Wahlprogramm 2024
https://www.bundestagswahl-bw.de/wahlprogramm-gruene
1Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
WACHSEN
ZUSAMMEN
Entwurf des Bundesvorstands
REGIERUNGSPROGRAMM 2025
Herausgeber*in
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Platz vor dem Neuen Tor 1
10115 Berlin
T +49 30 28442-0
F +49 30 28442-210
info@gruene.de
gruene.de
V. i. S. d. P.
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Michael Hack
Platz vor dem Neuen Tor 1
10115 Berlin
WACHSEN
ZUSAMMEN
Entwurf des Bundesvorstands
REGIERUNGSPROGRAMM 2025
4BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
INHALTSVERZEICHNIS
ZUSAMMEN WACHSEN 6
Kapitel 1: In die Zukunft
wachsen – ökologisch
und ökonomisch 9
A. Eine starke Wirtschaft für sichere Jobs . . . . . 10
Für einen wettbewerbsfähigen Standort . . 10
Für mehr Arbeitskräfte und
die gleichberechtigte Erwerbstätigkeit
von Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Für eine starke europäische Wirtschaft. . . 12
Für funktionierende und nachhaltige
Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
Für mehr Innovationskraft. . . . . . . . . . 13
Für die klimaneutrale Modernisierung
der Industrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Für die Stärkung von Mittelstand
und Handwerk . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Für Wirtschaftssicherheit und
zukunftsfähigen Außenhandel . . . . . . . 15
Für Rohstoffsicherheit und
Kreislaufwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . 16
Für einen starken Verbraucherschutz . . . . 17
B. Ein modernes und digitales Land . . . . . . . . 17
Für einen Staat, der für die Menschen
funktioniert . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Für eine serviceorientierte Verwaltung. . . 18
Für eine schnelle und umfassende
Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Für einen Deutschlandfonds und
eine Reform der Schuldenbremse. . . . . . 19
C. Ein Klima, in dem wir gut leben können . . . . 20
Für ein stabiles und sicheres Klima . . . . 20
Für sozial gerechten Klimaschutz. . . . . . 21
Für günstige, verlässliche und
klimaneutrale Energie . . . . . . . . . . . . 22
Für verlässliche und bezahlbare Wärme . . 23
Für vorsorgende Anpassungen an
ein verändertes Klima . . . . . . . . . . . . 23
D. Eine mobile Gesellschaft – Stadt und Land
zusammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Für schnelles, nachhaltiges und
sicheres Fortkommen . . . . . . . . . . . . 24
Für eine verlässliche und bezahlbare Bahn 25
Für gleichwertige Lebensverhältnisse . . . 25
E. Eine Natur, die wir schützen . . . . . . . . . . . 26
Für eine intakte Natur . . . . . . . . . . . . 26
Für eine gesunde Umwelt . . . . . . . . . . 26
Für sauberes Wasser und lebendige Meere 27
F. Eine zukunftsfeste Landwirtschaft . . . . . . . 28
Für starke Landwirtinnen und Landwirte . 28
Für die natürlichen Grundlagen
unserer Ernährung . . . . . . . . . . . . . . 28
Für gute Ernährung . . . . . . . . . . . . . 29
Für einen verbesserten Tierschutz . . . . . 29
Kapitel 2: Einfach
dabei sein – fair und
bezahlbar 31
A. Starke Teilhabe: gute Arbeit, bezahlbares
Wohnen, faire Löhne . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Für gute Arbeit und faire Löhne. . . . . . . 32
Für bezahlbares Wohnen . . . . . . . . . . 32
Für schnelles, günstiges und
klimaverträgliches Bauen . . . . . . . . . . 33
Für ein gerechtes Steuersystem. . . . . . . 34
B. Eine gute Bildung für gute Chancen . . . . . . 34
Für gute und verlässliche Kitas . . . . . . . 34
Für starke Schulen mit starken Kindern . . 35
Für eine gute Bildung, die allen offensteht 36
Für eine starke Hochschul- und
Wissenschaftslandschaft. . . . . . . . . . . 36
C. Mitten im Leben – in jeder Lebensphase . . . . 37
Für starke Familien . . . . . . . . . . . . . 37
5Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Für die Teilhabe der Jüngsten – gegen
Kinderarmut . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Für einen guten Start der
jungen Generation . . . . . . . . . . . . . . 38
Für ein aktives und selbstbestimmtes Leben
im Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
D. In jeder Lebensphase abgesichert . . . . . . . 40
Für eine gute
Gesundheitsversorgung überall. . . . . . . 40
Für eine verlässliche und würdige Pflege . 40
Für eine solidarische Kranken- und
Pflegeversicherung. . . . . . . . . . . . . . 41
Für eine vorausschauende
Gesundheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . 42
Für eine zukunftsfeste und würdige Rente 42
Für verlässliche soziale Sicherung . . . . . 43
Kapitel 3: Frieden in
Freiheit sichern – innen
und außen 45
A. Eine lebendige Demokratie . . . . . . . . . . . 46
Für demokratischen Zusammenhalt . . . . 46
Für eine Erinnerung, die uns wach hält. . . 46
Für handlungsfähige Kommunen . . . . . . 47
Für eine starke demokratische Gesellschaft 47
Für die Unterstützung von
freiwilligem Engagement . . . . . . . . . . 48
Für Sport, der verbindet . . . . . . . . . . . 49
Für gute Justiz und einen
handlungsfähigen Rechtsstaat . . . . . . . 49
Für digitale Bürger*innenrechte . . . . . . 50
Für eine vielfältige Gesellschaft ohne
Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . 50
Für Frauenrechte . . . . . . . . . . . . . . . 51
Für Selbstbestimmung. . . . . . . . . . . . 51
Für queeres Leben:
sicher und selbstbestimmt . . . . . . . . . 52
Für gleichberechtigte Teilhabe von
Menschen mit Behinderung und eine
inklusive Gesellschaft . . . . . . . . . . . . 53
Für lebendige Kunst und Kultur. . . . . . . 53
Für die Gestaltung der
Einwanderungsgesellschaft . . . . . . . . . 54
Für ein Land, das Schutz bietet . . . . . . . 55
Für eine europäische und internationale
Flucht- und Migrationspolitik . . . . . . . . 55
B. Ein Leben in Sicherheit . . . . . . . . . . . . . 56
Für gute Polizeiarbeit gegen Kriminalität . 56
Für einen verstärkten Einsatz gegen
Organisierte Kriminalität . . . . . . . . . . 57
Für eine klare Kante gegen Geldwäsche
und organisierten Steuerbetrug. . . . . . . 57
Für ein entschiedenes Vorgehen gegen
Extremismus und Terror . . . . . . . . . . . 58
Für einen krisenfesten Bevölkerungsschutz 58
Für die Verbindung von innerer und
äußerer Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . 59
Für IT-Sicherheit und gegen
systematische Desinformation . . . . . . . 59
Für die Verteidigung von
Frieden und Freiheit . . . . . . . . . . . . . 60
C. Eine starke Europäische Union . . . . . . . . . 60
Für eine EU, die unsere Demokratie
verteidigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Für eine handlungsfähige EU . . . . . . . . 61
D. Außen- und Sicherheitspolitik
in Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Für eine aktive Außenpolitik . . . . . . . . 62
Für einen zukunftsfesten Multilateralismus 63
Für Menschenrechte und
demokratische Entwicklung . . . . . . . . . 63
Für die Sicherheit und Frieden in Europa
und der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Für eine moderne, verteidigungsfähige
Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Für globalen Klimaschutz . . . . . . . . . . 66
Für robuste Partnerschaften und
internationale Gerechtigkeit . . . . . . . . 66
6BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
ZUSAMMEN
WACHSENREGIERUNGSPROGRAMM
Bei den Bundestagswahlen am 23. Februar stehen
Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, vor einer wich-
tigen Entscheidung. Es geht darum, wer für unser
Land in dieser herausfordernden Zeit Regierungs-
verantwortung trägt.
Jetzt kommt es auf die Kraft unseres Zusammenle-
bens an, in dem die Menschen auch in diesen her-
ausfordernden Zeiten so viel einbringen und leisten.
Wir nehmen diese Kraft als Auftrag an die Politik,
unser Land für die Menschen in den kommenden
Jahren besser, gerechter und einfacher zu machen.
Als Auftrag, dass es hier einfach funktioniert und der
Alltag bezahlbar ist. Als Auftrag, unsere Verantwor-
tung in einer kommenden Regierung wahrzunehmen.
Deutschland hat viele große Stärken. Mit der Kraft
von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, die den
Laden jeden Tag trotz der großen Herausforderun-
gen am Laufen halten. Auf der Arbeit. In der Familie.
Mit viel Engagement und Einsatz. Mit einem star-
ken Sozialstaat, erfolgreichen Unternehmen und
ebenso starkem Mittelstand. Mit Anstrengung und
Innovation, Vielfalt und Solidarität. Es ist auch die
Kraft unseres Landes als Einwanderungsland. Viele
Menschen tragen hier seit vielen Generationen zu
unserem gemeinsamen Wohlstand bei, bringen sich
ein und gestalten unser Zusammenleben mit.
Es geht jetzt darum, diese Kraft als Zukunftskraft auf-
zunehmen: ökologisch und ökonomisch, solidarisch
und europäisch. Als Kraft, die sich den Herausforde-
rungen stellt und die Probleme löst. Mit einer Zuver-
sicht, die aus dem gemeinsamen Handeln kommt.
Denn die Herausforderungen in dieser Zeit sind
groß. Viele Menschen stehen unter Druck und ha-
ben Sorgen. Die Preise sind gestiegen, und der Lohn
der eigenen Arbeit wurde für viele durch Miete,
Heizen und die nötigsten Ausgaben aufgebraucht.
Unser Frieden ist durch Putins Angriffskrieg be-
droht. Autoritarismus und Populismus haben spür-
bar an Einfluss gewonnen. Wer etwas für unsere
Demokratie tut, ist immer mehr mit Hass und An-
feindungen konfrontiert. Die Klimakrise verschärft
sich trotz des Einsatzes vieler weiter, und die Natur,
in der wir leben, wird weiter zerstört. Verspätete
Züge, schlecht ausgestattete Kitas und Papierkrieg
mit den Ämtern zehren an den Nerven. Ein jahrelan-
ger Stillstand gefolgt vom Dauerkonflikt innerhalb
der Ampelregierung hat Vertrauen in die Politik
insgesamt gekostet.
Eine Politik, die Probleme löst und die Dinge zum
Besseren wendet, kann nur gelingen, wenn sie den
Bürgerinnen und Bürgern zuhört. Wenn sie nicht
über die Menschen redet, sondern mit ihnen – so
wie das jeden Tag überall im Land an unseren Kü-
chen- und Esstischen geschieht.
Wir haben in den vergangenen drei Jahren unse-
re Regierungsverantwortung wahrgenommen. In
anspruchsvollen Jahren mit neuen Krisen. In einer
schwierigen Regierungskonstellation. Wir haben
die Jahre genutzt, um Schwung aufzunehmen und
Probleme zu lösen. Probleme, die von Großen Ko-
alitionen lange Jahre angehäuft wurden. Wir haben
uns von der Abhängigkeit von Putin befreit. Wir
haben den erneuerbaren Energien großen Rücken-
wind verliehen. Wir sind jetzt tatsächlich auf Kurs
zum Erreichen der Klimaziele eingeschwenkt. Wir
investieren in unsere deutsche und europäische
Sicherheit und arbeiten an neuen Partnerschaften.
Wir haben angefangen, die Zukunftskraft unserer
Wirtschaft zu stärken, durch mehr Fachkräfte, mehr
Innovation und weniger Bürokratie. Wir haben auch
7Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
endlich wieder in den Erhalt der Natur investiert,
in eine nachhaltige Landwirtschaft. Wir haben zum
Erfolg des europäischen Green Deal beigetragen.
Wir haben Kinder und Familien besser unterstützt.
Wir werben deshalb dafür, den Weg der Erneuerung
fortzusetzen, ihn nicht wieder mit Hürden zu verstel-
len oder gar rückzubauen – wie es schon einmal ge-
schehen ist. Mit dem vorliegenden Programm machen
wir deutlich, worauf es für unser Land jetzt ankommt.
Nehmen wir unsere ökologische und ökonomische
Zukunft in die Hand! Wachsen wir in die Zukunft!
Wir setzen in diesem Programm auf die Wirtschafts-
und Innovationskraft unseres Landes. Doch aus dem
Zutrauen in die Wirtschaft erwächst zugleich der
Auftrag, die Zukunftsblockaden zu lösen. Wir wol-
len, dass unsere Wirtschaft in die Zukunft wächst:
klimaneutral, innovativ, wettbewerbsfähig in einem
gemeinsamen Europa. Ihre Kraft können Unterneh-
men nur entfalten, wenn sie Raum bekommen für
unkomplizierte und pragmatische Lösungen – und
sich zugleich auf klare Ziele und Rahmensetzungen
verlassen können. Das verlangt von der Politik: Kurs
halten. Verlässlichkeit herstellen. Regeln und Nor-
men vereinfachen – ob von der Europäischen Union
oder hausgemacht. Kurz: mehr ermöglichen.
Dabei kommt dem Schutz unseres Klimas und unse-
rer Ökosysteme herausragende Bedeutung zu. Nur
wenn sie intakt sind, kann unsere Sicherheit, unsere
Freiheit und unser Wohlstand intakt sein. Verant-
wortung heißt, dem Rechnung zu tragen. Und die
notwendige Erneuerung solidarisch zu gestalten.
Jede und jeder mit den eigenen Möglichkeiten, Er-
fahrungen und Stärken.
Mit unserer Zukunftsagenda stellen wir die Weichen
für Investition und Innovation, für Erneuerung in
Fairness und Solidarität, für Dynamik statt büro-
kratischer Lähmung. Mit dem „Deutschlandfonds“
werden wir in Bund, Ländern und Kommunen die
notwendigen Mittel für die Investitionen in diese
Zukunft mobilisieren. Er stärkt unsere gemeinsamen
Infrastrukturen, auf die Gesellschaft und Wirtschaft
so dringend angewiesen sind. Zu diesem Investiti-
onsfonds schlagen wir einen „Pakt für ein modernes
Deutschland“ vor – zu dem alle politischen Ebenen
eingeladen sind: Bund, Länder und vor allem die
Kommunen. Verständigen wir uns in dieser Zeit neu,
wie wir unser Land im Dienst der Menschen auf
Vordermann bringen – zusammen und nicht
gegeneinander!
Nehmen wir unsere soziale Zukunft in die Hand! Sor-
gen wir dafür, dass alle Menschen fair dabei sind und
die Dinge des alltäglichen Lebens bezahlbar sind!
Wir bauen in unserem Programm auf die sozia-
le Kraft unseres Landes. Aus diesem Zutrauen in
die Menschen erwächst für uns der Auftrag, einen
ernsthaften Beitrag zu leisten, dass alle Menschen
dabei sein können. Und dass der Alltag wieder be-
zahlbar ist. Wir machen Strom billiger, sorgen für
erschwingliche Mobilität und bezahlbare Mieten.
Gute Bildung, gute Arbeit, verlässliche Mobilität und
bezahlbares Wohnen sind die zentralen Faktoren,
an denen sich die Lebenschancen der Menschen
entscheiden. Ein faires Steuersystem ist dafür die Vo-
raussetzung. Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein,
dass unsere Kitas, Schulen und Hochschulen gestärkt
werden. Damit sie allen Kindern eine Chance auf
einen guten Start ins Leben bieten. Wir unterstützen
gute Arbeit durch faire Löhne und einen höheren
Mindestlohn. Durch Gleichberechtigung für Frauen,
auch auf dem Arbeitsmarkt. Und wir machen Wohnen
bezahlbarer, indem wir Mietsteigerungen begrenzen,
sozialen Wohnungsbau unterstützen und eine realis-
tische Neubaustrategie vorlegen.
Nehmen wir unsere gesellschaftliche und demo-
kratische Zukunft in die Hand! Sichern wir unseren
Frieden in Freiheit!
Wir setzen in dem Programm auf die gesellschaft-
liche und demokratische Kraft der Bürgerinnen
und Bürger unseres Landes, auf die Kraft unserer
gemeinsamen Republik in ihrer Vielfalt. Doch auch
dieses demokratische Zutrauen in die Bürgerinnen
und Bürger erfordert einen neuen Auftrag an die
Politik, unsere demokratischen Institutionen und
unser demokratisches Zusammenleben lebendig zu
halten und zu stärken.
Unsere demokratische Kraft entsteht, wenn Men-
schen sich als Gleiche begegnen, wenn aus dem
8BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
freien Austausch unterschiedlicher Ansichten der
Wettstreit um die bessere Lösung wird. Deshalb
müssen wir unsere öffentlichen Räume stärken.
Die gemeinsamen Orte, an denen Übereinstim-
mung sichtbar wird und Unterschiede ausgetragen
werden: eine gute Schule; gute Arbeitsplätze; eine
starke und vielfältige Medienlandschaft; starke
öffentliche Räume, die uns in Vielfalt verbinden,
des Sports und der Kultur. All diese Orte sind die
Voraussetzung unseres demokratischen Zusammen-
halts in Vielfalt.
Gerade weil die Stärke unseres Landes daraus
entsteht, dass jede und jeder dazugehört, un-
abhängig von der Herkunft, brauchen wir auch
eine neue Kraft der integrativen Gesellschaft. Was
wir damit meinen: gemeinsam in Vielfalt. Was es
dafür braucht: Aufstiegschancen, Respekt im Streit,
Kompromissfähigkeit und Koalitionsfähigkeit in der
demokratischen Mitte. Bürgerschaftliche Verant-
wortung, aber auch eine neue Verantwortung der
demokratischen Institutionen und der gewählten
Repräsentantinnen und Repräsentanten, die Proble-
me zu lösen und zum Funktionieren beizutragen.
Und so, wie wir unsere Freiheit und unser Zusam-
menleben nach innen zu sichern haben, so gilt es in
dieser Zeit, unseren Frieden in Freiheit nach außen
zu sichern. Gerade jetzt brauchen wir – in unserem
eigenen Interesse – eine neue Initiative an der Re-
gierungsspitze für ein starkes gemeinsames Europa.
Wir können diplomatische Kraft, die engagierte
Suche nach belastbaren Lösungen, nur aufbringen,
wenn wir uns als freies Europa zugleich handlungs-
stark zeigen. Die geopolitischen Kräfteverhältnisse
in der Welt verändern sich rasant – und das nicht
erst seit heute. In dem Angriffskrieg Russlands
gegen die Ukraine zeigt sich eine Bedrohung für die
europäische Friedensordnung und unsere Demokra-
tie insgesamt – daher ist die Unterstützung der Uk-
raine auch unser bester Selbstschutz. So wie unsere
europäischen Nachbarn für uns da waren, sodass
wir in Deutschland wiedervereint im Herzen Euro-
pas in Freiheit leben, sind wir das auch für unsere
Nachbarn. Gemeinsam gilt es Frieden in Freiheit
neu zu sichern. Gemeinsam mit den vielen Staaten
weltweit, die ebenso wissen, dass das Einstehen für
eine regelbasierte Ordnung der beste Schutz ist.
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
nur wenn wir unsere Stärken in Zukunftskraft ver-
wandeln, werden wir das erhalten und stärken kön-
nen, was uns lieb und teuer ist. Wir betonen das, weil
wir in den vergangenen Jahren auch gesehen haben,
wie verlockend es in der Politik ist, die Verluste der
unterlassenen Veränderung einfach zuzukleistern,
nach dem Motto „Niemand muss sich hier verändern“,
oder sich nur noch in der Vergangenheit aufzuhalten.
Mit Robert Habeck kandidiert ein Mensch für die
Führung der kommenden Regierung, der diesen
Unterschied macht. Der eine Politik des Zuhörens
mit Orientieren verbindet, Regierungserfahrung mit
der Bereitschaft selbst zu lernen, Ehrlichkeit mit
der Bereitschaft anzupacken, Zukunftsstärke mit
der Kraft zur breiten gesellschaftlichen Verbindung.
Dem es um die ganze Gesellschaft geht und der
dies als Verantwortung begreift, in eine starke Zu-
kunft zu führen. Gemeinsam mit Annalena Baerbock,
der Außenministerin unseres Landes. Die Haltung
zeigt, wo andere zaudern. Die mit Menschlichkeit,
Partnerschaft und Stärke für unsere Werte und Inte-
ressen einsteht.
Dafür bitten wir bei der kommenden Bundestags-
wahl um Ihr Vertrauen und Ihre Stimme!
Nehmen wir unsere Zukunft zusammen in die Hand!
Wachsen wir zusammen!
9Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
KAPITEL 1
IN DIE ZUKUNFT
WACHSENÖKOLOGISCH UND ÖKONOMISCH
Die Menschen in Deutschland sind zu Recht stolz
auf das, was sie schaffen, auf die Qualität ihrer
Arbeit, auf ihre Leistung, auf ihre Erfahrungen und
Kompetenz. Deutschland muss auf diese Kraft bau-
en, um die großen strukturellen Herausforderungen
anzugehen, vor denen wir stehen: Der Angriffskrieg
von Russland auf die Ukraine und der Systemkon-
flikt zwischen liberalen Demokratien und autoritä-
ren Staaten im Umfeld Chinas erfordern eine Neu-
ausrichtung von Wirtschaftssicherheit und Handel,
Lieferketten und Absatzmärkten. Wir werden diesen
Wettstreit auch im Ökonomischen nur gewinnen,
wenn wir den großen Vorteil der liberalen Demo-
kratie maximal zur Geltung bringen: dass Menschen
neue Ideen haben und Dinge frei entdecken und
entfalten können. Wir wollen in der kommenden
Regierung daran weiterarbeiten, die strukturellen
Schwächen unseres Standorts zu beheben. Wir
sorgen dafür, dass Deutschland und Europa bei den
Innovationen der Zukunft vorn mit dabei sind. Dafür
muss Wirtschaften einfacher und verlässlicher wer-
den, dafür müssen Chancen fair eröffnet und alle
gerecht entlohnt werden. Dafür können wir nicht im
Status quo verharren. Vielmehr brauchen wir mehr
Raum und Begeisterung für die Bereitschaft, mit
neuen Ideen und Technologien ins Risiko zu gehen.
Unser Ziel ist, die Innovationskraft unseres Landes
spürbar zu stärken.
Damit wir unseren Wohlstand erneuern und nicht
nur verwalten, braucht es ein Land, das einfach
funktioniert – einen Staat, der es den Menschen
und Unternehmen leichter macht, ihre Ideen um-
zusetzen, und nicht schwerer: mit einem Klick zur
Lösung statt mit einem Dutzend Formularen in den
Papierkrieg. Den Aufbruch haben wir in den vergan-
genen drei Jahren geschafft: Wir haben ein Rekord-
tempo beim Ausbau der Erneuerbaren erzeugt,
haben Grundlagen gelegt bei der Modernisierung
der Industrie, der Zuwanderung von Fachkräften, der
Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungs-
verfahren, der Stärkung von Investitionen. Aber
unser Land braucht jetzt eine gemeinsame Anstren-
gung, damit wir auf diesem Weg erfolgreich voran-
kommen. Der Wettlauf bei der technologischen
Entwicklung macht es notwendig, dass neue Ideen
und Innovationen schneller Wirklichkeit werden.
Wenn wir auf diesem Weg den deutschen und euro-
päischen Standort stärken, stärken wir dabei auch
die Idee der sozialökologischen Marktwirtschaft –
und eine Wirtschaft, die Verantwortung übernimmt
für Gesellschaft und Umwelt, sichere Arbeitsplätze
bietet und vor Ort verankert ist: eine Wirtschaft
im Dienst der Menschen. Eine starke Wirtschaft ist
nicht nur Bedingung unseres Wohlstandes, sondern
auch Voraussetzung für Zusammenhalt und Stabili-
tät im Inneren, für unser Gewicht in der Welt und
nicht zuletzt zur Bewältigung der Klimakrise.
Unser Wohlstand ermöglicht und basiert auf Ge-
rechtigkeit, Klimaneutralität, Lebensqualität und
Vorsorge. Seine Erneuerung ist eng verknüpft mit
der Bekämpfung der Klimakrise, die gemeinsam mit
der Krise der Artenvielfalt die große Aufgabe unse-
rer Zeit ist. Denn wir wollen einen Planeten erhal-
ten, auf dem Menschen in Freiheit und Sicherheit
leben können. Wir werden den immer häufigeren
Extremwettern nicht gleichgültig gegenüberstehen,
sondern mit aller Kraft dafür kämpfen, dass sich das
Klima stabilisiert. Das erfordert große Investitionen,
zum Beispiel in den Ausbau günstiger erneuerbarer
Energien, der jahrelang verschleppt wurde. Dafür
brauchen wir intakte Ökosysteme, gesunde Wälder,
10BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
saubere Meere und Respekt vor den Tieren als Mit-
geschöpfe. Wenn wir die Umwelt schützen, schützt
sie uns auch. Klimaschutz ist Menschenschutz und
zugleich eine zentrale Wettbewerbsfrage unserer
Zeit. Der Weg zurück zu den fossilen Technologien
führt in den wirtschaftlichen Stillstand.
Wir werden darauf achten, dass alle Menschen
unseres Landes den Weg mitgehen können, der in
eine gute Zukunft führt. Wir sorgen dafür, dass auch
Mieter*innen mit knappem Budget eine moderne
Heizung und eine verbesserte Dämmung bekom-
men. Wir sorgen dafür, dass der Zugang zu elektri-
scher Mobilität die Fortbewegung komfortabler und
das Auto erschwinglich macht. Wir sorgen dafür,
dass durch Klimaanpassung das Eigentum von
Hausbesitzer*innen geschützt und Lebensleistung
erhalten wird.
A. EINE STARKE
WIRTSCHAFT FÜR
SICHERE JOBS
Für einen wettbewerbsfähigen Standort
Unternehmen brauchen gute Wettbewerbsbedin-
gungen und ein gutes Investitionsklima, allem vor-
an klare Rahmenbedingungen und Planungssicher-
heit. Für unsere Wirtschaft sorgen wir für dauerhaft
günstige Energie, erhöhen private und öffentliche
Investitionen in Innovation und Infrastruktur, ver-
einfachen, digitalisieren und beschleunigen staatli-
che Verfahren und Prozesse und arbeiten daran, das
Fachkräftepotenzial in und für Deutschland
zu erhöhen.
Eine sichere, saubere und bezahlbare Energiever-
sorgung ist ein entscheidender Standortfaktor.
Erleichterungen für Eigenstromproduktion und eine
Förderung von langfristigen Abnahmeverträgen
sichern der Wirtschaft direkten Zugang zu günsti-
ger Energie. Auch für die Wirtschaft ist die weitere
Absenkung der Steuern und Abgaben auf Strom
wichtig. Deshalb übernehmen wir die Netzentgelte
für die überregionalen Stromleitungen aus dem
Deutschlandfonds und senken die Stromsteuer auf
das europäische Minimum. Wir werden weiterhin
Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz
unterstützen. Zudem setzen wir uns ein für eine
dauerhafte und breitere Ausgestaltung der Strom-
preiskompensation für energieintensive Unter-
nehmen, die im globalen Wettbewerb stehen. Wir
werden das Wasserstoffkernnetz zügig aufbauen,
die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Deutsch-
land fördern und neue Importquellen sichern.
Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen
(KMU) leiden besonders unter aufwendiger Büro-
kratie und oft zu komplizierten Regeln. Die Be-
schleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren haben
wir maßgeblich durch das Abschaffen bürokra-
tischer Hürden wie Anträge für einzelne Stecker
ermöglicht. Den gleichen Weg müssen wir in allen
Bereichen gehen. Mit dem Praxischeck haben wir
dafür ein pragmatisches und erfolgreiches Instru-
ment zum Abbau unnötiger Bürokratie in Deutsch-
land eingeführt, das wir in der nächsten Legislatur
skalieren werden. Dabei werden Sektor für Sektor
die Betroffenen aus Unternehmen, Verwaltung und
Zivilgesellschaft eingebunden, unnötige bürokrati-
sche Hürden bestimmt und praktische Lösungen zu
deren Abbau identifiziert, ohne soziale oder öko-
logische Schutzstandards abzubauen. Das werden
wir nun flächendeckend und systematisch ausrollen
und auch in den Gesetzgebungsprozessen vorab
umsetzen. Bei jeder Gesetzgebung muss die ein-
fache Umsetzbarkeit im Vordergrund stehen. Ein
wesentliches Mittel für den Bürokratieabbau ist die
Digitalisierung der Verwaltung: Wir wollen, dass
zentrale öffentliche Dienstleistungen für Unterneh-
men an einer Stelle gebündelt werden und Daten
nur einmal eingereicht werden müssen. Die Notar-
pflichten werden wir vereinfachen und reduzieren,
um so Kosten zu senken und Zeit zu sparen. Damit
mehr Unternehmen von den KMU-Ausnahmeregeln
profitieren können, werden wir die Schwellenwerte
für die Definition von KMU anheben.
Deutschland ist von früheren Regierungen jahre-
lang auf Verschleiß gefahren worden. Zu lange hat
es zu wenig verlässliche öffentliche Investitionen
gegeben. Dabei steht hinter jeder öffentlichen In-
vestition realwirtschaftliche Wertschöpfung. Wir
wollen der Wirtschaft eine starke, resiliente und
verlässliche Infrastruktur bereitstellen, indem wir
die öffentlichen Investitionen dafür aus nationa-
len und aus Mitteln der Europäischen Union (EU)
11Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
stärken und ausbauen. Dafür werden wir auch die
Schuldenbremse sinnvoll modernisieren.
Der Großteil der Investitionen kommt jedoch von
Unternehmen und anderen privaten Akteuren. Wer
in Deutschland investiert, soll es bei der Steuer
leichter haben: Dazu führen wir eine auf fünf Jahre
befristete, unbürokratische Investitionsprämie von
10 Prozent für alle Unternehmen und alle Investi-
tionen mit Ausnahme der Gebäudeinvestitionen ein.
Diese Prämie wird mit der Steuerschuld des Unter-
nehmens verrechnet; falls die Prämie die Steuer-
schuld übersteigt, wird sie ausgezahlt.
Es ist absolut entscheidend, dass wir nicht nur gute
Ideen entwickeln, sondern dass daraus auch starke
neue deutsche Unternehmen entstehen. Hier haben
wir bisher im Vergleich zu den USA oder China eine
große Schwäche beim Zugang zu Finanzierung. Wir
erleichtern deshalb den Zugang zu Wagniskapital
durch die Fortsetzung der WIN-Initiative, um jun-
gen innovativen Unternehmen durch verbesserte
steuerliche, rechtliche und finanzielle Rahmenbe-
dingungen einen einfacheren Zugang zu privatem
Kapital zu ermöglichen.
Wettbewerbsfähigkeit steht und fällt auch mit
gut qualifizierten Beschäftigten. Gewerkschaften,
betriebliche Mitbestimmung und die Sozialpart-
nerschaft mit ihrer starken Tarifbindung sind eine
Stärke unseres Standorts.
Für mehr Arbeitskräfte
und die gleichberechtigte
Erwerbstätigkeit von Frauen
Der Mangel an Arbeits- und Fachkräften ist eine der
größten Herausforderungen für die wirtschaftliche
Entwicklung und Modernisierung Deutschlands. Ob
Handwerk, Gastronomie oder große Konzerne – alle
sind betroffen. Um diese Lücke zu schließen, gilt
es Hindernisse abzubauen und Anreize zu setzen,
damit Menschen sich auf dem Arbeitsmarkt einbrin-
gen können.
Deutschland hat 2,9 Millionen junge Menschen
ohne Berufsabschluss, während viele Ausbildungs-
plätze unbesetzt bleiben. Wir müssen dazu beitra-
gen, dass junge Menschen besser ihren Weg in den
Beruf finden und die Attraktivität der beruflichen
Ausbildung erhöhen. Mit Maßnahmen wie dem
Qualifizierungsgeld unterstützen wir Menschen, die
schon im Berufsleben sind und sich neu orientieren
oder weiterqualifizieren möchten. Älteren Arbeit-
nehmer*innen werden wir Anreize für längeres
Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus bieten.
Wenn alle Frauen mit Kindern so arbeiten könnten,
wie sie möchten, hätten wir in Deutschland bis zu
840.000 zusätzliche Arbeitskräfte. Um die Verein-
barkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, wol-
len wir durch einen gesetzlichen Rahmen flexible
Lösungen ermöglichen und zugleich passgenaue
Regelungen für die Betriebe bieten, die sie nicht
überfordern. Ein gutes und verlässliches Angebot an
Betreuungsplätzen ist dafür die Grundlage. Betreu-
ungskosten sollten umfangreicher bei der Steuer
absetzbar sein. In der jetzigen Form stellt das
Ehegattensplitting ein Erwerbshindernis für Frauen
dar. Deshalb wollen wir es grundlegend geschlech-
tergerecht reformieren, indem wir für Neuehen
eine individuelle Besteuerung mit übertragbarem
Grundfreibetrag einführen. Für bestehende Ehen
ändert sich nichts. Indem wir eine gleichberechtigte
Erwerbsbeteiligung von Frauen ermöglichen, stär-
ken wir ihre eigenständige Absicherung, schützen
sie so vor Altersarmut und stärken gleichzeitig die
Volkswirtschaft.
Deutschland muss für die besten Arbeitskräfte aus
aller Welt attraktiv sein. Wir wollen, dass Menschen,
die bei uns arbeiten wollen, ihr Arbeitsvisum online
beantragen können und dafür nur einen Ansprech-
partner brauchen. Eine digitale Einwanderungs-
agentur soll den Einwanderungsprozess moderni-
sieren und beschleunigen. Wir setzen uns dafür ein,
dass ein Austausch mit Ämtern und Behörden noch
leichter auf Englisch erfolgen kann. Die Anerken-
nung von ausländischen Berufsabschlüssen verein-
fachen wir deutlich und schaffen dafür eine zent-
rale Anerkennungsstelle. Die Arbeitshindernisse für
Geflüchtete bauen wir weiter ab, auch weil sie über
den Arbeitsmarkt schneller in unsere Gesellschaft
integriert werden.
12BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Für eine starke europäische Wirtschaft
Der europäische Binnenmarkt mit seinen 450
Millionen Einwohner*innen und 17 Billionen Euro
Wirtschaftsleistung ist eine historische Errungen-
schaft. Nur mit mehr Europa können wir im Wett-
bewerb mit den USA und China bestehen, können
wir die gemeinsame Wachstums- und Innovations-
schwäche überwinden und wieder treibende Kraft
beim technologischen Fortschritt werden. Das
schafft und sichert auch Wohlstand und gute Jobs
in Deutschland.
Wir wollen den europäischen Binnenmarkt wei-
ter vertiefen und um eine vertieften Digitalunion
ergänzen: Damit die Unternehmen der Zukunft
auch in Europa groß werden. Und wir wollen, dass
Europa seine Kräfte bei Forschung und Innovation
bündelt. Starke Netzwerke europäischer Universitä-
ten, gemeinsame Rechenzentren oder Forschungs-
agenturen können uns wieder zum Spitzenreiter bei
den Zukunftstechnologien machen.
Europa ist bereits Weltmarktführer bei sauberen,
nachhaltigen Technologien wie Windturbinen und
Elektrolyseure. Der europäische Green Deal gibt
mit klimapolitischen und ökologischen Zielen und
Leitplanken den Rahmen für fairen Wettbewerb in
Europa. Bei pragmatischer Umsetzung kann Europa
so zum Marktführer für nachhaltige Elektrotechnik,
Chemie, Maschinenbau und Dienstleistungen wer-
den. Damit sichern wir durch Klima- und Ressour-
censchutz gute Jobs im Industriebereich – einem
wichtigen Zukunftsmarkt. Dazu brauchen wir jetzt
stabile Rahmenbedingungen für Zukunftstechno-
logien statt innovationsfeindliche Diskussionen um
ein Rollback oder eine Bremsung des europäischen
Green Deal.
