie 96
Umsatzsteuer 87
Umwandlungsverbot 41
UN 39, 74, 105, 110 –112, 114, 115, 137 –141,
143, 144, 145
UN-Behindertenrechtskonvention 110
Union Busting 21
Unterhaltsvorschuss 29
Unterkunftskosten 29
Untersuchungsausschuss 13, 82
UN-Treaty 140
V
Veranstaltungsbranche 126
Verbandsklagerecht 16, 21, 75, 103, 108,
111, 114
Verbraucher(*innen)schutz 28, 71, 74,
78, 79
Verbrennungsmotor, Ausstieg 65
Verfassungsschutz 13, 117, 118, 120
Vergabemindestlohn 81
Verhütungsmethoden 106
Vermögensabgabe 14, 86, 125
Vermögensteuer 11, 86, 104, 125, 153
Versammlungsfreiheit,
Versammlungsverbote 120
Verschlüsselung, Ende-zu-Ende 95, 96
Vertriebsgenossenschaften, regionale 83
Verwertungsgesellschaften 126
Videoüberwachung 96, 120
Völkermord 146
Völkerrecht 133, 138, 145
Volksbegehren, Volksentscheide,
Volksinitiativen 123, 151
Volkshochschulen 51, 52
Vorratsdatenspeicherung 96, 120
Vorstandsgehälter, Begrenzung der 17
W
Waffenexporte 133
Wahlrecht 113, 124
Wasserstoff, Wasserstoffimporte 61, 64, 65,
71, 72
Weiterbildung, Weiterbildungs-
fonds, Weiterbildungsgeld,
Weiterqualifizierungsgeld 12, 19, 20, 26, 33,
34, 36, 46, 48, 51 –53, 55, 59, 62
Werkstätten für behinderte Menschen 111
Werkverträge 16
Whistleblower-Schutzgesetz 79, 129
Willkommenskommunen 114
Wirtschaftskreisläufe, regionale 59, 77,
85, 139
Wirtschaftskriminalität 119
Wohngeld 42, 44, 71
Z
Zahlungsverkehr 90
Zweckgesellschaften, außerbilanzielle 90
Zweiklassenmedizin, Zwei-Klassen-Medizin,
2-Klassen-Medizin 10, 33
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entsprechend den Bestimmungen der EU-Datenschutzgrundverordnung zum Zwecke des Nachweises der
Mitgliedschaftsvoraussetzung, der Nachweisführung gemäß Parteiengesetz, der statistischen Auswertung
und innerparteilichen Kommunikation verarbeitet. Weitere Hinweise zur Datenverarbeitung und Ihren
Rechten unter www.die-linke.de/datenschutz
Einwilligung in die parteiinterne Bekanntmachung
Ich erkläre mich damit einverstanden, dass mein Eintritt nach §2 (2) der Bundessatzung parteiöffentlich
bekannt gegeben wird. Parteiöffentliche Bekanntmachung bedeutet, dass Neumitglieder zum Beispiel auf
einer Mitgliederversammlung oder in einer internen Publikation des Kreisverbandes namentlich erwähnt
werden.
Eintrittserklärung
Hiermit erkläre ich,
Name, Vorname*
meinen Eintritt in die Partei DIE LINKE, Mitglied der Partei der Europäischen Linken (EL).
Ich bekenne mich zu den Grundsätzen des Programmes der Partei DIE LINKE, erkenne die Bundessatzung an
und bin nicht Mitglied einer anderen Partei im Sinne des Parteiengesetzes.
Weitere Angaben zu meiner Person
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DIE LINKE. Parteivorstand
Bundesschatzmeister
Kleine Alexanderstr. 28
10178 Berlin
SEPA-Lastschriftmandat für Wahlkampfspende
Ich ermächtige den Parteivorstand der Partei DIE LINKE, Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin,
(Gläubiger ID: DE47ZZZ00000616140)
einmalig
ab …………………………………… bis ……………………………………… monatlich
eine Wahlkampfspende in der unten genannten Höhe von meinem Konto mittels Lastschrift einzuziehen.
Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die auf mein Konto gezogene Lastschrift einzulösen.
Ich kann innerhalb von acht Wochen, beginnend vom Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrages verlangen.
Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen.
Name, Vorname
Straße, Hausnummer
Name und Ort des Geldinstitutes
Spendenhöhe in Euro
PLZ, Ort
D E
IBAN
BIC
Name und Unterschrift des Kontoinhabers (falls abweichend von erster Zeile)
Spendenbescheinigung erwünscht:
ja
nein
Ort/Datum Unterschrift
Bitte an die o.g. Adresse senden!
Erläuterungen zum Datenschutz: Die Daten werden durch den Parteivorstand der Partei DIE LINKE auf der Grundlage von Artikel 9 der EU-Datenschutz-
grundverordnung zur Erfüllung der Rechenschaftspflichten der Partei nach §§ 23 ff. Parteiengesetz im Rahmen der Wirtschaftsprüfung und der Prüfung
durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages genutzt und für 10 Jahre nach Abschluss des Wirtschaftsjahres gespeichert, anschließend gelöscht.
Ohne wahrheitsgemäße und vollständige Daten kann die Spende nicht angenommen werden. Jeder hat das Recht auf Auskunft, Korrektur und Einschrän-
kung der Verarbeitung. Anträge sind zu richten an:
DIE LINKE. Parteivorstand, Kleine Alexanderstr. 28, 10178 Berlin, bundesschatzmeister@die-linke.de.
Jeder hat das Recht auf Löschung seiner Daten, wenn die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind, sowie auf Beschwerde bei der zuständigen
Datenschutzaufsichtsbehörde. Der Datenschutzbeauftragte der Partei DIE LINKE ist:
Karsten Neumann, Kleine Alexanderstr. 28, 10178 Berlin, datenschutz@die-linke.de
Oder Online-Spenden
www.die-linke.de/spenden
Impressum
DIE LINKE
Kleine Alexanderstraße 28
10178 Berlin
Telefon: 030 / 24009999
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Bundesgeschäftsführer
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