Wir unterstützen die Erweiterung des Green Deal
um eine industrielle Dimension. Wir müssen von
Klimaschutzmaßnahmen wirtschaftlich stärker
profitieren und unsere klimaneutrale europäische
Innovationskraft zu einem globalen Wettbewerbs-
vorteil ausbauen. Dafür wollen wir im nächsten
EU-Finanzrahmen die entsprechenden Instrumen-
te schaffen und sie mit den notwendigen Mitteln
unterlegen. Dazu gehört auch, dass wir das Beihil-
ferecht der EU so ändern, dass es kurzfristig einer
umfassenden Unterstützung der Dekarbonisierung
der Industrie und dem Abbau gefährlicher Abhän-
gigkeiten von Autokratien nicht im Wege steht.
Für funktionierende und nachhaltige
Finanzmärkte
Funktionierende Finanzmärkte sind ein essenzieller
Bestandteil stabiler wirtschaftlicher Rahmenbedin-
gungen und einer nachhaltigen Investitionsdynamik,
die für klimaneutrale Erneuerung unerlässlich sind.
Um Finanzkrisen vorzubeugen, benötigen Banken,
aber auch Versicherungen und andere Finanzmarkt-
akteure ausreichend haftendes Eigenkapital. Gerade
kleine Banken und Finanzmarktakteure wollen wir
von unnötig kleinteiliger Bürokratie entlasten.
Trotz der gemeinsamen Währung orientieren sich
die Kapitalmärkte der EU-Mitgliedstaaten häufig
noch an nationalen Staatsgrenzen. Die uneinheit-
liche Regulierung hemmt Investitionen aus dem
Ausland und schränkt Finanzierungsmöglichkeiten
für in der EU ansässige Konzerne ein. Aber auch
kleine und mittelständische Firmen leiden, etwa
unter dem vergleichsweise unterentwickelten euro-
päischen Markt für Eigenkapitalinstrumente und
Schuldverschreibungen. Wir werden uns europäisch
für eine rasche Vollendung der Kapitalmarkt- und
Bankenunion einsetzen. Das Vertrags- und Insol-
venzrecht für Finanzmarktakteure wollen wir dafür
europaweit angleichen.
Wir wollen Finanzmarktakteuren die nachhaltige
Finanzierung erleichtern. Sustainable Finance leis-
tet einen wichtigen Beitrag, Investitionen in fossile
Energien unwirtschaftlich und Investitionen in Zu-
kunftstechnologien günstiger zu machen. Deutsch-
land soll eine führende Rolle bei der Verbesserung
der Sustainable-Finance-Regulierung spielen. Wir
setzen uns dabei für mehr Konsistenz und Verein-
fachung bei der Sustainable-Finance-Regulierung
auf europäischer und internationaler Ebene ein, mit
Fokus auf Wirkung und Effizienz. Alle Geldanlagen
des Staates sollen nach Nachhaltigkeitskriterien
angelegt werden.
13Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Für mehr Innovationskraft
Deutschland und Europa müssen bei den Innova-
tionen der Zukunft vorn mit dabei sein. Denn diese
Innovationen sind nicht nur entscheidend für unse-
re wirtschaftliche Zukunft, sondern auch für die Be-
wältigung der großen gesellschaftlichen Aufgaben
unserer Zeit – von der Klimakrise bis zur geopoliti-
schen Behauptung gegen den Autoritarismus.
Die deutsche Forschung soll Weltspitze bleiben.
Wir wollen erreichen, dass Staat und Unternehmen
mindestens 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in
Forschung und Entwicklung investieren. Unsere
Forschungspolitik umfasst die freie Grundlagen-
forschung ebenso wie die missions- und anwen-
dungsorientierte Forschung sowie den Transfer in
marktreife Produkte. Wir werden daher die Bemes-
sungsgrundlage für die Forschungszulage weiter
ausweiten und so Unternehmen bei der Forschung
besser unterstützen. Gleichzeitig brauchen wir eine
auskömmliche Grundfinanzierung in der Wissen-
schaft. Mit der Deutschen Agentur für Transfer und
Innovation (DATI) wollen wir regionale Innovations-
ökosysteme unterstützen, in denen Wissenschaft,
Gesellschaft und die Wirtschaft gemeinsam an
innovativen Lösungen arbeiten. Die Bundesagentur
für Sprunginnovationen (SPRIND) fördert Innovatio-
nen nicht klassisch durch Förderprogramme, son-
dern durch sogenannte Challenges. Diesen Ansatz
wollen wir ausbauen und auf europäischer Ebene
flankieren. Wir schaffen auch mehr Experimentier-
räume wie die Reallabore, in denen neue Techno-
logien erprobt und in die Anwendung gebracht
werden können.
Wir werden die Digitalisierung der Wirtschaft und
die Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen
erleichtern. Dazu wollen wir die Anwendung von
Künstlicher Intelligenz (KI), die Etablierung robus-
ter Cybersicherheitsstandards sowie die Stärkung
digitaler Kompetenzen in Unternehmen gezielt
fördern und Datenschutzbürokratie abbauen. Wir
schaffen zudem passende Rahmenbedingungen für
interoperable Standards und für einen sicheren und
effizienten Datenaustausch entlang der gesamten
Wertschöpfungskette. Der Staat sollte als vertrau-
ensvoller Referenzkunde seine Marktmacht als
Einkäufer nutzen, um innovative digitale Produkte
zu fördern. Dabei sollte er insbesondere Open-
Source-Anwendungen und Produkte von Start-ups
und KMU berücksichtigen.
Für die notwendige Innovationskraft brauchen
Deutschland und Europa eine neue Gründungs-
kultur. Wir werden Gründungen einfacher machen
durch rechtliche Vereinfachungen und indem wir
Gründer*innen in One-Stop-Shops Begleitung
und Beratung aus einer Hand anbieten. Wir wol-
len Gründungen in ihrer Vielfalt unterstützen.
Dafür geben wir insbesondere Gründerinnen und
nachhaltigen Start-ups einen Booster, etwa durch
verbesserte Finanzierungsangebote. Ausgründun-
gen aus Hochschulen werden wir erleichtern, die
EXIST-Hochschulförderung auf mehr Universitäten
ausweiten und den Transferauftrag für Hochschulen
und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
stärken.
Für die klimaneutrale Modernisierung
der Industrie
Unser Anspruch ist es, dass Deutschland ein starker
Industriestandort bleibt, denn Industrieunterneh-
men sind in ihren Regionen identitätsstiftend und
wichtige Arbeitgeber. Wir wollen unsere Industrie
bei der klimafreundlichen Modernisierung unter-
stützen, sie hier halten und verhindern, dass die
Produktion in Länder abwandert, in denen es noch
keinen CO₂-Preis und nur laxe Umweltschutz- und
Sozialstandards gibt. In einer Welt, in der Krisen,
Konflikte oder machtpolitische Bestrebungen jeder-
zeit Lieferketten stören oder zerbrechen lassen kön-
nen, brauchen wir in essenziellen Bereichen eigene
Produktionsmöglichkeiten, um fatale Abhängigkei-
ten zu vermeiden.
Damit die klimaneutrale Modernisierung der Indus-
trie gelingen kann, setzen wir auf einen effizienten
Instrumentenmix aus marktwirtschaftlichen Instru-
menten wie CO₂-Preis, gezielter Unterstützung vor
allem bei Investitionen und – wo nötig – möglichst
unbürokratischem Ordnungsrecht. Wo Investitions-
hürden zu Beginn zu hoch sind und über den CO₂-
Preis nicht genug Anreize gesetzt werden, setzen
wir auf wettbewerbsorientierte Instrumente wie
die Klimaschutzverträge. Den Anwendungsbereich
der Klimaschutzverträge werden wir ausweiten
14BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
und so diejenigen Unternehmen finanziell fördern,
die pro Euro am meisten CO₂ einsparen. Um aus-
reichend Nachfrage für klimaneutral hergestellte
Produkte zu garantieren, werden wir grüne Leit-
märkte in Sektoren wie Stahl und Zement europa-
weit etablieren. Dafür wollen wir beispielsweise
bei öffentlichen Aufträgen eine Mindestquote von
grünem Stahl einführen, die stetig ansteigt. Die
vollständige Klimaneutralität der Industrie wird
aufgrund von schwer zu vermeidenden Emissionen
bei bestimmten Produktionsprozessen nur mit der
Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO₂
(CCS/CCU) möglich sein. Deshalb ermöglichen wir
dafür die Anwendung dieser Technologie und unter-
stützen den Ausbau der notwendigen Infrastruktur.
Die Speicherung von CO₂ in Meeresschutzgebieten
lehnen wir ab.
Global ist der Wettbewerb zwischen Verbrenner und
E-Autos längst entschieden. Für die Unternehmen
in der Automobilindustrie, mit ihren mittelständi-
schen Zulieferbetrieben der größte Industriezweig
in unserem Land, ist Planungssicherheit entschei-
dend: dass wir dabei bleiben, ab 2035 nur noch
klimafreundliche Antriebe neu zuzulassen. Die kon-
kreten Ziele der EU-Flottengrenzwerteverordnung
unterstützen wir und lehnen eine Abschwächung
ab. Mögliche Strafzahlungen sollen gegebenen-
falls gestreckt und für den Hochlauf der E-Mobilität
durch europäische Programme genutzt werden. Wir
beschleunigen den Hochlauf der Elektromobilität
durch gezielte Förderung für die Ladeinfrastruktur
und sozial ausgewogene Kauf- und Leasinganreize.
Förderung wollen wir dabei nur jenen gewähren,
die auch in Europa mit seinen hohen sozialöko-
logischen Standards produzieren: in Europa, für
Europa. Mit gezielten Forschungsprogrammen und
dem Ausbau der regionalen Transformationsnetz-
werke unterstützen wir die Fortentwicklung von
Geschäftsmodellen, insbesondere in den Bereichen
vernetztes Fahren und Batteriezellen.
Durch eine stärkere Offenheit und Förderung in
Schlüsselbereichen wie KI, Quantentechnologie,
Mikrochips, Biotechnologie, Robotik und Raumfahrt
wollen wir wettbewerbsfähig bleiben und globale
Trends mitgestalten können. Insbesondere werden
wir den Aufbau von Produktionskapazitäten für
Schlüsseltechnologien wie beispielsweise Mikro-
chips und Batterien weiter vorantreiben. Wir setzen
uns für eine wettbewerbsfähige europäische Raum-
fahrtindustrie ein, um durch Satellitenkommunika-
tion und -navigation, New Space, (Klima-)Forschung
und Erdbeobachtung unsere strategische Souverä-
nität zu stärken.
Auch der Schritt zur Klimaneutralität ist ein Innova-
tionsmotor. Von modernster Kraftwerkstechnologie
über Elektrolyseure bis zur Herstellung von Wasser-
stoff, vom E-Auto bis zur Wiederverwendbarkeit von
Materialien entstehen neue Zukunftstechnologien,
bei denen die deutsche Industrie ganz vorn mit
dabei sein kann. Diese Zukunftstechnologien wollen
wir ermöglichen, fördern und bei der Markteinfüh-
rung unterstützen – und damit Arbeitsplätze und
Wohlstand von morgen sichern. Dafür wollen wir den
europäischen Net-Zero Industry Act der EU möglichst
schnell und umfassend in Deutschland umsetzen.
Für die Stärkung von Mittelstand
und Handwerk
Die ökonomische Kraft unseres Landes liegt in
der Vielfalt seiner Unternehmen. Die Tatkraft und
Innovationsfähigkeit der Handwerksbetriebe, der
Selbstständigen und Freiberufler*innen sowie der
KMU sind Motor unserer Wirtschaft. Sie treiben den
Klimaschutz voran und sorgen gerade in ländlichen
Räumen für Arbeitsplätze und Stabilität. Der Entfal-
tung dieser Kraft wollen wir Rückenwind geben.
Das Handwerk bietet in einer nachhaltigen Wirt-
schaft krisensichere Arbeitsplätze. Durch Bürokra-
tieabbau, die Unterstützung bei Nachfolgen und die
gezielte Förderung der Ausbildung im Handwerk
wollen wir die Rahmenbedingungen verbessern.
Oberstes Ziel sind der Erhalt und die Zukunftsfä-
higkeit der Betriebe. Damit Handwerksberufe noch
attraktiver werden, setzen wir auf branchenspezi-
fische Mindestvergütungen und mehr Gleichwertig-
keit von beruflicher und akademischer Ausbildung.
Der Meisterbrief soll kostenlos werden. Wir setzen
uns dafür ein, dass auch für Handwerkerinnen
und Soloselbstständige die Wochen rund um die
Geburt durch Mutterschaftsgeld finanziell
abgesichert werden.
15Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Wir stehen für eine starke deutsche und europäi-
sche Wettbewerbspolitik mit dem unabhängigen
Bundeskartellamt und der EU-Kommission im Zent-
rum. Das Wettbewerbsrecht braucht eine Weiterent-
wicklung, um KMU sowie Verbraucher*innen effek-
tiver vor Monopolen zu schützen. Auf europäischer
Ebene wollen wir dazu das von der Kommission
bereits vorgeschlagene New Competition Tool wie-
derbeleben, vor allem um heimische Unternehmen
vor unfairen Praktiken globaler Großunternehmen
zu schützen. Umgekehrt sollen kleine Übernahme-
und Fusionsfälle in Deutschland und Europa von
bürokratischen Verfahren entlastet werden.
Unfaire und teure Praktiken von Onlineplattformen
zulasten des mittelständischen Gewerbes und der
Verbraucher*innen werden wir mithilfe des Wett-
bewerbsrechts zurückdrängen. Über große Online-
händler gelangen massenweise Waren zu uns, die
europäische Standards nicht einhalten. Im Internet
entstehen immer wieder neue, unfaire und mani-
pulative Praktiken. Wir setzen uns dafür ein, dass
große Plattformen – genau wie der Laden um die
Ecke – Produktverantwortung übernehmen müssen.
Um die Vergabestellen gerade der Kommunen und
die Wirtschaft um Verwaltungskosten von über
einer Milliarde Euro zu entlasten, modernisieren
wir das Vergaberecht umfassend, um nachhaltige
Beschaffung zu vereinfachen und zur Regel zu ma-
chen. Um die Vergabestellen gerade der Kommunen
zu entlasten, werden wir die Direktauftragsgrenzen
deutlich anheben. Wir berücksichtigen Start-ups bei
der Vergabe besser.
Um Familienunternehmen und Start-ups weitere
Nachfolgeoptionen zu bieten, wollen wir eine neue
attraktive Rechtsform für Gesellschaften mit gebun-
denem Vermögen einführen. Gemeinwohlorientierte
Unternehmen sollen künftig die gleiche Förderung
erhalten wie alle anderen Gründer*innen auch. Gel-
der von verwaisten Konten werden wir zur Stärkung
sozialer Innovationen und gemeinwohlorientierter
Unternehmen verwenden. Die Nationale Strategie
für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientier-
te Unternehmen werden wir fortführen.
Von Wertschöpfung und Investitionen vor Ort in
den Kommunen hängt die Wirtschaftskraft und
Lebensqualität in ländlichen Räumen entscheidend
ab. Durch den Ausbau der Gemeinschaftsaufgabe
Regionale Wirtschaftsentwicklung (GRW) stellen wir
sicher, dass Menschen und Unternehmen sich über-
all im Land entfalten können.
Gerade in den vom Strukturwandel betroffenen
Regionen wie der Lausitz liegt das Potenzial für
ambitionierten Klimaschutz und vorausschauen-
de Wirtschaftspolitik. Die Herausforderungen sind
groß und dennoch wollen wir den Strukturwandel
als Chance begreifen, um mit neuer Infrastruktur,
Wirtschaftsförderung, Renaturierung und Investi-
tionen in Zukunftstechnologien den Weg in eine
nachhaltige Zukunft zu ebnen. Wichtig ist uns dabei,
die Menschen vor Ort durch transparente Entschei-
dungsprozesse, aber auch durch Unterstützung der
Ideen und Wünsche vor Ort zu beteiligen.
Der Tourismus ist in Deutschland Motor für Wachs-
tum und Beschäftigung, insbesondere in ländlichen
Regionen. Wir werden die Nationale Tourismus-
strategie fortentwickeln und den Tourismusstand-
ort Deutschland nachhaltiger, sozial gerechter und
innovativer gestalten.
Wohlstand ist für uns mehr als nur das Wachstum
des Bruttoinlandsprodukt. Wir haben daher erst-
mals im Jahreswirtschaftsbericht auch den Zustand
von Umwelt und Klima sowie soziale Faktoren mit
in den Blick genommen. Diese umfassende Wohl-
standsmessung wollen wir ausbauen.
Für Wirtschaftssicherheit und
zukunftsfähigen Außenhandel
Unser Wohlstand und unsere wirtschaftliche Resi-
lienz und Sicherheit hängen neben dem europäi-
schen Binnenmarkt wesentlich von belastbaren
internationalen Partnerschaften und vom globalen
Handel ab. Angesichts geopolitischer Konflikte,
protektionistischer Maßnahmen und zunehmend
schärferem internationalen Wettbewerb brauchen
wir eine zukunftsfähige Handelsagenda, die sich für
alle auszahlt.
Ausgewogene Handelspartnerschaften eröffnen
deutschen Unternehmen nicht nur neue Absatz-
märkte, sondern stärken auch ihre Lieferketten. Eine
16BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
breitere Streuung unserer Wirtschaftsbeziehungen
hilft zudem, Abhängigkeiten in kritischen Bereichen
zu verringern. Der Fokus auf einzelne Sektoren
und gezielte Abkommen für bestimmte Waren und
Dienstleistungen verspricht dabei schnelle Verhand-
lungserfolge. Hohe Standards bei sozialer Gerechtig-
keit, Klima- und Naturschutz sowie Menschenrech-
ten bewahren gleichzeitig die heimische Wirtschaft
vor einem schädlichen Unterbietungswettbewerb
und schützen vor Ausbeutung oder Umweltzerstö-
rung in anderen Ländern. Wir verhandeln entspre-
chend folgender Prinzipien: rechtsverbindliche und
einklagbare ökonomische, soziale und ökologische
Standards, eine Verankerung des Vorsorgeprinzips,
eine verbindliche Verankerung des Pariser Klima-
abkommens, der zentralen Arbeitsschutzkonventio-
nen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
und des Übereinkommens zur biologischen Vielfalt,
der Beendigung der missbräuchlichen Nutzung von
Schiedsgerichten sowie der Begrenzung von zukünf-
tigen Investitionsabkommen auf direkte Enteignung
und Diskriminierung.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie ist eine große Er-
rungenschaft: Verbraucher*innen in Europa können
sicher sein, dass Produkte, die sie hier kaufen, frei
von Ausbeutung und Kinderarbeit entstanden sind.
Wir sorgen dafür, dass die Lieferkettenrichtlinie un-
bürokratisch in deutsches Recht übertragen wird.
Unfaire Handelspraktiken und Marktverzerrungen
erfordern entschiedenes Handeln – deshalb setzen
wir uns, wo es geboten ist, bei der EU-Kommission
für Ausgleichszölle ein, etwa auf Stahl. Wir stär-
ken der EU-Kommission in ihren Verhandlungen
mit China über Dumping von E-Autos den Rücken,
um die Interessen der europäischen Industrie zu
wahren. Die Schlupflöcher im Zollrecht müssen
geschlossen werden, durch die besonders asiati-
sche Onlinehändler wie Temu unsichere Wegwerf-
produkte am Zoll vorbeischleusen und europäische
Hersteller unterbieten. Wer dauerhaft illegale
Produkte im großen Stil nach Europa einführt, muss
nach dem EU-Gesetz über digitale Dienstleistungen
sanktioniert werden. Wir werden den europäischen
CO₂-Zoll CBAM durch eine Ausweitung des Anwen-
dungsbereichs, eine Berücksichtigung der Gesamt-
emissionen des Herstellers im Herkunftsland und
die Nutzung von Standardwerten praxistauglicher
und effektiver gestalten. Damit er die Wettbewerbs-
nachteile ausgleicht, die europäischen Industrie-
unternehmen gegenüber Herstellern aus Ländern
ohne CO₂-Preis entstehen.
Strategisch wichtige Branchen werden wir mit
einem neuen Investitionsprüfungsgesetz vor Über-
nahmen schützen. Um unsere Unabhängigkeit und
ungestörte Lieferketten zu sichern, gehen wir bei
Ausschreibungen in Sektoren mit hoher Abhängig-
keit entsprechend der Resilienzvorgaben des Net-
Zero Industry Acts vor. Staatliche Förderprogramme
für den Kauf von Produkten wie E-Autos werden
wir künftig für Produkte gewähren, die größtenteils
auch in Europa mit seinen hohen sozialen und öko-
logischen Standards produziert wurden.
Für Rohstoffsicherheit und
Kreislaufwirtschaft
Eine nachhaltige, unabhängige und wettbewerbs-
fähige Wirtschaft erfordert sowohl eine gesicherte
Versorgung mit Rohstoffen als auch den Übergang
zu einer effektiven Kreislaufwirtschaft im Einklang
mit den planetaren Grenzen, die Ressourcen spart
und Müll vermeidet. Auch für das Erreichen der Kli-
maziele sind wir auf eine verlässliche Versorgung
mit Rohstoffen angewiesen.
Unser Ansatz für mehr Rohstoffsicherheit basiert
auf vier Säulen. Erstens wollen wir den Verbrauch
von Primärrohstoffen senken und langfristig hal-
bieren. Der Ausstieg aus der Verbrennung fossiler
Energierohstoffe, Rohstoffeffizienz und – wo mög-
lich – der Ersatz von Rohstoffen, ebenso wie der
gezielte Einsatz von Recyclingrohstoffen sind der
Schlüssel dafür. Zweitens fördern wir Recycling und
den Aufbau einer effektiven Kreislaufwirtschaft.
Drittens setzen wir auf heimischen und europäi-
schen Bergbau, auch mit einem modernisierten,
umweltschonenden Bergrecht. Und viertens ent-
wickeln wir eine nachhaltige Rohstoffaußenpolitik
und schließen neue Rohstoffpartnerschaften.
Niemand hat Lust, ständig Dinge wegzuwerfen und
große Mengen an Müll zu produzieren. Die Kreis-
laufwirtschaft macht daraus mit neuen Geschäfts-
modellen eine wirtschaftliche Chance, von der
Wasserflasche über das Smartphone bis zum Wohn-
17Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
haus. Sie braucht die richtigen regulatorischen
und ökonomischen Rahmenbedingungen, mehr
Materialstandardisierung und gleiche Wettbewerbs-
bedingungen für recyceltes Material. Ein digitaler
Produktpass schafft bessere Informationen über
die Materialien, die in einem Produkt stecken. Dafür
werden wir jetzt die Kreislaufwirtschaftsstrategie
umsetzen. Wir haben uns auf europäischer Ebene
erfolgreich dafür eingesetzt, dass Produkte langle-
big und reparaturfreundlich hergestellt werden.
Für einen starken Verbraucherschutz
Faire Verträge und einklagbare Verbraucherrechte
– darauf müssen sich Verbraucher*innen verlas-
sen können. Gerade in Zeiten steigender Lebens-
haltungskosten kann und muss Verbraucherschutz
dazu beitragen, das Leben einfacher zu machen und
Menschen vor unfairen Preisen, Intransparenz und
Betrug zu schützen.
Gentechnikfreie Lebensmittel sind für viele Ver-
braucher*innen wichtig. Damit das möglich bleibt,
müssen alle, die gentechnikfrei arbeiten wollen,
das auch in Zukunft können. Dafür ist entscheidend,
dass es keine Patente auf Leben gibt: Pflanzen,
Tiere, Saatgut und Gene dürfen nicht patentiert
werden, auch nicht in digitalisierter Form. Und es
braucht eine Kennzeichnungspflicht für gentech-
nisch verändertes Saatgut und Lebensmittel.
Steigende Energiepreise und die notwendige Ener-
gie- und Wärmewende stellen Verbraucher*innen vor
große Herausforderungen. Wir werden einen wirk-
samen Schutz vor Wärme- und Stromsperren auf den
Weg bringen. Damit für Stromkund*innen schnell
und einfach sichtbar wird, ob sie aufgrund eines
überteuerten Altvertrags Monat um Monat zu viel für
ihren Strom bezahlen, machen wir die Angabe des
durchschnittlichen Strompreises für Neukund*innen
auf der Energierechnung verpflichtend. Dann weiß
jede und jeder, wann sich ein Wechsel besonders
lohnt. Das wirkt als Teuer-Bremse für Stromtarife.
Wenn es ums Geld geht, sind transparente und
einfach verständliche Informationen besonders
wichtig. Deshalb bedarf es beim finanziellen Ver-
braucherschutz besonders hoher Standards und
einer fairen und unabhängigen Finanzberatung.
Im Zentrum steht der Schutz von Kleinanleger*in-
nen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
aufsicht (BaFin) wollen wir auch beim Schutz vor
Greenwashing von Finanzprodukten in die Pflicht
nehmen. Zudem setzen wir auf transparente und
einfach verständliche Mindeststandards und Nor-
men für nachhaltige Finanzprodukte.
Die hohen Kosten des Zahlungsverkehrs für deut-
sche Unternehmen und Verbraucher*innen – etwa
bei der Nutzung von Kreditkarten – wollen wir
mithilfe innovativer Wettbewerber und des Wettbe-
werbsrechts günstiger machen.
B. EIN MODERNES UND
DIGITALES LAND
Für einen Staat, der für die Menschen
funktioniert
Für die Herausforderungen im Heute und Morgen
wollen wir unseren Staat besser aufstellen und
bieten dafür den demokratischen und föderalen
Partnern die Hand für eine Staatsreform. Darunter
verstehen wir unter anderem, dass die Aufgaben
und Rollen an manchen Stellen in unserem föde-
ralen Staat neu verteilt, gebündelt und auch klarer
gestaltet werden, zum Beispiel im Sozialleistungs-
bereich. Wir setzen auf konstruktive Zusammenar-
beit statt Doppelstrukturen und Gegeneinander. Der
Bund sollte bei Gesetzen und Förderprogrammen
mehr Umsetzungsverantwortung auf Länder und
Kommunen übertragen, statt alles detailliert selbst
zu regeln. Länder und Kommunen brauchen mehr
Spielräume für eigenverantwortliches Handeln
wie auch für konkrete Kooperationen. Umgekehrt
sollte der Bund für bundesweit gesetzlich geregelte
Leistungen wie Elterngeld oder Wohngeld einen
digitalen Dienst bereithalten, den Länder und Kom-
munen für die Leistungserbringung vor Ort nutzen
können. Durch solche zentralen Serviceeinheiten
kann der Bund Routineaufgaben zentral erbringen,
damit sich die Verwaltung vor Ort auf die Beratung
konzentrieren kann. Den Auftakt für diese Reform-
prozesse könnten die Diskussionen in einem Bür-
gerrat geben.
18BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Die Gesetzgebung des Bundes muss praxistaugli-
cher und weniger kompliziert gestaltet werden. Die
Digital- und Praxischecks wollen wir dafür aus-
bauen. Bei neuen Gesetzgebungsvorhaben ist das
zugrunde liegende Stammgesetz zu modernisieren,
sind Leistungen zu pauschalisieren sowie Experi-
mentierräume und Reallabore vorzusehen. Die
Bundeshaushaltsordnung und ihre Anlagen wollen
wir entschlacken, ohne die Fehlverwendung öffent-
licher Gelder zu begünstigen.
Durch Modernisierung und Automatisierung, auch
durch den Einsatz von KI, kann der Arbeitsaufwand
für Verwaltungsprozesse geringer werden. So ver-
kleinern wir auch die Ministerialverwaltung des
Bundes und stärken die Umsetzungsverantwortung
der nachgeordneten Bundesbehörden. Dies ist in
Zeiten des Fachkräftemangels und unbesetzter
Stellen dringend nötig.
Für eine serviceorientierte Verwaltung
Wir werden unsere öffentliche Verwaltung kon-
sequent modernisieren, digitalisieren und an den
Bedürfnissen der Menschen ausrichten.
Bürger*innen sollen mit dem Staat digital und
auf Augenhöhe kommunizieren können. Deshalb
werden wir gemeinsam mit den Ländern und
Kommunen die Deutschland-App einführen, in der
schrittweise alle staatlichen Verwaltungsangebote
sicher, barrierefrei und anwendungsfreundlich zur
Verfügung stehen sollen. In dieser App kann man
künftig mit wenigen Klicks einen Personalausweis
beantragen oder die neue Wohnung anmelden. Die
App dient als einfache Bedienungsoberfläche für
die Bürger*innen und als Zielbild für die deutsche
Verwaltungsdigitalisierung. Im Hintergrund der App
bauen wir eine moderne, modulare und standar-
disierte IT-Architektur, bei der die Verwaltungsdo-
mänen von Bund, Ländern und Kommunen sinnvoll
ineinandergreifen.
Die Beschäftigten in den Behörden sind motiviert,
sie packen an und wollen Prozesse besser machen.
Uns geht es darum, sie zu entlasten und mehr Effi-
zienz zu ermöglichen: Wir gehen mit einer Innova-
tionskultur in der Verwaltung voran, die offen ist für
antragslose Verfahren, risikobereite Entscheidungen,
Experimentierfreude und den Einsatz moderner
Technik. Dafür erhöhen wir die Ermessensspiel-
räume der Entscheider*innen. Wir ermöglichen den
Einsatz von Automatisierung und KI-Anwendungen
überall, wo sie hilfreich und sinnvoll sind. Damit
Daten nicht immer wieder neu erhoben werden
müssen, treiben wir die Registermodernisierung und
-vernetzung voran. Die Behörden sollen Datentools
vorhalten, bei denen Bürger*innen und Unterneh-
men ihre Daten nur einmal einpflegen müssen.
Dann müssen die verschiedenen Ebenen der Ver-
waltung darauf selbst zurückgreifen. Das verschlankt
persönliche Meldungen, Berichtspflichten und Kont-
rolldaten in der Landwirtschaft. Dafür brauchen wir
auch eine sichere eigene Cloud in Deutschland.
Für eine schnelle und umfassende
Digitalisierung
Die Digitalisierung zu gestalten, ist für unser Zusam-
menleben und unseren Wohlstand zentral. Bisher
ist das in Deutschland nicht ausreichend gelungen.
Dies liegt auch an der Zersplitterung der Zustän-
digkeiten dafür und der fehlenden Ressourcen-
bündelung. Deswegen braucht es eine Bündelung
von Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und der
Budgetverantwortung. Damit gehen wir den Aus-
bau der digitalen Infrastruktur, die europäische und
internationale Digitalpolitik und die Entwicklung
einer Open-Source-Strategie fokussiert an. Für den
Digitalen Staat wollen wir zentrale digitale Dienste
wie die BundID und die Deutschland-App vorantrei-
ben. Den Digitalcheck als aktives und begleitendes
Instrument der Gesetzgebung entwickeln wir weiter
und gestalten die Digitalisierung nachhaltig.
Der Schlüssel zur Beschleunigung der Digitalisierung
Deutschlands liegt in der Überwindung der Grenzen
der unterschiedlichen IT-Systeme von Unternehmen,
Behörden und Forschungseinrichtungen durch Inter-
operabilität. Nur dann können Prozesse durchgängig
digital ohne Handarbeit oder Medienbrüche abge-
wickelt werden. Diese Art der Vernetzung ist zu sehr
vernachlässigt worden. Wir werden offene Standards
fördern und dabei Entwickler*innen, Zivilgesellschaft
und KMU stets miteinbeziehen. Diese Standards
sollen ohne Lizenzgebühren frei nutzbar sein. Wir
denken Interoperabilität und digitale Kooperation
weiter, nämlich als eine notwendige Grundlage, um
19Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
die Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Nachhaltig-
keit unserer Wirtschaft zu stärken.
Um das große Potenzial von Datenkollaboration für
Innovation und Produktivität zu heben, muss die
Umsetzung des Datenschutzes einfacher und weni-
ger bürokratisch werden. Die Datenschutzgrundver-
ordnung muss effizienter und einheitlicher um-
gesetzt werden – auch um Doppelregulierung und
unklare Zuständigkeiten zu vermeiden. Eine Reform
beim Datenschutz hin zu Einheitlichkeit, Verlässlich-
keit und Einfachheit ist nötig, etwa durch die Bün-
delung von Zuständigkeiten für bestimmte Sektoren
oder Forschung bei einzelnen Aufsichtsbehörden.
Deutschland braucht schnelles Internet in Stadt
und Land. Wir werden bessere Rahmenbedingungen
für den privatwirtschaftlichen Ausbau von Glasfa-
ser und 5G-Mobilfunk setzen, indem wir Genehmi-
gungsprozesse beschleunigen, alternative Verlege-
methoden erleichtern und Open Access fördern. Für
ländliche Gebiete und strukturschwache Regionen
werden wir die staatliche Gigabitförderung erhö-
hen. Wir stärken die Rechte von Verbraucher*innen
auf schnelles Internet, indem wir die Mindestband-
breite schrittweise erhöhen und es einfach machen,
mangelhaftes Internet nachzuweisen und einen
besseren Zugang zu bekommen.
Für einen Deutschlandfonds und eine
Reform der Schuldenbremse
Wir werden in der Regierung entschlossen die In-
vestitionen in tragfähige Infrastrukturen nachholen,
die unser Land so dringend braucht. Die schwarze
Null im Haushalt wurde mit einem Kredit bei der
Zukunftsfähigkeit unseres Landes erkauft. Wir wer-
den deshalb einen Deutschlandfonds für Bund, Län-
der und Kommunen errichten. Daraus werden wir
die Schienen bauen, auf denen Züge die Menschen
pünktlich an ihr Ziel bringen, die Kitas und Schulen
sanieren, in denen Chancen für alle entstehen, die
Forschung finanzieren, die die Technologien und
den Wohlstand von morgen begründet, und
Unternehmen den Raum für Investitionen in ihre
Zukunft ermöglichen.
Der Investitionsstau in Deutschland liegt im drei-
stelligen Milliardenbereich. Die Schuldenbremse in
ihrer aktuellen Form verhindert Investitionen und
andere Maßnahmen, die unsere stagnierende Volks-
wirtschaft wieder ankurbeln. Um die notwendigen
Investitionen in Infrastruktur, in die Dekarbonisie-
rung unseres Landes und in eine starke, zukunftsfä-
hige Wirtschaft zu finanzieren, wollen wir die Schul-
denbremse reformieren. Wir schaffen damit neue
finanzielle Spielräume, die wir angemessen zwi-
schen Bund und Ländern verteilen werden. Zugleich
werden wir sicherstellen, dass die Gesamtverschul-
dung dauerhaft tragfähig bleibt. Das raten auch die
führenden Wirtschaftsinstitute wie der Internatio-
nale Währungsfonds (IWF), die Bundesbank oder der
Sachverständigenrat der Bundesregierung.
Nachdem die Große Koalition das Land fast zwei
Jahrzehnte kaputtgespart hat, haben wir in der
Bundesregierung die Trendwende eingeleitet. Bis
zur Umsetzung einer Reform der Schuldenbremse
wollen wir mit dem Deutschlandfonds der jüngeren
Generation ein modernes, funktionierendes und
klimaneutrales Land sowie eine wettbewerbsfähige
Volkswirtschaft garantieren, statt ihnen aufgescho-
bene Lasten und marode Infrastrukturen zu hinter-
lassen. Bürger*innen wollen wir ermöglichen, sich
an diesen Investitionen zu beteiligen.
Investitionen in Klima- und Umweltschutz sowie in
Verkehrs-, Energie-, Bildungs- und Forschungsinfra-
struktur sowie in die nationale Sicherheit haben für
uns dabei Priorität. Klar ist auch: Bei sogenannten
konsumtiven Ausgaben bleibt es bei den derzeit
strikten Regeln. Das bedeutet zum Beispiel: Die
energetische Sanierung des Schulgebäudes kann
kreditfinanziert werden, das Gehalt des Lehrper-
sonals muss aus dem regulären Etat kommen. So
hinterlassen wir der jungen Generation keine un-
nötigen Schulden und vermeiden zugleich versteck-
te Schulden. Denn auch unterlassene Investitionen
sind eine Bürde für die junge Generation.
Der Deutschlandfonds hilft, die Spielräume für drin-
gend notwendige Zukunftsinvestitionen zu erhöhen.
Er ist aber kein Ersatz für die Aufgabe, im Haus-
halt stärker zu priorisieren und effizienter mit den
vorhandenen Einnahmen umzugehen. Denn viele
wichtige Anliegen wie bessere Bildung oder stärke-
re Sicherheit erfordern auch konsumtive Ausgaben.
Wir wollen den Haushalt entlasten, indem wir mehr
20BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Geflüchtete und mehr Bürgergeldbezieher*innen in
Arbeit bringen. Zudem wollen wir die Verwaltung
durch die weitere Digitalisierung verschlanken. Und
wir wollen insbesondere klima- und umweltschäd-
liche Subventionen abbauen.
Die Verteilung der Steuern zwischen Bund, Ländern
und Kommunen muss den tatsächlichen Aufgaben
und Investitionsbedarfen entsprechen, um gleich-
wertige Lebensverhältnisse in allen Landesteilen
zu ermöglichen. Das aktuelle System des Bund-Län-
der-Finanzausgleichs werden wir in seiner jetzigen
Form beibehalten.
C. EIN KLIMA, IN DEM WIR
GUT LEBEN KÖNNEN
Für ein stabiles und sicheres Klima
Die Staatengemeinschaft hat sich mit dem Pariser
Klimaabkommen darauf verständigt, die Klima-
krise einzudämmen. Alle großen Länder mit hohen
Treibhausgasemissionen haben sich auf diesen Weg
gemacht – darauf kommt es an. Die EU ist nach den
USA und China aktuell der drittgrößte Emittent von
klimaschädlichen Emissionen. Es kommt also auch
auf unser gemeinsames Handeln an. Wir haben uns
in der EU deshalb gemeinsam auf ein Ziel verpflich-
tet: Europa soll bis 2050 der erste klimaneutrale
Kontinent werden.
Mit dem europäischen Green Deal haben wir in
den vergangenen drei Jahren große Fortschritte
auf dem Weg zu einem stabilen und sicheren Klima
erzielt und gleichzeitig begonnen, die europäische
Wirtschaft und Industrie zu modernisieren. Das
wirkt: Die EU ist auf Kurs, ihre Klimaziele zu erfül-
len. Jetzt braucht die Wirtschaft Planungssicherheit.
Der Green Deal und das „Fit for 55“-Paket müssen
nun europaweit konsequent und möglichst unbüro-
kratisch umgesetzt werden. Neuer Aufschieberei
und Verwässerung stellen wir uns entgegen.
Deutschland spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Die Großen Koalitionen hatten hohe Klimaschutz-
ziele beschlossen, aber keinen Plan und keine Maß-
nahmen entwickelt, wie diese Ziele erreicht werden.
Wir haben Deutschland und Europa erstmals auf
einen Pfad gebracht, diese Lücke zu schließen. Es
hängt vom entschiedenen Handeln der nächsten
Bundesregierung ab, ob sie diese Chance nutzt und
die Ziele auch erreicht.
Die dafür notwendigen Veränderungen sind an-
spruchsvoll und haben deshalb auch viele hitzige
Diskussionen, Sorgen und Ängste ausgelöst und
neue Fragen aufgeworfen. Es ist klar: Wir müssen
noch mehr dafür tun, damit der Weg verlässlich ist
und alle ihn mitgehen können. Wir machen Klima-
schutz einfacher und bezahlbarer und lösen Um-
setzungsprobleme pragmatisch. Dabei setzen wir
gezielt verschiedene Instrumente ein – von markt-
wirtschaftlichen Anreizen wie dem Emissionshan-
del über eine gezielte Förderung für Wirtschaft und
Haushalte bis hin zum Ordnungsrecht.
Die Anstrengungen lohnen sich: Die klimaschäd-
lichen Emissionen sinken. Erstmals ist Deutschland
auf einem Kurs hin zum Erreichen der Klimaziele.
Es kommt nun darauf an, diesen Kurs zu halten, um
weiterhin Verlässlichkeit und Planungssicherheit
herzustellen und eine Orientierung für die klima-
neutrale Modernisierung unseres ganzen Konti-
nents zu geben.
Europa muss nach wissenschaftlichem Rat nun bis
2040 seine Treibhausgasemissionen um 90 Prozent
gegenüber 1990 verringern. Dazu braucht es ent-
schiedene Anstrengungen und einen bedeutenden
Beitrag von Deutschland als größtes Mitgliedsland
mit den höchsten Emissionen und einem hohen
Wohlstand. Wir halten deshalb an den rechtlich
festgeschriebenen Zielen der Klimaneutralität 2045
und den verbindlichen Zwischenzielen fest. Die
Energiewende setzen wir ebenso fort wie den Um-
stieg auf das klimaneutrale Heizen.
Der Verkehrsbereich hat den größten Aufholbedarf
beim Erreichen der Klimaziele. Deshalb erhöhen wir
die Dynamik, indem wir den Ausbau der Bahn noch
weiter intensivieren und den Umstieg auf E-Mobili-
tät beschleunigen. Um das sicherzustellen, werden
wir, wie rechtlich vorgesehen, das aktuelle Klima-
schutzgesetz evaluieren und entsprechend die Ver-
antwortung von Sektoren stärken, in denen Klima-
schutz zu wenig vorankommt. Würden Ziele verfehlt,
drohen Deutschland teure Strafzahlungen und
21Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
zukünftig höhere CO₂-Preise, beides wollen wir für
öffentliche Haushalte und Bürger*innen vermeiden.
Für sozial gerechten Klimaschutz
Den Weg zur Klimaneutralität gestalten wir als
Weg zu einer gerechteren Gesellschaft: Von einem
erschwinglichen und flächendeckend gut ausge-
bauten öffentlichen Verkehr profitieren vor allem
Menschen, die sich kein Auto leisten können. Elek-
tromobilität sowie der Fuß- und Radverkehr tragen
zu besserer Luftqualität für alle bei. Gut gedämmte
Häuser und klimaneutrale Wärme schützen die
Menschen vor steigenden Heizkosten.
Der Weg zur Klimaneutralität ist also mit vielen
Vorteilen verbunden, aber er bedarf auch großer
Investitionen – sei es bei der Installation neuer
Heizungsanlagen, der Wärmedämmung, dem Ein-
bau eines Energiespeichers oder dem Wechsel zum
E-Auto. Investitionen brauchen Planungssicherheit
und Vertrauen, gerade im Hinblick auf die Verfüg-
barkeit von Fördermitteln. Dahin wollen wir mit
einer berechenbaren Haushaltspolitik zurück. Viele
Menschen werden diese Investitionen ohne Unter-
stützung nicht leisten können. Die Finanzierung der
Investitionen zur klimaneutralen Erneuerung ist
eine Generationenaufgabe, die entscheidend für das
langfristige menschliche Leben auf diesem Plane-
ten ist und die deshalb teilweise auch über Kredit-
aufnahme finanziert werden sollte.
Wir achten besonders darauf, dass alle die not-
wendige Modernisierung mitgehen können. Damit
klimafreundliche Alternativen für alle Menschen
erschwinglich werden, wollen wir in Zukunft För-
derprogramme weiter ausbauen und durch soziale
Staffelung insbesondere auf Menschen mit gerin-
gen und mittleren Einkommen zuschneiden. Erste
Schritte in diese Richtung haben wir bereits unter-
nommen, zum Beispiel mit den sozial ausgestal-
teten Förderprogrammen für die Modernisierung
von Heizungssystemen und bei der Sanierung von
Wohnungen und Häusern. Auch den Umstieg auf
die E-Mobilität wollen wir für Menschen mit klei-
nen und mittleren Einkommen fördern, gerade im
ländlichen Raum. Dazu schlagen wir eine staatliche
Unterstützung beim Erwerb eines verbrauchsarmen
E-Autos vor, welches zusätzlich die europäische
Automobilwirtschaft unterstützt. Sie besteht aus
einer Ladekarte für das Tanken an öffentlichen
Ladesäulen, einer steuerlichen Förderung für kleine
und mittlere Einkommen und einem Social-Lea-
sing-Programm. Zudem beenden wir überzogene
Preise an Ladesäulen durch scharfe Anwendung
des EU-Rechts und stärken den Verbraucherschutz,
sodass Strom und Wärme durch mehr Wettbewerb
bezahlbarer werden.
Wir geben ein Sicherheitsversprechen: Alle Men-
schen mit niedrigen und mittleren Einkommen
bekommen zum Ausgleich einen Großteil der Ein-
nahmen der CO₂-Bepreisung von Gebäudewärme
und Transport als Klimageld zurück. Das Klimageld
soll in der nächsten Legislatur so schnell wie mög-
lich eingeführt werden und dann direkt und ohne
vorherige Beantragung auf das Konto eingehen.
Mieter*innen wollen wir dauerhaft und verlässlich
davor schützen, dass die CO₂-Kosten einseitig auf
sie umgewälzt werden.
Derzeit subventioniert der Staat klimaschädliches
Verhalten. Das werden wir schrittweise abbauen
und die frei werdenden finanziellen Mittel für den
sozialen Ausgleich und Klimaschutz verwenden.
Betroffene werden wir bei der Anpassung unter-
stützen, auf soziale Ausgewogenheit achten und
Planungssicherheit geben. Als ersten Schritt werden
wir das Dienstwagenprivileg so reformieren, da-
mit es noch deutlichere Anreize für klimaneutrale
Mobilität setzt.
Die Klimakrise und damit verbundene Extremwet-
ter wie Überschwemmungen oder Dürren führen
zu immer größeren Schäden. Zugleich machen
Ölkonzerne, die maßgeblich für die weltweiten
CO₂-Emissionen verantwortlich sind, weiter giganti-
sche Gewinne. Wir werden uns dafür einsetzen, dass
diese Verschmutzer einen Beitrag zum Ausgleich
der Kosten der Klimakrise leisten und Bürger*in-
nen, Landwirt*innen und Unternehmen nicht mit
immer größeren Schäden allein dastehen. Auch
in Deutschland gilt für uns ganz klar das Verursa-
cherprinzip. Das bedeutet, dass beispielsweise die
Folgekosten des Kohlebergbaus nicht auf die All-
gemeinheit fallen dürfen.
22BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Weltweit und bei uns zu Hause: Es sind die Ärmsten,
die am stärksten unter den Folgen einer eskalieren-
den Klimakrise leiden. Die Klimakrise ist ein Be-
schleuniger von Ungleichheit, dem stellen wir uns
mit sozial gerechter Klimapolitik und unserem inter-
nationalen Einsatz für Klimagerechtigkeit entgegen.
Für günstige, verlässliche und
klimaneutrale Energie
Günstiger Strom aus erneuerbaren Energien wie
Wind, Sonne, Wasserkraft, Geothermie und naturver-
trägliche Bioenergie sichert unseren Wohlstand. Er
ist auch die Grundlage für ein bezahlbares Leben,
denn Wärme und Mobilität werden zunehmend
elektrisch. Wir halten Kurs beim erreichten Rekord-
Ausbautempo und bauen die Infrastruktur so aus,
dass der günstige Strom bei Menschen und Unter-
nehmen ankommt.
Die vergangenen Jahre sind wir auf diesem Weg
einen riesigen Schritt vorangekommen: 2024 ka-
men circa 60 Prozent unseres Stroms aus erneuer-
baren Quellen, 2021 waren es erst 40 Prozent. Bis
2030 wollen wir 80 Prozent erreichen; 2035 wird
der Strom komplett klimaneutral hergestellt. Eigen-
tümer*innen, Mieter*innen, Unternehmen und Kom-
munen sollen ohne große bürokratische Hürden
eigene Energie nutzen oder an Energieprojekten
teilhaben können. Dazu werden wir auch in Zukunft
dezentrale Erzeuger von Solar- und Windenergie
sowie Speicher, Elektrolyseure durch konsequenten
Bürokratieabbau, Planungssicherheit und rentable
Geschäftsmodelle unterstützen. Mit Energy Sharing
werden wir es möglich machen, günstig erzeugten
erneuerbaren Strom noch einfacher gemeinschaft-
lich und kommunal zu teilen.
Erneuerbare Energien liefern enorm günstig, aber
nicht gleichmäßig Strom. Daher müssen wir Ange-
bot und Nachfrage optimal und möglichst dezentral
aufeinander abstimmen. Dies erreichen wir durch
kosteneffizienten Netzausbau und bessere Netznut-
zung, dezentrale Preissignale ohne eine Aufteilung
der Gebotszone, Speichern aller Arten, eine neue
Generation von wasserstofffähigen und flexibel
einsetzbaren Kraftwerken und die effiziente Aus-
nutzung der enormen Flexibilitätspotenziale von
Industrie, Gewerbe, Verkehr und privaten Verbrau-
cher*innen. Wir setzen uns für einen leistungsfähi-
gen europäischen Strombinnenmarkt ein und bauen
die Stromnetze zu unseren europäischen Nachbarn
aus. Außerdem setzen wir auf die konsequente Di-
gitalisierung des Energiesektors. Mit digitalen und
flexiblen Stromnetzen und dynamischen Stromta-
rifen werden künftig die Bürger*innen in die Lage
versetzt, in Zeiten von viel Wind und Sonne den
Strom per Batterie oder Wärmepumpe systemdien-
lich zu speichern, die Waschmaschine laufen oder
das E-Auto laden zu lassen. Damit kann jede und
jeder Geld sparen und von den Vorteilen der er-
neuerbaren Stromwelt direkt profitieren. Zugleich
sinken die Kosten im Gesamtsystem.
Notwendig sind dazu auch neue Regeln, wie unser
Strommarkt funktioniert. Langfristige Sicherheit für
Investitionen in Kraftwerke, zum Beispiel im Rahmen
von Kapazitätsmärkten, müssen mit intelligenten
kurzfristigen Anreizen zum effizienten Stromver-
brauch einhergehen. Damit ermöglichen wir einen
zunehmend sich selbst tragenden Ausbau von Sonne,
Wind und Speichern sowie sonstiger Infrastruktur
und entlasten Strompreise und Bundeshaushalt.
Gerade weil der Umbau zum klimaneutralen
Stromsystem hohe Investitionen erfordert, ach-
ten wir besonders auf die Kosten. Wir senken die
Finanzierungskosten durch langfristig sichere
Rahmenbedingungen, Garantien und intelligente
Regulierung. Für neu zu planende Hochspannungs-
gleichstromleitungen werden wir die einfacheren
Freileitungen wieder zum Standard machen und
Erdverkabelung nur noch bei besonderen örtlichen
Erfordernissen nutzen. Wir setzen zugleich den Weg
fort, die Kosten nicht umzulegen, sondern anders zu
finanzieren und Strom damit für Verbraucher*innen
und Unternehmen billiger zu machen. Die Umlage
aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde
für die Verbraucher*innen bereits abgeschafft und
wird nun vollständig aus dem Haushalt finanziert.
Im nächsten Schritt senken wir die Stromsteuer auf
das europäische Mindestmaß. Zudem reformieren
wir die Finanzierung des Netzausbaus, um die Netz-
entgelte zu senken.
Fossile Energieerzeugung ist ein Auslaufmodell.
Gerade damit die Kohleregionen Planungssicher-
heit haben und der Strukturwandel geordnet
23Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
unterstützt werden kann, halten wir daran fest, alle
verbliebenen Kohlekraftwerke ab 2030 nicht mehr
zu befeuern. Wir stehen für eine endgültige Absage
an die Gasförderung in ganz Deutschland – an Land
wie auf dem Meer. Eine Rückkehr zur Atomkraft ist
weder für das Erreichen der Klimaziele noch für die
Versorgungssicherheit notwendig – zudem scheiden
neue Atomkraftwerke wegen der extrem langen
Planungs- und Bauzeiten, der hohen finanziellen
Risiken und der Ewigkeitskosten als realistische
Option ohnehin aus. Der lange geplante und partei-
übergreifend beschlossene Atomausstieg hat unser
Land sicherer gemacht. Die Suche eines verläss-
lichen Endlagers bleibt eine Herausforderung, der
sich das ganze Land stellen muss.
Für verlässliche und bezahlbare Wärme
Der Einstieg in eine verlässliche und klimafreund-
liche Wärme ist jahrelang verschlafen worden. Jetzt
sind die Weichen richtig gestellt. In den nächsten
Jahren wollen wir gemeinsam mit den Kommunen
den Weg dafür ebnen, allen Menschen den schritt-
weisen Umstieg auf klimafreundliches und bezahl-
bares Heizen zu ermöglichen.
Wir geben mit dem bestehenden Gebäudeenergie-
gesetz und einer Förderung von bis zu 70 Prozent
für den Einbau von fossilfreien Heizungen den
Eigenheimbesitzer*innen, der Wirtschaft sowie
den Mieter*innen und Vermieter*innen die nötige
Planungssicherheit für Kauf und Einbau einer mo-
dernen klimafreundlichen Heizung, wie der Wärme-
pumpe, bis 2045. Die Unterstützung auf diesem Weg
werden wir ausbauen. Ebenso ausbauen werden wir
die Energieberatung. Zudem wollen wir die Klima-
komponente im Wohngeld weiter stärken.
Wärmenetze sind ein wichtiger Baustein auf dem
Weg zu klimafreundlicher und bezahlbarer Wärme
für alle. Vor allem in dicht besiedelten Gebieten
können sie dazu beitragen, viele Häuser gleich-
zeitig mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen.
Den Aus- und Umbau von Wärmenetzen wollen wir
mit der Verlängerung und Stärkung der Förderung
für effiziente Wärmenetze (BEW) absichern, Ge-
nehmigungsprozesse optimieren und durch eine
Senkung der Stromkosten auch die Erzeugung
von klimafreundlicher Wärme bei den Energie-
erzeugern vor Ort stärken. Ein gleichzeitig starker
Verbraucherschutz ist dafür Voraussetzung. Durch
die Einführung einer Preisaufsicht wollen wir den
Verbraucherschutz bei der Fernwärme, die vor allem
von Mietshaushalten bezogen wird, weiter stärken.
Mögliche Preisanstiege bei der Fernwärme wollen
wir analog zu den Regelungen im Gebäudeenergie-
gesetz begrenzen. Außerdem werden wir privates
Kapital für den Ausbau der Wärmenetze aktivieren
und die Finanzierungskosten durch öffentliche
Bürgschaften senken.
Die Wärmewende kann sich auf eine Vielzahl von
Technologien stützen. Entscheidend ist für uns je-
doch, dass sich Verbraucher*innen auf Klimafreund-
lichkeit, Verlässlichkeit und Bezahlbarkeit verlassen
können und sie nicht mit falschen Versprechen in
Heiztechnologien investieren, mit denen sie einige
Jahre später in der Kostenfalle landen.
Für vorsorgende Anpassungen an ein
verändertes Klima
Dürren und Hitzeperioden, Waldbrände, Über-
schwemmungen und Starkregen kosten Menschen-
leben, zerstören Wohnhäuser, Straßen und Brücken,
schädigen die Landwirtschaft und unsere Lebens-
mittelerzeugung. Indem wir unser Wirtschaften und
Leben klimaneutral gestalten, bekämpfen wir ihre
Ursachen. Aber im Angesicht der sich verschärfen-
den Auswirkungen der Klimakrise müssen wir weit-
aus stärker Vorsorge leisten. Wie groß die Schäden
durch die Klimakrise sind, hängt auch davon ab,
wie gut wir uns darauf vorbereitet haben. Die An-
passung an die Klimakrise ist deshalb eine gesell-
schaftliche, ökonomische und soziale Kernaufgabe
der kommenden Jahre und Jahrzehnte.
Mit dem Klimaanpassungsgesetz haben wir Bund,
Länder und Kommunen in Deutschland verpflichtet,
diese Aufgabe anzugehen. Die Kommunen tragen
die Hauptlast der Anpassungen, die uns als gesamte
Gesellschaft betreffen. Deswegen wollen wir Klima-
vorsorge zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und
Ländern machen und mehr Bundesmittel für die
Anpassung bereitstellen.
Die vernichtende Ahrtalflut 2021 oder die zerstö-
rerischen Fluten in Osteuropa 2024 führen uns vor
24BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Augen, wie verletzlich unsere Gesellschaft besonders
angesichts von Hochwasserkatastrophen ist. Des-
halb werden wir den Hochwasserschutz zusammen
mit den Ländern verbessern. Zusätzlich brauchen wir
Investitionen in natürliche Überschwemmungsräume
wie Auenwälder oder Erlenbrüche. Flüsse und ihre
natürlichen Auen werden wir im Interesse des Hoch-
wasserschutzes stärken und ihnen, wo immer mög-
lich, durch Renaturierungen mehr Raum geben. Wir
brauchen aber auch Hochwasserschutzanlagen wie
starke Deiche, funktionierende Rückhaltesysteme
und einen gut ausgestatteten Katastrophenschutz.
Den Versicherungsschutz gegen Elementarschäden
werden wir sozialverträglich ausweiten.
Besonders die Menschen in dicht bebauten Städ-
ten müssen besser vor Hitzewellen und Starkre-
gen geschützt werden. Dafür sorgen wir mit mehr
Bodenentsiegelung, Frischluftschneisen, Gebäude-
begrünung, Stadtgrün, Wasserflächen und öffentli-
chen Trinkbrunnen. Als Schwammstädte sollen sie
künftig mehr Wasser aufnehmen, speichern und im
Sommer kühlend wirken.
D. EINE MOBILE
GESELLSCHAFT – STADT
UND LAND ZUSAMMEN
Für schnelles, nachhaltiges und sicheres
Fortkommen
Schienen, Straßen und Brücken sind Lebensadern
unseres Landes, doch sie wurden über Jahrzehnte
auf Verschleiß gefahren. Die Folgen spüren wir alle
in unserem Alltag: verspätete Züge, Umwege und
Staus. Das ist ein Schaden für Menschen, Wirtschaft
und Umwelt. Zugleich ist unser Verkehrssystem
noch weit davon entfernt, seinen Beitrag zum Er-
reichen der Klimaziele zu leisten. Das ändern wir
durch ein leistungsfähiges Angebot an Bussen und
Bahnen und mit dem klaren Signal hin zur klima-
freundlichen E-Mobilität.
Wir wollen die Mobilität für alle verbessern. Wir
brauchen eine Grundsanierung unserer Verkehrsin-
frastruktur. Planungs- und Genehmigungsverfahren
haben wir stark beschleunigt. Jetzt gilt es, das mit
dem Deutschlandfonds verlässlich zu finanzieren
und so Wirklichkeit werden zu lassen, dass der Ver-
kehrssektor seine Klimaziele erfüllen kann. Wäh-
rend unser Schienennetz deutschlandweit einen
deutlichen Ausbau braucht, ist das Straßennetz
bereits flächendeckend gut ausgebaut und benötigt
daher Sanierungen statt Neubau. Dazu wollen wir
einen integrierten Bundesmobilitätsplan erarbeiten,
der Basis für eine klimaneutrale und flächenscho-
nende Mobilität bis zum Jahr 2045 ist. Verkehrs-
wege wollen wir erhalten und sanieren, das Schie-
nennetz massiv ausbauen, stillgelegte Bahntrassen
– gerade in den ländlichen Räumen – reaktivieren
und modernisieren und ein bundesweites Netz von
Radschnellwegen finanzieren.
Um den Luft- und Schiffsverkehr klimaneutral zu
modernisieren, unterstützen wir die Produktion
nachhaltiger Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien,
zum Beispiel E-Kerosin, fördern Technologien zur
Kraftstoffeinsparung und den schnellen Aufbau
einer klimaneutralen Energieversorgung in Häfen,
insbesondere einer klimaneutralen Landstromver-
sorgung. Inlandsflüge wollen wir durch eine Verbes-
serung der Bahn überflüssig machen.
Wir wollen, dass alle in Stadt und Land günstig,
sicher und klimafreundlich unterwegs sein können,
egal mit welchem Verkehrsmittel. Mobil auf dem
Land setzt vielerorts ein eigenes Auto voraus. Wir
wollen den öffentlichen Verkehr so entwickeln, dass
er auch auf dem Land eine alltagstaugliche Alterna-
tive zum Auto wird. Rufbusse und andere Konzepte
wie digital vernetzte Kleinbusse können den Takt-
verkehr in der Fläche ergänzen. Bis zur nächsten
Bundestagswahl wollen wir, dass dies exemplarisch
in mindestens zehn Landkreisen Wirklichkeit wird.
Wir wollen, dass ein funktionierendes Miteinan-
der im Verkehr gelingt und alle sicher an ihr Ziel
kommen. Das ist nur erreichbar, wenn überhöhte
Geschwindigkeiten reduziert werden. In der Re-
gierung haben wir mit der Reform des Straßenver-
kehrsrechts für Kommunen in einem ersten Schritt
die Chance geschaffen, leichter Tempo 30 anzu-
ordnen und den Fuß- und Radverkehr zu stärken.
Als einziges Land weltweit erlaubt Deutschland das
unbegrenzte Rasen auf Autobahnen – zum Schaden
von Menschenleben und Umwelt. Ein Sicherheits-
tempo von 130 km/h auf Autobahnen als generelles
25Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Tempolimit ist deshalb überfällig. Den Bußgeldka-
talog für schwere Verkehrsverstöße wollen wir auf
europäisches Niveau bringen.
Um Verkehrsräume attraktiver zu gestalten, Barrie-
refreiheit auszuweiten und die Verkehrssicherheit
insbesondere von Schulwegen zu erhöhen, wol-
len wir Stadtumbau stärker fördern und veraltete
Regelwerke erneuern. Unser Leitbild dabei ist die
Vision Zero, also eine komplette Vermeidung von
Verkehrstoten.
Für eine verlässliche und
bezahlbare Bahn
Mit dem Deutschlandticket haben wir den Tarif-
dschungel im öffentlichen Personennahverkehr
(ÖPNV) gelichtet, Millionen von Kund*innenen
entlastet und ein attraktives Angebot entwickelt:
Bus und Bahn im Nahverkehr sind heute so günstig
wie nie zuvor. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir
fortschreiben und das Deutschlandticket weiter zu
einem günstigen Preis für alle anbieten. Unser Ziel
ist, gemeinsam mit den Ländern einen Ticketpreis
von 49 Euro sicherzustellen. Wir begrüßen es, wenn
Länder und Tarifverbünde Regelungen treffen, um
junge Menschen kostenlos oder stark vergünstigt
den ÖPNV nutzen zu lassen. Solche Angebote wol-
len wir bundesweit ausbauen.
Wir werden das Nahverkehrsangebot in Deutsch-
land weiter verbessern, um die Fahrgastzahlen in
klimaneutralen Bussen und Bahnen bis 2040 zu
verdoppeln. Bundesmittel wollen wir zusammen
mit höheren Ausgaben der Länder und Kommunen
für den Nahverkehr weiter steigern. Der öffentliche
Nahverkehr soll mittelfristig im ganzen Land ein
alltagstaugliches Angebot mit verlässlichen Takt-
verkehren garantieren. Unser mittelfristiges Ziel ist,
alle Dörfer in der Zeit von 6 bis 22 Uhr mindestens
einmal pro Stunde anzubinden.
Deutschland soll ein Bahnland werden, in dem man
seine Wege preiswert, bequem und klimaneutral
zurücklegen kann. Hier bleibt viel zu tun, aber der
Anfang ist gemacht: Immer mehr Menschen fah-
ren Bahn, Takte werden verbessert und neue Züge
eingesetzt. Unser Ziel ist der Deutschlandtakt, der
Städte und Regionen regelmäßig und verlässlich
miteinander verbindet. Das Schienennetz, das wir
marode vorgefunden haben, werden wir weiter mit
Hochdruck sanieren und im erforderlichen Maß
ausbauen. Auch für den Schienengüterverkehr wol-
len wir Kapazitäten, zum Beispiel im Kombiverkehr,
ausbauen und die Verlagerung von Straßentrans-
port auf die Schiene fördern.
Für gleichwertige Lebensverhältnisse
In den ländlichen Regionen ruht viel Kraft unseres
Landes. In manchen haben Unternehmen Firmen-
sitze, die Weltmarktführer sind, andere sind geprägt
durch einzigartige Naturschätze. Sie alle haben
eine eigene regionale Kultur und lokale Traditionen.
Es gilt ihre Vielfalt zu schützen und die Gleichwer-
tigkeit der Lebensverhältnisse zu verbessern.
Damit sich Eigeninitiative, Unternehmergeist und
Tatkraft voll entfalten können, braucht es eine
zeitgemäße Infrastruktur in jedem Dorf, im ganzen
Land. Mit erneuerbaren Energien und Klimaschutz
lassen sich vor Ort schwarze Zahlen schreiben. Die
Kommunen verdienen an der Energieerzeugung vor
Ort aus Wind und Sonne mit und gewinnen damit
eigene finanzielle Spielräume. Sie entscheiden
selbst, ob das Schwimmbad saniert oder das Ge-
meindezentrum erweitert wird. Eine digitale Infra-
struktur auf der Höhe der Zeit ist unverzichtbar für
wirtschaftliche Innovation – genauso wie für ge-
sellschaftliche Teilhabe. Und das heißt: Glasfaser in
Stadt und Land und Mobilfunk ohne Funklöcher. Mit
digitalen Standards können regionale Wirtschafts-
kreisläufe verbunden und gestärkt werden.
Jede und jeder muss sich überall in unserem Land
auf eine gute und erreichbare medizinische Versor-
gung verlassen können. Kommunale Gesundheits-
zentren, in denen Ärzt*innen, Pflegekräfte und The-
rapeut*innen unter einem Dach arbeiten, können in
vielen Regionen das Angebot verstärken. Lebendige
Ortskerne und offene Gemeindezentren sind oft die
Voraussetzung für ehrenamtliches Engagement und
Stärkung des Zusammenlebens. Lebendige Regio-
nen entstehen durch passende Rahmenbedingun-
gen für das Zusammenleben und gute Infrastruktur
– auch für junge Familien und ältere Menschen. Sie
wollen wir unterstützen und fördern.
26BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
E. EINE NATUR, DIE WIR
SCHÜTZEN
Für eine intakte Natur
Indem wir die Natur wiederherstellen und schützen,
schützen wir uns selbst: heute und in Zukunft. Mit
dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz
sind wir diese Aufgabe kraftvoll angegangen und
haben die Naturschutzfinanzierung in Deutschland
vervielfacht. Das wollen wir verstetigen, erweitern
und inhaltlich fortentwickeln und damit die Mittel
für den natürlichen Klimaschutz über 2028 hinaus
anwachsen lassen.
Europäisch ist ein Meilenstein gelungen: ein Gesetz
zur Wiederherstellung der Natur. Das werden wir
bis 2030 auf 20 Prozent der Fläche an Land und
im Meer umsetzen. Dafür werden wir Flächen für
die Wiederherstellung von Natur gesetzlich garan-
tiert zur Verfügung stellen, denn auch sie liegen in
einem überragenden gesellschaftlichen Interesse.
Dazu wollen wir einen Schub für den Naturschutz:
wirksame Maßnahmen gegen weiteren Flächenver-
brauch, unbürokratische und schnellere Ausweisung
von Naturschutzgebieten und zusammenhängende
Biotopverbünde und Großschutzgebiete nach dem
Vorbild des ostdeutschen Großschutzgebietspro-
gramms nach der Wende. Frei fließende Flüsse,
naturnahe Bäche und wilde Weiden nehmen dabei
eine zentrale Rolle ein und müssen – wo immer
möglich – erhalten bleiben oder wiederhergestellt
werden. Den unnatürlichen Ausbau der Flüsse, wie
er zum Beispiel an der Mittelelbe oder im Odertal
geplant ist, lehnen wir ab.
Unsere Verantwortung für besonders typische Le-
bensräume wie das Wattenmeer, Buchenwälder und
Streuobstbestände sowie für besonders bedrohte
Arten wie die Wildkatze oder den Feuersalamander
werden wir durch Artenhilfsprogramme und beson-
dere Schutzmaßnahmen wahrnehmen. Den Bundes-
naturschutzfonds werden wir weiter stärken.
Um dies alles umzusetzen, braucht es mehr Unter-
stützung für die Zivilgesellschaft, insbesondere in
ländlichen Räumen. Denn der Erfolg des Aktions-
programms zeigt: Die Menschen und die Kommu-
nen wollen mehr Natur – es sind die Engagierten
und Organisationen vor Ort, die sehr oft der Motor
des Natur- und Artenschutzes sind.
Die Staatengemeinschaft hat vor zwei Jahren in
Montreal eine globale Vereinbarung für den Schutz
der Natur und Artenvielfalt mit ambitionierten
Zielen beschlossen – das ist auch für uns ein klarer
Auftrag, für den Erhalt und die Wiederherstellung
intakter Ökosysteme zu arbeiten. Mit einer verbind-
lichen Nationalen Biodiversitätsstrategie werden
wir diese Ziele national umsetzen.
Dort, wo wir durch den Artenschutz bereits nach-
haltige Erfolge erzielt haben, sind wir auch offen für
pragmatische Herangehensweisen, um existierenden
Zielkonflikten gerecht zu werden. Indem wir bei-
spielsweise beim Wolf die Regeln für Abschüsse in
problematischen Fällen vereinfacht haben, erhöhen
wir die Akzeptanz des Artenschutzes als Ganzes.
Unsere Wälder sind wichtig für die Artenvielfalt und
Verbündete beim Klimaschutz. Gleichzeitig sind sie
Erholungsraum und Grundlage für die forstwirt-
schaftliche Nutzung. Aber wir erleben ein zweites
Waldsterben. Klimawandel, Trockenheit und Schäd-
lingsbefall haben inzwischen dazu geführt, dass
Wälder mehr CO₂ emittieren als senken. Wir werden
deshalb naturnahe Wälder mit heimischen und
standortgerechten Baumarten erhalten und wieder-
herstellen. Um das Ökosystem Wald zu erhalten,
setzen wir auf ein modernes Bundeswaldgesetz,
das natur- und klimaverträgliche Holznutzung zum
Standard macht.
Für eine gesunde Umwelt
Die zunehmende Verschmutzung und Vermüllung
ist neben der Klima- und Biodiversitätskrise die
dritte große Herausforderung für den Schutz unse-
rer natürlichen Lebensgrundlagen. Mit sauberen
Böden, frischer Luft und Rückzugsorten, an denen
man auch mal seine Ruhe genießen kann, sorgen
wir für mehr Lebensqualität. Ob dreckige Luft oder
Lärm, wir wollen die Leitlinien der Weltgesund-
heitsorganisation (WHO) zum gesetzlichen Maßstab
für ein gesundes Leben in Deutschland und Europa
machen. Durch einen stärker vorsorgenden Ansatz
bringen wir den Schutz unserer Böden ins 21. Jahr-
27Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
hundert. Dies bedeutet weniger giftige Rückstände
im Boden und einen insgesamt rücksichtsvolleren
Umgang aller Nutzer*innen, um die Kraft unserer
Böden zu entfesseln.
Unser Ziel ist es, den Verpackungsmüll wirksam zu
reduzieren und die Vermüllung von Landschaft und
Gewässern zu stoppen. Kunststoffhersteller werden
wir stärker an den Umweltkosten ihrer Produkte be-
teiligen. Spätestens ab 2045 soll kein vermeidbarer
Verpackungsmüll mehr anfallen.
Bei der Reform des europäischen Instruments für
die Sicherheit von Chemikalien (REACH-Regelung)
wollen wir schneller vorankommen. Wir unterstüt-
zen einen risikobasierten Ansatz, der die Wechsel-
wirkungen der Chemikalien berücksichtigt. Wichtig
sind uns dabei die Beschleunigung der Verfahren
und die Verbesserung der Sanktionsmöglichkeiten.
Stoffe, die Mensch und Ökosysteme dauerhaft schä-
digen, wie die sogenannten Ewigkeitschemikalien
nehmen wir besonders in den Blick. Überall dort,
wo sie gut ersetzt werden können und insbesonde-
re in verbrauchernahen Produkten, wollen wir aus
ihrer Verwendung rasch aussteigen.
Für die Folgen der Verschmutzung von Wasser
sollen die Verschmutzer aufkommen. Dafür wollen
wir die Hersteller von wassergefährdenden Stoffen
stärker in die Verantwortung nehmen. Der Ver-
müllung von Flüssen und Meeren wollen wir durch
Abwassermanagement entgegentreten, Nährstoff-
einträge reduzieren und die Verhandlungen für ein
internationales Plastikabkommen erfolgreich ab-
schließen. Meere schützen wir auch durch ein Ende
der Öl- und Gasförderung in Nord- und Ostsee bis
2035. Wir wollen Technik fördern, die eine Bergung
der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee und ein
umweltverträgliches Abfischen von Müll aus dem
Meer ermöglicht.
Für sauberes Wasser und
lebendige Meere
Sauberes Wasser ist zentral für unsere Gesundheit,
unsere Lebensqualität und das Funktionieren unse-
rer Ökosysteme. Verschmutzung und die Klimakrise
bedrohen unsere Wasserressourcen. Wir sorgen da-
für, dass wir weiterhin sauberes Trinkwasser haben,
dass die Landwirtschaft versorgt wird und unsere
Flüsse, Seen und Meere intakt bleiben.
Mit der Nationalen Wasserstrategie haben wir einen
Masterplan vorgelegt, wie wir diese Ziele erreichen.
Wir wollen die finanziellen und personellen Be-
dingungen schaffen, damit wir sie – gemeinsam mit
den Ländern, aber auch über unsere Landesgrenzen
hinaus – effektiv umsetzen können.
Wir wollen den natürlichen Wasserhaushalt wieder-
herstellen. Dafür wollen wir Städte und Landschaf-
ten so nutzen und gestalten, dass sie Wasser auf-
nehmen, speichern und bei Bedarf wieder abgeben
können. Durch faire Entgelte, besonders für inten-
sive Nutzer, wollen wir die Nutzung lenken und
Unternehmen zum Wassersparen anregen.
Die verletzlichen Ökosysteme unserer Meere brau-
chen besonderen Schutz – deshalb entwickeln wir
eine ambitionierte Meeresstrategie und schaffen
damit echte Rückzugsgebiete für Fischschwärme
und Meeressäuger. In einem Zehntel der deutschen
Nord- und Ostsee soll die Natur völlig unberührt
bleiben, während neue Schutzregeln auch in den
übrigen Gewässern das Leben im Meer bewahren.
Weltweit setzen wir uns weiter für ein Moratorium
beim Tiefseebergbau ein. Die Einnahmen aus dem
Verkauf von Meeresflächen für Windkraftanlagen
sollen auch künftig direkt in den Meeresschutz flie-
ßen – so verbinden wir umweltfreundliche Strom-
erzeugung mit dem Schutz der Meere.
Wir fühlen uns dem Schutz des Wattenmeers be-
sonders verpflichtet. Das Wattenmeer ist eines der
bioproduktivsten Ökosysteme weltweit. Es ist nicht
nur Lebensraum für Schweinswale und Robben,
sondern auch eine unersetzliche Nahrungsquelle
für zahlreiche Zugvögel und Fischpopulationen.
Dieser Schatz der Natur darf durch Gasbohrungen
um Borkum nicht zerstört werden.
28BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
F. EINE ZUKUNFTSFESTE
LANDWIRTSCHAFT
Für starke Landwirtinnen und Landwirte
Um die Ernährungssicherheit langfristig zu gewähr-
leisten, braucht es krisenfeste Betriebe, die sich
auf die Veränderungen einstellen können und ein
verlässlicher Partner beim Schutz der natürlichen
Grundlagen sind. Auf dem Weg zu einer zukunfts-
festen Landwirtschaft setzen wir auf den Einsatz,
den Unternehmergeist und das Wissen der Land-
wirt*innen.
Die Landwirtschaft bekommt große finanzielle
Unterstützung, insbesondere die Gelder aus der Ge-
meinsamen Agrarpolitik (GAP). Sie muss die finan-
zielle Basis für den Schutz der natürlichen Grundla-
gen werden. Für die anstehende Neugestaltung ab
2027 gilt für uns: öffentliche Gelder für öffentliche
Leistungen.
Die Wettbewerbsposition von Landwirt*innen
gegenüber anderen Akteuren der Wertschöpfungs-
kette soll gestärkt werden. Deswegen führen wir
das Gebot des Kaufs zu kostendeckenden Preisen
entlang der gesamten Lebensmittelkette ein und
verankern verbindliche schriftliche Verträge im
Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz. Wir
wollen eine kartellrechtliche Prüfung, um auch im
oligopolen Lebensmittelhandel faire Erzeugerpreise
und Wettbewerb zu sichern.
Die Wiedervernässung von Mooren ist ein wichtiger
Beitrag zum Klimaschutz. Wir werden die Rahmen-
bedingungen deshalb so gestalten, dass landwirt-
schaftliche Flächen durch die Wiedervernässung an
wirtschaftlicher Attraktivität gewinnen. Zusätzliche
Verdienstmöglichkeiten für die Landwirt*innen
treiben wir etwa durch den Ausbau von Agri-Photo-
voltaik sowie die Stärkung von Hanf und auch
Schilf als Dämmung im Bausektor voran. Und wir
unterstützen Betriebe dabei, in neuen innovativen
Märkten wie alternative und pflanzliche Proteine
Fuß zu fassen.
Für die Tierhalter in Deutschland braucht es eine
Antwort auf die veränderten Konsumgewohnheiten
und den stetig sinkenden Fleischkonsum, der sich
aus tierethischen, gesundheits-, umwelt- und klima-
politischen Gründen vollzieht. Eine gute Prämisse
sowohl im Sinne von Unternehmen als auch Tieren
ist: weniger Tiere besser halten. Dafür haben wir
den Umbau der Ställe für Schweine hin zu einer
tiergerechten Haltung so stark gefördert wie keine
Bundesregierung zuvor. Wir setzen uns dafür ein,
dass es auch in der nächsten Legislatur dafür aus-
reichend Mittel gibt, um die Lebensbedingungen für
alle Tierarten zu verbessern. Wir haben die Hal-
tungskennzeichnung für Schweinefleisch eingeführt
und ermöglichen Verbraucher*innen damit eine
bewusste Kaufentscheidung. Diese Kennzeichnung
werden wir auch auf die anderen Tierarten und die
Außer-Haus-Verpflegung ausweiten. Kleine Gastro-
nomiebetriebe werden wir ausnehmen.
Auch regionale Produkte sind bei immer mehr
Verbraucher*innen gefragt. Deshalb wollen wir
landwirtschaftliche Betriebe mit dem regionalen
Lebensmittelhandwerk zusammenbringen – bei-
spielsweise mit der Förderung regionaler Wert-
schöpfungsketten.
Für die natürlichen Grundlagen
unserer Ernährung
Die Auswirkungen der Klimaerhitzung, des Insek-
tensterbens und unseres Umgangs mit gesunden
Böden sind zentrale Herausforderungen für unsere
Ernährungssicherheit. Zukunftsfeste Landwirtschaft
stellt sich diesen Herausforderungen. Dafür braucht
es neben mehr Wertschätzung auch genügend
Wertschöpfung. Unnötige Bürokratie werden wir
aktiv abbauen, ohne notwendige Standards im Um-
welt- und Verbraucherschutz abzubauen.
Dafür braucht es einen möglichst sparsamen und
bedachten Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln.
Der Pestizideinsatz soll EU-weit bis 2030 halbiert
werden, um die EU-Farm-to-Fork-Strategie umzuset-
zen. Wir setzen hier auf Innovation, Digitalisierung
sowie einkommenswirksame Honorierungen von
Umweltleistungen. Und wir setzen auf marktwirt-
schaftliche Lösungen wie eine Pestizidabgabe, die
wirksam und unbürokratisch ist. Außerdem schaffen
wir genügend geschützte Rückzugsräume für die
Natur. Wir bringen Agroforstsysteme raus aus der
29Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Nische und rein in die Fläche. Wir unterstützen die
Landwirt*innen dabei, hier Bäume und Ackerkultur
zu kombinieren. Damit leisten sie einen Beitrag zum
Schutz der Böden und Artenvielfalt.
Eine wichtige Rolle beim Schutz der natürlichen
Grundlagen spielt die ökologische Landwirtschaft.
Naturschonende Erzeugungsformen müssen einen
Vorteil gegenüber Produktionsweisen haben, die
starke Umweltfolgen nach sich ziehen. Wir unter-
stützen sie daher und arbeiten deshalb weiter an
dem Ziel 30 Prozent Ökolandbau bis 2030.
Wir brauchen auch einen sorgsameren Umgang
mit wertvollen Agrarflächen. Dafür führen wir im
Planungsrecht Vorrangflächen für die Nahrungs-
mittelproduktion ein. Bei der Biomasse setzen wir
auf die sorgsame Kaskaden- und Mehrfachnutzung.
Übernutzte und geschädigte Böden gefährden eine
gesunde Ernährung. Sie speichern weniger Wasser
und verlieren relevante Nährstoffe. Dem wollen wir
durch ein neues Bodenschutzgesetz vorbeugen.
Für gute Ernährung
Jede und jeder kann selbst entscheiden, was er oder
sie essen möchte. Aber nicht alle können sich so
ernähren, wie sie gern würden. Das ist auch eine
soziale Frage: Dort, wo Menschen sozial benachtei-
ligt werden, sind ernährungsbedingte Krankheiten
besonders häufig. Deshalb wollen wir die Rahmen-
bedingungen so gestalten, dass die Wahlfreiheit bei
der Ernährung verbessert wird.
Dafür bauen wir auf die Ernährungsstrategie der
Bundesregierung „Gutes Essen für Deutschland“ auf
und schaffen eine bessere Ernährungsumgebung.
Ein besonderes Augenmerk legen wir dabei auf die
Gemeinschaftsverpflegung – von Kitas über Kanti-
nen bis Pflegeeinrichtungen. Außerdem werden wir
Kinder vor Werbung für ungesunde Lebensmittel
schützen und Geschmacksaromen für E-Zigaretten,
die besonders junge Menschen zum Konsum verlei-
ten, vom Markt verbannen. Zudem tragen stark zu-
ckerhaltige Softdrinks wesentlich zu Übergewicht,
Adipositas und Folgeerkrankungen bei. Gerade im
Sinne des Kinder- und Jugendschutzes setzen wir
uns für wirksame Maßnahmen zum Senken des
Zuckergehalts von Softdrinks ein.
Und wir werden weiter daran arbeiten, dass immer
weniger Lebensmittel, die noch gut sind, wegge-
schmissen werden. Wir wollen deshalb, dass die
Rettung und Weitergabe von Lebensmitteln Stan-
dard wird.
Für einen verbesserten Tierschutz
Tierschutz ist für uns eine Frage der Haltung. Die
Tiere, die wir nutzen, schlachten und essen, sollen
keine Qualen erleiden. Das beginnt bei der Zucht
und endet bei der Haltung. Wir wollen die Zucht lei-
densfreier Tiere fördern und Qualzuchten beenden.
Dazu gehören Puten, deren Brustfleisch so schnell
wächst, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen
halten können, und Hunde, die kaum atmen können.
Tierquälerei soll entschieden bestraft werden. Wir
wollen allen Menschen, die Tiere halten, Zugang zu
den notwendigen Kenntnissen geben. Da Tiere ihre
Rechte nicht selbst einklagen können, setzen wir
uns für ihre bessere rechtliche und politische Inter-
essenvertretung ein. Dafür muss eine Tierschutzbe-
auftragte bzw. ein Tierschutzbeauftragter, dieses Amt
wurde in dieser Legislatur geschaffen, verbindlich
verankert und ein Verbandsklagerecht für anerkann-
te Tierschutzorganisationen eingeführt werden.
Die meisten Tiere in Deutschland werden in der
Landwirtschaft gehalten, viele immer noch mit zu
wenig Platz und nicht tiergerecht. Deshalb setzen
wir uns dafür ein, dass dort weniger Tiere besser
gehalten werden, sich frei bewegen können und
ihrer natürlichen Lebensweise nachgehen können.
Die Dauer von Tiertransporten wollen wir europa-
weit effektiv auf vier Stunden begrenzen, Trans-
porte aus der EU heraus verbieten und Wege der
Umgehung durch neue Transitländer verhindern.
Schlachtmethoden wollen wir im Sinne des Tier-
schutzes verbessern.
Tierversuche wollen wir reduzieren und – wo im-
mer möglich – durch innovative, tierversuchsfreie
Methoden ersetzen. Das stärkt auch den modernen
Forschungsstandort Deutschland.
Tierheime sind bundesweit am Limit, sie müssen
finanziell besser unterstützt und entlastet werden.
Illegaler Tierhandel schadet Tieren und erzeugt
Gesundheitsrisiken für den Menschen und gehört
30BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
deshalb beendet. Wildtiere gehören in die Wildnis
und nicht in Zirkusse, sie sollten nicht über gewerb-
liche Onlineseiten und Wildtierbörsen angeboten
werden. Kommerzielle Importe von Wildfängen
wollen wir beenden.
31Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
KAPITEL 2
EINFACH
DABEI SEINFAIR UND BEZAHLBAR
Die Kraft unseres Landes fußt darauf, dass alle
Menschen sich selbstbewusst einbringen und ent-
falten können. Dass ihre Leistung, ihre Erfahrung
und ihre Kompetenzen etwas zählen und sich der
Einsatz lohnt. Die Kraft unseres Landes beruht auf
den Menschen, die jeden Tag anpacken, in Fabriken
und Büros, in Krankenhäusern und Pflegeheimen, in
Kitas und Universitäten.
Es geht darum, die aktuelle Verunsicherung in neue
Sicherheit zu verwandeln. Denn viele Menschen
fühlen sich überfordert: Steigende Mieten und
Lebenshaltungskosten machen das Leben für viele
kaum mehr bezahlbar. Zu wenig Kitapersonal und
-plätze, die aufwendige Suche nach einem Arztter-
min oder langwierige Behördengänge machen das
Leben anstrengend und kompliziert. Die Leute wol-
len gestalten, sich etwas aufbauen, für ihre Familie
sorgen, aus eigener Kraft. Dafür haben sie gute Rah-
menbedingungen verdient. Alle müssen sich darauf
verlassen können, dass der Staat die Institutionen
bereithält, die sie unterstützen.
Ein gutes Bildungssystem ist gleich in mehrfacher
Hinsicht der Zentralschlüssel für eine gute Zukunft
unseres Landes. Hier entwickeln sich individuelle
Freiheit, die Möglichkeit zu persönlicher Selbst-
bestimmung ebenso wie die zu gesellschaftlicher
Teilhabe. Mit der Bildung entscheiden sich die
Lebenschancen junger Menschen: Das fängt grund-
legend mit der Kita an und reicht bis zu Ausbildung
oder Studium – und darf dort nicht enden. Und
das gilt ganz gleich, ob man im späteren Leben im
Handwerk, der Wissenschaft, im Dienstleistungs-
gewerbe oder der Industrie arbeitet. Mit der Bil-
dung entscheidet sich zudem, ob wir unser Land fit
bekommen für die Anforderungen der neuen Zeit.
Wir statten die jungen Menschen mit Fähigkeiten
aus, die in der neuen, digitalen und klimaneutralen
Arbeitswelt unverzichtbar sind. Es ist an der Zeit,
dem endlich auch in der Bundespolitik Rechnung
zu tragen – Hand in Hand mit Ländern und Kommu-
nen in einem modernen Föderalismus. Wir stärken
unsere Bildungssysteme, damit sie besser als heute
Kindern mit Migrationsgeschichte und aus sozio-
ökonomisch benachteiligten Familien die gleichen
Chancen auf Teilhabe und Aufstieg ermöglichen.
Gute Arbeit und faire Löhne sind die Grundla-
ge dafür, sich etwas aufzubauen – in materieller
Sicherheit. Arbeit ist der Ort, an dem die Menschen
viel Lebenszeit verbringen, an dem sie ihren ge-
sellschaftlichen Beitrag messen, an dem sie Stolz
ausprägen – oder auch verlieren. Diesen Stolz in
die Zukunft zu tragen – in einer Gesellschaft, in
der man sich einbringen kann, in der Anstrengung
honoriert wird und das Sicherheitsnetz für alle
funktioniert. Das ist unser Ziel.
Die Frage des Wohnens ist entscheidend für die
Umstände unseres Lebens. Die Wahl eines Arbeits-
platzes, die Möglichkeit einer Familiengründung und
die Gestaltung des sozialen Umfelds hängen maß-
geblich vom Wohnen ab. Es bezahlbar zu machen, ist
also eine entscheidende soziale Herausforderung.
Wir nehmen sie an, begrenzen effektiv Mieten, er-
leichtern das Bauen und den Zugang zu Eigentum.
Wir wollen für die Menschen eine angemessene
und unkomplizierte soziale Absicherung, die die
elementaren Dinge eines Lebens in Würde abdeckt.
Das gilt für ein gutes und solidarisches Gesund-
heitssystem, das für alle da ist. Das gilt für ein
Pflegesystem, das verlässlich und bezahlbar ist und
32BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
allen Menschen ein Alter in Würde ermöglicht. Das
gilt ganz besonders für Kinder und Jugendliche,
deren Zukunft nicht von der Lotterie ihrer sozialen
Umstände abhängen darf. Es gilt für Menschen, die
unverschuldet ihre Arbeit verlieren. Und es gilt für
eine soziale Sicherung im Alter, die Geleistetes wür-
digt und die Angst vor der Armut nimmt.
A. STARKE TEILHABE:
GUTE ARBEIT,
BEZAHLBARES WOHNEN,
FAIRE LÖHNE
Für gute Arbeit und faire Löhne
Gute Arbeit und faire Löhne sind entscheidend dafür,
dass Menschen für sich und ihre Familien sorgen
können, dass sie sich einbringen können und stolz
auf den gemeinsam erreichten Wohlstand sein
können. Wir wollen, dass alle Zugang zu guter Arbeit
haben: durch eine gute Ausbildung, Fort- und Wei-
terbildung, durch bessere Integration in einen in-
klusiven Arbeitsmarkt sowie durch Erleichterung der
Arbeitsaufnahme bzw. Abbau von Arbeitsverboten.
Faire Löhne verlangen nach einem fairen Mindest-
lohn, damit Leistung auch anerkannt wird. Um die
Inflation der vergangenen Jahre auszugleichen,
braucht es jetzt einen Mindestlohn von zunächst 15
Euro im Jahr 2025, der auch für unter 18-Jährige gilt.
Das entspricht auch den Vorgaben, die bei der Um-
setzung der Mindestlohnrichtlinie der Europäischen
Union (EU) einzuhalten sind. Und es braucht eine
stärkere Tarifbindung. Denn wer nach Tarif arbeitet,
verdient im Schnitt mehr und das unter besseren
Arbeitsbedingungen. Deshalb wollen wir die All-
gemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen
erleichtern. Durch ein Tariftreuegesetz werden wir
öffentliche Aufträge des Bundes in der Regel an
Unternehmen vergeben, die nach Tarif bezahlen.
Die betriebliche Mitbestimmung ist gelebte De-
mokratie. Sie macht die Beschäftigten zu aktiven
Akteuren bei der Gestaltung ihrer Arbeitswelt. Wenn
sich die Beschäftigten einmischen können, wenn
sie ihre Arbeitsbedingungen mitgestalten können,
dann entsteht auch in Zeiten von Veränderungs-
prozessen Vertrauen und Akzeptanz. Die betrieb-
liche Mitbestimmung werden wir daher stärken und
auf Mitbestimmungsrechte in Sachen Klima- und
Umweltschutz, Qualifizierungsmaßnahmen sowie
Gleichstellung im Betrieb erweitern. Gegen Schein-
selbstständigkeit, etwa bei Plattformunternehmen,
den Missbrauch von Werkverträgen und Schwarzar-
beit wollen wir entschieden vorgehen. In Branchen,
die von Schwarzarbeit betroffen sind, sorgen wir für
eine digitale und manipulationssichere Erfassung
der Arbeitszeit.
Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit:
Dieser Slogan wird Wirklichkeit, wenn Frauen ihr
Recht auf gleiche Bezahlung auch in der Praxis
umsetzen können. Deshalb werden wir die EU-Ent-
gelttransparenzrichtlinie zügig und vollständig
umsetzen. Wir wollen die Regeln verbindlicher und
besser einklagbar machen und dadurch Gleich-
stellung wirksam voranbringen. Die Erwerbsmög-
lichkeiten für Frauen verbessern wir durch gleiche
Löhne und flexible Arbeitszeitmodelle und durch
das Rückkehrrecht in Vollzeit. Eine gute Kinderbe-
treuung ist dabei wesentliche Voraussetzung für die
Erwerbstätigkeit aller Erziehenden. Es kommt uns
dabei darauf an, Arbeit und Familie vereinbarer zu
gestalten und Sorgearbeit fairer zu verteilen.
Minijobs wollen wir schrittweise in sozialversi-
cherungspflichtige Beschäftigung überführen, mit
Ausnahmen für Rentner*innen, Schüler*innen und
Studierende. Denn sie führen vor allem für Frauen
und in Kombination mit dem Ehegattensplitting zu
einer Teilzeitfalle, weil sie den Anreiz setzen, weni-
ger und ohne soziale Absicherung zu arbeiten. Dies
verschärft auch den Arbeitskräftemangel und die
Altersarmut. Um mit marktwirtschaftlichen Mitteln
die Gehälter am unteren Ende zu erhöhen, wollen
wir Gehaltsangebote in Stellenausschreibungen
grundsätzlich transparent machen.
Für bezahlbares Wohnen
Bezahlbares Wohnen ist zu einer der entschei-
denden sozialen Fragen unserer Zeit geworden.
Es ist in der vergangenen Legislaturperiode leider
nicht gelungen, entsprechende Abhilfe zu schaffen.
Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft stehen
vor Fragen wie: Kann ich an meinem Wohnort eine
33Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Familie gründen? Kann ich mir dort eine Wohnung
leisten, wo ich ein Jobangebot habe? Wie kann ich
im Alter wohnen? Wir wollen, dass Menschen in
Deutschland bezahlbaren Wohnraum finden und
sich keine Ängste und Sorgen um den Verbleib in
ihrer Wohnung machen müssen. Es braucht mehr
Wohnungen, kluge und sozialverträgliche Moder-
nisierung und den Schutz vor zu hohen Mietsteige-
rungen im Bestand.
Etwa die Hälfte der Menschen in unserem Land
lebt zur Miete und gibt dafür immer mehr Geld
aus. Die Mietpreisbremse muss verlängert werden.
Sie soll Anstiege der Mieten über die ortsübliche
Vergleichsmiete hinaus zudem stärker begrenzen.
Den Betrachtungszeitraum zur Ermittlung der Ver-
gleichsmiete wollen wir dafür deutlich verlängern.
Wir wollen die Mietpreisbremse außerdem bereits
auf Wohnungen anwenden, die älter als fünf Jah-
re sind. Und wir werden Schlupflöcher schließen,
etwa wenn Wohnungen nicht zu fairen Preisen,
sondern überteuert als möblierte Wohnung oder
Ferienwohnung angeboten werden. Auch einen
Stopp von Mietensteigerungen über die ortsübliche
Vergleichsmiete hinaus wollen wir für sehr ange-
spannte Wohnungslagen regional ermöglichen. Bei
bestehenden Mietverhältnissen, auch bei Staffel-
und Indexmieten, werden wir dafür sorgen, dass die
Menschen nicht durch sehr starke Mietsteigerungen
aus ihren Wohnungen vertrieben werden.
Obdachlosigkeit sollte in einem reichen Land wie
Deutschland nicht vorkommen – ein eigenes Zu-
hause ist eine wichtige Voraussetzung für ein Leben
in Würde und für gesellschaftliche Teilhabe. Mit
dem Housing-First-Ansatz können wir Obdachlose
direkt in eigene Wohnungen vermitteln.
Mieter*innen wollen wir besser schützen, beson-
ders vor dem Missbrauch von Kündigungen wegen
Eigenbedarf oder Mietschulden. Viele Menschen
haben das Interesse, ihre Wohnung zu tauschen,
weil sich ihre Lebensumstände geändert haben.
So könnte Wohnraum besser genutzt werden. Wir
wollen Menschen bei diesen Plänen unterstützen,
indem wir rechtliche Hürden abbauen und Förder-
instrumente anpassen und flexibilisieren.
Ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung gibt
Sicherheit und Freiheit. Deshalb wollen wir die
Chance auf ein Eigenheim leichter zur Realität
werden lassen. Wir wollen den Kauf von selbst
genutztem Wohneigentum und die Modernisie-
rung leer stehender Wohnungen und Ausbauten zu
günstigem Wohnraum stärker fördern. Wir entlasten
bei den Nebenkosten wie den Makler- und Notar-
gebühren. Eine Wohnungsbauprämie, deren Höhe
mit der Inflation steigt und eine Klimakomponente
beinhaltet, erleichtert auch Menschen mit gerin-
gem Einkommen den Zugang zu Wohneigentum.
Wenn Mieter*innen gemeinschaftlich ihr Wohnhaus
übernehmen wollen, beispielsweise durch eine Ge-
nossenschaft, wollen wir das unbürokratisch durch
günstige Kredite oder Bürgschaften unterstützen.
Für schnelles, günstiges und
klimaverträgliches Bauen
Wir wollen da, wo Wohnraum fehlt, die Rahmenbe-
dingungen für schnelles, möglichst preiswertes und
klimaverträgliches Bauen schaffen.
Dafür braucht es eine realistische Strategie. Der
beste Weg liegt darin, vorhandenes Potenzial zu
nutzen: bestehende Gebäude aufstocken, ungenutz-
te Büroflächen zu Wohnraum umwandeln, Dachbö-
den ausbauen und leer stehende Gebäude wieder
aktivieren. Mehrere Millionen Wohnungen könnten
auf diesem Weg bereitgestellt werden. Hier muss
nicht aufwendig neue Infrastruktur gelegt werden,
was das Bauen einfacher und günstiger macht. Das
scheitert bislang oftmals an rechtlichen Hürden
und Bürokratie. Wir wollen dieses Potenzial nutzen.
Dazu werden wir das Baurecht vereinfachen, Ver-
fahren digitalisieren und bundesweit angleichen –
davon profitieren alle Formen des Bauens. Übertrie-
bene Anforderungen an bauliche Standards werden
wir auf ein sinnvolles Maß zurückführen. Wir wollen
es erleichtern, dass die Sanierung von Wohnungen
mit Aufstockung oder Erweiterung verbunden wird.
Wohnraum und Bauflächen dürfen kein Spekula-
tionsobjekt sein. Steuerschlupflöcher bei Immobi-
liengeschäften, etwa über sogenannte Share Deals,
sind deshalb zu schließen. Stattdessen stärken wir
das Vorkaufsrecht von Kommunen. Den sozialen
und gemeinnützigen Wohnungsbau unterstützen
34BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
wir, indem im Bund die Fördermittel für sozialen
Wohnungsbau erhöht werden. Gemeinnützige und
genossenschaftliche Wohnungsunternehmen wol-
len wir besonders unterstützen. Die Neue Wohnge-
meinnützigkeit wollen wir weiter stärken.
Klimaverträgliches Bauen und Sanieren nutzt nicht
nur dem Klima, es reduziert auch zukünftige Wohn-
kosten. Damit diese positiven Effekte auch bei Mie-
ter*innen ankommen, wollen wir klare Anreize dafür
setzen, dass Vermieter*innen verfügbare öffentliche
Fördermittel zur Sanierung auch tatsächlich nutzen.
Dazu gibt es viele Wege: Manchmal sind es neue
Technologien, manchmal der Rückgriff auf bewährte
Bautraditionen, die den Schlüssel dazu liefern. Die
Kreislaufwirtschaft beim Bau ist ebenfalls entschei-
dend, damit Bauschutt vermieden, Rohstoffe ge-
schont und Material wiederverwendet werden kann.
Wir reduzieren Vorschriften, die dem im Weg stehen.
Um die Finanzierung von klimafreundlichen Sanie-
rungen zu erleichtern, wollen wir sanierte Gebäude
einfacher als taxonomiekonform anerkennen. Kom-
fortables, preiswertes und klimaverträgliches Bauen
bedarf technischer und rechtlicher Innovationen
– es ermöglicht auch neue Formen des Zusammen-
lebens. Dieses neue Zusammenspiel sollten wir als
Gesellschaft mithilfe des Instruments des Reallabors
unkompliziert ausprobieren und daraus lernen.
Für ein gerechtes Steuersystem
Deutschland ist ein wohlhabendes Land. Vielen
Menschen geht es gut. Aber es gibt auch diejeni-
gen, die sich außer Miete und Lebensmitteln kaum
etwas leisten können. Diese Menschen haben be-
sonders unter der Inflation der vergangenen Jahre
gelitten. Und der Wohlstand in unserer Gesellschaft
ist ungleich verteilt. Das reichste Prozent der Deut-
schen besitzt mehr Vermögen als 90 Prozent der
Gesellschaft zusammen.
Insbesondere bei der Konzentration von sehr hohen
Vermögen gibt es auch im internationalen Vergleich
große Handlungsnotwendigkeit in Deutschland.
Zum Angehen dieser großen Gerechtigkeitslücken
gehören folgende Möglichkeiten: eine globale Mil-
liardärssteuer, eine fairere Erbschaftssteuer, eine ge-
rechte Immobilienbesteuerung ohne Schlupflöcher
oder eine nationale Vermögenssteuer. Wir wollen die
Ziele Gerechtigkeit, Gemeinwohlfinanzierung und
den Erhalt von Betrieben, ihren Investitionsmöglich-
keiten und ihren Arbeitsplätzen zusammenbringen.
Das ist alles andere als einfach, aber wir möchten
endlich etwas erreichen. Deswegen fokussieren wir
uns auf folgende Maßnahmen: das effektive An-
gehen der Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer für
außerordentlich große Erbschaften, den aktiven
Einsatz für die Einführung der globalen Milliardärs-
steuer sowie das Schließen weiterer offenkundiger
Gerechtigkeitslücken im Steuersystem, vor allem
bei der Immobilienbesteuerung wie Share Deals
und beim Auseinanderklaffen der Besteuerung von
Arbeits- und Kapitaleinkünften.
Um die Erwerbstätigen bürokratisch und finanziell
zu entlasten, werden wir die Arbeitnehmerpausch-
beträge in der Einkommensteuererklärung anheben.
Wir wollen eine Anhebung auf 1.500 Euro. Dies wird
dazu führen, dass mehr als die Hälfte der Arbeit-
nehmer*innen keine Belege für ihre Steuererklärung
mehr sammeln muss. Wer höhere Auslagen hat, kann
sie bei der Steuererklärung wie gewohnt angeben.
Um insbesondere niedrige Einkommen zielge-
nau und unbürokratisch zu entlasten, führen wir
Steuergutschriften ein. Das ist ein Baustein, um die
Arbeitsanreize im Bürgergeldsystem zu erhöhen.
Alleinerziehende entlasten wir gezielt durch eine
Steuergutschrift. Den Grundfreibetrag erhöhen wir.
Den Solidaritätszuschlag werden wir in den Ein-
kommensteuertarif integrieren.
B. EINE GUTE BILDUNG
FÜR GUTE CHANCEN
Für gute und verlässliche Kitas
Gute Kitas und Ganztagsbildung sind der entschei-
dende Grundstein für die Zukunft unserer Kinder.
Eine gute und verlässliche Betreuungsinfrastruktur
mit einem gestärkten Bildungsangebot bietet Kin-
dern gleiche Chancen von Anfang an und ermög-
licht Eltern, Familie und Beruf besser zu vereinba-
ren. Ein Gewinn für unsere Gesellschaft insgesamt.
35Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Leider wird unser Land diesem Anspruch bei Wei-
tem nicht gerecht. Kitaplätze fehlen in weiten Tei-
len des Landes. Dort, wo Eltern einen Platz für ihren
Nachwuchs ergattern, wird der Betrieb regelmäßig
wegen Personalknappheit eingeschränkt oder ganz
eingestellt. Es fehlen schon jetzt Erzieher*innen,
und wir wissen, dass bereits viele an oder über der
Belastungsgrenze arbeiten. Deshalb investieren wir
in gute Kitas und die Gewinnung von Erzieher*in-
nen und unterstützenden Arbeitskräften. Außerdem
setzen wir uns für schulgeldfreie Ausbildungen, be-
rufsbegleitende Anerkennungsverfahren, schnellere
Anerkennung ausländischer Abschlüsse und flexib-
lere Weiterbildungen und Umschulungen ein. Denn
nur wenn ausreichend gut qualifizierte Fachkräfte
ausreichend Zeit für ihre Arbeit haben, können
unsere Kitas dauerhaft Bildung und Betreuung auf
hohem pädagogischen Niveau ermöglichen.
Mit dem Kita-Qualitätsgesetz investiert der Bund
derzeit jährlich rund 2 Milliarden Euro in gute Kitas.
Diesen Weg setzen wir fort, indem wir bundes-
weite Qualitätsstandards im Kitabereich gesetz-
lich festschreiben und im Bund die Investitionen
in frühkindliche Bildung erhöhen und verstetigen.
Ein besonderes Augenmerk haben wir dabei auf
Kitas mit einem hohen Anteil sozioökonomisch
benachteiligter Kinder. Dort wollen wir besonders
unterstützen. Und wir werden steuerliche Anreize
für Unternehmen einführen, die selbst oder in Ko-
operation Kitaplätze schaffen, sodass Kinder von
Beschäftigten in unmittelbarer Nähe zur Arbeits-
stelle betreut werden können.
Für starke Schulen mit starken Kindern
Schulen sind für Heranwachsende neben der Fa-
milie der Mittelpunkt ihres Lebens. Hier entwickelt
sich die Persönlichkeit, hier wird gelebt und ge-
lacht. Daher ist es so wichtig, dass jede bzw. jeder
sich dort zugehörig fühlt und angenommen wird.
Schulen befähigen Kinder und Jugendliche auch
dabei, ihre selbstbestimmte und nachhaltige Zu-
kunft zu gestalten. Daher hat jeder junge Mensch
die beste Bildung verdient – ganz unabhängig von
Herkunft oder Wohnort.
Den Startschuss für einen Bildungsaufbruch haben
wir in der Bundesregierung gegeben: Als größtes
Bund-Länder-Schulprogramm der Geschichte unse-
res Landes haben wir mit dem Startchancen-Pro-
gramm in Höhe von 20 Milliarden Euro gemeinsam
für einen kraftvollen Schub für mehr Bildungsge-
rechtigkeit gesorgt.
Aber unser Land braucht deutlich mehr: Eine ge-
meinsame Bildungsoffensive, um noch mehr Schu-
len, Kinder, Jugendliche und Heranwachsende zu er-
reichen. Mit einem „Zukunftsinvestitionsprogramm
Bildung“ wollen wir Hand in Hand mit Ländern und
Kommunen bundesweit für mehr Chancen- und
Generationengerechtigkeit sorgen.
Dadurch sorgen wir für moderne und barrierefreie
Schulgebäude mit dichten Dächern, funktionieren-
den Toiletten und digital ausgestatteten Klassen-
räumen. Wir schaffen mehr Stellen für Schulsozial-
arbeit, Schulpsychologie und Inklusion. Wir stärken
die Kompetenzen und Leistungen der Kinder und
legen dabei einen Schwerpunkt auf den Erwerb
von Basiskompetenzen, die für einen erfolgreichen
Bildungsweg unverzichtbar sind. Wir fördern die
digitalen Fähigkeiten, Medienkompetenz, Bildung
für nachhaltige Entwicklung und politische Bildung.
Die Digitalisierung unserer Schulen begreifen wir
als Daueraufgabe von Bund, Ländern und Kommu-
nen, in die wir weiter investieren werden. Genau
wie in den Ausbau guter ganztägiger Bildungs- und
Betreuungsangebote.
Diese Unterstützung soll dort ankommen, wo sie be-
sonders gebraucht wird. Statt nur nach dem König-
steiner Schlüssel nach Einwohnerzahl und Finanz-
kraft zu finanzieren, wollen wir die Finanzierung
stärker an den tatsächlichen Bedarfen ausrichten. Wir
brauchen eine engere Kooperation zwischen Bund
und Ländern in der Bildungspolitik. Wo verfassungs-
rechtliche Beschränkungen zuverlässige und not-
wendige Investitionen in Bildung aktuell verhindern,
werden wir mit den Ländern gemeinsame Ziele und
tragfähige Lösungen vereinbaren, um die großen
Herausforderungen im Bildungssystem erfolgreich
gemeinsam zu bewältigen und auch über neue Ge-
meinschaftsaufgaben im Grundgesetz sprechen.
Einen besonderen Schwerpunkt werden wir außer-
dem auf den Spracherwerb legen. Denn Sprache
ist der Schlüssel zum Erfolg. Wir wollen erreichen,
36BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
dass alle Kinder am Ende der Grundschule sicher
lesen, schreiben und rechnen können, weil nur wer
die deutsche Sprache versteht und beherrscht, am
Unterricht und der Gemeinschaft teilhaben, sich
entfalten und lernen kann. Die Sprachförderung
muss deshalb als durchgängiger Prozess angelegt
werden, der in der Kita beginnt und sich in der
Schule fortsetzt.
Für eine gute Bildung, die allen
offensteht
Unser Land braucht weitere energische Schritte für
mehr Fachkräfte – in Industrie und Handwerk eben-
so wie in Kitas, Schulen oder in der Pflege. Nur so
können wir den notwendigen Umbau der Wirtschaft
und den demografischen Wandel bewältigen. Oft
bleiben Ausbildungsplätze aber unbesetzt, offene
Stellen können nicht nachbesetzt werden. Dabei
stehen 2,9 Millionen junge Menschen in Deutsch-
land heute ohne Berufsabschluss da.
Eine gute Ausbildung ist ein attraktives Versprechen
für die berufliche Zukunft junger Menschen. Auf
dem Weg dahin schaffen wir gute finanzielle und
rechtliche Rahmenbedingungen für Auszubildende.
Durch eine deutliche Anhebung der Mindestaus-
bildungsvergütung werden wir die Attraktivität der
Ausbildung erhöhen. Wir wollen für Azubis auch
den Führerscheinerwerb fördern und eine Lösung
für ein Azubi-Deutschlandticket finden. Mit einer
solidarischen Ausbildungsumlage sorgen wir dabei
für einen finanziellen Ausgleich, um die Ausbil-
dungsbereitschaft kleiner und mittlerer Betriebe zu
fördern. Zur Unterstützung des Handwerks erhöhen
wir die Förderung der überbetrieblichen Lehrlings-
unterweisung weiter. Außerdem stärken wir Ausbil-
dungsverbünde, um die Anzahl passender Stellen
für Auszubildende und Betriebe zu erhöhen.
Wir verbessern die Berufsorientierung für junge
Menschen und informieren dort, wo junge Menschen
sind, insbesondere an Schulen. Dies erfordert die
aktive Einbeziehung von Ausbildungsbetrieben und
Hochschulen, Eltern sowie Vorbildern aus der beruf-
lichen Bildung. Mehr praxisnahe Angebote können
helfen, den Horizont für die Berufswahl zu weiten.
Eine berufliche Ausbildung oder ein Studium ebnet
gleichwertig einen starken Weg in die berufliche
Zukunft. Wir wollen nicht, dass finanzielle Gründe
oder die soziale Herkunft darüber entscheiden,
welcher der beiden Wege eingeschlagen wird.
Nach dem größten Update für das BAföG in dieser
Wahlperiode machen wir es jetzt zukunftsfest, für
Studium und berufliche Bildung: Das BAföG soll
existenzsichernd sein, auch bei steigenden Lebens-
haltungskosten. Wir erhöhen die Freibeträge bei
den elterlichen Einkommen und öffnen das BAföG
für mehr Menschen. Für Berufstätige, die beispiels-
weise einen Meister machen wollen, reformieren
wir das Aufstiegs-BAföG und ermöglichen den Be-
zug in Teilzeit, die Förderung gleichwertiger Fort-
bildungsabschlüsse sowie ein vollständig digitali-
siertes Antragsverfahren.
Für mehr bezahlbaren Wohnraum für Auszubil-
dende und Studierende möchten wir den Bau von
neuen Wohnheimen über das von uns in der lau-
fenden Wahlperiode aufgelegte Programm „Junges
Wohnen“ weiter fördern.
Wir werden die Angebote der Alphabetisierung und
Grundbildung ausbauen und dafür sorgen, dass die
allgemeine Weiterbildung als wichtige Säule des
lebensbegleitenden Lernens weiter gestärkt wird.
Für eine starke Hochschul- und
Wissenschaftslandschaft
Hochschulen sind Orte der Bildung, Wissenschaft
und Forschung. Sie sind Triebfedern unserer Gesell-
schaft, indem sie Ideen und Lösungen für die gro-
ßen und die ganz konkreten Probleme unserer Zeit
entwickeln. Sie sind Orte der freien und kritischen
Debatte und der produktiven Reibung, ohne die
kein wissenschaftlicher Fortschritt möglich ist. Gute
Ausstattung und Arbeitsbedingungen, Geschlechter-
gerechtigkeit und Vielfalt garantieren den gerech-
ten Zugang.
Mit einer „Innovationsinitiative Zukunfts-Campus“
wollen wir Hörsäle, Labore und Bibliotheken, die
oftmals baufällig oder veraltet sind, gemeinsam mit
den Ländern modernisieren und zu Experimentier-
räumen für den nachhaltigen, digitalen Wandel
machen. Die bestehenden Bund-Länder-Pakte für
37Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Hochschule, Wissenschaft und Forschung wollen wir
fortführen, weiterentwickeln und gezielt ergänzen.
Eine auskömmliche Grundfinanzierung stärkt die
Hochschulen als Orte von Bildung, guter Arbeit und
innovativer Forschung. Wenn sie richtig eingesetzt
werden und die tatsächlich anfallenden Kosten
abdecken, können Drittmittel zusätzliche Dynami-
ken entfachen. Damit sich Wissenschaftler*innen
auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können,
wollen wir in diesem Kontext Bürokratie abbauen
und vereinfachen.
Gute Arbeitsbedingungen sind entscheidend für
eine chancengerechte, zukunftsfeste Wissenschaft.
Wir wollen den Anteil befristet Beschäftigter deut-
lich senken, indem wir wissenschaftliche Quali-
fikation als Sachgrund enger und klarer fassen, die
Tarifsperre abschaffen und gemeinsam mit den
Ländern mehr Dauerstellen neben der Professur
garantieren. Wir wollen Frauen in der Wissenschaft
gezielt fördern und Machtmissbrauch und Diskrimi-
nierung entgegenwirken.
Auch in Zeiten zunehmender geopolitischer Span-
nungen wollen wir den internationalen Austausch
der Wissenschaft fördern und vereinfachen, etwa
durch schnellere Visavergaben, die Stärkung der
Mittlerorganisationen und bessere Beratung für
Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Wir
wollen mehr Menschen den akademischen und
beruflichen Austausch über Erasmus+ ermöglichen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind die Grund-
lage verantwortungsbewusster Politik und es ist
zugleich Aufgabe der Politik, die Freiheit der Wis-
senschaft zu verteidigen. Der Verächtlichmachung
ganzer Forschungsfelder wie etwa der Klima- oder
Geschlechterforschung stellen wir uns entschieden
entgegen, stärken die Wissenschaftskommunikation
und schützen Betroffene vor Anfeindungen.
C. MITTEN IM LEBEN –
IN JEDER LEBENSPHASE
Für starke Familien
Steigende Mieten und Energiekosten, veränderte
Anforderungen in der Arbeitswelt, die Angst, nicht
mehr mitzukommen – diese Sorgen treffen Fami-
lien in besonderem Maße. Und die vielerorts man-
gelnde Kinderbetreuung kommt als weitere Belas-
tung hinzu. Alle Familien sollen sich daher auf gute
und unterstützende Rahmenbedingungen verlassen
können, die zu ihrem Leben passen. Dafür braucht
es finanzielle Unterstützungen, die Familien fördern
und in schwierigen Lebensphasen Sicherheit geben.
Kindergeld und Kinderfreibetrag sind die Basis für
die Unterstützung von Familien. Mit der stärksten
Erhöhung des Kindergeldes in den vergangenen
30 Jahren und der Einführung des Kindersofort-
zuschlags konnten wir Millionen von Familien auf
dem Höhepunkt der Inflation gezielt entlasten. Per-
spektivisch koppeln wir die Erhöhung des Kinder-
geldes an die regelmäßige Erhöhung des Kinder-
freibetrages und sorgen dafür, dass alle Kinder das
gleiche Maß an finanzieller Unterstützung erhalten
– egal wie viel ihre Eltern verdienen.
Mit dem Start ins Familienleben stellen viele Paare
bereits die Weichen für die spätere Aufgabenteilung.
Teilen sich Eltern ihre Elternzeit gerecht auf, setzt sich
das häufig später auch in der familiären Aufgaben-
verteilung fort. Deshalb gestalten wir das Elterngeld
attraktiver und setzen Anreize für eine partnerschaftli-
chere Aufteilung. Den Mindest- und Höchstbetrag, der
seit der Einführung des Elterngeldes unverändert ist,
wollen wir auf 400 bzw. 2.400 Euro erhöhen.
Wir werden Vätern oder Co-Müttern die Möglichkeit
geben, sich die ersten zwei Wochen nach der Geburt
eines Kindes mit einer Lohnersatzleistung von der
Arbeit freizustellen. So können Eltern gemeinsam
ins Familienleben starten. Durch die Einführung ei-
nes gestaffelten Mutterschutzes wollen wir Frauen,
die eine Fehlgeburt erleiden, besser unterstützen,
wenn sie dies möchten.
Für selbstständige Frauen ist der Sprung in die
Familiengründung oft mit besonderem Wagnis
verbunden. Doch auch sie brauchen Sicherheit und
Schutz bei der Familiengründung. Wir setzen uns
dafür ein, dass auch für Selbstständige die Wochen
rund um die Geburt durch Mutterschaftsgeld finan-
ziell abgesichert werden. Hierzu sollen sich künftig
auch Selbstständige an der dafür vorgesehenen
Umlagefinanzierung beteiligen.
38BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Auch über 2025 hinaus sollen Eltern jeweils an 15
Tagen Kinderkrankengeld beziehen können, Allein-
erziehende an 30 Tagen.
Allein- und getrennt erziehende Familien leben in
vielfältigen Konstellationen. Viele Alleinerziehen-
de stemmen Kinderbetreuung, Job und Haushalt
und kommen finanziell kaum über die Runden. Wir
wollen die Steuerlast von Alleinerziehenden durch
einen Freibetrag senken und ihnen das Kindergeld
nur noch zur Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss
anrechnen. Damit entlasten wir Alleinerziehende
und ihre Kinder gezielt. Insbesondere für junge Al-
leinerziehende mit kleinen Kindern wollen wir die
Arbeitsmarktchancen verbessern – mit Rechtsan-
sprüchen auf Beratung und Qualifizierungsmaßnah-
men. Wächst ein Kind in einer Trennungsfamilie bei
beiden Elternteilen auf, wollen wir den sogenann-
ten Umgangsmehrbedarf im Steuer- und Sozialrecht
berücksichtigen.
Für die Teilhabe der Jüngsten – gegen
Kinderarmut
Kinderarmut bedeutet Ausgrenzung, Diskriminie-
rung und schlechtere Bildungschancen. Jedes fünfte
Kind in Deutschland lebt in Armut oder ist armuts-
gefährdet. Wir sind fest davon überzeugt, dass es
keine Rolle spielen darf, in welchem Elternhaus ein
Kind aufwächst oder woher es kommt.
Mit der von uns angestoßenen breiten öffentlichen
Debatte über Kinderarmut in Deutschland haben
wir es geschafft, dass mehr Familien als bisher
ihnen zustehende Leistungen wie den Kinderzu-
schlag auch tatsächlich beantragen und erhalten.
Auch konnten sich Millionen von Familien über die
stärkste Erhöhung des Kindergeldes in den vergan-
genen 30 Jahren und die Einführung des Kinderso-
fortzuschlags freuen.
Da unsere Sozialleistungen aber weiterhin nicht
von allen Anspruchsberechtigten abgerufen werden,
müssen sie einfacher, digitaler, bürgerfreundlicher
und transparenter werden. Das gilt insbesondere für
den bisherigen Kinderzuschlag und die Leistungen
der Bildung und Teilhabe. Das Ziel der Kindergrund-
sicherung ist deshalb klar: Wir wollen Leistungen
bündeln, Antragsverfahren weiter verschlanken und
stetig automatisieren, damit Kinder und ihre Fami-
lien die ihnen zustehenden Leistungen auch tat-
sächlich erhalten. Eltern müssen von Anfang an, bei
Geburt ihres Kindes, über ihre Ansprüche informiert
werden. Unser Ziel ist die Hilfe aus einer Hand, da-
mit jede Familie nur noch eine zentrale Ansprech-
stelle für Leistungen für Familien von Bund, Land
und Kommune hat, die sowohl digital als auch vor
Ort erreichbar ist. Die Beantragung und Auszahlung
soll, soweit möglich und kosteneffizient, pauschal
und automatisiert erfolgen, um den Zugang zu er-
leichtern. Die Überwindung von unterschiedlichen
Rechtskreisen und Zuständigkeiten der verschiede-
nen staatlichen Ebenen muss dabei im Hintergrund
automatisiert stattfinden.
Diesen Ansatz wollen wir auch als Vorlage für die
weitere Modernisierung unseres Sozialstaates neh-
men. Die verschiedenen Sozialleistungen müssen
besser aufeinander abgestimmt werden und inei-
nandergreifen. Dafür wollen wir die notwendigen
rechtlichen und technischen Grundlagen schaffen.
Neben der Modernisierung der Verwaltung wollen
wir weiterhin insbesondere das soziokulturelle
Existenzminimum für Kinder neu berechnen und
Alleinerziehende bei der Anrechnung von Unterhalt
und Einkommen entlasten.
Für einen guten Start der jungen
Generation
Junge Menschen haben in der Pandemie verantwor-
tungsvoll und solidarisch mit älteren und vulne-
rablen Teilen unserer Gesellschaft zurückgesteckt
und auf Freiheiten verzichtet – und die großen
Herausforderungen der vergangenen Jahre beson-
ders gespürt. Deswegen legen wir ein besonderes
Augenmerk darauf, der jungen Generation Gehör zu
verschaffen, sie zu unterstützen und zu entlasten,
sie in ihren Rechten zu stärken und ihre Beteili-
gungsmöglichkeiten auszubauen.
In den vergangenen Jahren sind viele Angebote der
Kinder- und Jugendarbeit vor Ort weggebrochen.
Damit sind besonders im ländlichen Raum wichti-
ge Begegnungsorte verloren gegangen. Mit einem
Sonderprogramm wollen wir über zehn Jahre Kom-
munen dabei unterstützen, Strukturen für Kinder-
39Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
und Jugendarbeit aufzubauen und zu stärken. Die
Mittel des Kinder- und Jugendplans und der soge-
nannten Frühen Hilfen wollen wir aufstocken.
Migrantische Jugendverbände wollen wir gezielt
unterstützen und Mehrsprachigkeit als eine wert-
volle Kompetenz fördern und damit jungen Men-
schen unabhängig von Herkunft oder Aufenthalts-
status faire Chancen und Teilhabe bieten.
Die psychische Gesundheit junger Menschen hat
sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Das
nehmen wir ernst. Mit den Mental Health Coaches
und ihren Gruppenangeboten an weiterführenden
Schulen konnten wichtige Anlaufstellen geschaffen
werden, die wir ausbauen wollen. Bewährte Anlauf-
stellen wie die Nummer gegen Kummer und andere
Beratungsstellen brauchen eine bedarfsgerechte
finanzielle Ausstattung.
Wichtig ist, dass wir Verbesserungen für junge Men-
schen mit jungen Menschen zusammen gestalten
und sie stärker beteiligen. Damit junge Menschen
ihre Ideen und Rechte auch wirksam einbringen
und einfordern können, wollen wir Beteiligungs-
gremien wie Kinder- und Jugendparlamente, ins-
besondere auf kommunaler Ebene, stärken. Partei-
übergreifend wollen wir darauf hinarbeiten, die
Kinderrechte endlich ins Grundgesetz zu schreiben
und das Wahlalter auch auf Bundesebene auf 16
Jahre zu senken.
Mit der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe im SGB
VIII sorgen wir dafür, dass alle Kinder und Jugend-
lichen mit und ohne Behinderung eine zentrale An-
sprechstelle haben und ganzheitlich und individuell
gefördert werden. Junge Menschen, die die Jugend-
hilfe verlassen, wollen wir im Übergang ins Erwach-
senenleben besser unterstützen und Maßnahmen
der Ausbildungsbegleitung fördern.
Junge Menschen haben auch das Anrecht auf einen
besonderen Schutz. Besonders wichtig sind der
Schutz und ein entschiedenes Vorgehen gegen
sexualisierte Gewalt. Wir werden die vorhandenen
Strukturen zum Kinder- und Jugendschutz stärken
und denken Maßnahmen vom Kind aus – durch
einheitliche Kinderschutzstandards, gesetzlich ge-
regelte Mindeststandards für Gutachter*innen, eine
gesetzliche Grundlage für die Arbeit der Unabhängi-
gen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindes-
missbrauchs, Strafverfolgung durch die Polizei im
Netz und offline, bessere Meldestellen und gezielte
Löschungen von Missbrauchsdarstellungen sowie
Prävention in Schule, Jugendhilfe und Familie.
Für ein aktives und selbstbestimmtes
Leben im Alter
Ältere Menschen stehen mitten im Leben – heute
mehr denn je. Ältere sind wichtige Säulen in unse-
rer Gesellschaft. In unzähligen Vereinen, Nachbar-
schaftstreffs und Initiativen teilen sie ihre Zeit,
Erfahrung und Lebensklugheit und bringen sich
durch ihr Ehrenamt ein. Großeltern unterstützen in
der Kinderbetreuung und sorgen in vielen Familien
dafür, dass Kinder und Beruf gut miteinander ver-
einbart werden können. Das schätzen und unter-
stützen wir.
Engagementstrukturen für Ältere wollen wir aus-
bauen, damit sich auch diejenigen einbringen
können, die bislang schwerer Zugang finden. Und
wir erleichtern den selbstbestimmten Übergang
vom Arbeitsleben in den Rentenbezug durch flexib-
lere Übergänge und investieren in Präventions- und
Rehamaßnahmen. Das ist auch ein wichtiger Bei-
trag gegen Einsamkeit im Alter. In den vergangenen
Jahren ist es gelungen, das Thema Einsamkeit aus
der Tabuecke zu holen. Mit der nationalen Strategie
gegen Einsamkeit binden wir auch Länder, Kommu-
nen und Verbände ein.
Mehrgenerationenhäuser sind wichtige Treffpunkte
für Jung und Alt und sorgen für Zusammenhalt und
Gemeinschaft, die wir unterstützen wollen. Doch
auch das Mehrgenerationenwohnen, das gemein-
schaftliches Wohnen mehrerer Generationen zum
Ziel hat, wollen wir fördern.
Damit auch ältere Menschen die vielfältigen Mög-
lichkeiten der digitalen Welt nutzen können, arbei-
ten wir an Strukturen, die digitale Kenntnisse ver-
mitteln oder erneuern können. Mit Maßnahmen wie
dem DigitalPakt Alter sorgen wir dafür, dass Ältere
lange selbstbestimmt und aktiv am gesellschaftli-
chen Leben teilnehmen können.
40BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
D. IN JEDER LEBENSPHASE
ABGESICHERT
Für eine gute
Gesundheitsversorgung überall
Viele Menschen sind heutzutage bis ins hohe Alter
aktiv. Zugleich sind ältere Menschen aber auch häu-
fig auf Behandlungen und Pflege angewiesen. Das
stellt uns vor eine doppelte Herausforderung: Denn
wir brauchen Fachkräfte für eine angemessene Ver-
sorgung und würdevolle Pflege. Und wir müssen die
gestiegenen Kosten schultern, ohne dass die Versi-
cherten zu große Lasten tragen müssen.
Dabei wollen wir, dass die Patient*innen zur richti-
gen Zeit am richtigen Ort eine optimale Versorgung
erhalten, statt lange und aufwendig nach Behand-
lungsterminen zu suchen und darauf zu warten.
Deshalb wollen wir die Primärversorgung insbeson-
dere durch Hausärzt*innen stärken, um eine bessere
Behandlungsqualität zu erreichen.
Unterversorgte Gebiete wollen wir stärker unter-
stützen. Die Verteilung von niedergelassenen
Ärzt*innen muss enger mit der Krankenhauspla-
nung der Länder verknüpft werden. Die bestehende
Trennung der Finanzierungssysteme von ambulan-
ter und stationärer Versorgung wollen wir über-
winden, um bessere Kooperation und Koordination
zu fördern. Durch regionale Verbünde (Gesundheits-
regionen) sowie gemeinsame Versorgungszentren,
in denen verschiedene Therapie- und Pflegeberufe
unter einem Dach zusammenarbeiten, sorgen wir
für eine gute Versorgung vor Ort. Und wir wollen
Maßnahmen ergreifen, um Fehl- und Überversor-
gung abzubauen.
Vertragsärzt*innen wollen wir von unnötiger Büro-
kratie entlasten und den Sprechstundenanteil für
gesetzlich Versicherte erhöhen, damit Patient*innen
schneller Termine erhalten.
Die Krankenhausreform werden wir nachbessern,
zusammen mit den Ländern umsetzen und nicht
nur die gesetzlichen, sondern auch die privaten Ver-
sicherungen an den Kosten beteiligen. Wir werden
gemeinsam eine gute Krankenhausreform um-
setzen. Oberste Priorität hat für uns dabei, dass für
alle Menschen in unserem Land Krankenhäuser und
bestmögliche Grundversorgung schnell erreichbar
sind. Die Notfallversorgung, den Rettungsdienst und
die Finanzierung der Apotheken wollen wir im Hin-
blick auf eine gute, flächendeckende und effiziente
Versorgung reformieren. Für die Gesundheitsberufe
wollen wir mehr Kompetenzen und so eine bessere
Arbeitsteilung und eine Zusammenarbeit auf Au-
genhöhe erreichen. Auch in der Geburtshilfe wollen
wir attraktive Arbeitsbedingungen für Hebammen,
besonders im Krankenhaus.
In den ländlichen Regionen – gerade in Ostdeutsch-
land – ist das Durchschnittsalter in den vergange-
nen Jahren kontinuierlich gestiegen. Darauf müs-
sen wir reagieren. Daher schaffen wir zusätzliche
Programme für Gemeindegesundheitspfleger*innen,
früher die Gemeindeschwester, und „Medizin auf Rä-
dern“. Auch bei der Digitalisierung im Gesundheits-
wesen wollen wir weiter vorankommen. Unnötige
Bürokratie, die heutzutage digital und effizienter
laufen könnte, muss abgebaut und der Nutzen für
Patient*innen erhöht werden, auch durch den Ein-
satz Künstlicher Intelligenz. Die Nutzung von Daten
für Forschung und Versorgung haben wir verbessert
und werden auf diesem Wege weitergehen.
Für eine verlässliche und würdige Pflege
Alle pflegebedürftigen Menschen sollen die Pflege
erhalten, die sie benötigen, egal ob durch Fach-
kräfte oder nahestehende Mitmenschen, ob zu
Hause oder in einer Einrichtung. Wir wollen, dass
Menschen sich darauf verlassen können, würdevoll
behandelt zu werden, wenn sie der Pflege bedürfen.
Wir wollen Angebote im Quartier, also vor Ort, för-
dern und so auch Pflegebedürftigkeit hinauszögern.
Für uns ist es wichtig, dass die Pflege wieder bezahl-
bar wird. Es ist eines Sozialstaates unwürdig, wenn
Menschen am Ende eines langen Arbeitslebens
aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit auf Sozialhilfe an-
gewiesen sind. Wir haben die Leistungen der Pflege-
versicherung erhöht und sorgen weiter für dringend
benötigte Entlastung der Pflegebedürftigen.
Wir wollen die Situation der Menschen verbessern,
die selbst Angehörige oder nahestehende Personen
41Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
pflegen. Eine Aufgabe, die erfüllend sein kann, aber
auch Kraft und Zeit kostet und ohne die die Versor-
gung der pflegebedürftigen Menschen in Deutsch-
land nicht möglich wäre. Wer die eigene Arbeitszeit
für die Pflege reduziert, braucht finanzielle Unter-
stützung in Form eines zeitlich begrenzten Aus-
gleichs der entgangenen Einkünfte. Die Leistung
soll so ausgestaltet sein, dass mehrere Personen
sich die Pflege teilen können. Berufliche Freistel-
lungen sollen besser und flexibler möglich sein.
Den Zugang zur Tagespflege wollen wir verbessern
und Angebote ausbauen. Pflegebedürftige sollen
Pflege, therapeutische Leistungen oder Unterstüt-
zung bei der Haushaltsführung flexibler als bisher
in Anspruch nehmen und miteinander kombinieren
können, zum Beispiel in Form eines Pflegebudgets.
Pflegekräfte brauchen Arbeitsbedingungen, die ih-
nen die Zuwendung zu ihren Patient*innen möglich
machen. Fachkräfte, die aufgrund von Überlastung
den Job verlassen haben, wollen wir mit einer Rück-
kehroffensive zurückgewinnen. Hunderttausende
wären dazu bereit, wenn sich die Arbeitsbedingun-
gen verbessern – dazu zählt auch eine bessere Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf. Dieses Potenzial
wollen wir durch Beratung, die weitere Umsetzung
höherer Personalschlüssel, mehr Kompetenzen für
den Pflegeberuf und bessere Aufstiegschancen
nutzen. Wir wollen die Ausbildungsbedingungen
verbessern und für die Pflegeassistenz vereinheit-
lichen. Und wir wollen Dokumentationspflichten
und Bürokratie in der Pflege auf ein Mindestmaß
reduzieren, damit Pflegekräfte wieder dafür Zeit
haben, wofür sie ihren Beruf gewählt haben: den
Menschen.
Für eine solidarische Kranken- und
Pflegeversicherung
Unser Gesundheits- und Pflegesystem ist dafür da,
kranke Menschen zu heilen und Pflegebedürftige
gut zu pflegen. In den vergangenen Jahren wur-
den den Versicherungen jedoch viele Kosten zu-
geschoben, die aus Steuermitteln hätten finanziert
werden sollen. Diesen Trend wollen wir umkehren
und damit die Versicherten und die Arbeitgeber von
versicherungsfremden Leistungen entlasten. Dazu
gehört, dass wir die Finanzierung der Rentenbeiträ-
ge von pflegenden Angehörigen oder die Beiträge
für Empfänger*innen von Bürgergeld angemessener
über den Staat finanzieren. Damit bleibt auch mehr
Geld im System, um in gute Gesundheit und Pflege
zu investieren.
In Zeiten steigender Pflegekosten und Versiche-
rungsbeiträge müssen wir auch dafür sorgen, dass
öffentliches und beitragsfinanziertes Geld in der
Versorgung bleibt und für die Menschen arbeitet.
Wir wollen den Einfluss von Finanzinvestoren auf
unsere Gesundheits- und Pflegeversorgung begren-
zen. Deshalb wollen wir öffentliche und gemein-
nützige Träger stärken und für eine bezahlbare und
gerechtere Kranken- und Pflegeversorgung sorgen.
Wir setzen uns für eine Finanzierung von Gesund-
heit und Pflege unserer Gesellschaft ein, die ver-
lässlicher und gerechter ist als der Status quo.
Basis hierfür ist eine faire Beteiligung aller Ver-
sicherten an der Finanzierung. Auf dem Weg hin zu
einer Bürgerversicherung werden wir neben den
gesetzlich Krankenversicherten auch die Privat-
versicherten in den solidarischen Finanzausgleich
des Gesundheitssystems einbeziehen. Auch in der
Pflege wollen wir auf dem Weg hin zu einer Pflege-
bürgerversicherung mit einem Ausgleich zwischen
gesetzlicher und privater Pflegeversicherung dafür
sorgen, dass sich alle gerecht an der Finanzierung
des Pflegerisikos beteiligen. So tragen Versicherte
mit finanziell starken Schultern stärker zur Finan-
zierung von Pflege und Gesundheit bei als sol-
che, die nur über geringe Einkünfte verfügen. Die
Beitragsbemessung werden wir reformieren und
beispielsweise auch Kapitaleinnahmen zur Finan-
zierung unseres Gesundheits- und Pflegesystems
heranziehen. Damit schützen wir auch Löhne und
Gehälter vor höheren Beitragsabgaben. Um freiwil-
lig versicherte, geringverdienende oder in Teilzeit
beschäftigte Soloselbstständige besser abzusichern,
werden wir die Mindestbemessungsgrenze in der
gesetzlichen Krankenversicherung reformieren.
Für die Beamt*innen werden wir die Wahlfreiheit
stärken.
42BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Für eine vorausschauende
Gesundheitspolitik
Für eine gesunde Gesellschaft braucht es eine vor-
sorgende Politik, die die Ursachen von Krankheiten
in den Blick nimmt und angeht. Prävention und
Gesundheitsförderung wollen wir grundsätzlich als
Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen ver-
folgen. Wir wollen den öffentlichen Gesundheits-
dienst stärken und dabei vor allem Menschen in
sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen in
den Blick nehmen.
Seelische Gesundheit ist ein Fundament für Lebens-
qualität und körperliche Gesundheit. Es ist nicht
zumutbar, dass viele Menschen in einer psychischen
Krise monatelang auf therapeutische Hilfe warten
müssen. Wir schlagen daher einen Bund-Länder-
Pakt für mentale Gesundheit vor. Alle Menschen,
insbesondere Kinder und Jugendliche, sollen im Be-
darfsfall niedrigschwellige Zugänge zu passgenau-
en psychosozialen und therapeutischen Angeboten
haben. Therapieplätze, Beratungsstrukturen und die
Ausbildung von Fachpersonal werden wir ausbauen.
Mit Blick auf die steigende Anzahl von Betroffenen
von ME/CFS und Long Covid müssen Projekte zur
Ursachen- und Versorgungsforschung ausreichend
finanziert und vorangetrieben werden. Betroffene
wurden oft viel zu lang stigmatisiert – wir wollen
eine bestmögliche Versorgung nach dem Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnisse sicherstellen.
Wir wollen unser Gesundheitswesen auf Epidemien,
große Katastrophen und militärische Bedrohungen
besser vorbereiten. Das betrifft zum Beispiel den
Vorrat an Arzneimitteln und Medizinprodukten
sowie regelmäßige Katastrophenschutzübungen.
Auch den öffentlichen Gesundheitsdienst wollen
wir weiter stärken.
Mit dem Cannabisgesetz haben wir den Schutz von
Gesundheit, Jugend und Verbraucher*innen in den
Mittelpunkt gestellt und setzen auf Vernunft statt
Kriminalisierung. Diesen Wechsel in der Drogen-
politik, der die Befähigung zum eigenverantwortli-
chen Umgang mit Risiken in den Mittelpunkt stellt,
wollen wir fortführen. An dem Ziel des Verkaufs von
Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften halten wir
weiter fest und setzen uns auf europäischer und
internationaler Ebene dafür ein, auch um damit
den Schwarzmarkt und die Organisierte Kriminali-
tät weiter einzudämmen. Mit Blick auf die enormen
Mengen an Kokain, Crack und synthetischen Opioi-
den, die in vielen deutschen Großstädten ankom-
men, werden wir die Ressourcen der Polizei und
des Zolls auch im Hinblick auf die Bekämpfung der
dahinterstehenden Strukturen der Organisierten
Kriminalität stärken. Gleichzeitig wollen wir die
Angebote für Prävention, Therapie und Schadens-
minderung ausbauen, damit Menschen gar nicht
erst abhängig werden oder ihnen besser geholfen
werden kann, wenn sie suchtkrank sind.
Für eine zukunftsfeste und
würdige Rente
Die Sicherheit ihrer Altersvorsorge ist für viele
Menschen gerade in Krisenzeiten ein entscheiden-
der Stabilitätsanker. Die Menschen in diesem Land
sollen sich auf stabile Renten verlassen können. Das
gilt heute und morgen, für aktuelle und zukünftige
Generationen, also auch und erst recht für diejeni-
gen, die jetzt in ihre Rentenkasse einzahlen. Gleich-
zeitig werden wir die Kosten des demografischen
Wandels gerecht über die Generationen verteilen.
Langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung
Versicherte dürfen im Alter eine auskömmliche
Rente erwarten, daher werden wir das gesetzliche
Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent halten.
Das beste Mittel für eine verlässliche Altersvorsorge
und einen möglichst geringen Rentenbeitragssatz
sind gute Löhne und eine breite Basis derer, die in
die Rente einzahlen. Deshalb fördern wir sozialver-
sicherungspflichtige Beschäftigung und verbessern
insbesondere die Erwerbsmöglichkeiten für Frauen
durch gleiche Löhne, gute Kinderbetreuung, flexible
Arbeitszeitmodelle, das Rückkehrrecht in Vollzeit
und eine faire Verteilung von Sorgearbeit. Durch
qualifizierte Zuwanderung stärken wir unsere Wirt-
schaftskraft und steigern die Beitragszahlungen in
die Rente. Und wir schaffen Anreize, um ältere Be-
schäftigte gesünder und länger im Erwerbsleben zu
halten. Dafür investieren wir auch in Präventions-
und Rehamaßnahmen und ermöglichen flexible
Übergänge in die Altersrente. Um die Renten zu
stärken, werden wir auch den Mindestlohn anheben
43Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
und prekäre Beschäftigung, insbesondere Minijobs,
abbauen.
Um das Alterssicherungssystem gerechter und zu-
kunftsfest zu machen, wollen wir als ersten Schritt
auf dem Weg zu einer Bürgerversicherung, dass
auch Abgeordnete und perspektivisch Beamte, unter
Beibehaltung des Alimentationsprinzips, in die ge-
setzliche Rente einzahlen. Auch nicht anderweitig
abgesicherte Selbstständige wollen wir unter fairen
Bedingungen einbeziehen.
Wir halten an der Rente mit 67 fest. Aber wir schaf-
fen Anreize und machen es den Menschen leichter,
länger zu arbeiten, wenn sie dies wollen, auch über
die Regelaltersgrenze hinaus. Wir schaffen daher
einen flexibleren Übergang in Altersteilzeit und
Vorteile, damit sich die Weiterarbeit neben dem
Rentenbezug noch mehr lohnt. Dafür werden wir
den Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosen- und Ren-
tenversicherung an die Arbeitnehmer*innen auszah-
len, falls sie sich gegen freiwillige Beiträge in die
Rentenversicherung entscheiden.
Wir schaffen in der gesetzlichen Rentenversiche-
rung den Einstieg in eine notwendige ergänzende
Kapitaldeckung – und zwar mittels Darlehen aus
dem Bundeshaushalt und der Übertragung von
Eigenmitteln vom Bund. Hierfür führen wir einen
öffentlich verwalteten Bürger*innenfonds ein, der
Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt und sich am
1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens ausrich-
tet. Der Bürger*innenfonds soll auch in europäische
und deutsche Start-ups und Wachstumsunterneh-
men investieren. Mit den daraus resultierenden
Erträgen werden wir geringe und mittlere Renten
stärken, was insbesondere Frauen und Menschen in
Ostdeutschland unterstützt.
Darüber hinaus wollen wir, dass mehr Menschen als
bisher von einer privaten Altersvorsorge profitieren.
Auch hierfür greifen wir auf den Bürger*innenfonds
zurück, der kostengünstig die Vorteile des Kapital-
marktes erschließt. Dafür werden wir die Freibe-
träge für Kleinsparer*innen erhöhen, sie dynamisch
an die Inflation anpassen und die öffentliche
Zulagenförderung auf niedrige und mittlere Ein-
kommen fokussieren. Wer nicht teilnehmen möchte,
kann widersprechen. Den Bürger*innenfonds öffnen
wir als fairen und transparenten Weg auch für die
betriebliche Altersversorgung, damit noch mehr Be-
schäftigte, insbesondere von kleinen und mittleren
Unternehmen, von Betriebsrenten profitieren.
Auch Menschen mit geringem Einkommen unter-
stützen wir dabei, auskömmliche Rentenansprüche
zu erwerben und so Altersarmut zu vermeiden.
Die Grundrente werden wir zu einer Garantierente
nach 30 Versicherungsjahren weiterentwickeln, die
deutlich mehr Menschen als bisher einbezieht und
finanziell besserstellt. Zur Finanzierung dieses Ins-
truments können auch Erträge des Bürger*innen-
fonds beitragen.
Menschen, die lange in die Rentenkasse eingezahlt
haben, aber aus gesundheitlichen Gründen nicht
länger arbeiten können, verdienen unsere solidari-
sche Unterstützung. Deshalb wollen wir die Er-
werbsminderungsrente verbessern. Für besonders
langjährig Versicherte wollen wir die sogenannte
Rente mit 63 beibehalten, welche insbesondere
denjenigen zugutekommt, die nach jahrzehntelan-
ger, anspruchsvoller und körperlicher Arbeit ihre
Belastungsgrenze erreicht haben.
Für verlässliche soziale Sicherung
In schwierigen Zeiten braucht es einen verläss-
lichen Sozialstaat, der Menschen unter die Arme
greift, wenn sie in Not geraten. Denn jeder Mensch
hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würde-
volles Leben. Deswegen haben wir Hartz IV über-
wunden und es durch das Bürgergeld ersetzt. Es
schützt vor Armut und ermöglicht die Teilhabe an
unserer Gesellschaft. Statt arbeitslose und arbeiten-
de Menschen gegeneinander auszuspielen, unter-
stützen wir und sorgen gleichzeitig für gute und
auskömmliche Arbeit. Das heißt: Diejenigen, die
arbeiten, sollen mehr haben. Zu einer verlässlichen
sozialen Sicherung gehört für uns daher auch, den
Mindestlohn zu erhöhen und prekäre Beschäftigung
abzubauen. So stärken wir Menschen in Zeiten des
Wandels, geben Sicherheit und eröffnen Perspekti-
ven für ein selbstbestimmtes Leben.
Wir stehen dafür ein, dass Menschen existenz- und
teilhabesichernde Leistungen so lange erhalten, bis
sie in Arbeit sind. Unser Ziel ist es, so viele Men-
44BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
schen wie möglich in zumutbare Arbeit oder Selbst-
ständigkeit zu führen. Auf dem Weg dahin unter-
stützen wir sie durch Qualifizierung, Ausbildung,
Weiterbildung und vor allen Dingen durch schnelle
und nachhaltige Vermittlung. Wir fordern dabei ihre
aktive Mitwirkung ein. Wir wollen den Arbeitsagen-
turen und Jobcentern die Instrumente an die Hand
geben, diesen Auftrag zu erfüllen.
Wir verbessern die Anreize zur Aufnahme von Arbeit
und schaffen Arbeitsgelegenheiten, um Menschen
wieder zurück an den Arbeitsmarkt heranzuführen.
Wenn Menschen trotz Arbeit auf zusätzliche Unter-
stützung angewiesen sind, soll es sich für sie noch
mehr als bisher lohnen, ihren Stundenumfang zu
erhöhen.
Zu den staatlichen Sozialversicherungssystemen
sollen alle Zugang haben – unabhängig davon, ob
sie selbstständig oder abhängig beschäftigt arbei-
ten. Für Selbstständige vereinfachen wir daher den
Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung.
45Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
KAPITEL 3
FRIEDEN IN
FREIHEIT SICHERNINNEN UND AUSSEN
Unsere Demokratie ist das Fundament unseres
Landes. Sie stellt das in den Mittelpunkt, was uns
zusammenhält: die Freiheit und die Würde der
Menschen. Unsere Demokratie ist Gemeinsamkeit
in Vielfalt und sie ist wehrhaft. Sie lebt von einer
gemeinsamen demokratischen Kultur ebenso wie
von starken Institutionen. Und sie lebt von einem
starken Europa.
Demokratie geht von den Bürger*innen aus – und
hat deshalb die Kraft des Zusammenhalts. Liberale
Demokratie heißt freier Wettbewerb um die beste
Idee und Lösung - und hat deshalb die Kraft zur
Erneuerung, die Kraft, die drängenden Probleme
zu lösen. Sie lebt von gegenseitiger Zuwendung,
vom Streit in Respekt, von der Kompromiss – und
Koalitionsbereitschaft unter Demokrat*innen. Im
Angesicht der Bedrohungen für unsere Demokratie
kommt es darauf an: Wir müssen uns als Land auf
unsere demokratische Kraft neu besinnen. Unsere
Demokratie stärken heißt, sie nach innen lebendig
zu halten. Demokratie stärken heißt, jetzt die drän-
genden Zukunftsfragen anzugehen.
Unser Land weiß um seine Kraft als Einwande-
rungsland, das Menschen willkommen heißt und
Schutz bietet – im Inneren vereint und mit der Welt
verbunden, streitbar unter Demokrat*innen, aber
mit klarer Kante gegen Diskriminierung. Unsere
Demokratie entfaltet ihre Stärke dann, wenn alle
Menschen gleichberechtigt teilhaben und mitbe-
stimmen können.
Eine starke Demokratie verbindet Freiheit und
Sicherheit. Sie steht auf dem Fundament eines ver-
lässlichen Rechtsstaats, einer unabhängigen Justiz.
Sie schützt unsere Rechte und unsere Freiheiten.
Sie wird geschützt durch Demokratinnen und
Demokraten – und zugleich durch handlungsfähige
Sicherheitsbehörden, engagierte Polizist*innen und
einen starken Bevölkerungsschutz.
Zu lange haben wir in Deutschland geglaubt, unse-
re Sicherheit in Europa sei selbstverständlich. Aber
unsere Sicherheit wird von außen und innen ange-
griffen, und beide Dimensionen greifen zunehmend
ineinander über. Sicherheit im 21. Jahrhundert
bedeutet, dass unsere Bundeswehr gut ausgerüs-
tet ist, und ebenso, dass wir unsere Bahnstrecken,
Häfen und Stromleitungen schützen, Lieferengpäs-
se vermeiden, Cyberangriffe verhindern und unsere
Demokratie wehrhaft machen. Sicherheit bedeutet:
uns unabhängiger machen von autoritären Regimen
wie Russland oder China.
Dafür sind wir angewiesen auf ein starkes ge-
meinsames Europa. Die Europäische Union ist
das erfolgreichste Friedensprojekt seit Ende des
Zweiten Weltkriegs. Wo uns einst Frontlinien und
Stacheldraht trennten, später dann Mauern und
Grenzposten, verbindet uns heute das Bekenntnis
zu Freiheit, Rechtsstaat und Demokratie. Deshalb
wollen wir die EU stärken, erweitern und reformie-
ren. Als größtes und wirtschaftlich stärkstes Land
tragen wir dafür besondere Verantwortung.
Wir arbeiten an starken globalen Partnerschaften
– für eine Welt in Frieden und Freiheit, in der sich
Kooperation gegen Konkurrenz und Krieg behaup-
tet und die Stärke des Rechts über das Recht des
Stärkeren triumphiert. Der russische Angriffskrieg
gegen die Ukraine, der Konflikt in Nahost, humani-
täre Notlagen wie in Gaza oder im Sudan, aber auch
die Klimakrise erfordern höchste Aufmerksamkeit.
46BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Auch das Weltmachtstreben Chinas ist eine Heraus-
forderung für die internationale Zusammenarbeit.
Mit der ganzen Kraft der Diplomatie stellen wir
Kooperation und eine regelbasierte internationale
Ordnung dem gefährlichen Modell der Autokra-
ten entgegen. Wir setzen auf einen zukunftsfesten
Multilateralismus und Partnerschaften zunehmend
auch im Globalen Süden.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist auch
ein Angriff auf die europäische Friedensordnung
– und damit auf unser Fundament aus Frieden,
Freiheit, Demokratie und Menschenrechten. Diese
Werte müssen wir in einem starken Europa und
in einer starken NATO schützen und verteidigen
können. Sicherheit denken wir von jedem einzel-
nen Menschen aus, dessen Würde und Freiheit im
Zentrum unserer Politik steht. Deshalb ist Frieden
mehr als die Abwesenheit von Krieg. Frieden schafft
Raum für Freiheit und Wohlstand, Teilhabe und
Selbstbestimmung.
A. EINE LEBENDIGE
DEMOKRATIE
Für demokratischen Zusammenhalt
Zusammenhalt entsteht dort, wo Menschen zu-
sammenkommen, bei der Arbeit oder in der Schule,
beim Sport oder Musik machen oder beim Einsatz
für gute Zwecke oder dem gemeinsamen Feiern. Im
Dorfgemeinschaftshaus, auf dem Fußballplatz oder
in Kirchen, Moscheen oder Synagogen kann Demo-
kratie lebendig werden. Dazu gehören auch kultu-
relle Einrichtungen wie Theater, Kinos, Bibliotheken
oder Clubs, die Raum für neue Begegnungen und
gemeinsame Erfahrungen oder Projekte geben.
Damit wir gut zusammen leben, müssen Straßen,
Parks und Bahnhöfe nicht nur funktional und sauber,
sondern für alle Menschen sicher sein. Wir schaffen
öffentliche Räume, an denen Menschen gern zusam-
menkommen, weil sie Zugang haben und sich wohl-
fühlen. Auch Kulturorte, Geschäfte und Gastronomie
sind Teil davon: Wir wollen diese Orte im Gewerbe-
mietrecht vor Verdrängung schützen.
Vielfältige Medien sind zentrale Räume für den
gesellschaftlichen Austausch und für unsere Demo-
kratie. Hier entsteht ein gemeinsamer Informations-
stand – lokal und mit der ganzen Welt. Hier wird Kri-
tik geäußert und nach Lösungen gesucht. Deshalb
müssen wir ihre Zukunft unter den neuen Bedin-
gungen von Digitalisierung sichern. Wir setzen uns
ein für eine lebendige regionale Medienlandschaft
– und fördern gezielt den Lokaljournalismus. Eine
kluge und mit den Ländern abgestimmte Förderung
zielt auf die Unterstützung der Arbeit von Journa-
list*innen, stärkt die Medienvielfalt und schützt
funktionierende Märkte – auch durch gemeinnützige
Ansätze. Gleichzeitig machen wir den Journalismus-
beruf attraktiver und sicherer, um gut ausgebildete
Nachwuchskräfte für die Zukunft zu gewinnen.
Wir würdigen den Beitrag der Kirchen sowie der Re-
ligions- und Weltanschauungsgemeinschaften zum
demokratischen und sozialen Zusammenhalt.
Für eine Erinnerung, die uns wach hält
Wir müssen unsere Erinnerung wach halten – auch
damit sie uns und unsere Demokratie wach hält. Wir
tragen Verantwortung für unsere Geschichte – auch
weil aus ihr die Chance auf eine gute Zukunft er-
wächst. Deshalb zählt ein guter Geschichtsunterricht
an den Schulen zum Fundament unserer Demokra-
tie. Deshalb pflegen wir unsere Erinnerungsorte – in
denen wir etwas über das Menschheitsverbrechen
der Shoah erfahren, aber auch über demokratische
Aufbrüche und bürgerschaftlichen Mut.
Die Massenverbrechen des Nationalsozialismus
sind uns Mahnung: Nie wieder! Deswegen ist es
wichtig, die KZ-Gedenkstätten mit ausreichend
Mitteln auszustatten. Besonders nach dem Ver-
schwinden der Zeitzeug*innen sind sie wichtige
Orte der Vermittlung eines kritischen Geschichts-
bewusstseins an kommende Generationen. Deswe-
gen wollen wir es allen Schüler*innen ermöglichen,
einmal in ihrer Schulzeit eine NS-Gedenkstätte zu
besuchen und das auch finanziell unterstützen.
Wir intensivieren die Beschäftigung mit dem Antizi-
ganismus und dem aus ihm resultierenden histori-
schen Unrecht, das die Betroffenen erfahren haben.
Dabei nehmen wir explizit auch das fortgesetzte
47Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Unrecht nach 1945 in den Blick. Die Verbrechen der
deutschen Geschichte gegenüber Menschen mit
Behinderung werden wir weiter aufarbeiten und die
Opfer angemessen entschädigen.
Wir wollen auch neue Formen des Erinnerns entwi-
ckeln und unterstützen. Wir stehen zur Realisierung
des geplanten Dokumentationszentrums „Zweiter
Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft“ und
des Projekts „Deutsch-Polnisches Haus“. Die Aus-
einandersetzung mit dem DDR-Unrecht werden
wir konsequent fortführen und die Errichtung des
Mahnmals für die Opfer kommunistischer Gewalt-
herrschaft vorantreiben. Die Opfer der SED-Diktatur
leiden bis heute an den oft schwerwiegenden Fol-
gen, sie müssen besser unterstützt werden. Opfer
des DDR-Doping-Systems wollen wir in den Kreis
der Anspruchsberechtigten aufnehmen.
Gleichzeitig erinnern wir uns an das einzigarti-
ge Glück Deutschlands, die friedliche Revolution
geschafft zu haben, weshalb wir heute in einem
vereinten Deutschland im Herzen Europas leben
können. Das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit
und Europäische Transformation in Halle wollen wir
als einen Ort der Würdigung, des Austausches der
Erfahrungen und der Forschung unterstützen.
In der Bundesregierung haben wir die Aufarbeitung
der deutschen Kolonialvergangenheit im Dialog mit
den betroffenen Ländern vorangetrieben und wollen
dies durch ein Lern- und Erinnerungszentrum und
mithilfe lokaler Initiativen in die Gesellschaft tragen.
Wir wollen die deutsche Erinnerungskultur weiter
für die Realität der Einwanderungsgesellschaft
öffnen und die Erinnerung an die Opfer von rechter
Gewalt dauerhaft darin aufnehmen.
Für handlungsfähige Kommunen
Staatliche Leistungen müssen funktionieren – von
Krankentransporten bis zu Kindergärten. In den
Kommunen zeigt sich unmittelbar, ob der Staat
seinen Aufgaben hinreichend nachkommt und
Bürger*innen verlässliche öffentliche Infrastruktur
und soziale Dienstleistungen ermöglicht. Wenn
diese Aufgabe gelingt, stärkt dies das Vertrauen
der Menschen in die Demokratie. Die Kraft unseres
Landes liegt in erster Linie in den Kommunen, bei
den Menschen vor Ort.
Aktuell ist jede zweite Kommune nicht mehr in der
Lage, notwendige Vorhaben zu finanzieren. Allein
zum Erhalt und zur Sanierung der kommunalen
Infrastruktur, dazu zählen zum Beispiel Straßen,
Schwimmbäder, Jugendclubs, Sportplätze und
Kultureinrichtungen, fehlen bundesweit 186 Milliar-
den Euro. Durch den Deutschlandfonds geben wir
Kommunen endlich die Möglichkeit, diese dringend
notwendigen Investitionen zu finanzieren.
Viele finanzschwache Kommunen stecken in einem
Teufelskreis. Um ihnen wieder eine Perspektive zu
geben, setzen wir uns für eine faire Unterstützung
bei kommunalen Altschulden ein. An die Kommunen
übertragene Aufgaben wie die Bereitstellung von
Rettungsdiensten, die Unterbringung von Geflüchte-
ten oder Jugendsozialarbeit müssen vollständig von
Bund und Ländern übernommen werden.
Über die Bedürfnisse vor Ort sollen die Kommunen
entscheiden – nicht allein die Vorgaben aus den
Hauptstädten. Wir haben die Möglichkeiten der
Kommunen, von Energieprojekten zu profitieren,
gestärkt und werden sie weiter ausbauen. Förder-
programme für die Kommunen werden wir daher
weiter vereinfachen und nach klaren Regeln gestal-
ten. Indem wir die Gelder den Kommunen künftig
direkt zur Verfügung stellen und die ungebundenen
kommunalen Mittel stärken, richten sich die Pro-
gramme stärker nach den tatsächlichen Bedürfnis-
sen vor Ort. Für mehr Transparenz im Umgang mit
Fördergeldern bauen wir die Förderdatenbank aus.
Für eine starke demokratische
Gesellschaft
Das Fundament unserer Demokratie sind starke
Institutionen und eine lebendige Zivilgesellschaft.
Die gemeinsame Trägerschaft unserer Demokratie
lebt von Bürger*innen, die sich informieren und
einbringen. Diese Möglichkeit braucht Zeit und
Ressourcen – und ist deshalb auch eine Frage der
Gerechtigkeit. Durch eine verlässliche Förderung
der demokratischen Zivilgesellschaft stärken wir
unsere demokratische Kultur. Der Schutz der Demo-
kratie ist eine zentrale Aufgabe des Staates, deswe-
48BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
gen wollen wir Programme wie „Demokratie leben!“
mit einem Demokratiefördergesetz absichern.
Menschen, die sich zivilgesellschaftlich oder kom-
munalpolitisch engagieren, werden immer wieder
Ziel von Angriffen und Anfeindungen. Wir alle, Staat
und Gesellschaft, müssen diese Menschen besser
schützen. Üble Nachreden, Verleumdungen und Be-
drohungen müssen sowohl im kommunalpolitischen
Alltag als auch im Internet stärker geahndet werden.
Politische Bildung ist für die demokratische De-
batte von entscheidender Bedeutung. Neben den
Landeszentralen spielt dabei die Bundeszentrale
für politische Bildung eine wichtige Rolle, die wir in
ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit stärken
wollen. Auch die politischen Stiftungen liefern
einen wichtigen Beitrag für die politische Bildungs-
arbeit in unserer pluralen Demokratie, soweit sie
auf dem gemeinsamen Boden unserer demokrati-
schen Grundordnung stehen.
Mit Bürgerräten besteht die Möglichkeit, den Rat
der Menschen als „Expert*innen des Alltags“ in
einem repräsentativen Verfahren einzuholen. Auch
das gilt es zu stärken.
Wer dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt in
Deutschland hat, muss die Möglichkeit haben, an
Wahlen, Abstimmungen und allen anderen demo-
kratischen Prozessen gleichberechtigt teilzuneh-
men. Deshalb wollen wir in einem ersten Schritt
das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehöri-
ge einführen.
Wir sind überzeugt: Transparente und nachvollzieh-
bare Politik stärkt das Gemeinwohl, dafür müssen
mögliche finanzielle Interessen offengelegt und
Karenzzeiten für ausscheidende Regierungsmit-
glieder erhöht werden. Wir stehen für ein starkes
Parlament. Parlamentsarbeit und Gesetzgebungs-
verfahren wollen wir transparenter gestalten und
Lobbytreffen der Regierung wie in der Europäischen
Kommission sichtbar machen. So sollen die Sit-
zungen der Fachausschüsse in der Regel öffentlich
stattfinden und gestreamt werden. Parteispenden
und -sponsoring wollen wir durch einen jährlichen
Höchstbetrag deckeln.
Die systematische Unterstützung von Organisatio-
nen an Parteien soll klarer geregelt werden, so dass
die wesentlichen Transparenzregeln für Parteien
auch für diese Organisationen gelten.
Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, wen-
den wir die über das Parteiengesetz hinausgehen-
den Regelungen unseres Spendenkodex an.
Für die Unterstützung von freiwilligem
Engagement
In Deutschland engagieren sich knapp 30 Millionen
Menschen freiwillig. Sie engagieren sich im Sport-
verein, organisieren Kulturveranstaltungen oder
unterstützen die Nachbarschaftshilfe. Sie bringen
sich ehrenamtlich in die freiwillige Feuerwehr oder
das Rote Kreuz ein. Viele junge Menschen entschei-
den sich, ein Jahr ihres Lebens nach der Schule in
den Dienst der Gesellschaft zu stellen.
All dieses Engagement der Menschen in unserem
Land ermöglicht überhaupt erst unser Zusam-
menleben. Es hält uns zusammen und stärkt auch
unsere demokratische Gemeinsamkeit in Vielfalt.
Wir wollen deshalb Engagement unterstützen und
Leistung anerkennen. Wenn für Ehrenämter Auf-
wandsentschädigungen gezahlt werden, sollen sie
einheitlich pauschal steuerfrei sein. Zusammen mit
Ländern und Kommunen wollen wir eine bundes-
weite Engagementkarte einführen, um den Besuch
von Schwimmbädern und Kultureinrichtungen oder
die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs
(ÖPNV) zu vergünstigen. Wir werden die Zugänge
zum freiwilligen Engagement auch für Menschen
mit geringem Einkommen, Migrationsgeschichte
oder Behinderungen verbessern.
Wir wollen ein Recht auf einen Freiwilligendienst
verankern und Plätze im Bundesfreiwilligendienst
ausreichend und verlässlich finanzieren. Viele Men-
schen – ob jung oder alt – möchten sich im Freiwil-
ligendienst engagieren und wir müssen die Türen
dafür weiter aufmachen. Dafür wollen wir auch die
Bedingungen für Freiwillige verbessern.
Zivilgesellschaftliche Organisationen tragen das
gemeinnützige Engagement. Ihre Arbeit wollen
wir von überflüssiger Bürokratie entlasten. Zudem
49Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
erweitern wir den Katalog gemeinnütziger Zwe-
cke. Wir werden zudem gesetzlich klarstellen, dass
gemeinnützige Zwecke auch durch Teilnahme an
der politischen und öffentlichen Willensbildung
verfolgt werden können und sich Organisationen
gelegentlich auch außerhalb ihres gemeinnützigen
Zwecks politisch äußern dürfen.
Für Sport, der verbindet
Eine herausragende Säule für das gesellschaftliche
Zusammenleben ist der Sport. Bewegung und Sport
verbindet Menschen, schafft und vermittelt regio-
nale Identitäten und trägt zur Gesundheit bei. Sport
vermittelt Grundwerte der Demokratie, Toleranz und
fördert Integration.
Wir unterstützen eine deutsche Bewerbung für
Olympische und Paralympische Spiele, denn Sport-
großereignisse müssen auch in den demokratischen
Ländern Europas eine Zukunft haben. Wir wollen so
zeigen, dass Menschenrechte und Nachhaltigkeits-
ziele fester Bestandteil der Sportpolitik sein müs-
sen. Wir wollen mit einer Agentur wirksam gegen
Korruption in internationalen Sportverbänden vor-
gehen und mehr Transparenz schaffen.
Mit dem Ausbau des Bundesprogramms zur Sanie-
rung von Sportstätten und Schwimmbädern werden
wir den Breitensport stärken und gute Bedingungen
für die Schwimmausbildung oder das Training vor
Ort schaffen. Die Belange von Mädchen und Frau-
en sowie Inklusion fördern wir gezielt mit unserer
Sportpolitik. Mit einer nationalen Spitzensportstra-
tegie wollen wir die Förderung von Leistungssport-
ler*innen verbessern und die Mittelvergabe trans-
parenter gestalten. Wir wollen, dass der E-Sport
stärkere Beachtung findet und anerkannt wird.
Sport lebt von Fair Play – Maßnahmen gegen Do-
ping und Korruption im Sport müssen ausgebaut
und konsequent durchgesetzt werden.
Fans sind essenziell. Deswegen wollen wir die
Fanhilfen in ihrer Arbeit stärken. Gerade in dem
Engagement gegen Rechtsextremismus nehmen die
Fanprojekte eine wichtige Bedeutung ein.
Für gute Justiz und einen
handlungsfähigen Rechtsstaat
Vertrauen in unseren Rechtsstaat entsteht, wenn
die Justiz handlungsfähig ist, schnell entscheidet
und Recht effektiv durchgesetzt wird. Dafür braucht
es genügend Richter*innen und Staatsanwält*innen,
gut ausgestattete Gerichte sowie eine entschiedene
Digitalisierung der Justiz.
Mit einer Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat
wollen wir gemeinsam mit den Bundesländern
die Modernisierung unserer Justiz fortsetzen. Wir
wollen ein deutschlandweites Onlineverfahren für
Zivilprozesse, das medienbruchfrei von Klage bis
Urteil arbeitet. Mit der Gruppenklage wollen wir
ermöglichen, dass mehrere Kläger*innen gleich-
artige Ansprüche gemeinsam gegen eine Beklagte
bzw. einen Beklagten durchsetzen können und die
Zivilgerichte in Massenverfahren entlasten. Wir
wollen zusammen mit den Ländern mehr Schwer-
punktstaatsanwaltschaften schaffen, die sich auf
komplexe Rechtsfelder spezialisieren. Umweltkri-
minalität gewinnt zunehmend an Bedeutung und
ist ein wichtiges Betätigungsfeld der Organisierten
Kriminalität. Dagegen gehen wir mit einem Natio-
nalen Aktionsplan vor.
Wir wollen weiter daran arbeiten, dass die Belange
von Kindern als Geschädigte oder Zeug*innen vor
Gericht besser berücksichtigt werden.
Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein hohes Gut.
Um sie zu schützen, werden wir das ministerielle
Weisungsrecht an Staatsanwält*innen transparent
ausgestalten. Weisungen müssen frei von politi-
scher Einflussnahme sein. Eine gute Justiz muss
auch widerstandsfähig gegen Extremist*innen sein.
Daher werden wir rechtsstaatliche Regelungen er-
greifen, damit die Justiz vor Verfassungsfeind*innen
geschützt ist.
Menschen sollten nicht im Gefängnis landen, weil
sie geringe Geldstrafen nicht begleichen können.
Wir modernisieren das Strafrecht mit dem Ziel,
die Justiz zu entlasten. Hierfür wollen wir prüfen,
welche geringfügigen Delikte außerhalb des Straf-
rechts geregelt werden können.
50BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Wir machen Europa zu einem starken und ge-
meinsamen Raum des Rechts. Dafür stärken wir
die Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) und
die Agentur der Europäischen Union für justiziel-
le Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) und
harmonisieren Recht auf Basis hoher verfassungs-
rechtlicher Grundsätze.
Für digitale Bürger*innenrechte
Freiheitsrechte und Bürger*innenrechte müssen
auch im Digitalen durchgesetzt werden. Durch die
rasanten Fortschritte von Künstlicher Intelligenz
(KI) entstehen große Chancen, aber auch Risiken.
Wir wollen KI im Rahmen unserer gemeinsamen
Werte einsetzen, um große Innovationspotenziale
zu heben und einen effektiven Schutz der Men-
schenrechte und Diskriminierungsfreiheit zu ge-
währleisten. Die Europäische Union (EU) hat mit
der KI-Verordnung einen wichtigen Grundstein der
Regulierung vorgenommen. Diese muss nun mög-
lichst unbürokratisch umgesetzt werden.
Meinungsfreiheit ist die Grundvoraussetzung einer
freiheitlichen Demokratie. Ihre Grenzen findet
sie, wenn Straftatbestände wie Beleidigung oder
Volksverhetzung erfüllt sind. Solche Hassrede muss
konsequent gelöscht und Accounts, die Hetze ver-
breiten, schneller gesperrt werden. Dafür sorgen wir
mit einem digitalen Gewaltschutzgesetz und stär-
ken die Rechte der Nutzer*innen. Die algorithmi-
sche Verstärkung von Hass und Hetze nehmen wir
ins Visier. Mit dem Digitale-Dienste-Gesetz (DSA)
und dem Digitale-Märkte-Gesetz (DMA) haben wir
wichtige Grundsteine für ein demokratisches Netz
gelegt. Wir treten für eine konsequente Umsetzung
und – wo nötig – für Verbesserungen in Europa und
Deutschland ein. Wir wollen, dass Straftaten auch
im Netz beharrlich und rechtsstaatlich von Polizei
und Staatsanwaltschaft verfolgt werden.
Wir stehen für einen effektiven und zugleich prakti-
kablen Datenschutz. Ausufernde Bürokratie werden
wir abbauen. Wir setzen auf bürgerrechtsschonende
Instrumente wie das sogenannte Quick-Freeze zur
Verfolgung von Straftaten. Anlasslose Vorratsdaten-
speicherung und Chatkontrolle lehnen wir ab.
Für eine vielfältige Gesellschaft ohne
Diskriminierung
Deutschland lebt von seiner Vielfalt und dem Mit-
einander verschiedener Menschen. Wir stehen dafür
ein, dass sich alle Menschen entfalten und gleich-
berechtigt Teil unserer Gesellschaft sein können.
Wir wollen Antisemitismus, Rassismus, Queer- und
Behindertenfeindlichkeit überwinden, denn sie
schwächen unseren Zusammenhalt.
Damit Menschen, die zum Beispiel auf dem Woh-
nungsmarkt oder bei der Arbeit Diskriminierung
erfahren, den Rechtsstaat auf ihrer Seite wissen,
werden wir das Allgemeine Gleichbehandlungsge-
setz reformieren, den Anwendungsbereich auswei-
ten und Schutzlücken schließen. Dazu gehört auch
der Schutz vor Diskriminierung durch staatliche
Stellen. Deutschland soll seinen Vorbehalt gegen
die 5. Europäische Antidiskriminierungsrichtlinie
aufgeben. Wir wollen, dass Beratungsstellen und
Selbstorganisationen langfristig abgesichert und
ausgebaut werden sowie die Antidiskriminierungs-
stelle des Bundes gestärkt wird. Mit einem Nationa-
len Aktionsplan Antidiskriminierung wollen wir eine
wirksame Antidiskriminierungspolitik umsetzen. Mit
der Schaffung der Beauftragten für Antidiskriminie-
rung, Queeres Leben, Antirassismus und Antiziganis-
mus haben wir die politische Stärkung von Vielfalt
noch stärker verankert. Wir wollen ihre und die
Arbeit der weiteren Beauftragten für gesellschaft-
liche Vielfalt weiter stärken.
Wir gehen entschlossen gegen den zunehmenden
Antisemitismus in unserer Gesellschaft vor – egal
von wem er ausgeht. Wir sorgen dafür, dass Jüdin-
nen und Juden in Sicherheit leben können und ihre
Einrichtungen geschützt werden. Antisemitische
Vorfälle müssen konsequent verfolgt und dokumen-
tiert werden. Die älteren jüdischen Generationen
wollen wir stärker sozial absichern.
Mit einem Aktionsplan gegen Islamfeindlichkeit
gehen wir gegen die Diskriminierung von muslimi-
schen Menschen vor. Die Imam*innenausbildung in
Deutschland treiben wir voran und stärken damit
die Unabhängigkeit der islamischen Gemeinden.
51Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Um Antiziganismus zu bekämpfen, werden wir die
Empfehlungen der Expertenkommission Antiziga-
nismus umsetzen und einen Staatsvertrag mit der
Minderheit auf Bundesebene schließen.
Die Vielfalt unserer Gesellschaft soll sich auch in
ihren Institutionen widerspiegeln. Wir setzen uns
deshalb dafür ein, dass Vielfalt – sowohl personell als
auch strukturell – in Behörden strategisch und kon-
sequent gefördert wird und schaffen dafür auch die
rechtlichen Grundlagen. Mit einem Bundespartizipa-
tionsgesetz und einem Partizipationsrat stärken wir
die Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte.
Für Frauenrechte
Eine gerechte Gesellschaft ermöglicht allen Men-
schen, unabhängig vom Geschlecht, ein selbst-
bestimmtes Leben. Feminismus und der Einsatz
für Frauenrechte sind dafür essenziell. Nur wenn
Diskriminierung, Sexismus und Frauenfeindlichkeit
konsequent bekämpft werden, können Frauen alle
Chancen nutzen. Gerade weil rückwärtsgewandte
Kräfte stärker werden, müssen wir das Erreichte
sichern und weiter voranschreiten.
Unsere Priorität ist, das Leben für Frauen gerechter
und besser zu machen. Das bedeutet, den gleichen
Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit durchzu-
setzen. Dazu gehört, dass frauendominierte Berufe
nicht schlechter bezahlt werden als männerdomi-
nierte. Frauen tragen den Großteil der Sorgearbeit
und arbeiten daher oft in Teilzeit, was Aufstieg und
Einkommen beeinträchtigt. Wir fördern eine bessere
Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch verlässli-
che Betreuung und hochwertige Bildungseinrichtun-
gen. Auf der Straße, in der U-Bahn und erst recht zu
Hause: Alle Frauen müssen sicher sein und sich sicher
fühlen können. Im Alltag sind sie aber täglich von
Frauenfeindlichkeit, Sexismus und Gewalt bedroht.
Um Betroffene bei Partnerschaftsgewalt, häusli-
cher und geschlechtsspezifischer Gewalt besser zu
schützen, sollen alle Betroffenen und ihre Kinder
einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung
erhalten. Durch eine Bundesbeteiligung stellen wir
gemeinsam mit den Ländern kostenfreie Hilfen
wie Frauenhäuser, Beratungsstellen und Schutz-
wohnungen flächendeckend sicher. Das muss auch
einen Ausbau von Angeboten für Menschen mit
Behinderung oder mit Sprachbarrieren beinhalten.
Nach einer Trennung muss Partnerschaftsgewalt in
Sorge- und Umgangsverfahren verpflichtend be-
rücksichtigt werden. Dazu müssen Justiz sowie Poli-
zei umfassend geschult werden. Um Annäherungs-
verbote in Fällen von häuslicher Gewalt besser zu
kontrollieren, kann der Einsatz der elektronischen
Fußfessel ein sinnvolles Instrument sein. Opfer von
Vergewaltigungen brauchen flächendeckend quali-
fizierte medizinische Notfallversorgung – inklusive
anonymer Spurensicherung und der „Pille danach“.
Viele geflüchtete Frauen und Mädchen sind vor,
während und/oder nach der Flucht von Gewalt be-
troffen, deshalb müssen alle Aufnahmeeinrichtun-
gen entsprechende Schutzkonzepte verpflichtend
etablieren. Frauen, deren Aufenthaltsstatus von
ihrem gewalttätigen Partner abhängt, sollen einen
eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten.
Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung stellt
eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung
dar, die vor allem Frauen betrifft. Wir wollen den
ressortübergreifenden Nationalen Aktionsplan um-
setzen und weiterentwickeln.
Die Rechte und die Gesundheitsversorgung von
Sexarbeiter*innen werden wir stärken. Denn so wie
die Zustände zurzeit sind, können sie nicht bleiben.
Gezielte Unterstützung, insbesondere für Prosti-
tuierte in prekären Situationen, muss auch durch
aufsuchende Hilfen und Beratungen, gerade beim
Ausstieg aus der Prostitution, verstärkt werden.
Prostitutionsstätten müssen strenger kontrolliert,
die Standards zur Betriebserlaubnis erhöht und
die Befugnisse des Zolls erweitert werden, um
gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsbedingungen
zu gewährleisten und die Selbstbestimmung und
Sicherheit der Betroffenen sicherzustellen. Eine
Kriminalisierung und Stigmatisierung von Betrof-
fenen schützt diese nicht, sondern verweist sie in
die Illegalität, in der sie kaum von Hilfsangeboten
erreicht werden können.
Für Selbstbestimmung
Frauen machen über die Hälfte der Bevölkerung
aus, sind aber noch weit von der Hälfte der wirt-
52BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
schaftlichen und politischen Macht entfernt – in
Führungspositionen, in Wirtschaft und Gesellschaft,
aber auch in Parlamenten und Kommunalvertretun-
gen. Wir sind daher für Frauenquoten in Aufsichts-
räten und Vorständen von großen Unternehmen.
Die bereits bestehenden Regelungen wollen wei-
terentwickeln und stärken, wo sie sich als nicht als
effektiv genug erweisen.
Selbstbestimmung über den eigenen Körper ist
ein Grundrecht, das für alle gelten muss. Dazu
gehört das Recht auf Zugang zu sicheren und
legalen Schwangerschaftsabbrüchen. Wir wollen,
dass selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche
grundsätzlich außerhalb des Strafrechts geregelt
werden. Wir treten dafür ein, dass die notwendige
Beratung durch ein abgesichertes Angebot von Be-
ratungsstellen in vielfältiger Trägerschaft garantiert
ist. Zudem muss es genügend Einrichtungen geben,
die den Eingriff mit der gewünschten Methode vor-
nehmen, denn das Angebot für Abbrüche hat sich in
den vergangenen Jahren halbiert. Die Kosten sollen
von den Krankenkassen übernommen und teleme-
dizinische Betreuung ausgebaut werden.
Selbstbestimmung über den eigenen Körper setzt
ein geschlechtergerechtes Gesundheitssystem
voraus: Forschung, Ausbildung und medizinische
Praxis müssen geschlechtsspezifische Aspekte zur
Verbesserung der Frauengesundheit zwingend be-
rücksichtigen. Auch im Gesundheitswesen wollen
wir durch Quoten und bessere Arbeitsbedingungen
mehr Frauen in die Führungsgremien holen.
Für queeres Leben: sicher
und selbstbestimmt
Als Gesellschaft verbindet uns der Wunsch, frei und
selbstbestimmt zu leben. Politik muss den Rahmen
dafür schaffen. Noch zu häufig erleben lesbische,
schwule, bi, trans*, inter* und queere Menschen
(LSBTIQ*) Gewalt und Diskriminierung. Das nehmen
wir nicht hin.
Mit dem Aktionsplan „Queer leben“ haben wir in
der Bundesregierung einen Plan zur Stärkung von
queerem Leben vorgelegt. Diesen wollen wir ver-
stetigen. Zur weiteren Umsetzung wollen wir mit
einem Bundesförderprogramm die nötigen Mittel
bereitstellen. So stärken wir queere Beratungs- und
Projektstrukturen. Wir wollen den Schutz vor Dis-
kriminierung aufgrund der sexuellen Identität in
Artikel 3 des Grundgesetzes verankern und Hasskri-
minalität gegen LSBTIQ* entschlossen bekämpfen.
Dazu verbessern wir die Erfassung von queerfeind-
lichen Straftaten.
Queere Menschen haben ein Recht auf gute und
diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung. Des-
halb soll es unter anderem einen Anspruch auf bei
einer Transition notwendige medizinische Maßnah-
men geben und die Kosten von den Krankenkassen
übernommen sowie Beratungsangebote ausgebaut
werden. Wir schließen die Gesetzeslücken, um nicht
notwendige Operationen an intergeschlechtlichen
Kindern zu verbieten. Zudem wollen wir das Un-
recht gegenüber trans- und intergeschlechtlichen
Menschen, deren körperliche Unversehrtheit ver-
letzt oder Ehen zwangsgeschieden wurden, end-
lich anerkennen. Lücken beim Verbot sogenannter
Konversionstherapien werden wir schließen und die
Aufklärungsarbeit über HIV sowie anderer sexuell
übertragbarer Krankheiten und aktuelle Behand-
lungs- und Präventionsmöglichkeiten bei Ärzt*innen
vorantreiben. Wir ermöglichen den diskriminie-
rungsfreien Zugang zu reproduktionsmedizinischen
Leistungen für alle.
Familie ist, wo Menschen füreinander Verantwor-
tung übernehmen. Das gilt auch für Regenbogen-
familien. Wir passen deshalb das Familienrecht
an, beenden schnellstmöglich die Diskriminierung
von Regenbogenfamilien im Abstammungsrecht
und berücksichtigen dabei die Elternschaft von
trans*, inter* und nicht binären Menschen. Wir ver-
bessern die rechtliche Situation von Familien mit
mehr als zwei Eltern. Außerdem ermöglichen wir es
Menschen, jenseits einer Ehe rechtlich verbindlich
füreinander sorgen zu können. Wir werden zudem
queeres Leben im Alter stärker in den Mittelpunkt
rücken. So wollen wir die Bedürfnisse von älteren
LSBTIQ*-Personen auch in der Altenhilfe und in der
Pflege besser berücksichtigen, damit sie auch im
Alter diskriminierungsfrei teilhaben können.
53Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Für gleichberechtigte Teilhabe von
Menschen mit Behinderung und eine
inklusive Gesellschaft
Wir wollen eine inklusive Gesellschaft schaffen, in
der Menschen mit Behinderung gleichberechtigt
und selbstbestimmt teilhaben können. Wir setzen
uns dafür ein, dass dieses Recht endlich Wirklichkeit
wird. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten
Nationen (UN) ist dabei Maßstab unseres Handelns.
Um das zu erreichen, richten wir eine Enquetekom-
mission Inklusion ein, die unter Beteiligung von Be-
troffenen umfassende Vorschläge erarbeiten soll.
Barrierefreiheit soll endlich in allen Bereichen
konsequent umgesetzt werden: Die Gebäude des
Bundes wollen wir innerhalb von zehn Jahren
barrierefrei machen. Auch Anbieter*innen öffentlich
zugänglicher Angebote und Dienstleistungen sollen
Vorkehrungen zur Barrierefreiheit treffen, wobei wir
kleine Unternehmen mit einer Überforderungsklau-
sel schützen und sie mit einem digitalen Barrieref-
reiheitstool unterstützen.
Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung ihre
Potenziale gleichberechtigt auch auf dem ersten
Arbeitsmarkt einbringen und zu unserem Wohlstand
beitragen können. Wir wollen deshalb das heutige
ausgrenzende Werkstättensystem in Richtung In-
klusionsunternehmen weiterentwickeln, in denen
Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam
arbeiten, mindestens nach Mindestlohn entlohnt
werden und Rentenansprüche erwerben können.
Auch die inklusive Aus- und Weiterbildung wollen
wir fördern. Die ergänzenden Beratungsstellen wol-
len wir in allen Regionen verfügbar machen.
Die Eingliederungshilfe mit ihren Schnittstellen –
insbesondere zu Sozialhilfe, Behandlung und Pflege
– wollen wir verbessern und vereinfachen, damit
Betroffene niedrigschwellig und schnell Zugang
zu Leistungen erhalten. Dazu gehört es auch, die
Durchsetzung sozialrechtlicher Ansprüche auf Teil-
habe bei Behörden und Gerichten zu beschleunigen.
Wir wollen, dass Menschen mit Behinderung selbst
entscheiden können, wo und wie sie wohnen. Auch
deshalb wollen wir den Ausbau inklusiver Wohn-
formen vorantreiben und fördern und die Beratung
dazu verbessern. Hürden, die das Wunsch- und
Wahlrecht von Menschen mit Behinderung ein-
schränken, wollen wir abbauen. Deshalb stärken
wir das persönliche Budget, mit dem Menschen mit
Behinderung anstatt Dienst- oder Sachleistungen
Geldleistungen oder einen Gutschein erhalten. Wir
gehen weitere Schritte bei der Freistellung von Ein-
kommen und Vermögen.
Menschen mit Behinderung sind häufiger von Ge-
walt betroffen als nicht behinderte Menschen. Wir
wollen, dass der Schutz vor Gewalt für alle Men-
schen gilt und bauen den Gewaltschutz in Einrich-
tungen der Behindertenhilfe aus.
Für lebendige Kunst und Kultur
Kunst und Kultur handeln davon, was uns als Men-
schen ausmacht – von der Realität und anderen
Möglichkeiten, vom Denken und Fühlen, von Erinne-
rungen und Zukünften. Eine freie Kultur ist deshalb
ein unverzichtbarer Bestandteil unseres demokrati-
schen Zusammenlebens. Gegen antidemokratische
Bewegungen, die einen ideologischen Kampf gegen
unsere offene Gesellschaft führen, arbeiten wir für
die Unabhängigkeit und Freiheit der Kultur, der
Künstler*innen und ihrer diversen Ausdrucksformen
– ob Literatur, Film, Musik, Theater, Tanz oder bilden-
de Kunst, ob Mode, Architektur oder Design, ob Club
oder Oper, ob öffentliche Einrichtung oder Teil der
großen Kultur- und Kreativwirtschaft. Indem wir ein
Staatsziel Kultur im Grundgesetz verankern, stärken
wir Kunst und Kultur umfassend und in der Breite.
Clubs und Livemusikstätten sind Kulturorte. Wir
schaffen Rahmenbedingungen dafür, dass sie auch
in Innenstädten zu einem attraktiven Kulturangebot
beitragen können. Die großen Bundeskulturinstitu-
tionen wollen wir als Stabilitätsanker der Kultur-
landschaft stärken und weiter öffnen. Es kommt
darauf an, diese Vielfalt der Kultur für die Menschen
zugänglich zu machen. Deshalb werden wir den
Kulturpass ausbauen. Mit ihm bekommen 18-Jähri-
ge ein Guthaben, um Kultur zu entdecken. Gleich-
zeitig stimulieren wir damit die Nachfrage und un-
terstützen so verschiedene Kulturanbieter in Stadt
und Land. Durch die Green Culture Anlaufstellen,
die wir erfolgreich gestartet haben, unterstützen
wir das gesamte Spektrum der Kulturlandschaft bei
der Umstellung auf einen nachhaltigen Betrieb.
54BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Kulturproduzent*innen brauchen nicht nur Frei-
heit, sondern auch Sicherheit. Wir helfen der freien
Szene durch den Ausbau der Bundeskulturfonds.
Die begonnene Reform der Filmförderung für ver-
lässliche, schnelle und auskömmliche Finanzierung
durch eine Investitionsverpflichtung und eine
Steueranreizförderung werden wir abschließen.
Auch den Games-Standort Deutschland stärken wir
mit einer steuerlichen Games-Förderung. Für die
kleinen Verlage werden wir eine Verlagsförderung
einführen. Sowohl auf nationaler als auch auf euro-
päischer Ebene ist die Vielfalt der kleinen und mitt-
leren Kulturunternehmen Teil unserer europäischen
Identität und muss deshalb durch die richtigen
politischen Rahmenbedingungen gestärkt werden.
Kultur ist auch harte Arbeit. Deshalb wollen wir die
soziale Lage der Künstler*innen und Kulturprodu-
zent*innen nachhaltig verbessern, indem wir die
Künstlersozialversicherung zukunftsfest machen,
die soziale Absicherung für Soloselbstständige ver-
bessern und an den in dieser Wahlperiode von der
Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und
Medien eingeführten Honoraruntergrenzen in der
Bundeskulturförderung verstetigen.
Im Urheberrecht werden wir weiter für die ange-
messene Vergütung von Künstler*innen kämpfen.
Wir haben im EU-KI-Gesetz die Stellung von Urhe-
ber*innen gestärkt. Bei der Verwendung von künst-
lerischen Werken als Trainingsdaten für KI-Systeme
wollen wir prüfen, wie eine angemessene Vergü-
tung von Urheber*innen, zum Beispiel durch Lizenz-
modelle, ermöglicht werden kann.
Für die Gestaltung der
Einwanderungsgesellschaft
Deutschland ist und bleibt ein Einwanderungsland.
Einwanderung ist Teil unserer gesellschaftlichen
und ökonomischen Stärke. Sie ist deshalb für uns
eine Gestaltungsaufgabe, der wir uns annehmen. Wir
schotten uns nicht ab, schon gar nicht in Europa.
Wir sind auf die Einwanderung von dringend be-
nötigten Fach- und Arbeitskräften angewiesen, um
unseren Wohlstand zu sichern und als Wirtschafts-
standort attraktiv zu bleiben. Dabei stehen wir
auch im internationalen Wettbewerb um Fach- und
Arbeitskräfte, weswegen es so wichtig war, endlich
ein Einwanderungssystem auf der Höhe der Zeit zu
schaffen. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz
und zahlreichen Erleichterungen beim Arbeits-
marktzugang Geflüchteter haben wir hierfür den
Grundstein gelegt. Damit sich Fach- und Arbeits-
kräfte für unser Land entscheiden, stellen wir nach
Jahrzehnten der Abschottung unseres Arbeitsmark-
tes endlich die Digitalisierung der Visavergabe
vom Kopf auf die Füße. Das heißt: Visa komplett zu
digitalisieren und Wartezeiten zu verkürzen. Darauf
wollen wir weiter aufbauen, indem wir mehr Berufs-
und Bildungsabschlüsse noch leichter anerkennen
sowie die Anrechnung von Berufserfahrung ent-
bürokratisieren und vereinfachen – für eine echte
Willkommenskultur. Mit der Einführung eines mo-
dernen Staatsangehörigkeitsrechts haben wir der
Realität unserer vielfältigen Gesellschaft endlich
Rechnung getragen. Die Staatsbürgerschaft stellt
für Menschen, die schon lange hier leben – zum
Beispiel die Generation der Gastarbeiter*innen –,
ein dauerhaftes Band rechtlicher Gleichheit, Teilha-
be und Zugehörigkeit sicher.
Dabei sind Flucht und Arbeitsmigration grund-
sätzlich zu unterscheiden, denn sie folgen unter-
schiedlichen Logiken. Arbeitsmigration folgt der
Nachfrage nach Arbeitskräften, die Aufnahme von
Schutzsuchenden den humanitären Verpflichtun-
gen. Gleichzeitig vertreten wir den pragmatischen
Ansatz des „Spurwechsels“, wo immer er sinnvoll
ist. Außerdem braucht es für beides – Arbeits-
migration und Asylrecht – wirksame Instrumente
der Integration. Mit dem Chancenaufenthaltsrecht
haben wir viele gut integrierte Menschen aus der
Duldung geholt, ihnen eine echte Bleibeperspektive
gegeben und gleichzeitig die Ausländerbehörden
stark entlastet. Wir wollen eine funktionierende
und pragmatische Flucht- und Migrationspolitik, die
Humanität und Ordnung verbindet. Dafür wollen
wir wissenschaftliche Expertise stärker in politische
Entscheidungen einbeziehen und ein beratendes
Gremium mit Expert*innen aus Wissenschaft, For-
schung, der kommunalen Praxis und mit Betroffe-
nen einrichten.
Eine Einwanderungsgesellschaft muss Perspektiven
schaffen und Ankommen ermöglichen. Sie stellt
aber auch Anforderungen an die, die zu uns kom-
55Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
men, sowie an alle, die schon länger hier leben, und
gelingt nur, wenn wir zusammenkommen und einen
gemeinsamen Weg einschlagen. Damit das gelingt,
braucht es auch dauerhafte Strukturen. Insbesonde-
re dort, wo es schon bisher an bezahlbarem Wohn-
raum fehlte, an Personal bei der Kinderbetreuung
und in Behörden, haben sich die Herausforderungen
verstärkt. Die Situation ist für viele herausfordernd,
für einige überfordernd. Wir wollen für mehr be-
zahlbaren Wohnraum sorgen und die Kommunen
mit einer Integrationsoffensive stärker und verläss-
licher finanziell unterstützen. Dazu zählt das Ange-
bot von bedarfsgerechten und guten Integrations-
und Sprachkursen. Ergänzend wollen wir digitale
Angebote zum Spracherwerb vom ersten Tag an
schaffen. Bund, Länder, Kommunen und die Zivil-
gesellschaft haben in den zurückliegenden Jahren
hart daran gearbeitet, den Menschen, die zu uns
kommen, eine Unterkunft zu geben und sie zu ver-
sorgen. Insbesondere die Verantwortlichen in Politik
und Verwaltung der Kommunen sowie die vielen
Freiwilligen haben dabei Unschätzbares geleistet.
Der stärkste Motor für Integration sind Arbeit und
Beschäftigung. Denn dort, wo Menschen gemein-
sam etwas schaffen, wächst unsere Gesellschaft
zusammen. Wer arbeiten kann, soll arbeiten dürfen.
Das haben wir geändert und werden bestehende
Arbeitsverbote weiter abbauen sowie die Verfah-
ren vereinfachen und beschleunigen. Wenn sich
Arbeitgeber und Geflüchtete einig sind, sollte der
Staat nicht mit unnötiger Bürokratie im Weg stehen.
Deswegen werden wir kurze Fristen einführen, nach
denen arbeitsbezogene Genehmigungen als er-
teilt, wenn durch die Ausländerbehörde nicht aktiv
Widerspruch eingelegt wird. So schaffen wir auch
Planungssicherheit für Arbeitgeber und Geflüchtete.
Mit frühzeitiger Beratung und einem Kompetenz-
check wollen wir sicherstellen, dass Menschen gute
Perspektiven bekommen und ihre Qualifikationen
einbringen können.
Für ein Land, das Schutz bietet
Weltweit fliehen so viele Menschen vor Krisen und
Konflikten wie nie zuvor – die meisten innerhalb
ihres Landes oder in Nachbarregionen. Hinzu kom-
men die sich verschärfende Klimakrise sowie wirt-
schaftliche und soziale Umstände, die Menschen
zum Verlassen ihrer Heimat zwingen. Deswegen
wollen wir Fluchtursachen bekämpfen. Mit voraus-
schauender Diplomatie, verlässlicher und ausrei-
chend finanzierter humanitärer Hilfe in Krisenlagen,
einer nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit
und fairen Handelsbedingungen leisten wir hier-
zu unseren Beitrag und setzen uns dafür ein, dass
andere Länder ebenso Verantwortung übernehmen.
Deutschland bietet vielen Menschen Schutz, die vor
Krieg und Verfolgung fliehen. So wie andere Län-
der für Deutsche zur Heimat wurden, verteidigen
wir heute das Grundrecht auf Asyl und stehen zu
unseren völkerrechtlichen Verpflichtungen wie der
Genfer Flüchtlingskonvention. Wir wollen schnelle
und faire Verfahren und damit Klarheit für Betrof-
fene und für die Kommunen schaffen. Wir stehen
weiterhin zum Kirchenasyl. Asylrechtsänderungen
sollen Integration unterstützen und nicht behin-
dern. Kinder brauchen ihre Eltern, Eltern brauchen
ihre Kinder – auch um anzukommen und sich zu
integrieren. Daher wollen wir weiter den Familien-
nachzug ermöglichen und existierende Einschrän-
kungen aufheben.
Nicht jede bzw. jeder, die bzw. der nach Deutschland
kommt, kann bleiben. Wer nach individueller Prü-
fung auf asyl- und aufenthaltsrechtliche Vorausset-
zungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel
kein Aufenthaltsrecht hat und bei dem keine Ab-
schiebungshindernisse entgegenstehen, muss zügig
wieder ausreisen. Die freiwillige Rückkehr hat für
uns Vorrang. Ausreisepflichtige, die schwere Strafta-
ten begangen haben, müssen nach Verbüßung ihrer
Straftaten prioritär zurückgeführt werden.
Für eine europäische und internationale
Flucht- und Migrationspolitik
Wir wollen eine gemeinsame europäische Migra-
tionspolitik vorantreiben – mit einer fairen, verbind-
lichen und solidarischen Verteilung von Schutzsu-
chenden in Europa.
Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asyl-
systems (GEAS) setzen wir auf nationaler Ebene
grund- und menschenrechtskonform um. Men-
schenrechte müssen überall in der EU eingehalten
werden – auch an den Außengrenzen. Dafür setzen
56BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
wir uns für ein effektives Menschenrechtsmonito-
ring und ein konsequentes Vorgehen gegen illegale
Pushbacks ein. Die besonderen Bedürfnisse vulnera-
bler Gruppen wie Frauen, Kinder, queere Menschen
oder Menschen mit Behinderung müssen im Asyl-
verfahren berücksichtigt werden.
Unsere Haltung ist klar: Das Recht auf Einzelfallprü-
fung und das Nichtzurückweisungsgebot gelten im-
mer und überall. Der Asylantrag von Menschen, die
in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss
in der EU inhaltlich geprüft werden. Wir stellen uns
der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten
entgegen, denn immer wieder hat sich gezeigt, dass
diese Initiativen am Ende viel Steuergeld kosten,
vor Gerichten scheitern und von tatsächlichen
Lösungen ablenken. Daher setzen wir auf die Zu-
sammenarbeit mit Dritt- und Transitstaaten und auf
Modelle, die sichere Migrationswege ermöglichen
und ungeordnete Migration reduzieren.
Zugleich sehen wir, dass Putins Russland und Lu-
kaschenkos Belarus das Recht auf Asyl auf dem Rü-
cken von Geflüchteten für geopolitische Interessen
missbrauchen. Wir werden alle rechtsstaatlichen
und politischen Möglichkeiten ausschöpfen, um die
Instrumentalisierung von Schutzsuchenden, ins-
besondere durch Staaten wie Russland und Belarus,
zu verhindern. Die Entrechtung von Menschen, die
durch autoritäre Staaten instrumentalisiert werden,
lehnen wir ab.
Das Recht auf Freizügigkeit und der Abbau von
Schlagbäumen an den Binnengrenzen zählen zu
den größten Errungenschaften in Europa. Der of-
fene europäische Binnenmarkt ist ein Grundpfeiler
unserer Wirtschaft. Dauerhafte stationäre Binnen-
grenzkontrollen lehnen wir deshalb ab. Für Freiheit
und Sicherheit in Europa müssen wir aber wissen,
wer nach Europa kommt. Daher sind rechtsstaatliche
Kontrollen an den Außengrenzen und eine zuverläs-
sige Registrierung der Menschen unabdingbar.
Seenotrettung ist eine humanitäre Verpflichtung.
Wir treten weiter für eine staatliche EU-Seenotret-
tungsmission ein. Solange dies nicht erreicht ist,
wollen wir die Förderung der zivilen Seenotrettung
fortführen. Der Kriminalisierung der Seenotrettung
oder humanitären Hilfe stellen wir uns entgegen.
Wir wollen Migration besser ordnen bzw. steuern
und hierfür weitere menschenrechtsbasierte Migra-
tionsabkommen abschließen und bestehende zügig
umsetzen. Das heißt: Wir schaffen durch Visaab-
kommen und Ausbildungspartnerschaften für Stu-
dierende, Auszubildende und Fachkräfte geregelte
Migrationswege. Dafür nehmen die Partnerländer
Staatsangehörige zurück, die bei uns kein Aufent-
haltsrecht haben. Hierfür arbeiten wir stärker mit
Herkunftsländern und Transitstaaten zusammen.
Migrationsabkommen sollen auch bessere Lebens-
bedingungen vor Ort schaffen.
Wir wollen, dass besonders gefährdete Gruppen
Schutz finden, ohne lebensgefährliche Fluchtrouten
wählen zu müssen. Dazu wollen wir humanitäre
Aufnahme- und Resettlementprogramme unter-
stützen und sichere und geordnete Migrationswege
ermöglichen. Dabei braucht es eine kooperative
Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Städten und
Gemeinden.
B. EIN LEBEN IN
SICHERHEIT
Für gute Polizeiarbeit gegen Kriminalität
Die Freiheit aller bedeutet uns alles. Aber ohne
Sicherheit ist Freiheit wenig wert. Damit alle Men-
schen am gesellschaftlichen und politischen Leben
teilhaben können, müssen sie sicher sein und sich
auch sicher fühlen. Eine gut ausgestattete, moderne
Polizei ergänzt dabei eine wirksame Kriminalprä-
vention. Engagierte Polizist*innen leisten ihre wich-
tige Arbeit für unser Zusammenleben und unsere
Bürger*innenrechte, häufig unter hohem persön-
lichen Einsatz.
Wir wollen die Bundespolizei und das Bundeskri-
minalamt (BKA) so aufstellen, dass sie das Personal,
die Technik und auch die rechtsstaatlichen Befug-
nisse haben, die sie für eine effektive Aufgabener-
füllung benötigen. Die gesetzlichen Grundlagen der
Polizeien des Bundes wie das Bundespolizeigesetz
werden wir modernisieren und dabei auch Antwor-
ten auf neue Bedrohungen geben.
57Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Wir wollen mit Investitionen auch dafür sorgen,
dass die Polizei in modernen Liegenschaften und
mit guter Ausrüstung arbeiten kann, auch digi-
tal. Kriminalität verlagert sich zunehmend in den
digitalen Raum – die Polizei muss hier technisch
mithalten können.
Um Kriminalität vorzubeugen, wollen wir ihre Ent-
wicklung im Blick behalten und wissenschaftliche
Expertise einbeziehen. Den periodischen Sicher-
heitsbericht, der diese Arbeit bündelt, wollen wir
daher gesetzlich verankern.
Wir haben dafür gesorgt, dass es für Extremist*in-
nen in Zukunft schwieriger wird, legal in den Besitz
von Waffen zu kommen. Die Anzahl an legalen und
illegalen Schusswaffen hat in den vergangenen
Jahren zugenommen. Noch immer werden zu viele
Gewalttaten mit Schusswaffen begangen, gerade im
häuslichen Bereich. Daher werden wir die Verfüg-
barkeit von tödlichen Schusswaffen und anderer
gefährlicher Waffen weiter einschränken.
Polizeiarbeit beruht auf Vertrauen. Mit dem Polizei-
beauftragten des Bundes haben wir eine Anlaufstel-
le für Polizist*innen und Bürger*innen geschaffen,
die wir stärken wollen. Mit einem Ticketsystem für
Kontrollen, das die Gründe für Kontrollen darlegt,
wollen wir polizeiliches Handeln transparenter
machen. In der Aus- und Fortbildung wollen wir für
Diversität sensibilisieren.
Wenn die Sicherheitsbehörden in Europa zusam-
menarbeiten, schaffen sie mehr Sicherheit für die
Menschen in einem zusammenwachsenden Europa.
Hierfür bauen wir die gemeinsamen Zentren der
Polizei in den Grenzregionen aus. Die europäische
Polizeibehörde Europol wollen wir zu einem Euro-
päischen Kriminalamt weiterentwickeln und mit
eigenen operativen Möglichkeiten ausstatten.
Für einen verstärkten Einsatz gegen
Organisierte Kriminalität
Der Kampf gegen die Organisierte Kriminalität ist
für uns ein Schwerpunkt. Kriminelle Gruppen be-
drohen Menschen mit Gewalt und verursachen in
Deutschland wirtschaftliche Schäden in Milliarden-
höhe. Ihre Auswirkungen sind weltweit zu spüren
und zersetzen auch durch Gewalt und Korruption
ganze Staaten. Eine wesentliche Triebfeder für die
Organisierte Kriminalität ist der illegale Drogen-
handel. Der Schaden für die Gesellschaft ist enorm,
wenn kriminelle Gruppierungen legale Wirtschafts-
bereiche wie zum Beispiel die Bauwirtschaft oder
den Immobilienhandel unterwandern und so Preise
in die Höhe getrieben werden.
Um dem entgegenzutreten, stärken wir die zustän-
digen kriminalpolizeilichen Bereiche des BKA, der
Bundespolizei sowie des Zolls. Wir verbessern die
Zusammenarbeit und den Informationsaustausch
der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern
mit der Einrichtung eines Gemeinsamen Zentrums
Organisierte Kriminalität auf gesetzlicher Grund-
lage. Auch internationale Kooperationen werden
wir stärken, zum Beispiel durch gemeinsame Ermitt-
lungen oder den Einsatz von Kontaktbeamt*innen
in anderen Staaten. Die Kompetenzen der EUStA
wollen wir auf die grenzüberschreitende Bekämp-
fung der Organisierten Kriminalität ausweiten.
Wir wollen, dass Organisierte Kriminalität härter
bestraft wird. Deswegen wollen wir den Straftatbe-
stand der kriminellen Vereinigung weiterentwickeln,
damit er ein scharfes und zielgenaues Instrument
wird. Ein nachhaltiges Vorgehen gegen kriminelle
Aktivitäten kann nur in Zusammenarbeit mit der
Zivilgesellschaft gelingen und muss auf Prävention
und Aufklärung setzen.
Für eine klare Kante gegen Geldwäsche
und organisierten Steuerbetrug
Deutschland wird häufig als Geldwäscheparadies
bezeichnet. Rund 100 Milliarden Euro aus schweren
Straftaten werden jährlich in Deutschland „gewa-
schen“. Dem stellen wir uns entgegen: Mit klaren
Regeln und schlagkräftig aufgestellten Behör-
den wie dem Bundesamt für die Bekämpfung der
Finanzkriminalität, das wir zu einer Finanzpolizei
ausbauen.
Wir müssen die Kriminellen dort treffen, wo es
ihnen weh tut – beim Geld. Deswegen müssen wir
es einfacher machen, Vermögen einzuziehen, das
durch kriminelle Machenschaften erlangt wurde.
Mit einer bundesweiten Servicestelle wollen wir die
58BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Expertise über den Missbrauch von Kryptowährun-
gen bündeln und für die Länder nutzbar machen.
Wir wollen es Kriminellen schwerer machen, ihr
Geld mithilfe komplizierter Unternehmensstruk-
turen zu verstecken. Deswegen entwickeln wir das
Transparenzregister für Unternehmen weiter.
Steuerhinterziehung und Manipulationen im
Finanzmarkt kosten unsere Volkswirtschaft Mil-
liardenbeträge. Wir werden Steuerschlupflöcher
schließen, damit Betrugsfälle wie Cum-Ex und Cum-
Cum der Vergangenheit angehören. Die Kapazitäten
und Kompetenzen der Bundesebene zur Verfolgung
schwerer Finanzkriminalität wollen wir deutlich
steigern. Mehr Transparenz zu Unternehmens-
steuern und Eigentumsverhältnissen und bessere
Kapazitäten im Steuervollzug helfen dabei.
Für ein entschiedenes Vorgehen gegen
Extremismus und Terror
Extremismus – egal ob politisch oder religiös moti-
viert – sät Hass, spaltet unsere Gesellschaft und ist
der Wegbereiter für Gewalt und Terror. Weil er sich
stetig wandelt und durch Radikalisierung im digita-
len Raum komplexer wird, müssen wir ihm aufmerk-
sam und energisch entgegentreten und Instrumente
entsprechend anpassen. Gerade junge Leute radikali-
sieren sich heute vermehrt im digitalen Raum.
Die größte Gefahr geht aktuell laut Bundesamt für
Verfassungsschutz vom Rechtsextremismus aus.
Und der Islamismus ist eine sehr ernste Bedrohung.
Mit frühzeitiger Prävention verhindern wir, dass
Menschen in den Extremismus abrutschen – diese
Arbeit wollen wir durch eine starke, dauerhafte
Finanzierung sichern. Wir brauchen Programme wie
„Demokratie leben!“, die über Islamismus aufklären,
Angebote für Aussteiger*innen aus der rechtsext-
remen Szene oder Deradikalisierungsprogramme
für den Justizvollzug. Diese Arbeit wollen wir mit ei-
nem Demokratiefördergesetz gesetzlich absichern.
Extremistische Netzwerke müssen von den Sicher-
heitsbehörden intensiv beobachtet und Vereinsver-
bote konsequent ausgesprochen werden. Der Staat
muss sicherstellen, dass Extremist*innen keine
öffentlichen Ämter bekleiden oder in Sicherheitsbe-
hörden tätig sind. Verfassungsfeind*innen müssen
konsequent entwaffnet werden.
Wir werden unsere Sicherheitsbehörden im Kampf
gegen den Terrorismus stärken und das BKA und
den Verfassungsschutz dafür mit ausreichend
Personal, Technik und rechtsstaatlichen Befugnis-
sen ausstatten, damit sie Terrorist*innen ausfindig
machen und Anschlagspläne rechtzeitig aufdecken
können. Top-Gefährder*innen müssen stets im Blick
der Sicherheitsbehörden sein, lückenlos überwacht
und – wo immer möglich – aus dem Verkehr ge-
zogen werden. Damit das gelingt, muss europaweit
einheitlich klar sein, wen wir als Gefährder*innen in
den Blick nehmen.
Auf nationaler Ebene müssen alle zuständigen
Behörden von Bund und Ländern engstens in den
Gemeinsamen Zentren zur Terrorismusbekämpfung
zusammenarbeiten – mit klar geregelten Verant-
wortlichkeiten und einer soliden gesetzlichen Basis.
Wir werden prüfen, ob die Sicherheitsbehörden alle
notwendigen Befugnisse haben, um Terrorismus
effektiv zu bekämpfen.
Deutschland wurde in den vergangenen Jahren
durch viele furchtbare rechtsextreme und islamis-
tische Terrorakte erschüttert. Im Umgang mit deren
Opfern wurden viele Fehler gemacht. Daher wollen
wir, dass die Unterstützung für die Opfer und deren
Angehörige vom Staat weiter gestärkt wird. Damit
sie eine zuverlässige Anlaufstelle haben, haben
wir das Amt des Opferbeauftragten geschaffen. Wir
wollen die Aufarbeitung von Terroranschlägen fort-
führen und der Opfer angemessen gedenken.
Für einen krisenfesten
Bevölkerungsschutz
Naturkatastrophen oder schwere Unglücke: Außer-
ordentliche Ereignisse können das Leben Tausender
Menschen im Handumdrehen auf den Kopf stellen,
Existenzen vernichten und enorme Umweltschäden
verursachen. Durch die Klimakrise werden Stürme,
Überschwemmungen oder Dürreperioden weiter
zunehmen.
Ein leistungsfähiger Bevölkerungsschutz und eine
gute Krisenprävention können dazu beitragen,
59Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Schäden abzuwenden oder zu verringern. Deutsch-
land verfügt mit rund 1,7 Millionen Freiwilligen im
Bevölkerungsschutz und seiner dezentralen Struk-
tur über ein leistungsfähiges Hilfenetz. Wir wollen
das Ehrenamt bei der freiwilligen Feuerwehr, dem
Technischen Hilfswerk oder den Hilfsorganisationen
unterstützen und fördern – zum Beispiel mit guten
Freistellungsregelungen oder Erleichterungen für
Ehrenamtliche.
Ein leistungsfähiger Bevölkerungsschutz braucht
gute Liegenschaften, zeitgemäße Ausrüstung und
moderne Fahrzeuge. Wir werden weiter in den
Bevölkerungsschutz investieren und die Warninfra-
struktur ausbauen. Wir wollen, dass sich der Bund
stärker engagiert, das Bundesamt für Bevölkerungs-
schutz und Katastrophenhilfe (BBK) mehr Kom-
petenzen bekommt und die länderübergreifende
Zusammenarbeit ausgebaut wird.
Für die Verbindung von innerer und
äußerer Sicherheit
Damit unser Land sicher bleibt, damit unsere
Stromnetze, Mobilfunkdienste oder Server ge-
schützt sind – unsere Kritische Infrastruktur (KRI-
TIS), die für unseren Wohlstand entscheidend ist
–, müssen wir die innere und äußere Sicherheit
stärker zusammendenken. Denn Grenzen zwischen
kriminellen oder terroristischen Organisationen und
Staaten verschwimmen immer mehr. Länder wie
Russland nutzen gezielt hybride Angriffe, Sabotage-
aktionen und Einflusskampagnen, um in Deutsch-
land und Europa Angst zu schüren, Bündnisse zu
destabilisieren und Schaden zuzufügen. Beschädi-
gungen von Datenkabeln und KRITIS, Drohnenüber-
flüge an Bundeswehrstandorten oder Brandsätze in
der Luftfracht haben gezeigt, wie verletzlich unsere
Infrastruktur bzw. wie konkret die Bedrohung ist.
Für uns ist ein integrierter Sicherheitsbegriff lei-
tend, den wir in der Nationalen Sicherheitsstrategie
verankert haben.
Die Nachrichtendienste spielen in der inneren und
äußeren Sicherheit eine wichtige Rolle. Sie müs-
sen angemessen ausgestattet sein und brauchen
dringend eine gute Gesetzesgrundlage, damit sie
Gefahren erkennen und bewältigen können. Das
Bundesamt für Verfassungsschutz werden wir in
der Spionageabwehr und den Bundesnachrichten-
dienst in der Auslandsaufklärung so aufstellen, dass
sie besser als bisher die Demokratie vor Angriffen
schützen können. Den Militärischen Abschirmdienst
wollen wir so aufstellen, dass er seine Aufgaben
wahrnehmen und die Angehörigen der Bundeswehr
weltweit gut schützen kann. Die europäische Zu-
sammenarbeit wollen wir durch die Gründung einer
Europäischen Nachrichtendienstagentur verbessern.
Wir setzen auf rechtsstaatlich handelnde Nachrich-
tendienste und parlamentarische Kontrolle.
Mit dem KRITIS-Dachgesetz, das konkrete Sicher-
heitsstandards formuliert, haben wir einen Grund-
stein gelegt. Es braucht aber eine weitere Stärkung
unserer Infrastruktur und zugleich einer resilienten
Wirtschaft. Wir wollen, dass unsere Infrastrukturen
sicher sind, die Kontrolle darüber hier verbleibt und
unsere Schlüsseltechnologien geschützt werden.
Mit einem Investitionsschutzgesetz wollen wir
Schlupflöcher beim Erwerb von KRITIS durch aus-
ländische Investor*innen schließen.
Für IT-Sicherheit und gegen
systematische Desinformation
Autoritäre Staaten und andere Akteure nutzen
systematisch Desinformationskampagnen, um
unsere Demokratie anzugreifen, unsere Wahlen zu
beeinflussen und unsere Gesellschaften zu spal-
ten. Das ist eine massive Herausforderung, vor
der alle demokratischen Gesellschaften weltweit
stehen und die auch den Zusammenhalt und die
Demokratie in unserem Land gefährdet. Deswegen
braucht es wachsame Institutionen und verlässliche
Informationen, beispielsweise durch unabhängige
Medien. Medienbildung kann die Menschen bei der
Erkennung von Desinformation unterstützen. Zudem
sehen wir in anderen demokratischen Gesellschaf-
ten, wie wichtig es ist, Stellen zu haben, die Deep-
fakes, groß angelegte und gesteuerte Kampagnen
mit Falschnachrichten und andere, die Demokratie
zersetzende Inhalte frühzeitig erkennen. Die großen
Medienplattformen werden wir in die Pflicht neh-
men, wirksame Maßnahmen gegen die Verbreitung
von Desinformation vorzunehmen. Die systemati-
sche Verbreitung von Desinformation im Auftrag
eines fremden Staates wollen wir strafrechtlich
fassen.Wir werden zur Bekämpfung von systemati-
60BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
scher Desinformation und Organisierter Kriminali-
tät sowie dem grenzenlosen Ausweiten von Hass
und Hetze durch Bots anonymisierte Accounts, die
derzeit strafrechtlich kaum verfolgt werden können,
angehen und dafür die effektiven Möglichkeiten der
deutschen Strafverfolgungsbehörden im digitalen
Raum verbessern.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sichert die plu-
ralistische, staatsferne und unabhängige Berichter-
stattung und kann daher ein Punkt der Orientierung
auch im Angesicht von Desinformationskampagnen
sein. Es ist wichtig, dass er diese bewährte Funktion
auch im Digitalen ausfüllen kann. Die dafür nötigen
Reformen sichern wir mit einer auskömmlichen
Finanzierung und verlässlichen Rahmenbedingun-
gen. Auf europäischer Ebene unterstützen wir eine
Plattform, die länderübergreifend die öffentlich-
rechtlichen Informationsangebote zusammenführt
und zugänglich macht.
Die deutsche Wirtschaft erleidet jährlich einen
Schaden von mehr als 200 Milliarden Euro durch
Cyberangriffe, Datendiebstahl und Spionage. Diese
Angriffe kommen hauptsächlich aus dem Ausland,
insbesondere aus China und Russland. Wir werden
mit einem Cybersicherheitsstärkungsgesetz unse-
re IT-Infrastruktur härten und widerstandsfähiger
gegen Angriffe machen. Das Bundesamt für Sicher-
heit in der Informationstechnik muss eine stärkere
Rolle beim Schutz digitaler Infrastruktur bekommen
und zur Zentralstelle ausgebaut werden. Unser Ziel
ist es, digitale Netze und Einrichtungen durch hohe
IT-Sicherheitsanforderungen robust gegen Hacker-
angriffe zu machen. Mit „digitalen Botschaften“
wollen wir relevante öffentliche Datenbanken im
europäischen Verbund absichern, um sie auch in
Krisenfällen vorzuhalten. Wir werden die europäi-
sche Richtlinie zur Cybersicherheit bürokratiearm
und zügig umsetzen.
Für die Verteidigung von Frieden und
Freiheit
Russlands Überfall auf die Ukraine verdeutlicht,
dass Frieden, Freiheit und Demokratie keine Selbst-
verständlichkeit sind. Sie müssen immer wieder
aufs Neue verteidigt und gestärkt werden. Frieden
erfordert gerade in diesen Zeiten Diplomatie und
Kooperation, ebenso wie Widerstands- und Wehr-
fähigkeit. Dafür braucht es eine europäische An-
strengung. Es braucht eine umfassend angelegte
Herangehensweise, um dem Spektrum an Her-
ausforderungen und Bedrohungen zu begegnen.
Sicherheitspolitik ist mehr als die Summe aus Dip-
lomatie und Militär; sie muss alle Stränge unserer
Politik zusammenführen. Integrierte Sicherheit für
Deutschland heißt: innere und äußere Sicherheit
zusammenzudenken sowie den Schutz unserer
Demokratie und unseres Sozialstaates zu sichern
– im Einklang mit einer feministischen Außen- und
Entwicklungspolitik sowie einer starken inter-
nationalen Klimapolitik. All diese Elemente einer
integrierten Sicherheit brauchen eine verlässliche
Finanzierung.
Mit dem russischen Angriff auf die gesamte Ukraine
am 24. Februar 2022 sind wir in einer anderen Welt
aufgewacht. Millionen Ukrainer*innen verteidigen
seither Tag für Tag ihr Leben, ihre Freiheit und die
europäische Friedensordnung gegen die brutale Ag-
gression Russlands. Dabei stehen wir fest an ihrer
Seite – mit diplomatischer, finanzieller, humanitärer
und militärischer Unterstützung. Die Ukraine muss
in der Lage sein, sich zu verteidigen und eine starke
Position für einen möglichen Friedensprozess
sicherzustellen. Das ist auch unser bester Eigen-
schutz hier im Herzen Europas. Die Souveränität der
Ukraine in europäischer Solidarität muss sicherge-
stellt sein. Wir unterstützen die vielfältigen diplo-
matischen Friedensbemühungen der Ukraine und
ihrer Partner unter dem Grundsatz: „Nichts über die
Ukraine, ohne die Ukraine“. Zudem bekräftigen wir
das Recht auf freie Bündniswahl und unterstützen
die Ukraine auf ihrem Weg zur Mitgliedschaft in der
EU und NATO.
C. EINE STARKE
EUROPÄISCHE UNION
Für eine EU, die unsere
Demokratie verteidigt
Die EU ist das erfolgreichste Friedensprojekt und
Basis für unseren wirtschaftlichen Erfolg. Sie ist die
Antwort auf zwei Weltkriege und den Holocaust. Sie
ist unsere Lebensversicherung für Frieden, Sicher-
61Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
heit und Wohlstand. Aber der europäische Zusam-
menhalt ist bedroht: von außen durch Russlands
Angriffskrieg gegen die Ukraine und gegen unsere
europäische Friedensordnung, von innen durch Ex-
tremist*innen und Populist*innen. Deshalb wollen
wir die EU stärken. Als größtes und wirtschaftlich
stärkstes Land tragen wir dafür besondere Ver-
antwortung. Nationale Alleingänge lehnen wir ab
und ein ständiges „German Vote“ ist schädlich. Wir
arbeiten an einem Europa, das nach innen durch
Freiheit und Demokratie geeint ist, das soziale Si-
cherheit garantiert und das nach außen kooperative
Angebote und robuste Antworten auf die großen
Aufgaben gibt, die uns die Entwicklung der Welt
bereithält. Deshalb wollen wir die EU erweitern,
um unsere Nachbarschaft zu stabilisieren. Parallel
werden wir die EU reformieren, um sie handlungs-
fähiger zu machen. Und wir müssen die europäische
Demokratie mit ihrem klaren Wertefundament
wehrhaft machen. Europe United ist auch unsere
Antwort auf Trumps America first.
Unsere Grundwerte bilden das Fundament der EU.
Wenn Mitgliedstaaten dagegen verstoßen, kann
das nicht folgenlos bleiben. Wir wollen das Rechts-
staatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags
nutzbar machen, indem in allen Stufen des Ver-
fahrens Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit
getroffen werden können. Den Rechtsstaatsdialog
möchten wir stärken sowie die Freiräume der Zivil-
gesellschaft gezielter und europaweit schützen. Für
uns gilt außerdem: keine EU-Gelder für Antidemo-
krat*innen. Wir wollen mit dem Konditionalitätsme-
chanismus im nächsten EU-Haushalt sicherstellen,
dass Regierungen, die Demokratie und Rechtsstaat-
lichkeit untergraben, keine europäischen Gelder
mehr bekommen.
Um die EU bürgernäher und demokratischer zu
gestalten, soll das Europäische Parlament ein
vollwertiges Initiativrecht für die Einbringung von
Gesetzen bekommen. In Zukunft soll ein Teil der
Abgeordneten über transnationale Listen gewählt
werden. Bürger*innen sollen breiter und effektiver
beteiligt werden, die Europäische Bürgerinitiative
wollen wir stärken.
Für eine handlungsfähige EU
Die Erweiterung der EU ist eine Erfolgsgeschichte
und liegt in unserem geopolitischen Interesse. Wir
unterstützen den Beitrittswunsch der Westbalkan-
staaten, der Ukraine und Moldaus, sofern sie alle
Beitrittskriterien erfüllen. Wir sehen den mutigen
und unermüdlichen Einsatz der proeuropäischen
Kräfte in Georgien und möchten diese unterstützen,
um Georgien eine Zukunft in der EU zu ermög-
lichen. Auch eine demokratische Türkei hat ihren
Platz in der EU, doch eine Wiederaufnahme der Bei-
trittsgespräche setzt einen glaubhaften Kurswech-
sel bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit voraus.
Mit dem Ziel einer starken, handlungsfähigeren
EU möchten wir die laufende Legislatur zu einer
Reformlegislatur machen. Dafür soll das Prinzip der
Einstimmigkeit in allen Politikbereichen – auch in
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik –
durch Mehrheitsentscheidungen ersetzt werden. Wo
Reformen mit allen Mitgliedstaaten nicht möglich
sind, soll eine „Koalition der Willigen“ vorangehen
können, die stets offen für alle Mitgliedsländer ist.
Besonders mit Frankreich und Polen wollen wir die
EU gemeinsam voranbringen. Deshalb haben wir
so stark in die deutsch-französische Kooperation
und das Weimarer Dreieck investiert. Unsere Vision
ist eine Föderale Europäische Republik mit eige-
ner Verfassung.
Nur ein starkes Europa ist in der Lage, der Wirtschaft
im globalen Wettbewerb den Rücken zu stärken und
damit gute Jobs zu sichern. Für die dringend benö-
tigten Investitionen in Infrastruktur und den klima-
neutralen Ausbau der europäischen Wirtschaft muss
der nächste EU-Finanzrahmen stärker auf Innova-
tion und auf die Zukunftsfähigkeit der europäischen
Wirtschaft ausgerichtet werden. Europäische öffent-
liche Güter wie Infrastruktur, Erasmus, grenzüber-
schreitende Forschung oder gemeinsamen euro-
päischen Grenzschutz werden wir stärken. Daneben
braucht es verbindliche Ziele für den Klima- und
Naturschutz und eine starke soziale Säule.
Dafür braucht es aber auch mehr Finanzkraft auf
europäischer Ebene. Wir wollen die finanzielle Aus-
stattung der EU durch neue Eigenmittel verbessern.
Einnahmen, die durch europäische Instrumente
62BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
entstehen, sollen mehrheitlich dem EU-Haushalt
zugutekommen. Sollten die USA die globalen Ver-
einbarungen über die Besteuerung digitaler Groß-
konzerne nicht mehr umsetzen, setzen wir uns in
der EU für eine Europäische Digitalkonzernsteuer
ein. Für die Bewältigung großer Herausforderungen
haben sich zudem gemeinsame europäische An-
leihen bewährt, etwa im Rahmen der Europäischen
Investitionsbank.
D. AUSSEN- UND
SICHERHEITSPOLITIK IN
VERANTWORTUNG
Für eine aktive Außenpolitik
Als Teil der Bundesregierung haben wir in schwieri-
gen Zeiten Verantwortung übernommen, sind daran
gewachsen und stehen bereit, diese weiterhin zu
tragen. Dieser Verantwortung werden wir mit einer
aktiven Außenpolitik in starken Bündnissen gerecht
– für ein starkes Deutschland, in einem friedlichen
Europa, in einer stabilen Welt.
Die EU ist Garantin für Frieden und Freiheit, Wohl-
stand und Demokratie. Die EU als weltpolitische Ak-
teurin steht im Zentrum unserer Außenpolitik. Ge-
meinsam stehen wir an der Seite der Ukraine – so
lange und so entschlossen, bis die Ukrainer*innen
wieder in Frieden leben können. Frieden ist mehr
als die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist ein Leben
in Freiheit, Sicherheit und Würde.
Putins Russland stellt derzeit die größte Bedro-
hung für Frieden und Sicherheit in Europa dar. Wir
setzen auf wirtschaftliche und sicherheitspolitische
Maßnahmen, die Russlands militärischen Sieg ver-
hindern, den ökonomischen Druck auf das Regime
erhöhen und unsere eigene Handlungsfähigkeit
wahren. Wir reichen denjenigen Russ*innen die
Hand, die sich als Teil der demokratischen Zivilge-
sellschaft glaubwürdig für ein Ende des Kriegs, für
Frieden und Freiheit einsetzen.
Die USA sind Europas zentraler Partner bei globalen
Krisen und Konflikten. Trotz aller Unterschiede und
Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Ausrich-
tung der USA verbinden uns gemeinsame Werte,
Interessen sowie tiefe kulturelle, historische und
gesellschaftliche Bande. Auch zukünftig werden wir
für die USA ein verlässlicher Verbündeter bleiben.
Gleichzeitig müssen wir die europäische Souveräni-
tät stärken, geschlossen und entschlossen für unse-
re Werte und Interessen einstehen und politische
Differenzen ehrlich und offen ansprechen.
Wir bleiben fest in unseren Bündnissen verankert.
Zugleich sind wir auf vielfältige und robuste Part-
nerschaften angewiesen – vor allem im Globalen
Süden. Wir wollen unsere Zusammenarbeit mit
Ländern in Asien, Afrika, Lateinamerika und Nahost
gezielt ausbauen und um Partnerschaften basierend
auf gegenseitigem Vertrauen und gemeinsamen
Interessen werben. So gewinnen wir Verbündete für
die Reform des multilateralen Systems, für globa-
le Herausforderungen wie den Kampf gegen den
Klimawandel und in der systemischen Auseinander-
setzung mit autoritären Regimen.
China versucht zunehmend aggressiv, das interna-
tionale System nach seinen Interessen umzubauen
und den militärischen Druck in der Straße von
Taiwan zu erhöhen. Für uns ist China systemischer
Rivale, Wettbewerber und Partner, doch die Rivali-
tät rückt immer mehr in den Fokus Pekings. Mit der
ersten China-Strategie der Bundesregierung haben
wir begonnen, die jahrelange Naivität in der deut-
schen China-Politik zu beenden – diese gilt es nun
konsequent umzusetzen und weiterzuentwickeln.
Wir stärken unsere Zusammenarbeit mit Partner-
staaten im Indopazifik, insbesondere in den Berei-
chen Sicherheit, Handel und Klima.
Unsere Außenpolitik steht im Bewusstsein für
unsere Geschichte und die Verantwortung, die unser
Land mit dem Grauen des Zweiten Weltkriegs und
dem Holocaust auf sich geladen hat. Das Existenz-
recht Israels ist für uns unverhandelbar. Wir stehen
ein für die Sicherheit von Jüdinnen und Juden und
das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser*in-
nen. Dauerhafte Sicherheit für Israelis und Pa-
lästinenser*innen ist nur durch einen politischen
Prozess und eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung
auf Basis der Grenzen von 1967 möglich. Dafür
setzen wir uns ein. Aus unserer Geschichte ergibt
sich auch die Verantwortung, für das humanitäre
Völkerrecht einzutreten, um menschliches Leid zu
63Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
verhindern und Warnsignale ernst zu nehmen. Des-
wegen haben wir uns so intensiv dafür eingesetzt,
dass die von der Hamas festgehaltenen Geiseln
befreit werden, die Zivilbevölkerung geschützt wird,
die humanitäre Hilfe die Menschen erreicht und es
zu einem Waffenstillstand kommt. Das Leid in Gaza
ist unerträglich. Jedes Menschenleben ist gleich viel
wert. Menschlichkeit ist unteilbar.
Das Ende des Assad-Regimes in Syrien ist ein Aufat-
men der syrischen Bevölkerung nach jahrzehntelan-
ger Unterdrückung, Vertreibung und Folter. Damit
verbunden ist die Hoffnung vieler Syrer*innen auf
ein Leben in Frieden und Freiheit. Auf diesem Weg
wollen wir sie zusammen mit unseren Partnern
unterstützen.
Das iranische Regime begeht massive Menschen-
rechtsverletzungen im eigenen Land und destabili-
siert die ganze Region. Wir werden die Sanktionen
gegen die Verantwortlichen des Regimes fortlaufend
prüfen und weiterentwickeln sowie ihre Einhaltung
streng überprüfen. Dazu gehört auch die rechtssiche-
re Terrorlistung der Revolutionsgarden. Es braucht
zudem weiter diplomatische Anstrengungen, um die
nukleare Bewaffnung des Irans zu verhindern.
Wir setzen uns für eine vorausschauende und kohä-
rente Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik
ein, die Krisen und Konflikte frühzeitig erkennt
und mit gezielten und koordinierten Maßnahmen
menschliches Leid verhindert. Grundlage dafür ist
ein gemeinsames Lagebild über die Bedrohungen,
Risiken und Chancen für unsere Sicherheit sowie
eine starke ressortübergreifende Koordination.
Für einen zukunftsfesten
Multilateralismus
Die regelbasierte internationale Ordnung ist das
Fundament unseres Friedens. Die multilaterale Zu-
sammenarbeit und starke internationale Organisa-
tionen sind der Schlüssel zur Bewältigung globaler
Herausforderungen. Diese Ordnung gerät zuneh-
mend unter Druck: Verstöße gegen die gemeinsa-
men Regeln nehmen zu, Abschottung und Protektio-
nismus sind auf dem Vormarsch. Wir treten ein für
eine Welt, in der sich Kooperation vor Konkurrenz
und Krieg behauptet und die Stärke des Rechts über
das Recht des Stärkeren triumphiert.
Mit dem UN-Zukunftspakt haben wir den Grund-
stein für eine Reform der UN gelegt. Dazu gehört
eine Reform des Sicherheitsrats, mit der wir eine
gerechtere Repräsentanz der Weltregionen gewähr-
leisten wollen. Wir wollen diese Vereinbarungen nun
gemeinsam mit den UN-Mitgliedstaaten umsetzen.
Mehr Verantwortung in den UN erfordert von
Deutschland und der EU, ihr Engagement diploma-
tisch, finanziell und personell weiter zu verstärken.
Mittel für humanitäre Hilfe sollen flexibler einge-
setzt und mehrjährig vergeben werden, um Her-
ausforderungen in fragilen Kontexten gerecht zu
werden und die Planbarkeit zu verbessern. Während
die UN eine unverzichtbare Rolle in der humanitä-
ren Hilfe einnehmen, wollen wir auch lokale huma-
nitäre Organisationen weiter stärken. Durch huma-
nitäre Diplomatie tragen wir dazu bei, dass die Hilfe
bei der notleidenden Bevölkerung ankommt und
Helfer*innen geschützt sind.
Aus unserer historischen Verantwortung für die
Verbrechen der Nazi-Herrschaft sowie der Kolonial-
vergangenheit ergibt sich für uns eine besondere
Verpflichtung zum Schutz des Völkerrechts. Als
internationale Gemeinschaft tragen wir Verant-
wortung, gegen schwerste Menschenrechtsver-
letzungen vorzugehen und diese strafrechtlich zu
ahnden. Deswegen wollen wir die internationale
Strafgerichtsbarkeit und das Völkerstrafrecht stär-
ken und seine Fortentwicklung aktiv vorantreiben.
Denn niemand steht über dem Völkerrecht. In enger
Abstimmung mit unseren internationalen Partnern
setzen wir uns für die strafrechtliche Verfolgbarkeit
des Verbrechens der Aggression ein.
Für Menschenrechte und demokratische
Entwicklung
Eine starke Zivilgesellschaft ist das Rückgrat einer
wehrhaften Demokratie und eines nachhaltigen
Friedens. Menschen, die sich weltweit für Demokra-
tie, Frauen- und Menschenrechte einsetzen, geraten
zunehmend unter Druck. Autoritäre Regime schrän-
ken die Meinungs- und Pressefreiheit ein, unter-
drücken zivilgesellschaftliches Engagement, bedro-
64BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
hen Aktivist*innen und verfolgen Dissident*innen
– auch im Ausland. In diesem Systemwettbewerb
setzen wir uns entschlossen für die liberale Demo-
kratie ein und stärken dadurch auch unsere Sicher-
heit, unsere Freiheit und unseren Wohlstand.
Wir wollen zivilgesellschaftliche Organisationen
in ihrem Kampf für Meinungsfreiheit und Rechts-
staatlichkeit gezielt und unkompliziert unterstützen.
Dazu gehören auch Schutzprogramme für Men-
schenrechtsverteidiger*innen – vor Ort oder notfalls
im Exil. Auch Deutschland ist ein sicherer Zufluchts-
ort für viele verfolgte Menschenrechtsverteidi-
ger*innen. Wir wollen die Aufnahme von besonders
gefährdeten Aktivist*innen durch humanitäre Visa
und beschleunigte Verfahren weiter unterstützen
sowie den Schutz vor transnationaler Repression
durch gemeinsame europäische Ermittlungen und
Sanktionen gegen die Verantwortlichen verbessern.
Gerade in Krisenzeiten kann Kultur Brücken bauen
und gegenseitiges Verständnis fördern. Deswegen
wollen wir Mittlerorganisationen der auswärtigen
Kultur- und Bildungspolitik stärken und internatio-
nale Forschungskooperationen ausbauen. Mit ehe-
maligen deutschen Kolonien wie Namibia haben
wir den Versöhnungs- und Aufarbeitungsprozess
vorangetrieben und Verantwortung für unsere Ver-
gangenheit übernommen. Diese Schritte werden wir
konsequent fortführen.
Gleichberechtigung macht Gesellschaften fried-
licher, gerechter, resilienter und wirtschaftlich
erfolgreicher. Eine feministische Außen- und Ent-
wicklungspolitik bedeutet, die Rechte, Ressour-
cen und Repräsentanz von Frauen, Mädchen und
marginalisierten Gruppen weltweit zu stärken. Wir
wollen unseren Einsatz gegen sexualisierte und ge-
schlechtsspezifische Gewalt verstärken, Überlebende
besser unterstützen, den Schutz von queeren Men-
schen vor Diskriminierung und Gewalt vorantreiben,
Geschlechtergerechtigkeit in allen Projekten der
internationalen Zusammenarbeit stärker verankern
und mehr Mittel für Frauenrechtsorganisationen
bereitstellen. Denn Gesellschaften sind immer nur
so stark, wie Frauen an der Gesellschaft teilhaben.
Das sehen wir insbesondere in den Ländern, in
denen Frauenrechte mit Füßen getreten werden
– wie in Afghanistan, im Iran oder unter der Schre-
ckensherrschaft des sogenannten Islamischen
Staates (IS). Wir setzen uns weiterhin für die Rechte
und Unterstützung von Frauen in Afghanistan ein,
stehen an der Seite der feministischen Protest-
bewegung im Iran und wollen Jesid*innen, die
besonders schlimmes Leid und Vertreibung durch
den IS erfahren haben, weiter schützen. Wir fordern
die Innenminister*innen der Länder dazu auf, einen
bundesweiten Abschiebestopp in den Iran und von
Jesid*innen zu beschließen.
Für die Sicherheit und Frieden in Europa
und der Welt
Unsere Sicherheit ist eingebettet in der EU und
der NATO. Wir stärken den europäischen Pfeiler der
NATO. Deutschland und Europa müssen unabhän-
gig von der US-Politik mehr Verantwortung für ihre
Sicherheit und darüber hinaus übernehmen. Das
können wir wirksamer und kosteneffizienter bewerk-
stelligen, je enger wir in der EU zusammenarbeiten.
Wir stehen zu unseren Bündnisverpflichtungen
und dem damit verbundenen notwendigen Ausbau
unserer Fähigkeiten. Dafür braucht es verlässliche
Finanzierung mit einem Verteidigungsetat, der
dauerhaft die in der NATO vereinbarten und auch
national definierten Ziele und Bedarfe erfüllt und
dafür dauerhaft deutlich mehr als 2 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts in unsere Sicherheit und
Verteidigungsfähigkeit investiert. Dies wird nicht
allein aus laufenden Einnahmen finanzierbar sein,
sondern wird mittelfristig auch über eine höhere
Kreditaufnahme finanziert werden müssen. Wie
zu Zeiten der Eurokrise und der Pandemie braucht
es auch auf europäischer Ebene eine gemeinsame
finanzielle Kraftanstrengung zur Friedenssicherung
in Europa, wie es die Europäische Kommission vor-
geschlagen hat. Damit wollen wir auch europäische
Synergieeffekte nutzen.
Es ist in unserem Interesse, auch global für Frieden
und Stabilität zu wirken und menschliche Sicher-
heit in den Fokus zu rücken. Dabei setzen wir auf
zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung,
die eng mit unseren europäischen Partnern abge-
stimmt ist. Die Fähigkeiten von zivilgesellschaftli-
chen Akteuren, der EU und UN, der Organisation für
65Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
sowie von Regionalorganisationen wie der Afrikani-
schen Union wollen wir dahingehend stärken.
Gerade in diesen Zeiten, in denen einige wenige
wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen drohen, ist
es entscheidend, dass wir Abrüstungsinitiativen und
Rüstungskontrollen vorantreiben. Nur mit gemein-
samen Abrüstungsschritten schaffen wir dauerhaft
mehr Sicherheit für alle und wahren Frieden und
Stabilität. Dieser Einsatz ist und bleibt Pfeiler jeder
Friedenspolitik.
Das Ziel einer atomwaffenfreien Welt ist durch
den aggressiven Imperialismus Russlands in weite
Ferne gerückt. Dennoch bleibt es richtig. Wir werden
den Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffen
stärken, den Atomwaffenverbotsvertrag weiterhin
konstruktiv begleiten und die Zusammenarbeit mit
zivilgesellschaftlichen Organisationen ausbauen.
Es braucht dringend neue Regeln in den Bereichen
autonome Waffen, Cyber und Weltraum. Entwick-
lungen in diesen Bereichen verändern grundlegend,
wie Kriege geführt werden. Für uns ist klar: Wir
halten die Entwicklung und den Einsatz von letalen
vollautonomen Waffensystemen, die gänzlich ohne
menschliche Kontrolle über Leben und Tod entschei-
den, für falsch. Deswegen setzen wir uns intensiv auf
internationaler Ebene für eine Ächtung ein.
Die internationale Rüstungskontrollarchitektur wird
in Zeiten von Krieg und Krisen extrem herausge-
fordert. Wir stärken die Sicherheit aller Menschen,
indem wir mit unseren Partnern unsere Verpflich-
tungen zu völkerrechtlichen Verträgen auch in
schwierigen Zeiten aufrechterhalten.
Für eine moderne, verteidigungsfähige
Bundeswehr
Die Bundeswehr ist ein Grundpfeiler unserer Wehr-
haftigkeit. Als fest in die NATO integrierte Armee
dient sie der Wahrung von Frieden und Stabili-
tät. Angesichts der veränderten Sicherheitslage in
Europa rückt der Kernauftrag der Bundeswehr – die
Landes- und Bündnisverteidigung – wieder ins
Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Es geht wieder
darum, unseren Frieden und unsere Sicherheit im
äußersten Notfall auch militärisch verteidigen und
potenzielle Aggressoren wirksam abzuschrecken
und von Angriffen abzuhalten.
Auch global wachsen die sicherheitspolitischen
Herausforderungen. Unsere internationale Verant-
wortung werden wir deshalb auch weiterhin in inter-
nationalen Friedenseinsätzen annehmen. Auslands-
einsätze der Bundeswehr müssen in multilateralen
Bündnissen verankert und in ein politisches Gesamt-
konzept eingebettet sein, bei dem diplomatische,
entwicklungspolitische und militärische Maßnahmen
ineinandergreifen. Wir wollen die parlamentarische
Mitbestimmung und Kontrolle weiter verbessern und
dafür die Evaluierung von Einsätzen verstetigen.
Als einer der größten Arbeitgeber der Bundesrepu-
blik hat die Bundeswehr eine große gesellschaft-
liche Verantwortung für alle, die in ihr dienen und
dienten. Wir stehen ein für eine Bundeswehr, die die
Vielfalt unserer Gesellschaft abbildet und für alle
Menschen ein sicherer Ort ist. Auch nach dem Aus-
scheiden aus dem Dienst muss klar sein: Wer bereit
war, sein Leben für den Frieden einzusetzen, hat
unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung verdient.
Um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sicher-
zustellen, wollen wir den freiwilligen Wehrdienst
und die Reserve für eine breite Zielgruppe attrak-
tiver machen und durch gute Lebens- und Arbeits-
bedingungen für Soldat*innen Personal langfristig
binden. Für den potenziellen Verteidigungsfall
braucht es schnelle Rekrutierungsmechanismen
– unterstützt durch eine neue Form der Wehrerfas-
sung, die auch den Zivil- und Heimatschutz stärkt.
Darüber hinaus wollen wir die Kooperation von
Streitkräften innerhalb der EU und NATO zur Regel
machen, beispielsweise durch ständige multinatio-
nale Einheiten.
Wir wollen unsere Verteidigungsfähigkeit sicher-
stellen und unsere Bundeswehr mithilfe einer leis-
tungsfähigen europäischen Rüstungsindustrie gut
und modern ausstatten. Ineffiziente Doppelstruktu-
ren unter EU-Mitgliedstaaten wollen wir zugunsten
gemeinsamer Entwicklung, Produktion und Beschaf-
fung von Rüstungsgütern abbauen. Dafür braucht es
finanzielle Anreize, gemeinsame Investitionen und
den politischen Willen, um nationale industriepoli-
tische Interessen in den Dienst von mehr gemein-
66BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
samer Sicherheit zu stellen. Ein bedarfsorientierter
europäischer Rüstungsmarkt und eine restriktive
gemeinsame Exportpolitik sind zwei Seiten einer
Medaille. Wir wollen klare, transparente und an
Menschenrechten, unseren Werten und Sicherheits-
interessen orientierte Kriterien für Rüstungsexporte
auf nationaler und europäischer Ebene gesetzlich
verankern – mit vorangehenden Risikoanalysen,
einklagbaren Sanktionsmöglichkeiten und Endver-
bleibskontrollen.
Für globalen Klimaschutz
Die Klimakrise ist eine der größten Sicherheitsrisi-
ken des 21. Jahrhunderts: Sie zerstört Lebensgrund-
lagen, verstärkt Konflikte und zwingt Menschen zur
Flucht. Es ist in unserem unmittelbaren Interesse,
die Klimakrise und ihre Folgen abzumildern.
Viele Staaten haben die Chancen ambitionierter
Klimapolitik erkannt: Die Energiewende und nach-
haltige Technologien stabilisieren nicht nur das
Klima, sie schaffen auch massive wirtschaftliche
Wachstumsmöglichkeiten. Mit konsequenter Kli-
mapolitik hierzulande und effektiver Klimaaußen-
politik machen wir Deutschland zum Vorreiter und
unterstützen gleichzeitig andere Staaten auf ihrem
Weg zu klimaneutralem Wohlstand.
Im Rahmen der Klimakonferenzen haben wir trotz
widrigster Umstände erfolgreich für eine Abkehr
von den fossilen Energien gestritten, die Energie-
wende beschleunigt und Klimagerechtigkeit ent-
schieden vorangetrieben. Wir haben gezeigt: Es
macht einen Unterschied, wenn Grüne am Verhand-
lungstisch sitzen. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Deutschland und
Europa ihren fairen Beitrag zur internationalen
Klimafinanzierung leisten, entsprechend der Be-
schlüsse der internationalen Klimakonferenz COP.
Dafür wollen wir innovative Finanzierungsinstru-
mente nutzen und gemeinsam mit unseren Part-
nern darauf hinwirken, dass Investitionen mit den
Zielen der Klimaneutralität und der Agenda 2030 in
Einklang gebracht werden. Im Sinne der Klimage-
rechtigkeit gilt besondere Unterstützung den vom
Klimawandel besonders betroffenen Staaten und
Gemeinschaften, gerade in Afrika und den kleinen
Inselentwicklungsstaaten. Wir unterstützen unsere
Partner zudem beim Schutz der Biodiversität.
Wir nutzen die Chancen einer ambitionierten Kli-
mapolitik auch für unsere Wirtschafts-, Finanz- und
Handelspolitik. Dabei setzen wir auf Instrumente
wie die Außenwirtschaftsförderung oder das dichte
Netz an Klima- und Energiepartnerschaften mit
mittlerweile über 30 Ländern im Globalen Norden
und Süden. Wir setzen uns dafür ein, dass in die-
sem Rahmen auch Technologiepartnerschaften mit
unseren Unternehmen geschlossen werden. Dazu
gehört, dass Know-how transferiert wird und lokale
Produktionskapazitäten aufgebaut werden, auch
um zu verhindern, dass durch andere Kräfte neue,
fatale Abhängigkeiten entstehen. Klimaaußenpolitik
kann auch Brücken zu Partnern bauen, die nicht alle
unsere Werte teilen.
Für robuste Partnerschaften und
internationale Gerechtigkeit
Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind
global. Wir gehen sie an durch internationale Part-
nerschaften in gegenseitigem Interesse: für Klima
und Biodiversität, für globale Gesundheit, für nach-
haltigen Wohlstand, für menschliche Sicherheit und
für Menschenrechte. Damit stellen wir nicht zuletzt
ein dringend benötigtes glaubhaftes Gegenangebot
zum Einfluss insbesondere Chinas und Russlands.
Wir stehen zu unserer historisch gewachsenen Ver-
antwortung für die ärmsten Länder und der Ver-
wirklichung sowie Weiterentwicklung der Agenda
2030 für nachhaltige Entwicklung. Es braucht
einen Endspurt und ambitionierte Folgeziele. Unser
Ansatz dafür ist feministisch und dekolonial. Wir
wollen eine eigenständige Entwicklungspolitik, die
strukturelle Ungerechtigkeiten abbaut und weltweit
gleichberechtigte Partnerschaften gestaltet.
Wir unterstützen Länder des Globalen Südens bei
ihrem Streben nach gerechter Repräsentanz in
internationalen Organisationen – nur so bleiben
multilaterale Foren zukunftsfähig. Reformen bei
den internationalen Finanzinstitutionen treiben wir
voran und gestalten Handelsabkommen fair und
nachhaltig. Wir setzen uns für solide Schuldenre-
strukturierungen und -erlasse für besonders belas-
67Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
tete Länder ein, um ihre Autonomie und Handlungs-
fähigkeit zu stärken. Daran arbeiten wir gemeinsam
mit Partnern in der EU, den G20 und G7, interna-
tionalen Organisationen, dem Privatsektor und der
Zivilgesellschaft.
Wir wollen das Recht auf Wasser und Nahrung
verwirklichen. Dafür fördern wir beispielsweise
agrarökologische Ansätze, schützen Landrechte
von Kleinbäuer*innen und unterstützen wirksame
Mechanismen gegen exzessive Finanzmarktspeku-
lationen mit Wasser, Land und Lebensmitteln. Die
Covid-19-Pandemie hat erneut gezeigt, dass Gesund-
heit globale und vorausschauende Zusammenarbeit
erfordert. In diesem Sinne wollen wir Partnerländer
im Aufbau ihrer Gesundheitssysteme unterstützen, die
Weltgesundheitsorganisation stärken und langfristige
Forschungs- und Entwicklungskooperation fördern.
Wir setzen uns dafür ein, dass Deutschland seine
internationalen Zusagen einhält und mindestens
die in der Organisation für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung (OECD) vereinbarte
Quote von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkom-
mens in Entwicklungszusammenarbeit investiert.
Darüber hinaus stellen wir zusätzliche Mittel für die
internationale Klima- und Biodiversitätsfinanzie-
rung bereit und setzen uns für ambitionierte neue
Finanzierungsziele für Klima und die Agenda 2030
ein. Um zur Deckung des massiven Investitionsbe-
darfs beizutragen, wollen wir auch den deutschen
Entwicklungsbanken einen verstärkten Zugang zum
Kapitalmarkt ermöglichen, insbesondere durch die
Erhöhung des Gewährleistungsrahmens des Bundes.
Wirkungsorientierung und Kohärenz sind der An-
spruch unseres gesamten internationalen Handelns.
68BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
NOTIZEN
69Entwurf zum Regierungsprogramm 2025
70BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
72BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
No Comments